BVV in Zehlendorf/ Kundgebung

waren dabei 18.03.2005 17:17 Themen: Antifa
Am Mittwoch, den 16.03. fand vor der BVV- Sitzung in Steglitz/Zehlendorf (Berlin) eine Kundgebung statt, zu der verschiedene Gruppen aufgerufen hatten um den Geschichtsrevisionismus der CDU und FDP- Fraktionen öffentlich als solchen zu bezeichnen und dagegen zu protestieren.
Dem vorausgegangen war die Debatte um die Art, Weise und den Inhalt des Gedenkens zum 8. Mai, über die auch hier schon ausführlicher berichtet worden ist und den Eklat um den CDU – Abgeordneten Hippe, der die Gemeinsamkeit seiner FraktionsfreundInnen zur NPD durchaus zugab und meinte, das könne man nicht ändern. Auf der BVV- Sitzung nach der Kundgebung sollte über den neuen Kompromiss- Vorschlag diskutiert und abgestimmt werden, zudem gibt es einen Antrag, den Bürgermeister (CDU) abzuwählen, was auf Grund der Mehrheitsverhältnisse aber kaum möglich sein wird.
An der Kundgebung nahmen, laut Presse so um die 150 Leute teil, wir hätten es auf eher 100 geschätzt, aber ok, von denen der Großteil Menschen mittleren und fortgeschrittenen Alters aus den beiden Bezirken waren. Die radikalere und radikale Linke war eher in Kleingruppen mit jeweils eigenem Transparent vor Ort und zog den Altersdurchschnitt deutlich nach unten, wozu sich schon anmerken lässt, dass es schade war, dass maximal 30 Menschen aus diesem Spektrum in dem Bezirk zu sehen waren, der momentan in Berlin Paradebeispiel für die Geschichtsumdeutungsversuche und Opfermythen der deutschen Politik ist.
Die Kundgebung an sich war somit vor allem von etablierteren und lokalen linken Initiativen getragen, deren Redebeiträge durch die Bank gut waren und keinen Hehl daraus machten, dass wenn überhaupt irgendwelchen deutschen Opfern zu gedenken sei, dann den kommunistischen, linken und ‚zivilen’ KämpferInnen gegen den Faschismus, die von den Nazis gefoltert und/oder ermordet und deren Überlebende von den Alliierten befreit worden sind. Es wurde mehrmals darauf verwiesen, dass die deutsche Bevölkerung nicht Willens und in der Lage war, den Faschismus zu beenden und dass es somit auch keine Frage sein kann, dass es allein den Alliierten zu verdanken ist, dass ein Tag wie der „Tag der Befreiung“ überhaupt gefeiert werden kann. Überraschend wenig wurde über das Ansehen des Bezirkes geredet, was aber auch daran liegen kann, dass keine ParteienvertreterInnen reden durften, auch wenn die lokalen VertreterInnen mit aufgerufen hatten.
Am Rande der Kundgebung kam es immer wieder zu verbalen Pöbeleien durch PassantInnen, die sich im eigenen ‚Opferstatus’ angegriffen fühlten und rundum allen, die an der Kundgebung teilnahmen ein „einseitiges Geschichtsverständnis“ vorwarfen, was wiederum die Notwendigkeit dieser Kundgebung bestätigte.
Nach gut einer Stunde wurde die Kundgebung beendet und die BVV- Sitzung begann. Die erste Stunde zeichnete sich durch vollbesetzte ZuschauerInnenbänke aus, wobei das Verhältnis Pro/Contra CDU/FDP ungefähr Hälfte/Hälfte war und sich aber alle gleichermaßen durch die unglaublich langweilige Lokalpolitik quälen mussten, deren emotionaler Höhepunkt die Frage einer Busspur in der Schlossstraße war (gähn!). Als es endlich zur Frage eines neuen Beschlusses kam, fing der Fraktionschef der CDU Norbert Kopp dafür um so stimmungsvoller mit einem Eklat an, in dem er herausposaunte, es käme der CDU nicht auf Formulierungen sondern auf Inhalte an und die Inhalte der CDU seien auch im neuen Entwurf noch dieselben. Das führte dann dazu, dass der SPD Mann Kugler drohte, wenn es dafür keine Entschuldigung gäbe, könne der neue Beschluss auch nicht akzeptiert werden, wobei für uns letztlich unklar bleibt, wie man sich dafür entschuldigen soll, dass man immer noch dieselbe Scheiße denkt und was eine Entschuldigung eigentlich daran besser macht, dass die CDU meint, auch der neue Antrag würde „allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft gleich gedenken“. Produkt dieses etwas unverständlichen politischen Diskurses war dann eine Kaffeepause zum Fraktionsklüngeln, die wir genutzt haben, um etwas Sinnvolleres mit unserer Zeit anzufangen, deshalb zum Abstimmungsergebnis nur die Zeitungsmeldungen = der Antrag kam dann einstimmig durch.
Interessant am Rande war die Erinnerung der Grünen Franke-Dressler, dass der ursprüngliche Änderungsantrag, der Stein des Anstoßes ist, von der FDP eingebracht wurde. Daher muss es insbesondere um so absurder erscheinen, dass die FDP, vertreten durch Herrn Ehrhardt, sich ordentlich hinter der CDU und Hippe versteckte, in dem sie sich selbst als absolut betroffen hinstellten und die Formulierungen ihres eigenen Antrages als „sehr schlecht“ bezeichneten, ohne darauf einzugehen, wessen Formulierungen das denn nun waren.
Das Publikum fiel immer wieder durch Unmuts- und Protestbekundungen auf, von Seiten der KritikerInnen dieser BVV, was der Vorsitzende sich wiederholt verbat und sogar eine Zwangspause androhte, die dann aber sowieso kam. Insgesamt ein ziemliches Theater, aber eine gute Kundgebung – die nächste BVV tagt am 20. April (wirklich!) und dort soll über den Abwahlantrag des Bürgermeisters abgestimmt werden, was sicherlich Anlass zu noch mehr unglaublichen Äußerungen bieten wird.
Fahrt nach Zehlendorf, es lohnt sich!

AufruferInnen waren:
Initiative KZ-Außenlager Lichterfelde e. V., Initiative Haus Wolfenstein e. V. Jüdische Gemeinde zu Berlin Betergemeinschaft Sukkat Schalom, Hüttenweg e. V., VVN-VdA e. V. Berlin-Südwest, DGB Region Berlin, ver.di Ortsverein Berlin Südwest, GEW Steglitz-Zehlendorf, IG Metall Verwaltungsstelle Berlin, IG Metall Bezirksleitung Berlin, Brandenburg, Sachsen, SPD Kreis Steglitz-Zehlendorf, PDS Steglitz-Zehlendorf, Bündnis 90 / Die Grünen Kreis Steglitz-Zehlendorf, Sozialistische Jugend "Die Falken" Steglitz-Zehlendorf , Verein zur Förderung der politischen Bildung e. V.

zur ersten Sitzung:
 http://de.indymedia.org/2005/02/107168.shtml

zu Hippe:
 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2005/0223/lokales/0048/

ähnlich auch die Potsdamer CDU:
 http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10453367/62249/

zum jetzigen Beschluss:
 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/431398.html

ausführliche Linksammlung auf Indymedia:
 http://de.indymedia.org/2005/03/109401.shtml
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Ergänzungen

Weitere Fotos

... 18.03.2005 - 19:29

Berliner Zeitung + Berliner Morgenpost

Pressespiegel 19.03.2005 - 08:45
BVV-Fraktionen einigen sich auf Antrag zum 8. Mai
Steglitz-Zehlendorf
Von Katrin Lange
Der wochenlange Parteienstreit in Steglitz-Zehlendorf um ein angemessenes Gedenken an das Kriegsende vor 60 Jahren ist beigelegt.
Die Bezirksverordneten verabschiedeten gestern einstimmig einen neu formulierten Beschluß zum Gedenken an den 8. Mai.
Dieser wird den alten, heftig umstrittenen Antragstext ersetzen.
Nach Kritik von SPD und Grünen, aber auch von der Jüdischen Gemeinde haben CDU und FDP auf eine Gleichsetzung der Naziopfer mit den deutschen Opfern von Bombenkrieg und Vertreibung verzichtet.
Obwohl die Zustimmung der Bezirksverordneten als sicher galt, weil sich alle vier Fraktionsvorsitzenden vorab auf den neuen Text geeinigt hatten, wäre die Abstimmung um ein Haar gescheitert.
Für Irritationen sorgte CDU-Fraktionsvorsitzender Norbert Kopp, als er betonte, er habe sich von Formulierungen, aber nicht von Inhalten verabschiedet.
Er bleibe dabei, daß am 8. Mai aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht werden dürfe.
SPD-Chef Klaus Kugler drohte daraufhin an, den Antrag nicht mehr mitzutragen, sollte er diese Worte nicht zurücknehmen.
Kopp korrigierte sich und betonte, daß er hinter dem Antrag stehe.
Nach einer Sitzungspause wurde der neue Text angenommen.
In einer sachlichen Debatte ging es anschließend um den Abwahlantrag von Rot-Grün gegen Bezirksbürgermeister Herbert Weber (CDU).
Beide Fraktionen werfen dem CDU-Politiker vor, daß er den ersten Beschluß zum 8. Mai vehement verteidigt und seinen Gegnern "Geschichtsklitterung" unterstellt habe. Weber habe sie als "Tugenddemokraten, die zur Faschismuskeule griffen" verunglimpft.
Der Bürgermeister habe sich bis heute nicht für sein Verhalten entschuldigt und Parteien- vor Bezirksinteresse gestellt, so Irma Franke-Dressler (Grüne).
Abgestimmt werden kann über den Antrag erst in der Sitzung am 20. April. Die Ablehnung gilt als sicher, da SPD und Grüne nicht über die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit verfügen.
Kopp: "Weber besitzt das volle Vertrauen der CDU-Fraktion."
 http://morgenpost.berlin1.de/ausgabe/2005/03/17/bezirke/741764.html

Donnerstag, 17. März 2005
Bezirksparlament beschließt neuen Text zum 8. Mai
SPD und Grüne fordern Abwahl von Bürgermeister Weber
Claudia Fuchs
STEGLITZ-ZEHLENDORF. Der umstrittene Mehrheitsbeschluss von CDU und FDP in Steglitz-Zehlendorf, anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus auch der deutschen Opfer der Roten Armee zu gedenken, ist am Mittwochabend einstimmig im Bezirksparlament ersetzt worden.
In dem neuen Text, auf den sich Jüdische Gemeinde und CDU vor zwölf Tagen geeinigt hatten, wird der 8. Mai als "Tag der Befreiung" und Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bezeichnet.
Gleichwohl hätten mit diesem Tag nicht für alle Völker die kriegsbedingten Leiden ein Ende gehabt.
Wörtlich heißt es: "Es darf aber nie vergessen werden, dass die Ursache für das millionenfache Leid in der nationalsozialistischen Terrorherrschaft begründet ist."

Während der Debatte hatte CDU-Fraktionschef Norbert Kopp für Irritationen gesorgt mit der Aussage: "Wir hängen nicht an Formulierungen, sondern an Überzeugungen."
Sowohl SPD als auch Grüne erklärten, unter diesen Bedingungen nicht für den neuen Antrag stimmen zu wollen.
Als Reaktion nannte Kopp den Antrag einen "guten Konsens" und erklärt, er setze "die richtigen Schwerpunkte".
In erster Lesung beraten wurde auch ein Abwahlantrag gegen Bürgermeister Herbert Weber (CDU), der den ersten Beschluss lange verteidigt hatte. Während die CDU den Abwahlantrag einen "politischen Reflex" nannte, sagte Grünen-Fraktionschefin Irmgard Franke-Dressler: "Webers Äußerungen haben das Ansehen des Bezirks beschädigt."
Abgestimmt über Webers Abwahl wird auf der nächsten Sitzung am 20. April. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass er gehen muss: Für eine Abwahl ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, diese ist ohne Stimmen der CDU nicht zu erreichen.
Vor der Sitzung des Bezirksparlaments demonstrierten 150 Personen am Rathaus Zehlendorf gegen den alten Beschluss zum 8. Mai.
Aufgerufen hatten unter anderem die Initiative Haus Wolfenstein, Jüdische Gemeinde, DGB, SPD, Grüne und PDS. (cls.)
 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/431398.html

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uups — schreiberInnen

tolles transpi — nörgler