Prozesseröffnung gegen Folter-Daschner

Libertad! und autonome.antifa [f] 22.06.2004 11:51 Themen: Antifa Medien Repression
Einem Prozess gegen den ehemaligen Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, wegen Androhung von Folter steht nichts mehr im Weg. Das Landgericht Frank­furt/Main gab heute die Eröffnung des Hauptverfahrens bekannt. Daschner hatte, gemeinsam mit weiteren Polizeibeamten, im Jahr 2002 einem beschuldigten Kindesentführer während eines Verhörs Folter angedroht.
Pressemitteilung:
Klageerhebung gegen ehemaligen Frankfurter Vize-Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner
Frankfurter Initiativen kündigen Kampagne gegen Folter an

Mit einer kritischen Prozessbeobachtung, Informationsveranstaltungen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen wollen zwei Frankfurter Gruppen der Aushöhlung grundlegender Menschenrechte entgegenzutreten. Die Autonome Antifa [f] und das Frankfurter Büro der bundesweiten Initiative Libertad! sprechen sich angesichts der zu Prozesseröffnung zu erwartenden erneuten öffentlichen Debatte nachdrücklich für das in der UN-Antifolterkonvention von 1984 festgeschriebene Verbot jedweder körperlicher und psychischer Misshandlung von Gefangenen aus.

Wolfgang Daschner steht bis heute zu der von ihm begangenen Folterandrohung. Er wird nach wie vor von dem Polizeipräsidenten von Frankfurt gedeckt, der das Verhalten seines Stellvertreters zur Tatzeit „in vollem Umfang“ billigte. Auch beim hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch fand Daschner damals „Verständnis“.

Hans-Peter Kartenberg, Sprecher der Initiative Libertad! zum Schutz politischer Gefangener, stellt eine bewusste Aufweichung des Folterverbotes im öffentlichen Diskurs fest: „Die aktuelle Debatte um die Bilder der gequälten und gedemütigten Gefangenen im Irak erweist sich angesichts der verständnisvollen Reaktionen auf Daschners Verhalten als Heuchelei. Die Legitimität von Folter wird in Europa wieder offen diskutiert.“ Dies zeige sich nicht nur in den Gesetzesinitiativen der Regierung Berlusconi, sondern stehe auch hinter den Äußerungen des Münch­ner Bundeswehr-Professors Wolff­sohn oder Innenministers Schily. „Hier spricht nicht der sprichwörtliche Stammtisch, sondern die geistigen Eliten des Landes liefern als Schreibtischtäter die intellektuellen Vorlagen für kommende Daschners”, warnt Hans-Peter Kartenberg.

Die beiden in Frankfurt ansässigen Gruppen sehen die Infragestellung des Folterverbots in einer Reihe mit der geplanten Ein­führung von biometrischen Daten, der sogenannten „Präventiv­haft” und des neuen Zuwanderungsgesetzes. Die Autonome Antifa [f] und Libertad! wol­len die Demotage des Rechtsstaats durch sich selbst nicht schweigend hinnehmen und kündigen ihrerseits eine Kam­pagne an, die sich gegen Folter als Ausdruck einer reaktionären Sicherheitspolitik richtet­­.

„Die Diskussion um den Fall Wolfgang Daschner ist längst keine Frankfurter Affäre mehr“, be­gründete die Sprecherin der Autonomen Antifa, Sahra Brechtel, die geplanten Aktivitäten und erklärte weiterhin: „Der zur Folter im Ausnahmefall bereite Beamte erscheint im Nachhinein viel­mehr nur als Katalysator der neuesten Gesetzesinitiativen zum atemberaubend rasanten Abbau der Grund­rechte.“ Durch das Gerichtsverfahren erwarte man auch keine Aufklärung, so Sarah Brechtel, da Daschner nicht wegen Aussageerpressung, sondern lediglich wegen Nötigung und Amts­missbrauch angeklagt ist. Auch gegen die an der Folter-Drohung und geplanten Durchführung beteiligten Polizeibeamten wur­den bisher noch keine Ermittlungen aufgenommen.

In Kürze wollen die linken Gruppen mit einer Plakataktion dafür sorgen, dass die öffentliche Diskussion im anstehenden juristischen Verfahren ihren politischen Charakter erhält.
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Ergänzungen

Gegen Folter, gegen Verharmloser

Ergänzer 22.06.2004 - 12:34
Es war mehr als eine Entführung, es ging um Kindestötung.

Zur internationalen Folterdebatte

Menschenrechtlerin 22.06.2004 - 13:04
Ein Rückblick über die deutsche und internationale Folterdebatte gibt es unter

Agenturmeldungen dpa, AP, AFP

Presse 22.06.2004 - 13:19
Dienstag 22. Juni 2004, 10:56 Uhr

Frankfurter Ex-Polizeivize muss wegen Foltervorwurfs vor Gericht

Frankfurt/Main (dpa) - Der ehemalige Frankfurter Polizei- Vizepräsident Wolfgang Daschner muss sich vor Gericht wegen des Vorwurfs der Folterandrohung verantworten. Das Landgericht Frankfurt hat die Klage wegen schwerer Nötigung zugelassen. Daschner hatte im Zusammenhang mit der Entführung des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler dem Hauptverdächtigen während des Verörs Folter angedroht. Der Vorfall hatte bundesweit für Empörung gesorgt.
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Dienstag 22. Juni 2004, 10:22 Uhr

Daschner wird der Prozess gemacht

Frankfurt/Main (AP) Das Landgericht Frankfurt hat die Anklage gegen den früheren stellvertretenden Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner und einen Kriminalhauptkommissar wegen der Folterandrohung gegen den Entführer des Bankierssohnes Jakob von Metzler in vollem Umfang zugelassen. Der Prozess vor der 27. Strafkammer findet nicht vor November dieses Jahres statt, wie das Landgericht am Dienstag mitteilte.

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den 50-jährigen Kriminalhauptkommissar erhoben wegen schwerer Nötigung unter Missbrauch seiner Befugnisse und seiner Stellung als Amtsträger. Bei einer Verurteilung droht den Beamten maximal fünf Jahre Haft. Daschner wird Verleitung zu dieser Straftat vorgeworfen. Er hatte laut Anklage den Hauptkommissar angewiesen, dem festgenommenen Kindesentführer Magnus Gäfgen am 1. Oktober 2002 die Zufügung schwerer Schmerzen anzudrohen, wenn er nicht den Aufenthaltsort des Jungen preisgebe.

Wegen der Bedeutung des Falls und der Stellung Daschners wurde die Anklage bei einer Großen Strafkammer des Landgerichts erhoben. Sie geht von einem besonders schweren Fall aus, der mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bestraft werden kann. Ein Verbrechen der Aussageerpressung liegt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht vor; die Polizeibeamten hätten mit der Gewaltandrohung nicht in erster Linie ein Geständnis erreichen, sondern das Kind retten wollen, hieß es.

Nach Anklageerhebung hatte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) Daschner in den Verwaltungsdienst nach Wiesbaden und den Hauptkommissar innerhalb der Frankfurter Polizei versetzt.

Der nach Übergabe des Lösegelds festgenommene Jurastudent Gäfgen hatte in der Nacht zum 1. Oktober 2002 mehrere falsche Verstecke genannt. Am nächsten Morgen ordnete Daschner nach eigenen Angaben an, der Vernehmungsbeamte solle Gäfgen androhen, dass ein polizeilicher Kampfsportler ihm Schmerzen zufügen würde, wenn er nicht die Wahrheit sage.

Die Polizei ging davon aus, dass der Junge noch am Leben war. Tatsächlich jedoch hatte Gäfgen ihn bereits vier Tage zuvor getötet und die Leiche an einem kleinen See unweit von Frankfurt abgelegt. Gäfgen nannte den Ort schließlich direkt nach der Folter-Androhung. Er wurde im Juli 2003 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der Fall hatte eine bundesweite Diskussion über die Zulässigkeit von Folter zur Rettung von Menschenleben ausgelöst. Polizeipräsident Harald Weiss-Bollandt hatte das Vorgehen Daschners mit einem Notstand gerechtfertigt.
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Dienstag 22. Juni 2004, 10:17 Uhr

Anklage wegen Folter-Drohungen im Fall von Metzler

Frankfurt/Main (AFP) - Wegen der Folter-Drohungen bei den Ermittlungen im Mordfall Jakob von Metzler muss sich Frankfurts Polizei-Vizepräsident Wolfgang Daschner vor Gericht verantworten. Das Landgericht gab bekannt, dass es die Anklage gegen Daschner und einen Kommissar zugelassen hat. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Polizei-Vizepräsidenten Verleitung zur Nötigung und dem 50-jährigen Kriminalhauptkommissar Nötigung vor. Der Prozess soll frühstens im November beginnen.

Daschner hatte dem mittlerweile verurteilten Mörder Magnus Gäfgen in einem Verhör "schwere Schmerzen" androhen lassen, wenn er den Aufenthaltsort Jakobs nicht preisgebe. Die Ermittler hofften so, den im September 2002 entführten Jakob lebend zu finden. Der Elfjährige war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon tot.

Pressemitteilung des LG Frankfurt am Main

Pressestelle für Strafprozess 22.06.2004 - 13:35
Anklage gegen den Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei, W. Daschner

Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom gestrigen Tage die Anklage gegen den Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei, W. Daschner, sowie einen Kriminalhauptkommissar zugelassen.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main legt einem 50 jährigen Kriminalhauptkommissar Nötigung unter Missbrauch seiner Amtsbefugnisse und seiner Stellung als Amtsträger zur Last (§ 240 Absatz 1 und Absatz 4 StGB). Ihm wird vorgeworfen, am 01.10.2002 dem Entführer des 11 jährigen Jacob von Metzler, Magnus Gäfgen, mit der Zufügung schwerer Schmerzen für den Fall gedroht zu haben, dass er nicht bereit sei, den Aufenthaltsort des entführten Kindes zu nennen. Er soll auf entsprechende Anweisung des Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei gehandelt haben, der deshalb wegen Verleitung zu der Tat seines Untergebenen angeklagt ist (§§ 240 Absatz 1 und Absatz 4, 357 Absatz 1 StGB).

Die 27. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat die Anklage ohne Abänderung zugelassen. Es ist damit die Hauptverhandlung durchzuführen.

Nach der derzeitigen Terminsituation der Strafkammer ist wegen vordringlich zu verhandelnder Haftsachen mit dem Beginn der Hauptverhandlung nicht vor November dieses Jahres zu rechnen.

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§ 240 StGB Nötigung

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung nötigt,

2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder

3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht.

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§ 357 StGB Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat

(1) Ein Vorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einer rechtswidrigen Tat im Amt verleitet oder zu verleiten unternimmt oder eine solche rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen lässt, hat die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt.

(2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Amtsträger Anwendung, welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft.

@ ergänzer

eben nicht 22.06.2004 - 14:29
es ging gar nicht um "kindesmord", sondern um entführung; das der entführte schon tot war, war nicht bekannt, darum ja auch die folterandrohung um das leben des jungen zu retten. gelle?

gegen folter - gegen fehlinfos... ;)

Kindesentführung ist keine Meinung...

Petra 22.06.2004 - 22:04
Also, dass hier die Antifa Frankfurt groß mitmischt, ist doch etwas seltsam. Wenn Antifas z.B. Steine auf Faschos werfen, oder der Nazi Horst Mahler bei seinem Besuch in einer Frankfurter Szenekneipe zwei blaue Augen verpassen usw. - dann ist das völlig legitim, weil ja Faschismus keine Meinung ist, sondern ein Verbrechen.

Wenn nun aber ein Polizeibeamter das selbe einem Verbrecher auch nur ANDROHT (!) wird von der selben Antifa eine große Kampagne dagegen gemacht.

Sorry Leute, aber ich glaube, das ist nicht so ganz glaubwürdig. Denn: "Kindesentführung und Kindermord ist keine Meinung - sondern ein Verbrechen!". Und wenn es legitim ist, einen Faschisten grün und blau zu schlagen, weil seine Ideologie ein Verbrechen ist, dann muss es doch wohl ebenso legitim sein, einem Verbrecher dies zumindest mal anzudrohen.

Anti-Folter-Kampagne

Libertad 17.11.2004 - 16:13

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