Stoiber: Hochschulen - Gleichschritt, Marsch!

wurm 07.11.2003 14:26 Themen: Bildung
In seiner Regierungserklärung am 6.11. befaßte sich der alt-neue bayerische MP Stoiber auch mit der Hochschulpolitik.

Kernpunkte des betreffenden Abschnittes (v.a. aus studentischer Sicht) sind:
- Konzentration auf "international konkurrenzfähige Schwerpunkte" und dafür Streichungen an anderer Stelle (von sog. "Doppelangeboten)
- "entscheidungskräftigere" Hochschulverwaltung und Entmachtung der internen Hochschulgremien - damit Einschränkung der student. Mitbestimmung
- die Studierenden werden getrennt in eine "Leistungselite", die durch "Elitestudiengänge" gefördert werden soll, und den übrigen, irgendwie zu bewältigenden "Studentenberg"
- Studiengebühren sollen prinzipiell erlaubt sein; angekündigt wird ihre Einführung zunächst nur für Überschreitung der Regelstudienzeit
Die vom bisherigen (jetzt durch Thomas Goppel abgelösten) bayerischen Wissenschaftsminister Hans Zehetmair (und im Bundestagswahlkampf vor einem Jahr auch von Stoiber selbst) artikulierte Ablehnung von Studiengebühren für das Erststudium gilt offensichtlich nach gewonnener Landtagswahl nicht mehr.

Das gesamte Programm ist natürlich ausgesprochen unoriginell, vielmehr aus vielen anderen Bundesländern von Frankenberg (BW) bis Dräger (HH) in fast demselben Wortlaut (mit denselben Euphemismen) schon bekannt. Einen wie auch immer gearteten bayerischen Sonderweg in der Hochschulpolitik, wie er bisher manchmal angenommen wurde, gibt es damit definitiv nicht mehr.

Die CSU-Regierung in Bayern marschiert damit im Gleichschritt mit den CDU-Regierungen in Hesen, Hamburg, Niedersachsen und Baden-Württemberg in eine Hochschulzukunft, in der ausgewählte "Elitestudenten" an ausgewählten Standorten "international konkurrenzfähig" zur künftigen "nationalen Elite" Deutschlands ausgebildet werden, um die zukünftige Großmachtstellung Deutschlands abzusichern, während der Rest an immer weniger Orten immer weniger und kürzer studieren darf, dabei keinerlei Mitbestimmungsrechte mehr genießt und dafür früher oder später auch noch bezahlen soll.


Stoibers Regierungserklärung vom 06.11. gibt es im Volltext unter
 http://www.bayern.de/Presse-Info/Reden/2003/pdf/rede_031106_Regierungserklaerung_Endfassung.pdf

Mit der Hochschulpolitik befaßt er sich auf S.42-45.

Hier zur Dokumentation der Volltext des betreffenden Abschnittes:

"Wir investieren in unsere Hochschulen. Sie sollen international in der ersten Liga spielen.

Der Bedarf an hoch qualifizierten Fachkräften steigt. In den nächsten Jahren wird sich der internationale Wettbewerb um die besten Studierenden und Nachwuchswissenschaftler weiter verschärfen: die deutschen Leistungseliten wandern aber immer stärker ab. Fast jeder dritte deutsche Wissenschaftler im Ausland kommt nicht zurück. Die deutschen Nobelpreisträger der letzten Jahre waren alle in Diensten ausländischer Forschungseinrich-tungen. Damit verlieren wir Know-How und Innovationskraft. Im weltweiten Wettbewerb um Köpfe und Wissen fällt Deutschland zurück.

Diese schwerwiegende Fehlentwicklung wird in Deutschland verschwiegen. Der Exodus der Eliten wird hingenommen. Dagegen werden wir uns stemmen. Umbau und Neuorganisation der Hochschulen, verstärkte Förderung der Eliten und noch mehr internationale Ausrichtung sind das Gebot der Stunde.

Wir werden ein neues, grundlegend modernisiertes bayerisches Hochschulrecht vorlegen. Die Hochschulverwaltung wird neu geordnet:
- Wir wollen entscheidungsfähige und tatkräftige Hochschulleitungen.
- Der Verwaltungsrat aus Senats- und Hochschulratsmitgliedern wird Aufsichtsratsfunktionen erhalten.
- Der Senat wird verkleinert, die Dekane werden gestärkt.

Wir setzen auf konkrete und überprüfbare Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen. An Hochschulen, die bereits jetzt über das notwendige Instrumentarium verfügen, erproben wir Globalhaushalte.

Wir wollen, dass die Hochschulen durch Konzentration auf Schwerpunkte ihr Profil schärfen. Internationale Spitze werden wir nur durch Konzentration unserer Ressourcen erreichen. Entscheidend für die Zukunft Bayerns wird nicht sein, dass an allen Hochschulen alles angeboten wird Entscheidend wird sein, dass wir in allen Fachrichtungen internationale Spitzenqualität in Bayern haben.

Ausbauen werden wir auf internationale Nachfrage zugeschnittene Studienangebote mit international üblichen Abschlüssen, wie z. B. dem Master. Mit internationalem Benchmarking wollen wir die Qualität von Lehre und Studium steigern. Das Leistungsprinzip wird auch mit Professuren auf Zeit und Leistungszulagen für exzellente Forschung und Lehre gestärkt.

Wir wollen neben einer fundierten akademischen Ausbildung für alle Studenten die Betreuung der Studenten verbessern. Dazu werden wir Standards für Beratung und Betreuung festlegen. Sichergestellt werden soll damit vor allem eine ausreichende Präsenz der Professoren an den Hochschulen. Das stärkt die Lehre und ist auch ein Beitrag zur Bewältigung des Studentenbergs.

Wir wollen die Leistungselite unter den Studenten fördern. Wir führen Elitestudiengänge mit hoher Betreuungsintensität und exzellentem Lehrangebot ein. Mit „Internationalen Doktorandenkollegs“ wollen wir die Leistungsbesten in Deutschland halten und zusätzlich auch aus dem Ausland gewinnen. Besonders herausragende wissenschaftliche Potenziale an den Universitäten werden wir in einem Elitenetzwerk bündeln.

Wir treten dafür ein, Studiengebühren zuzulassen. Studiengebühren sind für uns untrennbar verbunden mit leistungsabhängigen Stipendien, sozial ausgewogenen Studiendarlehen sowie einem Mehrwert für die Studenten durch verbesserte Studienbedingungen. Für die Überschreitung der Regelstudienzeiten werden künftig Gebühren erhoben."
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