Studi-rts, on speed in Berlin!

Karl Licht 03.12.2003 02:38 Themen: Bildung Freiräume Soziale Kämpfe
Dienstagabend haben ca. 40 StudentInnen über mehrere Stunden den Festsaal des Roten Rathaus besetzt gehalten. Mehr als 100 StudentInnen kamen daraufhin - mobilisiert durch private Info-Telephonketten - zu ebendiesem Gebäude und bekundeten ihre Solidarität mit den BesetzerInnen. Nachher kam es noch zu einer Spontandemo. Davon berichtet dieser Artikel.
Nachdem die Soli-Kundgebung vor dem Roten Rathaus offensichtlich so langsam ausklang, versammelten sich noch etwa 250 Studierende zu einer Spontandemo auf der Karl-Liebknecht-Str. Und die hatte es in sich. Zuerst zog man brav entlang. Bullen waren da, im üblichen Ninja-Mutant-Turtles-Outfit. Aber relativ wenige. Als man ungefähr am Lustgarten vorbei war, wurde die Demoroute chaostheoretisch weiterentwickelt. Zuerst nach links auf die andere Fahrbahn. Dann links in eine Seitenstraße rein. Dann nochmal irgendwo rein, irgendwann vorbei am Auswärtigen Amt, usw.

Man mußte stets die überraschenden Wendungen des Mobs laufend vollziehen. Diese Vorgehensweise setzten wir später auch in den Slogans um, „Fitneß für alle - sonst gibt’s Krawalle!". War durchweg eine geile Stimmung da. Man hielt die Bullen mächtig auf Trab, blockierte kurzzeitig immer wieder den Verkehr, und war vor allem laut! Hatte was von einem Räuber-und -Gendarm-Spiel, aber hey - spielen wir nicht alle gerne mal ein bißchen?

Hernach gings in die Friedrichsstr. - unterm S-Bahn-Bogen ist man ja besonders laut - nach vorne hatten die Bullen dann schon wieder gesperrt gehabt. Also links rein, dann nochmal links und schwupp - war man schon wieder am S-Bahnhof Friedrichstr. So langsam ging aber leider die Luft aus. Wir schafften es im Laufschritt noch zum die S-Bahnstrecke entlang Richtung Hauptgebäude der HU. Der Mob orientierte sich erstmal wieder nach links, Richtung UdL. Dort waren aber die Bullen dann doch zuviel. So langsam hatten die uns ganz gut eingekreist. Nach gut 50 Minuten „rts on speed" war dann leider doch die Puste weg und man wollte nur noch ein Bier trinken. Also alle rein aufs Unigelände, zum Ostflügel. Da waren noch viele im Café und drumherum. Bald danach habe ich mich dann vom Acker gemacht.

Wenn das so weitergeht, brauch ich jedenfalls kein Dauerlauf im Park mehr zu machen. Mal Scherz beiseite: meines Erachtens ist es sehr wichtig, diese öffentlichkeitswirksamen Protestformen weiterzuführen. Wichtiger sogar, als die eigenen Institute zu besetzen. Obwohl beides natürlich notwendig ist. Die Medien berichten. Das ist gut. Schlecht ist, wenn alle ihr Verständnis heucheln und die Sparorgie dann doch weitergeht. Bestes Beispiel hat Klaus Wowereit am letzten Samstag geliefert. Die Proteste findet er ja irgendwie echt toll. So viel Engagement und so. Aber an den Sparplänen hält er fest. Das ist Sozialdemokratie wie sie leibt und lebt. Zum Kotzen! Sorry, aber anders, als durch einen Kraftausdruck kann ich es jetzt nicht sagen. Nur gut, daß er einen Tag später sauer war, als ca. 100 (oder mehr?) Studis beim Bestaunen des norwegischen Weihnachtsbaums etwas störten.

Das muß weitergehen! Die Besetzungen von Büroräumen von Ministern und anderen Politikern muß weitergehen! Straßenblockaden müssen weitergehen! Ziviler Ungehorsam und kontrollierte Grenzüberschreitung mit (halbwegs) kalkulierbaren Risiken - anders ist dieser Senat nicht zu knacken. Und was m.E. fast am wichtigsten ist: die Verbindung unseres Kampfes mit anderen sozialen Kämpfen in dieser Stadt. Mit den Gewerkschaften, mit Arbeits- und Obdachloseninitiativen, mit SchülerInnen, mit dem Berliner Sozialforum, mit attac - und explizit auch mit der radikalen Linken. So diese denn bereit sind, mal ihre üblichen Grabenkämpfe zu vergessen. Denn hier entwickelt sich tatsächlich mal eine Bewegung. Es könnte immer noch kippen. Weihnachten ist nahe, da fahren fast alle auswärtigen Studis nach Hause. Und die Angst, das Semester zu verlieren, ist uns allen im Nacken. Ich hab schon mehr als eins verloren, bei solchen Streiksachen. Trotzdem sollten wir nicht verzagen und vor allem den Blick über den akademischen Tellerrand hinaus erheben. ArbeiterInnen, Arbeitslose, SchülerInnen und StudentInnen gemeinsam - legen wir am 13. Dezember diese Stadt lahm! Fürs erste!
La lotta continua!!!
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rundumschlag 03.12.2003 - 12:22
hallo ich finds sehr gut den politikern richtig aufn nerv zu gehen. aus meinen pesönlichen erfahrungen in den letzten jahren hier in der stadt hab ich gelernt, das sie sonst eh nicht reagieren. die die im moment das sagen haben sind natürlich wichtig, aber wir sollten nicht vergessen das nicht nur die spd an der misere schuld ist sondern auch oder grade auch die cdu. vielleicht täusch ich mich, da ich nicht alles mitkriege was passiert, aber wir sollten nicht vergessen, das es auch noch leute wie landoswky, diepgen, riebschläger(spd) und co. gibt, die ihr fett auch noch nicht abgekriegt haben(ne abwahl stellt für die keinen besonderen schaden dar. geld verdienen tun die mit ihren connections immer noch). die können sich doch jetzt wieder hervortun und die wirtschafts- und sozialpolitik in berlin kritisieren. wir wissen das es auch ihre schuld ist, aber die ganzen stinos vergessen schnell. deshalb sollten wir ihnen auch erst gar nicht das gefühl geben das sie boden unter den füssen hätten. also heiter weiter

Berufsdemonstranten

Ernest 03.12.2003 - 22:55
> Ich hab schon mehr als ein Semester verloren,
> bei solchen Streiksachen.

Aha, ein Berufsdemonstrant also.