Verurteilung wegen Antifa-Flugblatt in Stgt.

herr bartels 03.03.2005 19:26 Themen: Antifa Repression
Am heutigen Donnerstag, dem 03.03.05 wurde vor dem Amtsgericht Stuttgart ein Antifaschist zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten auf 2 Jahre Bewährung verurteilt. Ausserdem soll er 80 Arbeitsstunden ableisten. Ihm wurde vorgeworfen, im September letzten Jahres ein Flugblatt gegen einen Nazi-Aufmarsch in Schwäbisch Hall verteilt zu haben. Mit der Verteilung dieses Flugblattes sah das Gericht den Straftatbestand „Aufrufen zu Straftaten“ erfüllt.
Die etwa 60 Plätze im Gerichtssaal reichten nicht aus um allen Interessierten Platz zu bieten. Das Gericht sah es jedoch nicht als notwendig an, für die weiteren 20 Interessierten Platz zu schaffen, sondern ließ stattdessen die freien Plätze ausschließlich von Beamten des Staatschutzes der Kripo und Justizangestellten besetzen. Für Unmut sorgte auch, dass sämtliche ProzessbesucherInnen sich schikanösen Körper-Kontrollen unterziehen mussten. Ausserdem fand eine ständige Beobachtung von Zivilbeamten des Staatschutzes statt.

Das Plädoyer der Staatsanwältin, die den Angeklagten selbst dem „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ beschuldigte sorgte auch bei einer anwesenden Schulklasse für Unverständnis und Gelächter.
Letztlich widersprach die Richterin zwar der Staatsanwaltschaft in diesem Punkt, folgte ihr aber bei der Höhe der Strafe und beim Vorwurf „des Aufrufens zu Straftaten“ fast komplett.

Die Verurteilung sorgte für Empörung bei den Anwesenden. Im Anschluss an den Prozess formierte sich daher spontan noch im Gerichtsgebäude eine Demonstration, an der sich etwa 40 Menschen beteiligten. Die Demonstration lief, von Anfang an von der Polizei begleitet in die Stuttgarter Innenstadt. Dort nahm die Polizei, trotz friedlichem Verlauf der Demo mehrere Menschen in Gewahrsam und wendete dabei teilweise erhebliche Gewalt an.


Eine Sprecherin der Bunten Hilfe Stuttgart:
„Nachdem das Verfahren sich in die Kette staatlicher Kriminalisierungsversuche gegen aktive Linke und AntifaschistInnen einreiht, wird dieses Vorgehen mit den Festnahmen mehrerer DemoteilnehmerInnen im Anschluss noch weiter fortgesetzt.
Es war wichtig, dass so viele Menschen ihre Solidarität mit dem Angeklagten bekundeten und zeigten, dass eine politische Verurteilung nicht ohne Öffentlichkeit über die Bühne geht. Auch bei den nächsten Prozessen werden wir dafür sorgen, dass die Kriminalisierungsversuche bekannt gemacht werden. Das Eintreten gegen den Faschismus und für eine befreite Gesellschaft ist und bleibt notwendig und legitim, daran werden die Einschüchterungsversuche des Staates nichts ändern.“
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Ergänzungen

Herr Bartels

eeak! 03.03.2005 - 22:38
...war nebenbei der Name, den der Staatsschutzbulle angegeben hat.
Also der Bulle, der offen zugegeben hat, dass in Stuttgart DNA-Spuren von linken Plakaten untersucht werden, dass Demos generell überwacht werden usw.

eeak!

für die kritischen leser :)

schnurz 03.03.2005 - 23:01
Vor einiger Zeit gab es hier schon einen Bericht zu dem Fall, mit Infos weshalb die Staatsanwalt eine Straftat zu erkennen glaubt

 http://de.indymedia.org/2005/03/108237.shtml

URTEIL GEGEN ANTIFASCHISTEN IN STUTTGART

Revolutionäre Aktion 05.03.2005 - 22:33
Am vergangenen Donnerstag, dem 03.03.05 wurde ein Antifaschist vor dem Amtsgericht in Stuttgart zu einer 3monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe wurde unter Auflagen, u.a. der Ableistung von 80 Arbeitsstunden, zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht sah mit der Verteilung des Flugblattes, dass zum Widerstand gegen einen Nazi-Aufmarsch in Schwäbisch Hall im September 2004 aufrief, den Straftatbestand „Aufruf zu Straftaten“ erfüllt. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft den Angeklagten auch wegen „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ zu verurteilen, folgte das Gericht nicht. Es blieb mit der verhängten Strafe dennoch nur knapp unter den 4 Monaten, die die Staatsanwältin forderte.

Noch am Tag vor dem Prozess erließ die Richterin eine Verfügung, die Personenkontrollen bei allen TeilnehmerInnen des Prozesses anordnete. Die etwa 50 BesucherInnen und sogar eine anwesende Schulklasse sahen sich folglich mit schikanösen und minutenlangen Eingangskontrollen und der Beobachtung durch Beamte des Staatschutzes konfrontiert. Auch konnten zahlreiche BesucherInnen nicht am Prozess teilnehmen, da der Saal schnell überfüllt war und die Richterin es nicht zuließ, dass noch weitere Stühle in den Saal gebracht wurden.

Der Prozess an sich verlief wie erwartet, wenngleich die Aussagen des Staatschützers Christian Bartels, auf dessen Aussagen hin die Ermittlungen aufgenommen wurden, teilweise für Erheiterung beim Publikum sorgten. Er war es nämlich, der den Angeklagten mit einem Fernglas beobachtet haben will, wie dieser die kriminalisierten Flugblätter verteilte. Da „ihm der Angeklagte bekannt ist“, hielt er es damals noch nicht einmal für nötig dessen Personalien aufzunehmen. Stattdessen führte er wenige Tage später aufgrund seiner Beobachtung zusammen mit knapp einem Dutzend weiterer Polizisten eine Hausdurchsuchung bei dem Betroffenen durch.

Die Staatsanwältin entschärfte ihre Anklage in ihren Formulierungen weitgehend, offensichtlich um der Verteidigung möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. So ließ sie sich zunächst minutenlang darüber aus, wie lobenswert antifaschistisches Engagement doch sei und dass sie dem von ihr kriminalisierten Flugblatt, dass vor Gericht komplett verlesen wurde, doch einiges abgewinnen könne. Da mit den Formulierungen im Flugblatt aber leider die Grenze des Legalen überschritten wurde, bliebe ihr quasi nichts anderes übrig, als eine Verurteilung des Angeklagten wegen „Aufrufen zu Straftaten“ zu fordern.
Besonders perfide argumentierte sie, als es um die „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ ging. Ihre Argumentation in diesem Punkt beschränkte sie auf folgendes: Der Gesetzgeber verfolge mit dem Paragraphen auch das Ziel, zu verhindern dass „ein Reisebus mit jüdischen Menschen zuerst genau hinsehen muss, um zu erkennen, dass es sich bei Veröffentlichungen mit abgebildeten Hakenkreuzen um antifaschistische Mobilisierungen handelt“. Laut ihrer Argumentation gehe aus den Flugblättern nicht auf den ersten Blick hervor, dass sie sich gegen und nicht für den Faschismus aussprechen.

Tatsächlich sind auf den Flugblättern die Hakenkreuze, die natürlich auch nicht vollständig abgebildet sind sondern symbolisch zerschlagen werden, auf den ersten Blick überhaupt nicht zu erkennen. Dies wolle der Angeklagte dem anwesenden Publikum später vor Gericht auch zeigen, indem er das Flugblatt an das Publikum reichen wollte. Dies wurde ihm von der Richterin aber unter Strafandrohung untersagt.

Der Anwalt des Angeklagten forderte dessen Freispruch und betonte, dass die Ermittlungen und die geforderte Verurteilung wie auch bei zahlreichen anderen Fällen in den letzten Monaten in Stuttgart, eindeutig politisch motiviert sind. Er zeigte auf, dass überhaupt keine Straftat vorliegt und weder ein Aufruf zur Verhinderung eines Nazi-Aufmarsches, noch die Abbildung von Vermummten noch die Abbildung von Nazis einen Straftatbestand darstellen. Wenn in diesem Zusammenhang eine Übertretung bürgerlicher Gesetze stattfand, dann wären diese von den Organisatoren der Nazi-Demonstration ausgegangen, die nach geltenden Gesetzen hätte verboten werden müssen. Dass der Staat nun AntifaschistInnen kriminalisiert, die gegen diesen Aufmarsch protestierten, sei vor allem heutzutage, wo von allen Seiten die Gefahr der Faschisten betont wird, nicht hinzunehmen.

Die Richterin sah letztlich keine Möglichkeit den Angeklagten wegen der „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ zu verurteilen, wenngleich sie dies eigentlich vorhatte, wie sie betonte. Dennoch schenkte sie dem Staatschutzbullen Glauben und verurteilte den Angeklagten wegen der Verteilung des Flugblattes zu 3 Monaten Gefängnis auf Bewährung. Letztlich deshalb, weil auf dem Flugblatt zwei vermummte Frauen abgebildet sind, es sich gegen eine Distanzierung von militanten Aktionsformen ausspricht und dazu aufruft, Faschisten überall, mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Bei einigen BesucherInnen des Prozesses und denen die vor dem Gerichtssaal warten mussten sorgte das Urteil für Empörung, weshalb sich noch im Gerichtsgebäude eine Demonstration formierte. Trotz den Versuchen der Polizei, die Demonstration aufzuhalten, wuchs sie in ihrem Verlauf auf etwa 30 bis 40 TeilnehmerInnen an und zog in die Innenstadt. Dort wurden Flugblätter verteilt und Parolen gegen den Polizeistaat und die Kriminalisierung von AntifaschistInnen gerufen. Als die Polizei Verstärkung erhielt, gelang es ihr leider mehrere Menschen festzunehmen. Die Festnahmen erfolgten äußerst gewalttätig und unter Sprüchen wie „Leuten wie euch sollte man die Fresse einschlagen“. Eine Person wurde bei ihrer Festnahme durch Fußtritte im Gesicht verletzt. Selbst PassantInnen, die das Vorgehen der Polizei beobachteten, waren entsetzt.

Wie heutzutage die „öffentliche Meinung“ gemacht wird, zeigte sich am nächsten Tag in der Stuttgarter Zeitung: Trotz Presseerklärung der Bunten Hilfe kein Wort über den Verlauf des Prozesses, dafür Hetze der übelsten Art gegen die DemoteilnehmerInnen. Die Rede ist dort von „Randalierern die nach einer Verhandlung Polizisten mit Fahnenstangen angreifen und versuchen die Strasse zu blockieren“, als i-Tüpfelchen ist sogar die Nummer der Kripo angegeben, die um Hinweise zur Ergreifung der Täter bittet.


Da in nächster Zeit sicher noch weitere politische Prozesse anstehen, hoffen wir dass sich auch dort wieder viele Menschen mit den Angeklagten solidarisch zeigen. Machen wir deutlich, dass wir nicht wegsehen, wenn der Staat politisch aktive Menschen kriminalisiert und dass wir unsere GenossInnen nicht alleine lassen!


SOLIDARITÄT MIT ALLEN KRIMINALISIERTEN LINKEN UND ANTIFASCHISTiNNEN!
DIE ANGRIFFE DES STAATES ZURÜCKSCHLAGEN!

Man muß lernen zusammenzugehen gegen die Fasc

Friederike 05.03.2005 - 23:48
@schnurz
ich finde das war ein gutes Signal, daß man alle antifaschistischen Kräfte unterstützt, wenn sie in ihrem Anliegen kriminalisiert werden sollen und wenn sie hundertmal Fehler machen bzw. am Lernen sind.
@eeak
eben deshalb hat er sich Herr Bartels genannt, als Retourkutsche.
Hast du nicht über die Dialektik von legal und illegal geschrieben?
Führt euren Widerstand weiter, lernt euch zusammenzuschließen und nicht in erster Linie zu mißtrauen. Und denkt weiter durchaus auf Inymedia, dazu ist es da. Ohne Diskussion kein Weiterkommen im Hirn.
Gruß Friederike

Korrektur

Friederike 05.03.2005 - 23:55
Nicht @ schnurz sondern @ kritischer Leser, der erste Teil.
Entschuldigung.
Gruß Friederike

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