Wird Zeit: Grundlegende Kritik - Montagsdemos

Robin Wut 28.09.2004 23:25 Themen: Soziale Kämpfe
Eigentlich geht es um den Kampf gegen neue soziale Regelungen und Gesetze. Und eigentlich sind die Betroffenen Arbeitslose, SozialhilfeempfängerInnen oder soziale Gruppen. Doch die Demonstrationen sind fast überall beherrscht von Apparaten verschiedener Gruppen. Als die Montagsdemos Ende Sommer 2004 in Mode kamen, versuchten viele Organisationen, diese für sich und ihre Forderungen zu instrumentalisieren. Da der DGB (wie üblich) die Entwicklung verschlief, entstand wieder der Raum für Attac und, neu hinzugekommen als hochorganisierter Apparat, die Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit, zudem für die MLPD, mancherorts die PDS oder andere. Die Frage war nie: Organisiert sich der Protest horizontal? Sondern immer nur: Wer beherrscht die Außenvermittlung? Wer spricht für die, die dazu nie befragt wurden? Kann am Ende sogar eine einzige Person die Proteste für beendet erklären?
Montagsdemonstrationen - vereinnahmt, kanalisiert, populistisch aufgeladen

Eine Kritik der Proteste gegen Agenda 2010, Hartz IV usw. ...

Im Spätsommer 2004 geschah etwas, was eigentlich lange überfällig war – die Proteste gegen den seit Jahren harten Sparkurs der Regierenden erreichten die Straße und die Medien. War bisher nur die Frage, warum die Kürzungen bei Lohn, Gesundheitswesen, Sozialhilfe für die Menschen sowie vieler Zuschüsse für soziale Initiativen nicht schon einen Sturm der Entrüstung und des Protestes hervorgerufen hatten, so konnte endlich der Blick auf tatsächlich stattfindende Aktionen gerichtet werden. Damit geriet in Vergessenheit, dass jahrelang der soziale Kahlschlag ohne widerständige Antwort blieb. Eine Analyse hätte da nämlich schon Warnzeichen setzen können:
- Die Studierendenproteste ab Herbst 2003 waren vielerorts stark gesteuert von den Studierendenvertretungen und von politischen Hochschulgruppen. Spontanes Engagement war selten und wurde teilweise sogar ausgegrenzt. Versammlungen, Resolutionen und Großdemonstrationen prägten das Geschehen. Doch solche kollektiven Events stehen immer im Verdacht, Protest zu kanalisieren, als Ventil zu dienen und Berechenbarkeit zu erzeugen.
- Als die ersten großen Organisationen auf Proteste gegen den Sozialabbau setzten, beschlossen sie schnell große, kollektive Aktionen. Der erste zentrale Aktionstag fand am 1. November in Berlin, Köln und Stuttgart statt. Viele Basisgruppen richteten ihre Hauptaktivität auf die Mobilisierung zu diesem Tag. Breiter Widerstand überall fiel aus. Kurz vor dem Aktionstag sprang Attac auf den fahrenden Zug auf – und eroberte handstreichartig die Medienhoheit. Wenige Tage vor der Demo putschten FunktionärInnen von Attac, Linksruck und Gewerkschaften die bisherige Vorbereitungsgruppe und übernahmen die Demoleitung samt Redeliste. Per Bühnenbewachung wurde der Putsch abgesichert.
- Auch auf den verschiedenen Vorbereitungskonferenzen und –treffen war immer wieder das gleiche Prinzip zu erkennen. Per Podium und Redeleitung wurde vorentschieden, wer sich durchsetzte. Teilweise hohe Eintrittspreise siebten die weniger Reichen aus, das BildungsbürgerInnentum und die von Verbänden bezahlten FunktionärInnen, die zudem noch Fahrtkosten und manchmal auch Spesen abrechnen konnten, war unter sich. Abstimmungen und Taktiken prägten das Geschehen. Hinter den Kulissen zogen die Funktionärskasten die Strippen – während im Plenum noch lamentiert und um Formulierungen gerungen wurde, präsentierten sie im Nebenzimmer der Presse schon die Ergebnisse (siehe z.B. Bericht von der Aktionskonferenz am 17./18.1. in Frankfurt unter  http://www.de.indymedia.org/2004/01/72730.shtml).
- Anfang April 2004 sollte dann ein Doppel-Aktionstag stattfinden: Dezentrale Proteste und ein großer Aktionstag in Berlin. Neu im Boot war der DGB – mit Folgen: Selbst Attac und andere, die noch am 1.11. die Aktivitäten medial dominiert hatten, gerieten ins zweite Glied und beschwerten sich nach dem Aktionstag jämmerlich darüber, in den Medien kaum erwähnt worden zu sein. Denn um die Inhalte geht es nicht, sondern darum, wer sich selbst oder seinen Verband wie platzieren kann. Die mediale Orientierung schwächte wiederum die dezentralen Aktionen. Davon fanden nur wenige statt.

Es wäre durchaus schon vor Monaten die Frage angemessen gewesen, ob die Event-Orientierung nicht einen breiten Protest verhindert hat. Wenn medial die Aufmerksamkeit auf wenige Großereignisse gerichtet und zudem der Eindruck erzeugt wird, hier (und nicht in vielfältigen Aktionen überall) läge der Schlüssel zur politischen Wirkung, dann schwächt das die Kraft vor Ort und damit in den konkreten Auseinandersetzungen des Alltags – dort, wo der Sozialabbau greift.

Traditionslinie I: Die Machtinteressen am Event-Hopping
Die Interessen, warum die Event-Orientierung immer wieder in den Mittelpunkt gerückt wird, sind schnell erkennbar – und es ist auch kein neues Phänomen. Vor und während des Irak-Krieges, bei Antifa-Aufmärschen usw. stehen immer die Großereignisse im Mittelpunkt. Zu einem breiten Widerstand überall wird selten aufgerufen und erst recht nicht dieser systematisch aufgebaut bis unterstützt. Denn er wäre nicht so gut zu instrumentalisieren wie die Großereignisse. Die mediale Machtübernahme bei Großdemonstrationen und Happenings ist einfach: Die Pressekontakte, die passenden Pressekonferenzen vorher und am Tag des Geschehens, die RednerInnen an den zentralen Bühnen, die Lautsprecherwagen und die zentral sichtbaren Transparente müssen besetzt werden – das sichert die instrumentelle Herrschaft. Kritik daran entsteht nur selten, Streit gibt es meist nur um die Frage, wer wie viel Raum besetzen darf. Selbst die Führungseliten linksradikaler Gruppen sind dabei gut am Start. Mit den verbalradikal als Anpasser verschrieenen NGOs setzen sie sich schnell mal an einen Tisch, um quotierte RednerInnenlisten und die Reihenfolge der Transparente in den ersten Reihen von Großdemonstrationen abzusprechen. Alles soll planmäßig ablaufen – und der gemeinsame Feind von Attac- bis Antifa-ObercheckerInnen sind die kreativ-widerständigen Gruppen, die sich der Einsortierung in kollektive Identitäten, Demoblöcke und ähnlichem nicht unterwerfen. Regelmäßig sind es nur sehr wenig – zumindest in Deutschland. Politische Protestkultur ist hierzulande seit Jahrzehnten gutsortiert in Verbänden oder Netzwerken, dominiert von kleinen Kreisen mit ihren Machtmitteln, Zugang zu Ressourcen, Kontakten in Bündnissen und zu Medien.
In dieser Tradition standen von Beginn an auch die Hartz-Demonstrationen. Allerdings begannen sie als spontaner Akt. Die großen NGOs und sonstigen typischen Führungseliten „linker“ Gruppen verpassten den Start. Sie laborierten an schwerfälligen Bündnisdebatten um Großdemonstrationen, Sozialforen oder gemeinsamen Presseerklärungen, als in Magdeburg einige Menschen auf eigene Faust loslegten und schnell in weiteren ostdeutschen Städten NachahmerInnen fanden. Es dauerte einige Wochen, bis die machtverwöhnten Eliten das Ruder übernahmen. Sie profitierten davon, dass die Initiativen in den Städten keinen bundesweiten Zusammenhang bilden und damit auch keine wirkungsvolle Außenvermittlung über die eigene Stadt hinaus herstellen konnten. Diese Aufgabe übernahmen vor allem die Bundeskader von Attac, Wahlalternative (oft zusammen) sowie – konkurrierend zu den erstgenannten – die MLPD. Letztere war in vielen Städten sehr schnell mit auf der Straße und konnte das Geschehen mit Transparenten und Slogans dominieren. Die waren meist sehr platt – vor allem der Spruch „Wir sind das Volk“ oder die Langfassung „Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir“ ist wesentlich auf die MLPD-Einheizer zurückzuführen. Stück für Stück wandelte sich das Bild. Die Hartz-Proteste waren der Medienhit des Spätsommers 2004 – und die in medialer Vereinnahmung geübten Eliten von Attac & Co. übernahmen die Außenvertretung. Immer mehr prägten ihre Basisgruppen auch das Geschehen vor Ort. Den ungehobelten Reden Betroffener folgten die Lafontaines ...

Traditionslinie II: „Wir sind das Volk“ – Montagsdemos 1989
Dass die Hartzproteste Montags stattfinden, in Städten des Ostens ihren Ausgangspunkt nahmen und „Wir sind das Volk“ zu den prägenden Slogans gehört, ist kein Zufall, sondern beruht auf der Verbindungslinie zu den Aufständen im Ausgang der gescheiterten DDR. Dass diese Linie immer wieder gezogen wird und auch eine wichtige Motivation darstellt, beruht auf einer bemerkenswert schlechten Analyse der Montagsdemos 1989:
- Damals waren Demonstrationen ein Mittel des zivilen Ungehorsams. Sie waren verboten und entwickelten gerade dadurch ihre Wirkung. Im System der BRD sind Demonstration die Protestform, die die Regierenden den Regierten vorgeschrieben haben, wenn sie ihrem Unmut Luft machen wollen. Demonstrationen sind heute nichts anderes als der freiwillige Gang in den Sandkasten der relativen Meinungsfreiheit, eine Kanalisierung von Wut in eine berechenbare, genau vorgegebene Bahn. Medien, Sicherheitsapparate und alle anderen Teile von Eliten sind im Umgang mit dieser Form geübt. Mit Ungehorsam oder Protest hat Demonstrieren nichts zu tun.
- Schon damals war der Slogan „Wir sind das Volk“ erkennbar eine folgenschwere Verkürzung. Positiv denkend kann etlichen derer, die den Slogan benutzten, unterstellt werden, sie hatten damit ausdrücken wollen, dass sie – und nicht die sich als Volkssprecher gerierenden Regierenden – die Basis der Gesellschaft seien. Der Begriff „Volk“ drückt aber genau das nicht aus. Ein Volk entsteht erst durch Führungspersonen, die als Volk und für das Volk sprechen. Der Mensch verschwindet in der Masse „Volk“ als Persönlichkeit, es spricht nur noch das Kollektiv – durch seine Sprecher, in Deutschland meist die Regierung. Insofern ist der Satz „Wir sind das Volk“ immer eine Selbst-Herabsetzung. Die Menschen im „Volk“ sind nicht mehr die Träger der Entscheidung, daher sagt der Satz das Gegenteil von dem aus, was die Menschen glauben, was sie damit sagen. Sie hypen das Kollektiv, nicht die Menschen. Daraus folgen weitere Probleme, denn wo Kollektive im Vordergrund stehen und nicht die Menschen, können die Kollektive dann schnell als solches in den Mittelpunkt rücken. Daran knüpfen die rechten Ideologien des Volkes an: „Wir sind ein Volk“ war 1989 die schnelle Folge. Das Mitmischen von rechten Gruppen bei den Hartz-Protesten 2004 war jetzt ebenso schnell zu vermelden.
- Mangels eines organisierten Systems von NGOs, ihnen nahestehenden Medien usw. bestand die Gefahr der Instrumentalisierung durch oppositionelle Großorganisationen 1989 nicht. Erst nach den ersten Erfolgen geschah dies durch abbröckelnde Teile der ehemaligen SED und Umfeld sowie durch westdeutsche Verbände, die sofort um die Vereinnahmung der Ost-Proteste stritten. 2004 sah das von Vorneherein anders aus. Den OrganisatorInnen der ersten Proteste hätte klar sein müssen, dass sofort, wenn die Proteste sich ausweiten würden, eine ganze Schar von Apparaten und FunktionärInnen herbeieilen würden um die Aktivitäten zu vereinnahmen und für die eigenen Belange umzudeuten.


Traditionslinie III: Label setzen!
Eigentlich soll es bei politischen Aktionen um die inhaltlichen Ziele gehen. Das wird auch immer behauptet, aber es ist nicht so. Ganz im Gegenteil werden seit Jahren die Kampagnen moderner NGOs und Gruppen darauf hin orientiert, neue Mitglieder und Spenden einzuwerben. Inhalte dürfen nicht zu hart sein (Greenpeace kippte vor Jahren mal seine Anti-Auto-Kampagne zugunsten der 3-Liter-Auto-Kampagne, weil ihre SpenderInnen zu den automobilsten Gruppen im Land gehören ... usw.), Fördergelder der Regierungen oder staatsnahen Stiftungen sollen nicht gefährdet werden und vieles mehr. Der eigene Name soll immer gut zu sehen sein. Gruppen, die das positive Bild gefährden können, müssen an den Rand oder ganz rausgedrängt werden. Die großen Verbände betreiben Fundraising-, Presse- und andere Abteilungen, deren Arbeitsauftrag es ist den Verband optimal zu platzieren, Gelder einzutreiben und KundInnen (Mitglieder) zu werben. Diese Logik unterscheidet sich in nichts von den Strukturen der Parteien oder von Konzernen. Wer z.B. die moderne Organisation Attac in den ersten Jahren verfolgt hat, kann sich vielleicht noch an die chaotischen Bilder der ersten Aktionen und Kongresse erinnern – selbstgemalte Schilder, Plakate und Transparente überall. Das ist schnell anders geworden ... genormte Fahnen, Luftballons, Stirnbänder und mehr dominieren heute Attac-Aktionen. Bei IG Metall, DGB, Ver.di, FAU, DKP und anderen ist das schon länger ähnlich.
Bei Bündnisaktionen stecken die FunktionärInnen ihre Kraft in die Frage, wie sie sich konkurrierend durchsetzen. Wer steht in der Presseinfo an erster Stelle, wer kann RednerInnen stellen, wer das vordere Transparent stellen? Politische Schlagkraft, Inhalte usw. geraten in den Hintergrund – nichtorganisierte Personen spielen ohnehin keine Rolle oder verlassen oft die Bündnisse nach kurzer Zeit, durchaus zur Freude der Apparate.
Die Label-Orientierung ist kein Spezifika großer Organisationen, auch wenn dort die Medienorientierung sehr stark in den Vordergrund tritt. Auch kleinere Verbände und Basisgruppen setzen immer wieder auf Logos, Wiedererkennbarkeit und Label. Diese dienen der eigenen Identifizierung, z.B. mit Abzeichen, Fahnen, codierter Kleidung, Einheitsmusikgeschmack usw. Die Modernisierung linksradikaler Praxis zeigt aber, dass auch inhaltsreichere, widerständigere Aktionsformen nicht davor geschützt sind, zum Label zu werden: „Yomango“ (Klauen als politischer Protest), „ACT!“ (Berliner Bündnis linksradikaler Gruppen), die Umsonstkampagnen (z.B. ist in Berlin das „Berlin umsonst“ längst Label statt Forderung – immer stylisch im Vordergrund auf Transpis, Videos & Co.) sowie die prägnanten Antifa-Codes sind aktuelle Beispiele für penetrante Bewerbung neuer Labels.


Verkürzungen, Populismus, Gleichgültigkeit, Inhaltsleere
Medienwirkung lässt sich oft nur über klare, knappe Forderungen oder Slogans erreichen. In einer schnelllebigen Gesellschaft ist kaum Platz für differenzierte Kritik. Mensch will nach Gut und Böse trennen, will personalisierte Schuld entdecken und einfache Lösungen einfordern. In politischen Aktionen dominieren daher meist die populistischen Slogans über intensivere Kritik oder gar Alternativentwürfe umfassenderer Art. „No war“, „Nazis raus“, Tobin Tax oder „Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir“ sind die harmlosen Verkürzungen der vergangenen Jahre. Antisemitische oder rassistische Muster die weniger harmlosen. Die sich überall durchsetzende Kampagnenorientierung von politischen Protest verstärkt den Trend zu griffigen, inhaltsleeren Forderungen. Die Proteste gegen Hartz IV wurden fast nie genutzt, um eine grundlegende Kritik an Verwertungs- und Profitlogik, am System von Erwerbsarbeit oder an der Existenz von Regierungsapparaten zu formulieren. Zwar wurden oft Ziele wie Arbeitsämter, Industrieverbände oder Regierungssitze angesteuert, außer Wut oder personalisierter Kritik wurde aber wenig Tiefe an politischer Kritik gezeigt.
Die Inhaltsleere aber zeigt sich selbst bei denen, die das Mitmischen rechter Gruppen kritisierten oder die Rechten sogar attackierten. Ihr Problem war regelmäßig die Anwesenheit der Rechten, nicht aber die Inhaltsleere und die Anschlussfähigkeit der Montagsdemo-Inhalte für rechte Ideologien. Das erinnert an die Aufregung über Wahlerfolge von Nazi-Parteien (statt der Aufregung über die sich darin zeigende Akzeptanz rechten Gedankengutes) oder die Hoffnung auf harte Polizeigewalt gegen Rechte (statt einer kritischen Reflexion des Zusammenhangs zwischen autoritärem Staat und Zulauf in rechten Gruppen). Linke Abgrenzung gegenüber rechten Gruppen ist oft nur codiert, d.h. die rechten Labels werden als „falsche Kollektive“ abgelehnt, während die eigenen die richtig(er)en sind. Eine intensive politisch-inhaltliche Auseinandersetzung wird gemieden, ebenso der kritische Blick auf kollektive Identitäten als Basis rechter Ideologie. Wahrscheinlich würden die meisten „Linken“ diese auch mangels gesellschaftlicher Analyse und Nachdenken über emanzipatorische Politik und Utopien gar nicht führen können.


Die Logiken der Vereinnahmung
Nach wenigen Wochen Hartz-Demonstrationen hatte vor allem Attac die Meinungsführerschaft übernommen. Wahlalternative, in einigen Städten auch GewerkschafterInnen oder die PDS versuchen neben Attac, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und eigene Positionen bzw. Werbung in die Demos und in die Presse zu bringen. Viele Demonstrationen waren schließlich von diesen beherrscht, sie stellten die Lautsprecherwagen und RednerInnen. Auf Bundesebene wurden fast nur FunktionärInnen dieser beiden Gruppen zum Thema interviewt. Die Pressemitteilungen von Attac tauchen vor und nach jedem Montag in den Medien auf. Eine Besonderheit entstand nur dadurch, dass eine weitere Gruppe, die mit Attac und Wahlalternative nicht kooperationsbereit war, den gleichen Versuch unternahm – die MLPD. Dadurch tobte in vielen Städten ein erbitterter Streit, ab und zu auch mit Fäusten ausgetragen. Bundesweite Koordinierungstreffen wurden eingeladen, getrennt entsprechend den vereinnahmenden Apparaten, die zu ihren Treffen luden, diese als Treffen aller verschleierten und der anderen Seite Verrat und Fälschung vorwarfen. „Der Bewegung abträglich sind Versuche von politischen Kleinstgruppen, das zarte Pflänzchen Montagsdemo bereits jetzt unter ihre Kontrolle bringen und für eigene Zwecke instrumentalisieren zu wollen“, schrieb der Attac-Ko-Kreis im Protokoll an seine Gruppen – und meinte damit wohl vor allem nicht sich selbst, sondern die Konkurrenz der MLPD.
Die Mechanismen von Vereinnahmung traten durch diesen Streit deutlich hervor. Beide Seiten behaupteten, im Namen der überwältigen Mehrheit zu sprechen und die eigentlichen Montagsdemos zu vertreten. Die Betroffenen und politische Ziele gerieten dabei in den Hintergrund. Kein Wunder auch, dass Demonstrationen als Hauptaktionsform vorangetrieben wurden – kaum eine andere Protestform läßt sich so gut steuern und für die eigenen Interessen nutzen. Die Steigerung hin zu bundesweiten Großdemonstration ist dementsprechend nur folgerichtig.


Attac
Der erst vier Jahre alte Verband Attac hat eine bemerkenswerte Serie der Vereinnahmung von Protesten hinter sich. Fast alle Themen der jüngeren Zeit wurden in den überregionalen Medien als Initiative von Attac dargestellt. Attac-VertreterInnen wurden interviewt, die Attac-Presseinformationen veröffentlicht. Selbst die einschlägigen Organisationen rückten an die zweite Stelle – z.B. Friedensgruppen im Irak-Krieg (Attac agiert unter eigenem Name und unter seinem Label „Resist“) oder soziale Verbände in den Protesten gegen den Sozialkahlschlag.
Die beginnenden Montagsdemos verpasste Attac wie alle anderen Verbände. Doch nach einigen Wochen dirigierte Attac über seine BundesfunktionärInnen die Außenvermittlung sehr stark. Die vielerorts an den Protesten teilnehmenden Attac- Basisgruppen wurden – wie für Attac üblich – nicht in das Geschehen auf Bundesebene einbezogen. Besonders krass war die Dominanz in den Medien, die nach bürgerlichen Ansprechpartnern suchen (staatliche oder staatsnahe Medien) oder in denen, die ohnehin Attac seit Jahren als Führungsmacht in der politischen Bewegung aufbauen, z.B. FR und Junge Welt. Gut sichtbar wurde das, als zu zwei Bundestreffen eingeladen wurde zwecks Koordinierung – einmal von Attac, Wahlalternative & Co. sowie einmal von MLPD (siehe oben). Die bürgerlichen Medien, Junge Welt & Co. schrieben allesamt positiv von der Attac&Co.-Versammlung in Berlin, während sie das Treffen in Leipzig verschwiegen oder kritisch beleuchteten. Auch der Termin für die Großdemonstration am 2. Oktober wurde als offizieller Termin bereits verkündet, als der Streit darum noch lief. Die Medien wussten das, aber sie hatten klare eigene Interessen. Die kamen – wie in den vergangenen Jahren üblich – dem Liebling der bildungsbürgerlichen Medien zugute: Attac.
Das Verhalten der örtlichen Attac-Gruppen war unterschiedlich. In etlichen Städten verhielten sich Attac-FunktionärInnen dominant und vereinnahmten dort die jeweiligen örtlichen Proteste. Das Attac-Spitzengremium Koordinierungskreis hatte das auf seiner Sitzung am 23.8. auch so festgestellt: „Die Montagsdemos sind auch eine gute Gelegenheit, neue aktive Leute in die Verantwortung bei den Attac-Gruppen hinein wachsen zu lassen.“ (Auszug aus dem Protokoll).


DGB
Das (übliche) Fehlen der Gewerkschaftsspitze bei Protesten in Deutschland schafft der zweiten Garde von NGOs erst die Möglichkeit der Dominanz. Wo der DGB mit auftritt, reißen seine geübten FührungstrategInnen sofort das Kommando an sich. Das Arsenal an Leitungs- und Verhandlungstricks nimmt mit dem Einstieg der GewerkschaftsfunktionärInnen immer sofort zu. Sichtbar wurde das bei den Demonstrationen am 3. April 2004, wo die zentrale Bühne, die Pressekonferenzen und die vorderen Reihen der Demonstration von DGB-Leuten, -Fahnen und –Farben dominiert wurden. Teilweise ergab sich ein absurdes Bild, wenn die Hauptbühne einer als Bündnisveranstaltung deklarierten Demonstration auf beiden Seiten mit großen Logos nur einer der Organisationen behängt war.
Die Dominanz des DGB schafft dieser nicht nur selbst. Wo der DGB fehlt, wird dieses Fehlen ständig als großes Problem diskutiert. Es kam bei den Hartz-Demos sogar zu Extra-Demos vor den DGB-Zentralen mit der Aufforderung, endlich mitzumachen. Dabei ist höchst zweifelhaft, ob nicht das anfängliche Erstarken des Protestes vor allem auf die Nicht-Vereinnahmung, also das Fehlen von Attac & Co. in den ersten Wochen und das Fehlen des DGB über die ganze Zeit zurückzuführen war. Diese Profi-Apparate sind nämlich nur auf Event-Happenings mit Sonntagsreden und Pressevereinnahmung trainiert, nicht auf flächige Kleinproteste. Streiks & Co. sind als politische Aktionsmittel bei den Gewerkschaftsspitzen schon lange außer Mode. Um die Dominanz des DGB zu brechen, wäre eine Missachtung seiner Gleichgültigkeit angemessener. Um den DGB zu kritisieren, wäre eine klare Aussage der Marke „Die Ewiggestrigen sind auch diesmal nicht dabei – war ja klar und diese DGB-Spitzen brauchen wir auch nicht“ passend.


Die toten Fische ...
Viele Gruppen fehlten bei den Protesten – ihr Fehlen ist teilweise perverser Natur. So werden z.B. die Wohlfahrtsverbände zwar viele Menschen, die sozial verelenden, aufzufangen haben, aber ihr Verbandsegoismus ist größer. Die Ausbeutung und der Zwang zur Erwerbsarbeit spült ihnen viele der neuen „Arbeitsklaven“ zu – die 1-Euro-Jobs werden sehr stark in sozialen Diensten angesiedelt sein. Die profit- und imagesüchtigen Apparate in Diakonie & Co. akzeptieren Ausbeutung, wenn es ihren Verbänden nutzt. Soziale Korruption greift um sich. Aus dem Spektrum der Parteien ist ebenfalls kaum Widerstand zu erwarten, sind doch die meisten irgendwo in Regierungsgeschäfte eingebunden und führen dort eher einen Wettbewerb, wer der härteste soziale Kürzer ist. Alternativen werden politisch nicht mehr versucht. Die Kirchen haben frühzeitig die sozialen Kürzungen abgesegnet – Gott als Vorzeigefigur so mancher Eliten steht folgerichtig auch immer auf deren Seite. Und die Gewerkschaften ... na ja, was soll mensch noch erwarten von gutbezahlten Apparaten, die nicht einmal demokratisch organisiert sind – und das wäre auch nicht gerade herrschaftsarm ...


Betroffene und StellvertreterInnen
Politisch interessant ist noch ein Blick auf die sozialen Schichten der Montagsdemos. Es gibt ein bemerkenswertes Gefälle zwischen denen, die die Demos nach außen vermitteln gegenüber der Presse, als RednerInnen oder auf andere Weise. Hier dominieren die Bildungseliten. Viele von ihnen sitzen auf gut bezahlten Posten – viele freiberuflich, andere als Apparate in Verbänden, viele aber auch auf sicheren Staatsposten (LehrerInnen, Hochschule ...). Schon seit mehreren Jahrzehnten sind politische Organisationen wesentlich geprägt aus dem BildungsbürgerInnentum heraus – also von denen, die selbst dank guter Ausbildung und hoher Fähigkeit zur flexiblen Aneignung neuen Wissens eher GewinnerInnen des neoliberalen Umbaus sind. Ein großer Teil dieser Personengruppe gehört zu den Reichen des Landes. Ihre Vorschläge passen zu ihrer Biografie: Sie fordern mehr institutionelle Kontrolle in der Gesellschaft, höhere Steuern, mehr Gesetze, oft sogar mehr Polizei, mehr Regierungshandlungsfähigkeit usw. Rechtsstaat ist für sie ein Qualitätsbegriff, die Wahlbeteiligung in ihren Wohnvierteln ist hoch, die ParlamentarierInnen stammen fast vollständig aus ihren Kreisen besetzt. Ganz anders sieht das aus in den ärmeren Milieus mit prekären Arbeitsplätzen oder ohne regelmäßigen Gelderwerb. In ihren Wohnvierteln liegt die Wahlbeteiligung regelmäßig nur noch bei 10 Prozent, ohne dass das jemanden interessiert. Die Eliten kontrollieren neben den Parlamenten auch die Medien und vieles mehr. Ein Interesse an der Enthüllung, dass große Teile der Bevölkerung diesen Staat längst abgeschrieben haben (und zwar aus gutem Grund!), haben sie nicht. In den ärmeren Milieus sind Rechtsstaat und Polizei oft eher eine Bedrohung.
Auf den Montagsdemos treffen sich die beiden. Die einen dominieren die Organisation und die Außenvermittlung, die anderen stehen wütend, verzweifelt, aber strategie- und inhaltsleer als Masse auf den Demos herum. Die minimalreformistischen Verbesserungsvorschläge zu Hartz IV, die teilweise aus den Eliten formuliert werden, kommen bei letzteren nicht an. Alle erschiessen, denken diese oft eher über die Regierungen – aber politische Alternativen oder Überlegungen zu den Systemursachen fehlen ebenso oft. Platt wirken die Versuche einzelner Gruppen, vor allem der MLPD, sich besser in Szene zu setzen, in dem möglichst dumpfe Slogans gewählt werden, die bei den Wütenden und Verzweifelten besser anschlussfähig sind. „Wir sind das Volk“ ist nur einer von diesen.
Auch die Rechten wittern in dieser Konstellation ihre Chance – zu recht. Gerade das Desinteresse der vereinnahmenden Eliten aus den Verbandsapparaten an einer Politisierung des Protestes macht es den Rechten leicht, Anschluß zu finden mit den dümmsten aller Parolen. Für sie ist das keine Taktik, sondern stumpfer Populismus ist Markenzeichen rechter Ideologie.


Rechts, bürgerlich ... für alle was dabei!
Kennzeichnend für die Montagsdemonstrationen ist vor allem das Fehlen politischer Positionen. „Weg mit Hartz IV“ ist das Bindeglied – unter diesem Konsens geht alles. Das schafft Raum für viele antiemanzipatorische Politikansätze, z.B. das Fordern nach mehr staatlicher Kontrolle oder rechten Positionen gegen Finanzkapital, Nichtdeutsche und mehr.


Verhaltenstipps von FR & Co.
Wie bei Attac und Friedensbewegung in den letzten Jahren begannen die Medien, die den Protesten oder einem Teil der Eliten nahe stehen (Frankfurter Rundschau, Junge Welt und andere), mit „Beratung“ für die AktivistInnen – immer schön aus eigenem Interesse und zugunsten der Gruppen, die sie gerne in den Führungsrollen sahen. Gemeinsam war ihnen der Drang zu Zentralisierung und mehr Führungskontrolle bei den Protesten. „Vertreter der Montagsdemonstrationen einigten sich auf zentrale Demonstration am 2. Oktober“ schrieb die Junge Welt und verpasste den Demonstrationen einen Führung: „Die Leipziger Konferenz endete mit der Wahl eines Koordinierungsgremiums“. Die FR forderte mehr Zentralisierung: „Der Aufruf zur Großdemonstration im Oktober in Berlin ist ein erster Hinweis, dass auch die kraftvollsten Proteste mit der Zeit kraftlos wirken können, wenn die Kräfte nicht gebündelt werden“.


Von Beginn an: Fehlende Perspektiven
Am Anfang war es ein spontan organisierter Protest. Als er populär wurde, griffen wie üblich die Profis der Vereinnahmung aus den großen Verbänden zu und machten die Proteste zu ihrem Ding. An eine politisch-inhaltliche Füllung oder eine strategische Weiterentwicklung war nicht gedacht. Die Einheitlichkeit diente der besseren Vereinnahmung – warum also sollte der Protest vielfältiger und unberechenbarer werden? Regierende, Polizei und die Proteste führende Verbände hatten da die gleichen Interessen ...
Auch eine inhaltliche Differenzierung oder Radikalisierung wäre nicht im Sinne der führenden NGOs gewesen, schließlich vertreten diese keine radikalen Positionen oder agieren auch sonst mit populären Slogans statt gesellschaftlicher Analyse oder weitergehenden sozialen Utopien. Auch daher war das Ende der Proteste von Beginn an klar, denn ohne Weiterentwicklung ist Protest nicht lange überlebensfähig. Doch für Attac & Co. hat sich der Protest wie in den vergleichbaren, ebenso langweiligen und langweilig gehaltenenen Protesten der Vergangenheit (Sozialabbaudemos, Irakkrieg usw.) gelohnt – Aufmerksamkeit in den Medien, Spenden und neue Mitglieder waren ihnen sicher.
Nur wenige Stimmen forderten eine Ende der kanalisierenden Eintönigkeit. Am bekanntesten waren die Auftritte von Prof. Peter Grottian in Berlin. Seine Reden hatten immer wieder Ansätze eines von unten organisierten, vielfältigen und vor allem tatsächlich widerständigen, d.h. ungehorsamen Protestes. Doch Grottian ist selbst in den Eliten, seine politischen BündnisgenossInnen sind genau die Vereinnahmer und Kanalisierer – und mit ihnen müsste er brechen, wenn er konsequent wäre. Ist er aber – wie viele andere - nicht.


Beispiel Berlin
In Berlin prallten von Beginn an verschiedene Apparate aufeinander. Der Protest entwickelte sich hier vom ersten Tag an unter den Beherrschungsversuchen verschiedener Gruppen mit langjähriger Übung in Vereinnahmung und Ausgrenzung. Entsprechend hart wurde hinter und zum Teil vor den Kulissen um die Macht gekämpft. Medien und anderen Eliteteile griffen in die Debatte ein, erklärten Personen aus der einen oder anderen Gruppe zu SprecherInnen der Proteste – genau wissend, dass sie das nicht waren. Aber sie sollten es sein.
Auf den Demonstrationen selbst zeigten sich die Apparate in verschiedenen Blöcken. Keiner wirkte politisch, alle eher identitär mit eigenen Verbandsfahnen von der FAU bis zu Attac. Einige machten ihr Ding (z.B. FAU), berichteten auch vor allem von ihren Aktivitäten und kümmerten sich vorrangig um die Selbstdarstellung in den eigenen Zusammenhängen. Andere stritten sich darum, wer für das Ganze sprechen konnte. Das führte zur Spaltung in zwei Demonstrationen – auf der einen Seite die geschulten Bewegungsvereinnahmer von Sozialbündnis, Wahlalternative, Attac und anderen, auf der anderen die ebenso ausgerichtete MLPD. Am 13.9. griff die MLPD sogar in einer Rede auf der Demo die anderen an, die antworteten regelmäßig und genauso spalterisch über die ihnen gesonnenen Medien. Beide Hegenomieseiten hatten während der Demo per Lautsprecher (!) wiederum den FAU-Block aufgerufen, sich „diszipliniert“ zu verhalten – der Anspruch auf Dominanz über die Demo war offensichtlich. Protest gegen diese Maßregelungen gab es kaum. Schließlich setzten die Führungsstäbe von Attac, Wahlalternative & Co. auf einem Vorbereitungstreffen durch, dass nur noch ein von ihnen dominierter Lautsprecherwagen auf die Abschlusskundgebung rollen durfte – um den MLPD-Wagen gab es folgerichtig Prügeleien und schließlich einen Zugriff der Polizei zugunsten der NGO-Führung gegen die MLPD-Vereinnahmungskonkurrenten. Machtspiele zwischen Vereinnahmern. Die Betroffenen und das Thema spielte keine Rolle mehr.


Beispiel Köln
Ein kleines Beispiel aus Köln zeigt, was Vereinnahmung und der Streit darum bedeutet. Hauptdrahtzieher war hier Attac. Ein aus der PDS stammender Attac-Apparatschik, der seit Jahren immer wieder dominant und vereinnahmend agiert, wurde wie selbstverständlich zum Strippenzieher der Montagsdemos. Eines Tages stellte er fest, dass ein anderer vor ihm die nächste Demo angemeldet hatte – und heulte sich auf Indymedia aus. Denn was für ihn mehrere Wochen selbstverständlich war, durfte jemand anders nicht. Der andere war aus der konkurrierenden SAV. Mit den Betroffenen und politischen Zielen hatte auch dieser Streit nichts zu tun.


Beispiel Gießen
Eine gewisse Spannung gab es in Gießen hinsichtlich der Frage von Vereinnahmung. Grund war, dass dort einige Menschen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt in Saasen dank vieler Aktionen in den vergangenen Jahren recht prägend waren, auch wenn sie nie als Gruppe auftreten und auch in den Medien komplett zensiert sind. Einige von ihnen versuchten Mitte August, dem Start der von Organisationen bestimmten Montagsdemos zuvorzukommen und eine Organisierung von unten entgegenzusetzen. Sie luden in Wohnvierteln, die soziale Brennpunkte sind, zu AnwohnerInnenversammlungen und anschließend zu einem gemeinsamen Planungstreffen vor das Arbeitsamt und abends in den Raum der Arbeitslosen-Initiative ein. Die Strategie scheiterte. Zum einen gab es auch im Umfeld der Projektwerkstatt einen Hang zu dem in Mode gekommenen Montagsgelatsche und folglich manchen Streit in der Projektwerkstatt, zudem kamen kaum Menschen zu den Stadtteilversammlungen. Letzteres zeigt, wie wenig Interesse an einem selbstorganisierten Protest besteht. Der Streit in der Vorbereitung ließ das Ganze dann doch mehr „von oben“ aussehen. Und schließlich wirkte noch die totale Zensur Giessener Tageszeitungen und Radiosender gegen alles, was aus der Projektwerkstatt kommt.
Das Scheitern des Versuchs gab den typischen Vereinnahmungs-NGOs nach mehreren Jahren in Gießen erstmals wieder den Mut, sich auf einem Treffen dominant durchzusetzen. PDS, Wahlalternative und Attac (wobei bei Attac alle dabei sind) sprachen vorher über ihr weiteres Vorgehen und setzten bei der abschließenden Abendveranstaltung das Mehrheitsprinzip per Mehrheits-Kampfabstimmung durch (interessant ... eigentlich behauptet Attac immer, auf Konsens zu stehen – aber das gilt wohl nur, wenn der nützlich für die Apparate ist ...). Nach diesem Prinzip wurde dann der Rest durchgesetzt – unter der wortgewaltigen Führung der zwei dominanten Funktionäre bei Attac/PDS/Wahlalternative – beide gut bezahlte Staatsbedienstete (Berufs- bzw. Hochschullehrer). Fortan gab es Montagsdemos auch in Gießen – und manch Attaci mag auf Vorteile für seinen Verband gehofft haben: „Es geht doch darum, neue Mitglieder für Attac zu gewinnen“, formulierte ein Attac-Aktivist auf dem beschriebenen Treffen ganz offen seine Ziele.
Damit aber war es nicht zu Ende. Eine Woche später trat der DGB auf den Plan. Der Mittelhessen-Boss, gut trainierter Funktionär, und sein Geschäftsführer nahmen die Demo in die Hand. Erstmals wurde die Demo angemeldet (und der DGB bekam sie auch kostenfrei von der Stadt, was andere Gruppen nicht bekamen – in Hessen kosten Demos seit einiger Zeit richtig viel Geld, siehe  http://www.projektwerkstatt.de/demorecht) und auf dem DGB-Flugblatt stand „1. Montagsdemonstration“. Zwar nahm der DGB-Mittelhessen-Boss das nach Kritik zurück, aber da war es ja auch schon verteilt. Ein Teilnehmer eines Vorbereitungstreffens berichtete, dass die führenden Funktionäre des DGB zwar das offene Mikro akzeptierten, aber eine Gruppe sollte gehindert werden ... nein, nicht Nazis, sondern Leute aus der Projektwerkstatt. Die waren aber schon nicht mehr dabei oder nur noch am Rande mit anderen Aktionen, so dass eine Umsetzung nicht nötig war ... immerhin gab es auch andere DGBler, die das Verhalten ihrer Führungskader kritisierten.
Bleibt noch zu berichten: Die MLPDlerInnen hetzten auf den Vorbereitungstreffen gegen Organisierung von unten und versuchten sich auf den Demos mit Slogans wie „Brot statt not“ oder „Merkel ist ein Ferkel“. Die FAU kritisierte neben den ProjektwerkstättlerInnen den Bezug auf das Volk, ansonsten aber dachte sie auch darüber nach, wie ihre Einfluss auf die Demo wachsen könne – statt das Prinzip in Frage zu stellen. Ab und zu stand die Antifa am Rande der Demo, weil irgendjemand das Gerücht gestreut hatte, dass Nazis auftauchen könnten. Für mehr interessierte sich die identitäre auftretende Gruppe (in ähnlichem Outfit am Rande des Geschehens als Clique herumstehen) nicht. Schließlich zog sich der DGB wieder zurück und hinterließ ein kleines Grüppchen, dem sogar eine Mikrofonanlage fehlte (27.9.).


Vereinnahmt wird auch der Tod ...
Ein besonderer Tag war Montag, der 27.9. Wie zu erwarten, flaute der kanalisierte, vereinnahmte und weitgehend inhaltsleere Protest deutlich ab. Das veranlasste den nach Sven Giegolds Abgang Richtung Frankreich verbliebenen Attac-Führer Peter Wahl zu einem Interview mit dem Tagesspiegel, in dem er die Meinung vertrat, dass eine Weiterführung der Montagsdemos nicht sinnvoll sei. Peter Wahl hat in seinem langen Funktionärsleben viele Interviews gegeben und sagt zu allem etwas. Er vereinnahmt ständig ganze Bewegungen – das ist alles nichts Neues. Sein eigener Verein, WEED, hat gar keine Basis, sondern ist ein staatsgefördertes Lobbybüro. Entsprechend muss er niemanden fragen, wenn er Entscheidungen trifft – und ist ein solches Vorgehen offenbar gewohnt. Entsprechend passt es zu ihm, ständig auch zum Thema Sozialproteste Verlautbarungen abzulassen, auch wenn das gar nicht sein Thema ist. Diesmal gingen er und die Medien, die Wahl’s Äußerungen sofort als die Meinung von Attac insgesamt und darauf folgernd teilweise der gesamten sozialen Bewegung darstellte, einen Schritt zu weit. Wenn man seine Basis dirigieren will, muss man aufpassen, dass es nicht auffällt. So war Attac am Tag danach, als das Ende der Montagsdemos per Wahl-Dekret durch die Medien geisterte, ein Dementi herauszugeben. Welches Denken aber Peter Wahl wieder einmal offenbart hat, bleibt erkennbar.


More ...
-Gesammelte Zitate zu Hartz-Demos:  http://www.projektwerkstatt.de/aes/sozialproteste
-Attac-kritische Seiten im Internet:  http://www.attac-online.de.vu
-Wahlalternative-kritische Seiten im Internet:  http://www.wahlalternative-online.de.vu
-Gesammelte Zitate zu Vereinnahmungen auf Sozialforen:  http://www.projektwerkstatt.de/sozialforum
-Kritik an Demokratie und Rechtsstaat:  http://www.demokratie-total.de.vu
-Ansätze für Organisierung von unten:  http://www.hoppetosse.net
-Dominanzabbau in Gruppen:  http://www.hierarchnie.de.vu
-Kreative Aktionsformen:  http://www.direct-action.de.vu
-Kritische Bücher zu NGOs & Co., u.a. das neue Buch „Mythos Attac“:  http://www.politkram.de.vu

Veranstaltungen zur Kritik an Vereinnahmung & Co.
Mittwoch, 6.10., 12-14 Uhr (danach nach Absprache): AutorInnen des Buches "Mythos Attac" am Stand des Verlages brandes & apsel auf der Frankfurter Buchmesse

7.10., in Magdeburg, 20.00 Uhr im blaue welt archiv, Thiemstr. 13: Diskussionsveranstaltung "Mythos Attac", Eingangsreferent u.a. Jörg Bergstedt, Autor von "Mythos Attac"

8.+9.10. in Berlin: Diskussionsveranstaltung und Tagesseminar zu Macht und Instrumentalisierung in politischer Bewegung sowie den Gegenstrategien einer Organisierung von unten
Freitag, 8.10.2004, 19.00 Uhr, Café Größenwahn oder Mehringhof, Diskussionsveranstaltung "Macht, Partiziation und Instumentalisierung in politischen Massenbewegungen?
Thema des Abends soll zum einen die Frage der Organisierung von Bewegungen sein, zum anderen eine kritische Reflexion der inhaltlichen Fokussierungen
auf Kampagnen, populistische Verkürzungen und der Erfahrungen aus der Bündnispolitik mit etablierten Organisationen. Offene Diskussion mit einigen "geladenen Gästen", u.a. Autor des Buches "Mythos Attac", AktivistInnen aus Attac, Sozialforum und Berliner Basisgruppen

Samstag 9.10.2004, 10-18 Uhr, Café Größenwahn, Kinzigstr. 9, Friedrichshain, Tagesseminar "Mythos Attac - Organisierung und Strategien für eine Bewegung von unten"
Tagesseminar mit Aufarbeitung der zentralen Thesen zu Attac und anderer AkteurInnen sozialer Bewegungen. Ziel dieser zunächst kritisch-reflektierenden Betrachtung des Ist-Zustandes von Attac ist es in einem zweiten Teil visionär über Perspektiven der Entwicklung des globalisierungskritischen Netzwerkes nachzudenken und konkrete Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

9.+10.10. in Berlin, Zielona Gora: Anschließend an das Seminar am 9.10. beginnt eine Diskussion zur Idee von Sozialforen: Wie kann ein "offener Raum" konkret aussehen? Welche Möglichkeiten gibt es, die Idee offener Räume zur Grundlage von Sozialforumsprozessen zu machen? Welche Rolle kann dabei die Charta des Weltsozialforums bieten, in der solche Strukturen eingefordert werden ? was in der Praxis aber ständig mißach tet wird?
Diese Diskussionsrunde hat nichts direkt mit dem Abend- und Tagesseminar zu tun. Sie beginnt am Samstag abend und endet ca. Sonntag nachmittag. Sie wurde initiiert von Beteiligten an der Initiative für ein Sozialforum in Deutschland. Dort kam es zu Auseinandersetzungen, ob das Sozialforum ein offener Raum ohne SprecherInnen, Außenvertretung, Label und inhaltlichen Vorgaben sein soll (wie in der Charta von Porto Alegre festgeschrieben) oder ob es wie ein Verband nach außen vertreten werden kann, Beschlüsse und Erklärungen verfaßt usw. Die Idee des "offenen Raumes" soll in der Diskussion konkretisiert werden - spannend nicht nur für alle, die auf überregionaler Ebene an der Organisierung von Sozialforen mitwirken, sondern auch für Menschen aus regionalen Sozialforen sowie alle sonstigen Interessierten. Kontaktaufnahme während der Tage: 0171/8348430.

Weitere Veranstaltungen in Planung u.a. in Stuttgart, Osnabrück, Wetzlar und Gießen. Wer Interesse an einer Veranstaltung im eigenen Ort hat, kann sich melden unter  saasen@projektwerkstatt.de. Mehr unter  http://www.vortragsangebote.de.vu.
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Ergänzungen

Labelpolitik der Projektwerkstatt

jeder.ihr.label 29.09.2004 - 01:08
Komisch. Woran erkenne ich nur immer schon nach drei Sätzen, dass unter dem Text das Label "Projektwerkstatt" steht. Liegt es vielleicht daran, dass der informelle Oberguru der Projektwerkstatt immer viel Zeit darauf verwendet, alle anderen als sich selbst als "Labelpolitiker" zu diffamieren? Ansonsten steht wie häufig eine Menge RIchtiges drin, auch wenn das Abarbeiten am Lieblingshasskecks Label wie so häuifg den Blick auf das Wesentliche verstellt.

so ein schmarren

organisiert 29.09.2004 - 02:38
also zum beispiel die WASG: eine sammlungsbewegung, die sich ueberhaupt noch gar nicht richtig gefunden hat, die jetzt erst strukturen aufbaut, wird hier pauschal diffamiert. jedeR der/die sich schon mal ernsthaft und in groesserem stil als dem oertlichen antifa-kaninchenzuechterverein organisiert hat, weiss, dass es soundsoviel wege gibt, bis man endlich eine tragfaehige basisdemokratische struktur beisammen hat. DIE WASG als solche - wer ist das? ein medienprodukt in erster linie. die initiatorInnen haben es nicht leicht, eine gegenoeffentlichkeit zu schaffen, ohne "gefahr" zu laufen, sich gleich wieder von solchen pupsern anduften lassen zu muessen. get a life!

Zur WASG

SubEtha 29.09.2004 - 09:12
So schwer ist es gar nicht, zu sagen, was die WASG ist. Im Grunde ist es doch der Versuch, eine neue, etwas linkere SPD aufzubauen, also praktisch eine West-PDS oder so, in der die etwas linkeren Funktionärchen aus SPD und Gewerkschaften ein neues Pöstchen im linken Fahrwasser bekommen. Das ganze dann noch etwas mit der Pseudoradikalität von Linksruck durchsetzt und fertig ist der Lack. Vielleicht wollen das einige Leute anders, aber so stellt sich doch die Praxis dar.

Attac spielt Presse in die Hände

Eigentor 29.09.2004 - 15:39
Fakt ist aber, dass die Attacis der Bürgerlichen Presse in die Hände gespielt haben. Die feiert jetzt lustig das Ende der Montagsdemo ab. Nach der Fetten Meinungsmache über Wochen der diffamirung und der Demonzahlenfälscherei, hat Attac mit seiner Erklärung der Pressebande nun selbst den Dolch geliefret mit dem sie jetzt die Montagsdemos endgültig abmurksen wollen.

Das war ein Eigentor von Attac.

Übrigens gibt es am 7.10., 19.30 in Berlin, im Haus der Demokratie eine Veranstaltung zu Gegenöffentlichkeit und alternative Medien.

Die frage stellt sich mehr denn je, ob es nicht langsam Sinn mach auch oin Berlin wieder ein freies Radio zu haben oder eine Linksradikale Tages- oder Wochenzeitung. Die Idee einer Linken Bildzeitung wabert ja auch immer mal wieder durch die Gegend.

noch mehr schmarren

eigentor ist eben auch ein TOR 29.09.2004 - 16:34
das eigentor haben doch die fehlenden montags-demonstrierenden selbst geschossen. es nicht gegenueber der presse anzuerkennen, waere schummeln. don't shoot the messenger.

perspektive durch inhalt

micha 29.09.2004 - 16:57
sehr gute kritik der montags-demos und ihrer vereinnahmer!
endlich wird einiges beim namen genannt: der populismus einiger parolen wie "wir sind das volk!" und "weg mit hartz!" ohne über die inhalte nachzudenken, die man anzubieten hat, über wirkliche kampflosungen, die erkämpft werden können; die grundsätzlcihe frage, inwieweit man das gesellschaftssystem insgesamt in frage stellen muss; und die frage nach den kollektiven identitäten, die es den rechten erlauben, sich an den montagsdemos zu beteiligen.
auf unserer seite stellt ein artikel vorschläge zur diskussion, wie man mit realitätstüchtigen inhalten eine perspektive gewinnt.
 http://www.communismus.de/hartz4.html
1) arbeitslosigkeit und armut sind im kapitalismus nicht zu beseitigen, hier muss man den bürgerlichen horizont überschreiten!
2) trotzdem gibt es fortschrittliche inhalte, die man von einer bürgerlichen demokratie erkämpfen muss:
- wenn arbeitslosen- und sozialhilfe zusammnegelegt werden, muss die arbeitslosenversicherung von staatlichen verwaltungsaufgaben befreit werden. staat raus aus den versicherungen!
- wenn reform modernisierung sein soll, müssen die menschen als individuen betrachtet werden. keine familienhaftung bei sozialen leistungen!
- wenn geld bei einigen arbeitlosen gespart wird, muss man es allen zurückgeben. für ein wirklich modernes existenzminimum!
- wenn zumutbarkeitskriterien für akademiker und facharbeiter abgeschafft werden, muss es ein zumutbarkeitskriterium für alle geben. gesetzlicher mindestlohn in höhe des werts der arbeitskraft bei gesetzlichen arbeitstag!
diese forderungen versucht der artikel zu begründen als forderungen, für deren verwirklichung man mit aussicht auf erfolg und zu gunsten aller lohnabhängigen sofort kämpfen kann!

SUPER ANALYSE!

szt 29.09.2004 - 22:31
Kenne die Montagsdemos vor allem aus Berlin:

Die Demos waren o.k; aber ich kann dem Verfasser des Artikels nur beipflichten:
seit der ersten Montagsdemo gab es einen kontinuierlichen Rückgang der "Normalos" und zwar prozentual zum Anstieg der "Organisierten". Mich lässt das Gefühl nicht los dass den von Hartz 4 Betroffenen zu wenig Raum zur eigenen Darstellung und Organisation gegeben wurde. Die Proteste wurden in gewisser Weise wirklich von den "Protestprofis" vereinnahmt und kanalisiert - dass diese sich auch noch untereinander in die Haare kriegten setzte dem ganzen noch die Krone auf.

Es ist jetzt an uns den positiven, wie aus den negativen Aspekten der Montagsdemos zu lernen und dies in unsere zukünftigen Strategien einzubeziehen:

wichtigster Punkt meiner Ansicht nach:
die vorgefertigten strukturen der Organisationen können nützlich aber auch schädlich für einen spontanen Protest sein; nützlich, da sie in unterstützen und verbreiten helfen können, schädlich weil: so kann sich nichts neues entwickeln; + mittels Asambleas oder ähnlichem sollten dauerhafte Strukturen entwickelt werden die über die Demos hinausgehen. Stichwort: Gegenmachtbildung.

Mißtrauen

saul 29.09.2004 - 23:25
Eine Frage ist noch nicht beantwortet. Warum glänzten die Betroffenen durch Abwesenheit? Trauten der Sache nicht überm Weg? Oder waren von Vorneherein der Ansicht, das es eh nix bringen wird? Die Sozialhilfeempfänger sind teils nicht zu Unrecht der Meinung, das es für sie nicht schlimmer wird, 1 € Jobs kennen sie ja schon. Die Arbeitslosen scheinen der Ansicht zu sein, das es sinnvoller ist nach individuellen Lösungen zu suchen, Demo ist nur Zeitverschwendung. War das der Grund? Jedenfalls hat der Ablauf ihnen Recht gegeben, leider.

Bewegung kommt von bewegen

kennsenich 30.09.2004 - 23:20


Nachdem ich mir in Köln und Berlin die Demos tw.
angesehen und mitgemacht habe komme ich zu folgendem Schluss. (obiger Analyse kann ich tw. zustimmen)
Die Protagonisten von attac und wahlalternative sind
aus dem Rennen. Bei der ML gibts wenigstens ein offenes Mikro und in Berlin ein Bündnis aus Betroffenen.
PDS will ich nicht vergessen: heute haben diese Volksvertreter in Mecklenburg-Vorpommern zu Hartz 4
zugestimmt. (na dann setzt mal um ihr Funktionäre - Quittung kommt)
Auf alle Fälle werde ich mich nicht instrumentalisieren lassen. Auch wenn ich an den beiden Demos teilnehmen werde. Als Betroffenener bleibt mir die Gewissheit:
Die Partie von Ende Januar 2005 haben wir noch nicht gesehen.
Oder hast Du "individuelle Lösungen" . "Demo ist nur Zeitverschwendung" heisst : Wir geben auf.
Na dann kommste halt später - aber - wer zu spät kommt
verpasst das beste.
Parteifahnen haben und hatten auf den Demos nichts verloren. Das haben die Leute gemerkt. Also kein Grund zur Panik.
Bei viel Wind kommt Sturm auf und dann wehen auch Fahnen prima. Gib dem scheinbar lauen Lüftchen deinen Wind. Wenn Funktionäre versagen schreit das förmlich nach DIR und mir.

Unser Wind trägt Funken

Mein Respekt gilt allen Kämpfern/innen gegen Sozialraub und Kapital - an allen Fronten, allen Organisierten und Unorganisierten - Bewegung kommt von bewegen.

welche alternativen ?

Rio 21.10.2004 - 11:23
jenen hier betriebenen analytischen aufwand an hand einer aneinanderreihung von tatsachen (zweifellos), wünschte ich mir ebenbürdig beim sinnieren über die daraus zu entwickelnden konsequenzen. und hier kommt es zu erheblichen widersprüchen. wenn man nämlich politische inhalte einer bewegung heraufbeschwören will, vorhandene strukturen, label-politik und vereinnahmung aber ablehnt, ... kann dies nur heiszen, eine neue religion auszurufen, ... die dann auch wieder ihre angriffspunkte bieten wird, um von der 'projektwerkstatt' verriszen zu werden.
darüber hinaus wird die tatsache unterschätzt, dasz sich sowohl Attac, als auch die MLPD bereits als konsequenz zur jeweils anderen seite begreifen. ... mit dem unterschied, dasz Attac versuchte, einer protestbewegung politische inhalte überzustülpen, um identifikation auf sich bzw. ihre philosophie zu beziehen, während z.B. die MLPD sich in nahezu gentlementhafter manier in zurückhaltung übt und 'nur' den kleinsten gemeinsamen nenner, 'weg mit Hartz IV !', als volkes wille akzeptiert, sich identifikation (scheinbar) also auf die protestierende masse bezieht.
verglichen mit der bewegung 1989 in der DDR, lag die stärke in der vereinigung tausender 'dagegens'. mit erfolg ! als man es sich leisten konnte und es erlaubt war, individuell über sein eigenes 'dafür' nachzudenken, zerstob jene bewegung in alle politischen richtungen. das zum kürzel degratierte anhängsel 'B'90' ist heute ein nahezu jämmerliches relikt einer einst gehegten vision.
desweiteren ist es immer eine frage der legitimation, wer welche und in wessen namen politische alternativen probagieren darf. die parteien können dies im namen ihrer wählerInnen, eine organisation im namen ihrer selbst, ... aber die protestierende masse ? soll man also auf den montagsdemos abstimmen laszen: 'wer ist für bürgergeld ?', 'wer ist für zwangsverstaatlichung privaten vermögens ?' ... ist doch blödsinn. das ist eine ebene politischen handelns, die erst NACH dem ersten schritt folgen kann. dann nämlich, wenn man es geschafft hat, das bisher vorhandene oder geplante als 'unzureichend und bürgerInnenfeindlich' abzuschmettern ... und somit alle politischen kräfte und strukturen zum umdenken gezwungen hat.
insofern also ist die forderung 'weg mit Hartz IV' alles andere als plump, sondern sehr konkret ... im gegensatz zu den 99 thesen zur weltverbesserung Attac's.

Rio

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