Geldbörsen-Watchers im Neuköllner Sozialamt

"Emmanuel Goldstein" 16.02.2004 16:13 Themen: Soziale Kämpfe
Während der soziale Widerstand in Berlin abnimmt, wird im Sozialamt des Bezirks Neukölln ein ganz anders "Abnehmen" praktiziert. Mitarbeiter kontrollieren unter Anwendung von Gewalt die Portemonnaies von Stützeempfängern. Werden Sie Mitglied bei Geldbörsen-Watchers! Der Druck auf Stützeempfänger und Arbeitslose wird damit weiter erhöht. Aber wo bleibt der Druck von unten? Ein Blick auf den Berliner Widerstand gegen Sozialklau.
Neulich berichtete mit ein türkischstämmiger Kumpel, im Berliner Sozialamt Neukölln würden jetzt von Mitarbeitern Brieftaschenkontrollen durchgeführt. Bekannte von ihm wurden bei einem Besuch des Sozialamtes von zwei Mitarbeitern "links und rechts an den Armen gefasst", ein dritter Sozialamtsmitarbeiter habe dann die Brieftasche aus dem Jacket der Stützempfänger geholt und kontrolliert wieviel Geld drin war. Je nachdem Inhalt der Geldbörse wurde dann die Auszahlung von Stütze verweigert, bzw. vorläufig gestrichen. Das soll im Sozialamt Neukölln jetzt öfter vorkommen. Damit zeitgt sich: der Druck auf die Schwächsten in Deutschland wird weiter verstärkt. Das Sozialamt im Berliner Bezirk Neukölln, ein Stadtteil mit einem hohen Anteil an Einwanderern, ist berüchtigt für seine Methoden. Der Bezirk wird in der bürgerlichen Presse von taz, Faz bis Bild gerne als ein "Problembezirk mit hohem Auländeranteil" gedisst. "Arabische Familien" würden den Stadtteil mafiamässig kontrollieren. Dementsprechend müßten die Sozialamtsmitarbeiter geschüzt werden: Kameras, dicke Glasscheiben, Sprechanlagen.

Die rassistische Hetze auf Einwanderer und der Druck auf migrantinische Arbeitslose reiht sich nahtlos in die Kopftuch-Kampagne und die gerade anlaufende Zuwandererungsdebatte ein. Komlementiert wird diese üble Propaganda durch die Islamismus-, Antisemitismus-, Laizismus- und "wir-wurden-von-arabischen-Jugendlichen-bedroht" Diskurse der "anti"-deutschen wohlstandschauvinistischen Prosecco-Linken. Eine neue Querfront von NPD, Lummer-CDU bis BaHamas-UnKonkret-Linke ist im entstehen. Analog zum Krieg nach Aussen wird der Krieg nach Innen geführt - und verteidigt. Es ist ein Krieg gegen die Schwachen, gegen diejenigen, die am wenigsten Kampfmittel haben sich zu wehren: Arbeitslose und Sozialhilfeempfängerinnen.

Gleichzeitig will sich massiver Widerstand gegen den Raubzug gegen die Schwachen nicht entfalten. Der soziale Protest in der Hauptstadt flaut ab. Zu den Schwarzfahraktionen, die von Prof. Grottian organisiert werden kommen nur wenige. Radikale Linke sieht man dort allenfalls als "Recherche-Team". Sicher haben die Luxus-Debatten in der deutschesten aller Linken einen gewissen Anteil daran, dass sich entschlossener radikaler linker Widerstand gegen Sozialabbau nicht enfalten will. Wer sich in Pankower Antifawochen-Blättlis über die Kampagne gegen den Bankenskandal echauffiert und die selbe in die Nähe von Nazis rückt, ist offenbar vom Druck der Neuköllner Brieftaschen-Watchers nicht betroffen. Die Blau-Weiß-Sport-Truppe frönt lieber dem train-spotting von angeblichen Faschos auf Demos gegen Sozialabbau oder versucht sich in einer Art von projezierendem Robbenbabies-schützen "für den Kommunismus". Am besten vergessen, diese Kinder!

Das andere Extrem sind die Bewegungsbürokraten mit den Eisenärschen. Sie sitzen auf einer Sozialforumssitzung nach der anderen. Sie denken nur von der letzen Massendemonstration zur nächsten; dann gibt es noch diejenigen, auf deren revolutionären Spielplan immer nur ein Stück steht: "Warten auf den 24-stündigen Generalstreik". Und wir wollen nicht die schwarzroten oder maoistischen "Putsch-Affen" vergessen, die hinter jeder Bewegunstaktik gleich Klassenverrat vermuten und aufgeregt "Putsch, Putsch!" kreischen. Erst mal selbst was auf die Reihe kriegen! Doch Schluß mit der Polemik. Wo bleibt die dezentrale direkte Aktion, die den Herrschenden zu verstehen gibt: Ihr könnt nicht alles mit uns machen!?
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Ergänzungen

Rechtlich ganz einfach

Alfons Kilad 17.02.2004 - 17:57
Ein zwanghaftes Abnehmen von Eigentum wie auch Geldbörse, stellt eine Straftat dar (egal bei wem). Staatsgewalt kann nur Zwang im Rahmen von Strafverfolgung ausgeübt werden. Sozialhilfeempfänger zu sein ist keine Strafe. Deshalb sollte in solchen Fällen Anzeige erstattet werden.
Der Widerstand im Großen ersetzt nicht den im Kleinen. Sicher, würde ein Sozialhilfeempfänger zuschlagen, käme dies schon in die Öffentlichkeit (und ist wahrscheinlich Notwehr). Ansonsten - andere Leute zum Sozialamt mitnehmen (bzw. mitgehen). Diese unmittelbare praktische Unterstützung ist sehr viel wert.

ein paar mehr perspektiven

KALLE 18.02.2004 - 20:52
in (nord)neukölln gibt es viele arme (geld) menschen. deshalb ist das sozialamt so eine bemerkenswerte und statistisch relevante einrichtung. es wird immer wieder von den medien, politikern u.a. bemerkt und bewertet.
es wird immer wieder in statistiken mit attributen wie: das grösste, die meisten, schlimmste und so weiter bewertet. der stets erwähnte hohe ausländeranteil ist meiner ansicht nach eine teile-und-herrsche-geschichte: die unterschiede werden betont, dass hier so viele arm sind wird mit ausländern assoziiert. das ist falsch. die armut hat viele gesichter, farben und sprachen. es gibt alte leute, die reichtum (geld) haben und andere, die das nicht haben. bei jungen menschen ist das auch so. und wenn sich in einem sozialamt so viele menschen begegnen ist das eigentlich eine gute gelegenheit zu sehen, dass die grenze doch eher zwischen oben und unten und nicht zwischen den völkern verläuft. ich kann nur sagen: geht hin und lernt euch kennen. das sozialamt erwartet euch schon mit dickem glas oder so. lasst euch nicht einschüchtern. zusammenhalten ist auch immer gut. das geht besonders dann vortrefflich, wenn mensch mal nach den gemeinsamkeiten guckt (aber die unterschiede nicht vergessen. respekt eben.) als clown hingehen, und ein integrierendes lachen erwecken...

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