8. Prozesstag in GI: Weiter Gail auf Lügen?

pupsnasenbär 19.04.2005 19:36 Themen: Repression
Der achte Prozesstag war geprägt von der Beweisaufnahme zum Vorwurf des Hausfriedensbruchs – Hintergrund ist eine Transparentaufhängung während einer Stadtverordnetensitzung ( http://www.projektwerkstatt.de/27_3_03), bei der es um die erfundene Bombendrohung von Bürgermeister Haumann (CDU) ging. Dazu gehörte auch der Auftritt des Stadtverordnetenvorstehers Gail ( http://www.luegen-gail.de.vu), der im Vorfeld des Prozesses für einigen Wirbel gesorgt hatte: Ein Kapitel aus der Polizeidoku 2005 hatte ihn der Lüge im Zusammenhang mit der Stadtverordnetensitzung überführt – Gail selbst löste mit einer Pressekonferenz, auf der er KritikerInnen diffamierte, eine Debatte in Parlament und Lokalpresse aus. Am Abend nach der Verhandlung wurde im AK 44 eine Anti-Knast-Ausstellung eröffnet.
„Multimedialer“ Auftakt mit Tonband

Ein etwas rüstiger Kassettenrekorder war auf einem Tisch im Gerichtssaal platziert, als der achte Prozesstag im großen Berufungs-Verfahren gegen zwei Aktive aus dem Umfeld der Projektwerkstatt. Zu Beginn verkündete Richterin Brühl, dass die Gegenvorstellungen zum abgelehnten Befangenheitsantrag „keine andere Entscheidung rechtfertigen“ würde (Begründung und Gegenvorstellung unter  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/berufung2005_tag5antrag_befangenheit.html).

Als Auftakt zur Beweisaufnahme zum Vorwurf des Hausfriedensbruch während einer Stadtverordnetenversammlung. Auf diesem ist deutlich zu hören, dass es keinerlei Störungen der besagten Sitzung durch Rufe oder „Anmachen“ gab, wie es Stadtverordnetenvorsteher Gail während der Zeugenbefragung behauptete. Die erste, hörbare Störung ist die Ansprache von Gail an den Angeklagten B., durch welche eine kritische Rede zu Haumanns Bombendrohung unterbrochen wurde: Im Stadtverordnetensaal werden keine Plakate ausgerollt. „Ich darf Sie bitten, das Plakat einzurollen.“


„Lügen“-Gail im Zeugenstand

Gail: „Die neue Legislaturperiode hat es in sich.“

Neben der üblichen Belehrung wurde Herr Gail von der Vorsitzenden darüber informiert, dass er schweigen könne, wenn er sich sonst selbst belasten würde. Hintergrund ist ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen Gail, der in der ersten Instanz und gegenüber Presse und Stadtparlament die Lüge unterbreitet hatte, er sei im Vorfeld der Stadtverordnetensitzung nicht vorab über die Präsenz von Zivilpolizei informiert gewesen. Ein Aktenvermerk des Zivilpolizisten Urban, der an diesem Prozesstag verlesen wurde, hatte diese vorsätzliche Lüge aufgedeckt. Vor seiner Aussage erklärte Gail: „Es gab turbulentere Sitzungen als diese.“ Er habe auch nicht Tag und Nacht an diese Verhandlung gedacht. Zu dem Tatverlauf erzählte er folgende Story: Während der Rede eines PDS_Abgeordneten, der sich kritisch mit der von OB Haumann erfundenen Bombendrohung beschäftigte, habe er zunächst „Unruhe“ wahrgenommen. Es habe „Zwischenrufe“ und „Anmachen“ in Richtung der Stadtverordneten gegeben. Gleichzeitig sei ein „Plakat“ entrollt worden. Diese Störungen hätten ihr Zentrum „oben rechts“ auf der Zuschauertribüne gehabt. Dort habe B. und andere gesessen – „ob da zwei, drei oder vier“ waren, könne er nach dieser Zeit nicht mehr sagen. Er habe daraufhin den auf der Tribüne sitzenden B. aufgefordert, das „Plakat“ einzurollen. B. habe ihn dann gefragt, warum er ihn anspreche. Es habe eine Art „Wortwechsel“ zwischen ihnen gegeben. Gail sagte, dass er mindestens drei Mal aufgefordert habe, dass Transparent einzurollen und habe den Gebrauch des Hausrechts angedroht. Dann seien Flugblätter von der Tribüne gefallen: „In meiner Erinnerung flogen Flugblätter“ und „Auf jeden Fall wurden Flugblätter geworfen.“ Sein Büroleiter habe dann die Polizei (die Polizeistation Giessen-Nord ist direkt mit dem Stadthaus verbunden) informiert.

So richtig sicher, was die konkreten Abläufe anbelangt, wirkte Gail aber nicht – er sagte selbst dazu: „Die Reihenfolge könnte anders abgelaufen sein.“ Die Störung habe aber drei Elemente umfasst, Gail nannte „Rufe“, das „Plakat“ und Handzettel.“ Warum keiner dieser sogenannten Handzettel sicher gestellt wurde, weiß er nicht.

Auf die Frage, warum er B. angesprochen habe, antworte Gail: „Für mich war die Verbindung zwischen Plakat, dem Inhalt und Herrn B. so klar, dass ich mir darüber keine Gedanken machen musste.“ Zum Tonband gab er an, dieses sei erst in der Unterbrechung abgeschaltet worden – obwohl die angehörte Aufzeichnung vor der Unterbrechung offensichtliche Sprünge beinhaltet. Gail gab zu, dass die Anzeige die erste ihrer Art war, begründete dies damit, dass bisher seine Anordnungen immer befolgt wurden. Die Polizei habe ihn am Abend noch gefragt, ob er Anzeige erstatten wolle. Er habe diesen Vorgang an Herrn Metz vom Rechtsamt delegiert, der dann die Entscheidung getroffen hat, Anzeige wegen Hausfriedensbruch zu stellen. Metz habe gesagt:“ Natürlich müssen wir Strafanzeige stellen.“

Interessant wurde es, als Gail von den Angeklagten gefragt wurde, ob er vorab mit der Polizei, welche die „Störer“ aus dem Saal befördert hatte, Absprachen getroffen hätte. Gail verneinte dies. Er habe auch nichts davon gewusst, dass sich in der Station ein vorab für diesen Abend aufgestellte Polizeitruppe aufgehalten habe. Polizeipräsident Meise hatte gegenüber der Presse aber eine andere Darstellung präsentiert: „‚Im Vorfeld der Sitzung vor zwei Jahren gab es keine Informationen an Gail, dass Polizisten im Saal anwesend sein würden’, erklärte Meise gestern. Bekannt sei nur gewesen, dass sich auf der benachbarten Wache uniformierte Beamte bereit hielten.“ (Giessener Anzeiger, 03.03.05, S. 13) Hat Gail schon wieder gelogen? Vielleicht fiel es ihm selber auf – zumindest verweigerte er weitere Auskünfte in Bezug auf den Komplex „Was wussten Sie im Vorfeld vom Polizeieinsatz?“. Gail meinte wörtlich: „Von mir werden sie dazu hier keine Aussagen bekommen.“ Er habe einen Anwalt beauftragt, da gegen ihn ein Ermittlungsverfahren laufe.


Anträge und Pause

Da der nächste Zeuge erst auf 11h geladen war, . Seitens der Angeklagten wurden zuvor noch mehrere Anträge gestellt: Zum einen wurde ein Ortstermin für die Ereignisse rund um den CDU-Stand beantragt, da die Aussagen der Zeugen erheblich voneinander abweichen würden. Zudem wurde die Ladung von Polizist Hinkel beantragt – der Beamte, der nach zwei Jahren von POK Walter durch Herrn Dietermann „ersetzt“ wurde. Begründet wurde dieser Antrag mit dem Verdacht, dass Walter gezielt eine Personen nachbenannt habe, die seine Version(en) mitträgt. Die Anträge finden sich unter http//www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/berufung2005_tag8antrag_cdu.html. Berichte vom 6. und 7. Prozesstag, wo es um diesen Anklagepunkt ging, finden sich unter  http://www.de.indymedia.org/2005/04/111671.shtml und  http://de.indymedia.org/2005/04/111876.shtml). Außerdem brachte einer der Angeklagten eine Gegenvorstellung zum abgelehnten Antrag bezüglich der Kriminalitätsstatistik (der ursprüngliche Antrag, die Ablehnung und Gegenvorstellung: ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/berufung2005_tag2antrag_statistik.html). Staatsanwalt Vaupel lehnte den Ortstermin ab, hatte aber kein Problem mit der Hinkel-Ladung. Zur Gegenvorstellung äußerte er sich nicht.


Entlastungszeugen

Gails Vorgänger: „Bei der Gruppe würde ich genauso handeln. Da muss man hart durchgreifen.“

Nach der Pause wurden drei Entlastungszeugen gehört, die bei der Stadtverordnetensitzung anwesend waren. Der erste Zeuge war der Abgeordneter J., der für die PDS im Stadtparlament sitzt. Zu seiner Aussage: J. hielt gerade eine Rede zu Haumann’s Bombendrohung und gab an, von Gail unterbrochen worden zu sein. „Er hat gleich reingeredet.“ Zuvor habe es keinerlei Störungen oder Zwischenrufe gegeben. Es habe ein „Wortgeplänkel“ zwischen Gail und B. gegeben, bei dem es um ein Transparent ging, dass von der Zuschauertribüne hinunter hing und eine satirische Kritik an der Bombendrohung des CDU-Bürgermeisters vermittelte. Nach der besagten Sitzung habe er einige Mühen zur „Versöhnung“ unternommen und versucht, eine „runden Tisch“ zwischen Gail und Aktiven aus der Projektwerkstatt zu organisieren. Das habe Gail aber abgelehnt. Auch im Ältestenrat habe er den Punkt „mehrfach auf die Tagesordnung gebracht“.

Zur Frage nach den von Gail benannten „Handzetteln“, die in den Saal geworfen worden sein sollen, sagte der Zeuge J., dass es diese nicht gegeben hätte. Es könne sich um eine Verwechslung handeln: Bei der Dezember-Sitzung sei eine Person von einem zivilen Beamten, der sich als Staatsschutz-Chef Puff heraus stellte, angegangen worden, die während einer Pause Flugblätter in den Saal geworfen hatte. Dieser Beamte habe ein Hausverbot erteilt, doch „die Hausherren wollen nichts vom Hausverbot gewusst haben“.

Zum Grund der Anzeige gab J. an, er habe selber recherchiert und auch mit Gails Vorgänger geredet. In den letzten 20 Jahren sei so etwas nicht vorgekommen. Angesprochen auf die konkreten Vorgänge, die zur Anzeige gegen N. und B. führten, meinte Gails Vorgänger: „Bei der Gruppe würde ich genauso handeln. Da muss man hart durchgreifen.“

J. wurde außerdem zu den Vorgängen rund um den CDU-Stand befragt, wo dieser auch anwesend war. B. habe im Seltersweg, zwischen Drei Schwätzern und CDU, per Megaphon über die Razzia in der Projektwerkstatt informiert. Neben dem CDU-Stand hätten Polizeipräsident Meise und Innenminister Volker Bouffier (CDU) gestanden. „Es war eine ganz merkwürdige Situation.“ Beide hätten angesichts der Megaphonmitteilungen „bedröppelt gekuckt, es aber hingenommen“. Nach einer Pause von fünf Minuten habe B. erneut über das Megaphon geredet ... wieder habe es keine Reaktion gegeben. J. sagte dazu, dass der Eindruck entstand, dass diese Durchsagen erlaubt waren. Im Zuge der Protestaktion habe eine Gruppe ein Transparent gegenüber dem CDU-Stand ausgerollt. Allerdings sei dieses Transparent relativ schnell von der Polizei angegriffen und mit Gewalt weg genommen worden. Zum Zugriff auf B. sagte J. aus: „Urplötzlich“ hätten sich mehrere Beamte auf ihn „gestürzt“, es sei „überfallartig“ abgelaufen und die Beamten seien „eher von der Seite“ auf B. zu gekommen. Sein Gesamteindruck: „Es hat mich ein bisschen an Footballspiele erinnert.“ Staatsanwalt Vaupel hielt J. vor, dass der sich getreten fühlende POK Walter angegeben hatte, dass er B. mehrfach aufgefordert habe, das Megaphon heraus zu rücken. Dazu sagte J. mit ziemlicher Klarheit: „Dann hat er von einem anderen Vorfall berichtet.“

Nach J. wurden noch zwei weitere Entlastungszeugen gehört, danach war Mittagspause angesagt.


Einlassung zum Gülle-Schlag

Nach der Mittagspause folgte dann noch die Einlassung des Angeklagten B. zum Gülle-Schlag ... die Oberbürgermeisterkandidatin hatte B. bei einer „Spreng“-Aktion inmitten des Seltersweg „eine geballert“ ... B. und zwei weitere Aktive aus dem Umfeld der Projektwerkstatt waren daraufhin eingefahren worden. Und B. bekam eine Anzeige – wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung. Diese etwas überraschende Wende, dass nur das Opfer der Politikergewalt angeklagt wurde, erklärte sich der Angeklagte in seiner Einlassung mit dem Verfolgungswahn des Gießener Staatsschutzes. Akribisch hatte er dazu die Akten studiert und interessante Manipulationen entdeckt. Dass überhaupt eine zweite Person angezeigt wurde damals, ist wohl erst nachträglich geschehen. Die Seite sei eingefügt worden, wie die Seitennummerierung unten zeigte, während die oben durchlaufend sei. Auf einem Formblatt sei zudem für den zweiten Namen ein anderer Stift verwendet worden – auch das ein Hinweis, dass selbiges erst später verändert wurde. Das brachte der Angeklagte B. in Zusammenhang damit, dass der Staatsschutz die Bilder vom Schlag der Grünen Kandidatin Gülle verschwinden ließ, wie Staatsschützer Schmidt in der ersten Instanz bestätigte (angeblich sollen sie nichts geworden sein ...). „Ich will das nicht als bewiesen darstellen, aber der Verdacht drängt sich auf, dass hier ein Deal geschehen ist. Der Staatsschützer Schmidt wollte mich kriminalisieren und hat Frau Gülle zur Anzeige gedrängt. Das hat sie in der ersten Instanz selbst gesagt. Im Gegenzug hat der Staatsschützer belastendes Material gegen Frau Gülle verschwinden lassen“, formulierte der Angeklagte erneute scharfe Angriffe gegen die Gießener Polizei. Dabei blieb es nicht. Er nahm Aussage für Aussage des Staatsschützers und auch von der Grünen Gülle selbst auseinander und widerlegte sie vor allem anhand der vorliegenden Fotos. Er selbst hätte nichts anderes gemacht als das Plakat der Grünen aus einer Gießkanne mit Wasser zu besprengen und dabei „Herrschaft sprengen“ zu rufen. Die schon vor dem Tag äußerst nervöse Gülle sei dann schnurstracks gekommen und hätte ihm eine geballert. Die anwesende Polizei nahm daraufhin – welch Zufall – drei anwesende Personen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt fest. Kritisch beleuchtete der Angeklagte auch das erstinstanzliche Urteil. Kopfschütteln bis Gelächter rief die zitierte Passage hervor, warum Frau Gülle besonders glaubwürdig und daher eine Beleidigung ihr gegenüber bewiesen sein soll: „Die Zeugin räumte selbst ein, den Angeklagten geohrfeigt zu haben. Für eine solch extreme Reaktion muß es Gründe gegeben haben; für Oberbürgermeisterkandidaten macht es sich schließlich schlecht, wenn sie bei Wahlkampfveranstaltungen grundlos Passanten prügeln. Schließlich wollen sie gewählt werden.“
Zu all diesen Fragen und viel mehr Verwicklungen, Erfindungen und anderen Alltagshandlungen Gießener Polizei wird es beim nächsten Prozesstermin also gehen. Dort werden die ZeugInnen zu diesem Vorfall vernommen: Gülle selbst, dann der Staatsschützer Schmidt, ein weiterer Polizist und PassantInnen/DemonstrantInnen, die den Vorfall beobachtet hatten. Wer noch mal den Bericht von damals lesen will, ist unter  http://www.de.indymedia.org/2003/08/60237.shtml.


Artikel aus dem Giessener Anzeiger vom 19.04.05

Stadt Gießen 19.04.2005 Gail sagte nichts über Zivilpolizisten
Achter Verhandlungstag im Prozess gegen zwei Politaktivisten

GIESSEN (hh). Die Formulierung soll eindeutig gewesen sein. Wenngleich sich die junge Frau nicht mehr exakt an die Worte erinnern konnte. "Herr Bergstedt, wenn Sie den kleinsten Mucks von sich geben, werden Sie festgenommen", soll der Zivilpolizist gesagt haben. Oder womöglich habe er auch angedroht, dass der bekennende "Berufsrevolutionär" von der Tribüne des Sitzungssaals der Stadtverordnetenversammlung "rausgeschmissen" werde. Das sei nämlich bereits mit dem Stadtverordnetenvorsteher abgesprochen worden. Und genau das ist am Abend des 27. März 2003 dann offenkundig auch in die Tat umgesetzt worden. Wenngleich der 40-Jährige gar keinen Mucks von sich gegeben haben will. Zumindest nicht bevor Stadtverordnetenvorsteher Dieter Gail ihn direkt angesprochen hat. "Es wurde ein Plakat entrollt", schilderte Gail vor dem Landgericht. "Und ich habe Herrn Bergstedt gesagt, er soll es zusammenrollen oder den Saal verlassen." Der 40-Jährige aber will das Transparent gar nicht an der Tribüne angebracht haben. Deshalb hatte er augenscheinlich erstaunt zurückgefragt, warum der Stadtverordnetenvorsteher gerade ihn anspreche. "Weil ich ihn namentlich kannte", begründete Gail. Denn gesehen hatte der Politiker nicht, wer das Plakat ausgerollt hat. Gleichwohl hatte er den Angeklagten "mindestens drei Mal aufgefordert." Dann seien auch noch Handzettel von der Tribüne in den Plenarsaal geworfen worden. (Wenngleich der PDS-Abgeordnete Michael Janitzki versicherte: "Flugblätter hat es nicht gegeben.") Der Rest ist schnell erzählt: Die Sitzung wurde unterbrochen, die Polizei verständigt und Bergstedt und eine andere Person aus dem Saal "geführt", "gezerrt" oder "ziemlich brutal die Treppe runtergeschleppt". In diesem Punkt nämlich lagen die Beschreibungen der Zeugen weit auseinander. Fest aber steht, dass gegen Bergstedt Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet worden war. Und deshalb sowie wegen zwei Fällen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung, Beleidigung sowie Sachbeschädigung in acht Fällen war er vom Amtsgericht im Dezember 2003 zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Dagegen hatte er ebenso Berufung eingelegt wie sein Mitangeklagter, gegen den wegen Sachbeschädigung in neun Fällen und Hausfriedensbruch eine Geldstrafe von 1000 Euro verhängt worden war. Doch weniger die auf dem Transparent verbreitete Kunde, dass "Bombendrohungen" und "vieles mehr" gar "gut und günstig" im "Bürgermeisterzimmer" im Angebot seien, hatte für Aufsehen gesorgt. Sondern vielmehr die Aussage von Gail im ersten Prozess, dass ihm die Anwesenheit von Zivilbeamten im Sitzungssaal an jenem Abend nicht bekannt gewesen sei. Einer der Beamten hatte nämlich in einem Vermerk genau das Gegenteil niedergeschrieben. Deshalb wird nun gegen den Politiker wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage ermittelt. Und genau deshalb machte Gail zu diesem Punkt keine Angaben. Musste er angesichts der Ermittlungen auch nicht. Zu erfahren aber war, dass ihm die Staatsanwaltschaft am 25. März eine dreiwöchige Frist zur Stellungsnahme eingeräumt hatte.

Für Überraschung sorgte gestern zudem der Tonbandmittschnitt jener Stadtverordnetenversammlung. Das Rechtsamt nämlich hatte der Polizei die Auskunft erteilt, es gebe keinen Mitschnitt. Gail hingegen hatte im ersten Prozess und auch später immer wieder betont, dass jede Sitzung aufgezeichnet werde. Und plötzlich wusste das auch das Rechtsamt. Genaue Angaben dazu waren bei der Stadt gestern nicht zu erfahren. Sehr aufschlussreich aber war das Band ohnehin nicht, da es in der Sitzungsunterbrechung nicht mitlief. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.
Quelle:  http://www.giessener-anzeiger.de/sixcms/detail.php?id=1700361&template_id=2634&_adtag=localnews&_zeitungstitel=1133842&_dpa=


Der Abend: Anti-Psychiatrie und Knast-Ausstellung

Nach einer Pause mit Essenkochen und Mampf, einem Kurzbesuch der Montagsdemo (oh je, bis auf wenig Interesse an Kontakt bis zu Einzelmeinung mit Kritik an Anti-Psychiatrie-Veranstaltung ... man bräuche mehr Knäste und Klapsen ... war da nix los) und manch Auswertungsgespräch gab es um 20 Uhr eine Veranstaltung mit Kritik an Zwangspsychiatrisierung und Normierung in der Gesellschaft. Es waren knapp 20 Personen gekommen, die rege, aber manchmal mit Dominanzgehabe miteinander diskutierten. Zwei Menschen aus Berlin von der Gruppe „Irrenoffensive“ ( http://www.irrenoffensive.de) waren gekommen.
Vorher war in den Räumen des AK 44 (Alter Wetzlarer Weg 44) eine Ausstellung mit Texten zu Knästen, aus Knästen und mit Kritik an Strafe, Justiz und dem Knastregime aufgebaut worden. Die ist bis zum Wochenende zu den Öffnungszeiten des Infoladens anzugucken ... also an den meisten Abenden ( http://www.ak44.de.vu).


Die nächsten Termine

- Donnerstag, 21. April, 8.30 Uhr: Party, Malen und mehr vor dem Landgerichtseingang
9 Uhr: 9. Prozess-Tag: Faustschlag der Grünen Oberbürgermeisterkandidatin. Ort: Landgericht Gießen, Ostanlage, Raum E 15 (Erdgeschoss). Geladene ZeugInnen und geplante Themen: 9 Uhr: Staatsschützerin Mutz (noch zum vorherigen Thema Stadtverordnetenversammlung, siehe 18.4.)
10 Uhr: Grüne Ex-Oberbürgermeister-Kandidatin Gülle, die einen der Angeklagten in der FußgängerInnenzone ins Gesicht schlug und dabei seine Brille zerstörte. Gülle wurde nie angeklagt, aber der Geschlagene wegen Beleidigung ... er soll Trinkwasser aus einer Gießkanne auf ein draußen stehendes Wahlplakat gegossen haben. 10.30 Uhr: Polizist Weber zum gleichen Thema. 11 Uhr: Staatsschützer Schmidt zum gleichen Thema. Der hatte in der ersten Instanz unglaubliche Stories über den Ablauf erzählt und hat zudem alle Bilder, die die Phase des Faustschlags von Gülle zeigen, vernichtet oder zumindest aus den Akten genommen (hat er selbst zugegeben). Die Anzeige gegen ihn wegen Meineids und Beweismittelfälschung wurde vom Staatsanwalt eingestellt ... ab 11.30 Uhr: ZeugInnen, die von den Angeklagten benannt wurden. Mehr zur Aktion damals:  http://www.de.indymedia.org/2003/08/60237.shtml
- Anschl.: Kochen und Klönen im Infoladen/AK 44 (Alter Wetzlarer Weg 44).
- 20 Uhr: Lesungen von Gedichten und Geschichten aus und über den Knast im Infoladen/AK 44 (da hängt auch die Ausstellung!)
- Samstag, 23. April, 12-20 Uhr: WiderstandsWerkstatt (fällt aus!!!).
- ab Montag, 25. April, bis auf weiteres Mo und Do je 8.30 Uhr: Party, Malen und mehr vor dem Landgerichtseingang. 9 Uhr: Beginn der weiteren Prozesstermine. Ort: Landgericht Gießen, Ostanlage, Raum E 15 (Erdgeschoss). Mögliche weitere Termine, falls es zu Verzögerungen, weiteren Beweiserhebungen usw. kommt, außerdem für Plädoyers und Urteilsverkündung (dafür könnte nach der Zeitlogik frühestens dieser 25.4. in Frage kommen - es sei denn, bei einzelnen Anklagepunkten kommt es vorher zu Einstellungen u.ä.).
- Samstag, 30. April, ab 16 Uhr: Feiern, Umsonstladen und mehr in Saasen. Ort: Projektwerkstatt in Saasen (Ludwigstr. 11).
Das soll ein relaxter Tag werden mit Diskussionen über all das Gewesene, Ausblicken, Feiern, Essen kochen - und der nötigen Bewachung des Hauses. Denn erst durch die regelmäßige Anwesenheit vieler Menschen konnte eine dramatische und leider in Medien verschwiegene Tradition in Saasen gebrochen werden, die 2001 mit einem großen, bewaffneten Angriff eines sozialrassistischen Mobs auf die Projektwerkstatt ihren Höhepunkt fand. Anfahrt per Rad und Zug gut möglich von Gießen und anderen Orten aus. Nähere Beschreibung unter www.projektwerkstatt.de/saasen.


Kontaktadresse zu den Angeklagten, für weitere Infos, auch für MedienvertreterInnen:
Projektwerkstatt, Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen
Tel. 06401/90328-3, Fax –5,  saasen@projektwerkstatt.de
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Ergänzungen

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