Fünftes IYC-Camp beim WSF Porto Alegre

mit dem Kopf nach unten 13.01.2005 19:47 Themen: Globalisierung Weltweit
Nur noch wenige Wochen sind es jetzt bis zur fünften Ausgabe des “Interkontinentalen Camps der Jugend”, das in der letzten Januarwoche in Porto Alegre während dem Weltsozialforum in Brasilien stattfinden wird.

Das Camp basiert auf Ideen wie horizontalen, basisdemokratischen Strukturen und Offenheit gegenüber Anderem und Neuem.
Nachdem das Camp während des ersten Weltsozialforums im Jahr 2001 entstanden ist, entwickelte sich in den folgenden Jahren rasch eine Eigendynamik mit neuen Konzepten und auch die Teilnehmerzahl wuchs rasch bis auf über 20.000 TeilnehmerInnen in Porto Alegre 2003 und 3000 in Mumbai, Indien 2004.
Das Campprojekt als grosses Versuchslabor versucht verschiedene politische Diskurse zusammenzubringen und mit politischer Aktion in Form von convivencia (=kollektives Zusammenleben) zu verknüpfen.

Der politische Prozess und die Struktur

Das Camp mit wenigen Worten umschrieben ist Selbstverwaltung, Horizontalität, Vielfalt und kreativer Widerstand und ein Experiment, das Alternativen zur kapitalistischen und neoliberalen Perspektivlosigkeit aufzeigen und erarbeiten will. Der Begriff Jugend bezieht sich in diesem Zusammenhang auch mehr auf jugendliche Energie und die besondere Herangehensweise in der politischen Praxis als auf eine bestimmte Altersgruppe. Kurz gesagt: Das Camp steht Ende Januar allen Menschen, egal mit welchem sozialen, politischen oder kulturellen Hintergrund als Raum zum Leben, Mitmachen und Austausch offen.

Der Organisationsprozess des Camp basiert auf einer horizontal-hierarchischen Mischstruktur bestehend aus zehn Kommissionen und dem COA (dem Organsationskommite des Camps) als den Hauptartikulations- und Entscheidungsträgern. Alle getroffenen Entscheidungen basieren auf basisdemokratischem Konsensprinzip und die einzelnen Kommissionen sind in vielen Bereichen autonom in ihren Entscheidungen und Handlungen, was die Bemühungen zur Dezentralisierung unterstützen soll. Getragen wird der ganze Prozess von unabhängigen Einzelpersonen, genauso wie von RepräsentantInnen von Gruppen, Organisationen und Sozialen Bewegungen. Die breite Basis des Prozesses ist natürlich in Brasilien, aber dennoch hat das Camp den Anspruch den internationalen Kontext nie aus den Augen zu verlieren.

JedeR ist willkommen!

Jedermensch kann für das Camp Aktivitäten anmelden und im Camp durchführen. Dabei ist völlig egal, ob die jeweilige Person in irgendeiner Weise organisiert ist – der grosse Unterschied zum Weltsozialforum, wo nur „organisierte“ Personen Aktivitäten anbieten dürfen. Erwartet werden über 300 Aktivitäten von CampteilnehmerInnen aus vielen verschiedenen Ländern. So wird das Camp ein grosser Raum für Austausch, dem Knüpfen von Netzwerken aller Art, Debatten aller Art und das Zusammenbringen der verschiedensten Formen von sozialem, politischem und kulturellem Engagement. Gleichzeitig dient das Camp als Labor zur Reflektion und Neuerfindung von politischen Beziehungen und gesellschaftlichem Leben allgemein. Dabei sind Themen wie Biokonstruktion, solidarische Ökonomie, freie Software ein paar von Vielen, die das Camp zu diesem grossen Versuchslabor der Alternativen machen.

Im Camp wird es neben verschiedenen kleineren Aktivitätszentren sieben grosse Aktionszentren (Platz je für bis zu 500 Personen) geben, die alle über das ganze Camp verteilt sind. Die Aktivitätszentren bilden die Kristallisationspunkte für verschiedene Hauptthemen und soziale Kämpfe ( Cultural Resistance, Gesundheit und Kultur, Kommunikation und freies Wissen (Free Knowledge), Soziale und StudierendenBewegungen, Menschenrechte und Vielfalt sexueller Lebensformen, Umwelt, Globalisierungsbewegung und Direkte Aktion) und die anderen Räume sind offen für alle Arten von Themen. Voranmeldungen für die Teilnahme oder für Aktivitäten sind bis zum 15. Januar über Internet möglich, danach direkt bei der Ankunft im Camp (Anmeldekosten: 12R$ für Menschen aus sog. Entwicklungsländern/ 30 R$ für alle Restlichen). Zusätzlich zu den genannten Aktivitätszentren wird es noch 3 Räume der freien Besetzung (ELOs) ohne festes Programm geben.

Leben im Camp in Selbstverwaltung

Die polyzentrisch räumliche Anordnung des Camps in Verbindung mit der ungeplanten, spontanen Besetzung durch seine BewohnerInnen soll einen Gegenpol zu der zentralistischen Logik der meisten Städte der Welt darstellen. Sechzig kleinere „Nachbarschaftszentren“ bilden die notwendige Grundlage für die Selbstverwaltung dieser Camps im Camp. Der gesamte Aufbau des Camps und seine Struktur wird durch die Mithilfe und das Wissen verschiedenster AkteurInnen, zusammengesetzt aus Individuen, Bewegungen und Organisationen realisiert.
Finanziell ist das Camp jedoch vom Weltsozialforum abhängig, wobei das Camp in diesem Fall trotzdem in den meisten Bereichen absolut autonom vom WSF agieren kann. Trotz der finanziellen Abhängigkeit versucht das Camp seine kritische Haltung gegenüber dem Forum aufrecht zu erhalten. Auf jeden Fall wird der Austausch der TeilnehmerInnen von Forum und Camp dieser Jahr im Gegensatz zu früher vereinfacht. Befanden sich die Veranstaltungsorte des Forums die letzten Male irgendwo in weiter entfernten Stadtgebieten, wird das Camp 2005 vom Forum gewissermassen räumlich eingerahmt.

Nach dem Widerstandscamp in Quito, Ecuador während des ersten amerikanischen Sozialforums im Juni 2004 wird das 5. Intercontinental Youth Camp der nächste grosse Meilenstein auf dem Weg mit dem Ziel die Globalisierungs- und verschiedene Widerstandsbewegungen zusammen zu bringen und zu stärken. Ein weiteres Mal werden hier im Parque Harmonia in Porto Alegre 20 000 Menschen zusammen leben, um auf kreative und eindrucksvolle Art und Weise der vorherrschenden Ordnung der neoliberalen Welt lächelnd die Zähne zu zeigen.

Mehr Infos (port./engl./franz./span.) unter: www.acampamentofsm.org
Mehr Infos auf deutsch mit aktuellen Berichten aus Porto Alegre und ersten Bildern: www.welt2raum.de
Kontakt:  acampamento@acampamentofsm.org
Das Programm-Kommite:  programacao@acampamentofsm.org
Um als freiwilliger Helfer mitzuarbeiten:  voluntarios@acampamentofsm.org
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Ergänzungen

Camps für überall!

mit dem Kopf nach unten, Porto Alegre 14.01.2005 - 01:24
Der Artikel existiert bisher in portugiesischen, englischen, französischen Versionen. Russisch, hebräisch und evtl. japanische und spanische Versionen sind in Arbeit und wird in den nächsten Tagen auch auf die entsprechenden Indy-Server hochgeladen werden.

Bisher ist das Camp, das zeitgleich mit dem Weltsozialforum stattfinden wird, ausserhalb Brasiliens und besonders in Europa fast völlig unbekannt.
Meiner Meinung nach ist es aber ein einzigartiges Projekt. Das Ziel des Camps ist keine gemeinsame politsche Stossrichtung oder Kampagne, sondern
ein offener, horizontaler Prozess.

Der Campprozess soll aber nicht nur in Porto Alegre stattfinden. Idee ist, das Projekt zu verbreiten und viele kleine dezentrale Camps irgendwo und überall anzustossen, die miteinander in Verbindung stehen, Erfahrungen
austauschen...
Ein Netzwerk für diesen Austausch existiert schon
- das Rede de Resistencia Global (RRG): www.reseauresistanceglobale.org

Auf der welt2raum-seite des Campprojekts Tübingen steht ein Aufruf zu den oben genannten dezentralen Camps und hier in Porto Alegre beim Camp, für das 2 Wochen vor Beginn schon 10.000 Anmeldungen fix sind, wird ein Workshop zu der Idee stattfinden.