Al Kaida Zelle vor Gericht: "Pure Fiktion"

Ralf Streck 14.05.2005 18:46 Themen: Weltweit
Seit zwei Wochen wird in der spanischen Hauptstadt Madrid ein Indizienprozess gegen Al Kaida geführt. Eines ihrer angeblichen Mitglieder ist der Reporter des arabischen TV-Senders Al Jazeera. Wir spracen mit dessen Anwalt José Luís Galan.
F: Um was geht es in dem Verfahren?

Den 24 Angeklagten wird vorgeworfen, sie hätten eine radikale islamistische Zelle mit einem terroristischen Charakter gebildet, die im Dienst von Al Kaida operiert haben soll. Sie hätte an direkt an der Durchführung der Anschläge des 11. September 2001 in New York mitgewirkt. Das geht auf Ermittlungen zurück, als etliche Personen lange Zeit abgehört wurden. Die wurden eingestellt, weil sich kein Hinweis auf kriminelle Handlungen ergab. Nach den Anschlägen wird der Vorgang reaktiviert. Gespräche die harmlos waren, haben nach Lesart des Ermittlungsrichters Baltasar Garzón plötzlich einen verbrecherischen Inhalt.

F: Angeklagt sind aber nicht nur diese 24?

Nein in Abwesenheit, wird auch gegen Osama Bin Laden und weitere 16 Personen verhandelt.

F: Warum wird der Prozess in Spanien geführt?

Prinzipiell ist das kein Problem, weil Terrorismus unter eine universelle Gerichtsbarkeit fällt, also auch hier verhandelt werden kann. Etwas anderes ist, ob reale Verbindungen mit Al Kaida bestehen.

F: Hätte man sie nicht an die USA ausliefern können?

Dort glaubt doch niemand ernsthaft an Verbindungen zu den Anschlägen. Es ist doch kurios, wenn die Untersuchungskommission zur Untersuchung der Anschläge als Ergebnis feststellt: Bis zu diesem Moment existieren keinerlei Verbindungen zwischen den in Spanien Verhafteten und den Anschlägen vom 11.9. Ich glaube, das verdeutlicht, dass es keinen Zusammenhang gibt und es sich um pure Entelechie handelt.

F: Warum wurde mit dem Prozess jetzt begonnen?

Bei den im November 2001 verhafteten läuft die Höchstzeit von vier Jahren Untersuchungshaft ab. Das Verfahren muss schnell durchgeführt werden, weshalb die Ermittlungen übereilt abgeschlossen und Rechte der Verteidigung ausgehöhlt wurden.

F: In welcher Form?

Besonders im Bereich der abgehörten Telefonate. In den Akten gibt es keine Genehmigung dafür, es finden sich nur Beschlüsse für die Verlängerung der Maßnahme. Die Bänder konnten nie von den Beschuldigten gehört werden. Kürzlich durften wir ein paar Ausschnitte hören. Das ist wie die Suche einer Nadel im Heuhaufen, weil die Kassetten nicht geordnet sind, war unmöglich die jeweilige zu finden. Den Inhalt kann man aber nur beurteilen, wenn man sich auch den Kontext anhört. Das interessiert die Verteidigung.

F: Lässt das spanische Recht illegal abgehörte Gespräche als Beweis zu?

Nein, denn Artikel 18 der Verfassung garantiert die Privatsphäre bei der Kommunikation.

F: Sie verteidigen den Reporter von Al Jazeera Taisir Aluni. Was wirft man ihm vor?

Auch er soll Mitglied dieser Terrorzelle sein und neun Jahre ins Gefängnis.

F: Welche Beweise hat man dafür vorgelegt?

Keine, das ganze wird mit Kontakten zu angeblichen Al Kaida Mitgliedern gerechtfertigt.

F: Die bestreitet er ja nicht, denn er ein Interview mit Bin Laden veröffentlicht, wozu man Kontakte knüpfen muss.

Seine journalistische Arbeit wird mit einer angeblich terroristischen Tätigkeit vermischt. Er hat versucht an Informationsquellen zu kommen, wie es jeder Journalist gemacht hätte.

F: Bedeutet seine Freilassung etwas? Nicht einmal eine Kaution wurde verlangt.

In der Theorie nicht, weil argumentiert wird, es bestehe keine Fluchtgefahr und er habe gesundheitliche Probleme. Alle gehen davon aus, dass auch die Richter gesehen haben, dass es keine Beweise gegen ihn gibt. Die Fluchtgefahr bestand nie und seine gesundheitliche Situation ist gleich und trotzdem war er im Gefängnis.

F: Wie bewerten Sie die Vorwürfe in anderen Fällen, für die ja bis zu 62.500 Jahre Haft gefordert werden?

Eigentlich beschränke ich mich auf die Situation meines Klienten. Ich kann sagen: Wenn es ein Netzwerk gab, und der eine oder andere ihm angehört hätte, dann war das niemals ein Terrornetzwerk und es hatte nichts mit Al Kaida zu tun. Die Verbindung zu den Anschlägen vom 11. September ist pure Fiktion. Wenn man die Urlaubsvideos eines Angeklagten von 1997 präsentiert, die jeder von uns von uns als Tourist aus den USA mitgebracht hätte und die als Vorbereitung der Anschläge von 2001 verkauft... Was soll man dazu sagen? Wenn das nicht tragisch wäre, wäre es komisch.

F: Der Angeklagte Beispiel Ramzi Binalshibh kann in Madrid nicht vernommen werden, weil ihn die USA an einem unbekannten Ort gefangen hält. Daran scheiterten schon Verfahren in Hamburg. Doch die Anklage basiert auf einem Treffen, das einige Angeklagte für Binalshibh und Mohammed Atta organisiert haben sollen?

Da hat die Staatsanwaltschaft ein Problem.

F: Handelt es sich um Größenwahn vom Baltasar Garzón? Im spanischen Staat existiert schon der Begriff „Garzonada“ für einen Fehlgriff. Der Ermittlungsrichter ist bekannt für großspurige Verfahren, die zunächst die Medien bestimmen, aber vor Gericht muss er oft hinnehmen, dass er für seine Thesen nicht einmal Indizien vorlegen konnte.

Danach sieht es jetzt aus.
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Ergänzungen