Interview mit Paolo Elkoro s 1.9.im Hungerstreik

Ralf Streck 26.09.2003 10:18 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Der 29jährige Paulo Elkoro aus dem baskischen Bergara wurde im Januar in der deutschen Stadt Nürnberg unter dem Vorwurf der Unterstützung der ETA verhaftet. Das Oberlandesgericht in Nürnberg hat im August seine Auslieferung nach Spanien genehmigt. Seit knapp vier Wochen protestiert er mit einem Hungerstreik gegen seine Auslieferung. Wegen gesundheitlicher Probleme befindet er sich nun in der Krankenstation im Gefängnis Stadelheim (München).
Haben sie Hoffnungen, dass ihre Verfassungsbeschwerde die Auslieferung nach Spanien noch verhindern kann?

Ich habe die Hoffnung, das Verfassungsgericht urteilt nicht so parteiisch wie die Richter in Nürnberg. Der Strafsenat in Nürnberg hat einfach die Version der spanischen Behörden übernommen. Die Hintergründe über die Beschaffung der Beweismittel wurden ihm verschwiegen, aber er sah keinen Grund das zu hinterfragen. Wir hatten deshalb keine Chance dort.

Worauf begründet sich die Anklage, sie seien 1997 an einem Anschlag der ETA beteiligt gewesen?

Sie stützt sich nur auf eine Aussage eines Verhafteten bei der Polizei, wonach ich ein Auto für einen Bombenanschlag chauffiert haben soll. Aber diese Beschuldigung steht nur in der deutschen Übersetzung. Im spanischen Original steht das anders und im Auslieferungsgesuch heißt es nur, ich hätte die ETA unterstützt. Diese Aussagen wurden ohnehin unter Folter erpresst, wie es auch der Betroffene angezeigt hat. Die Vorwürfe gegen mich hat er vor dem Richter auch nicht wiederholt. Das haben wir bewiesen. Doch der Senat hat dann einfach so getan als wären die Aussagen vor der Polizei vor dem Richter gemacht worden und die Anzeige wegen der Folter ließ er sich nicht einmal übersetzen. Auch die Übersetzerin vor dem Ermittlungsrichter hat sich über falsche Darstellungen in den deutschen Akten beklagt.

Ist ihre Flucht nicht ein Eingeständnis zur Tat?

Nein. Wenn die spanische Polizei oder die Guardia Civil im Baskenland eine Razzia macht, bringen sich erst einmal einige Leute in Sicherheit. Denn es blüht ja die fünftägige Incomunicado-Haft. Dann wird von Madrid großzügig geduldet gefoltert, um zu Geständnissen oder Vorwürfen gegen andere zu kommen. Ich hatte bei meiner Flucht ja noch Glück im Pech. Ich musste nicht die Tortur mit Elektroschocks, Erstickungsmethoden mit einer Tüte, Scheinhinrichtungen ständige Schläge auf den Kopf mit einem Telefonbuch, Schlafentzug sexuelle Übergriffe und so etwas erleiden. Die Guardia Civil nimmt erst mal fest, foltert und fragt dann. Deshalb kommen viele auch danach sofort wieder frei.

In den letzten Jahren sind Hunderte Jugendliche geflohen. Nur ein Teil geht zur ETA, sagt auch die baskische Regierung. Fliehen alle wegen der Folter?

Wegen einer Verhaftung würde niemand fliehen, wenn man keine Folter und ein faires Verfahren zu erwarten hätte, wo es um Jahrzehnte Knast geht. Mehr als 2000 Basken sind auf der Flucht, die Zahl wächst stetig. Einer der noch verhafteten Journalisten des Egunkaria, die im Februar bei der Schließung der einzigen Zeitung in baskische Sprache verhaftet wurde, hat kürzlich in einem Interview was wichtiges festgestellt. Es gibt immer mehr politische Gefangene die nicht aus der ETA kommen: Journalisten, Politiker, Unternehmer, etc. So ist es auch bei uns Flüchtlingen. Nicht alle Flüchtlinge sind Teil der ETA und nicht alle die in der ETA sind befinden sich auf der Flucht.

Befürchten sie Folter? Es heißt, sie seien bei einer früheren Festnahme schon einmal gefoltert worden.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um klar zu stellen, dass ich bisher nicht gefoltert worden bin. Das heißt aber nicht, dass ich nach einer Auslieferung nicht gefoltert werde. Auch wenn der Nürnberger Senat etwas anderes sagt, weil es die spanischen Behörden versprochen hätten. Erst kürzlich hat ein Flüchtling, der von Mexiko an den spanischen Staat abgeschoben wurde, Folter angezeigt.

Wie bewerten sie es, dass auch andere Länder wie Frankreich, die Schweiz oder Holland Menschen nach Spanien abschieben, auch wenn ihnen dort Folter droht, wie Menschenrechtsorganisationen stets beklagen?

Frankreich ist ein Sonderfall. Es benutzt uns Flüchtlinge als Tauschmittel, um von Spanien politisch Zugeständnisse zu erhalten. Der französische Staat ist auch Teil des Konfliktes und versucht die Bestrebungen nach Unabhängigkeit in Iparralde (nördlicher Teil des Baskenlandes in Frankreich) zu zerschlagen. Die anderen Abschiebungen sind noch größere Skandale, deshalb bin ich am 1. September in einen unbefristeten Hungerstreik getreten, um mich dagegen zu wehren. Wir Basken kennen die Unterdrückung. Es waren deutsche Bomben die Hitler auf Gernika werfen ließ. Der Sieg der Faschisten hat uns eine lange Diktatur, Exil, Gefängnis, Folter, das Verbot unserer Kultur und Sprache beschert. Weil wir uns verteidigen, werden wir Terroristen oder fanatische Extremisten genannt. Wir sind aber nicht einmal Separatisten, wir wollen doch keine neuen Grenzen errichten, sondern eine einreißen: Die, die unser Land zwischen Spanien und Frankreich trennt. Auch wir wollen unser Selbstbestimmungsrecht im Rahmen des Völkerrechts souverän ausüben. Die Menschen in Deutschland und in Europa müssen sich fragen, ob sie weiter eine faschistoide Politik Spaniens unterstützen oder für das Völkerrecht eintreten. Der Konflikt wird nur über unser Recht auf Selbstbestimmung gelöst werden, sonst wird der er immer weiter gehen.

© Ralf Streck den 25.09.2003
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Ergänzungen

Antwort

Antwortender 26.09.2003 - 15:50
die alltäglichen Kämpfe der baskischen (patriotischen) Linken sind die gleichen, die wir hier auch führen: Gegen Kapitalismus, gegen Rassismus, gegen Sexismus, gegen imperialistische Kriege, gegen Zeitarbeitsfirmen, AKWs, für Internationalismus, Emanzipation in allen Lebensbereichen, etc.pp.
Deshalb bin ich solidarisch mit der baskischen Linken. Ob sie nun nationalistisch sind oder nicht, ist mir ebenfalls scheissegal, da dieser Nationalismus mit keinerlei rassistischen Kriterien verknüpft ist.
ETA ist mir dabei auch ziemlich schnurz, genau wie es RAF und RZ waren, weil mein Ansatz, revolutionäre Politik zu machen, ein anderer ist.

@bla

askatu 26.09.2003 - 21:33
vermutlich meinst du mit dem "schmarrn" die aussage, der baskische linke nationalismus sei mit keinerlei rassistischen kriterien verknüpft, oder?
diesen schmarrn vermagst du allerdings auch nicht zu widerlegen.

1. mit deiner inhaltsleeren pauschalaussage bezeichnest du sämtliche nationalen befreiungskämpfe, die es ja vor allem im trikont in den 60ern und 70ern zu hauf gab, als rassistisch. das ist nicht nur falsch sondern auch dreist, ahistorisch und zeugt überhaupt davon, daß du dich noch viel damit auseinandergesetzt hast, was auf der welt so passiert und passiert ist. ein leider vor allem in deutschland besonders stark auftretendes phänomen.

2. die definition eines "baskischen volkes", wie sie von der baskischen linken gemacht wird, besagt, daß jeder und jede baske/baskin sei, der oder die im baskenland lebt, ob ihre herkunft aus anderer teilen des spanischen staates, aus lateinamerika, aus deutschland oder japan ist oder die ihrer eltern oder was auch immer, spielt dabei keine rolle.
der grund für den bezug auf die baskische region ist ein historischer: nach der invasion der spanischen krone wurde versucht den menschen im baskenland die "werte" der spanischen monarchie bzw. später des spanischen (franco-)faschismus aufzuzwängen. es gab seit jeher massiven widerstand seitens der bevölkerung dagegen. aus dieser tradition des antifaschistischen und antimonarchistischen widerstands haben sich im baskenland bedingungen entwickelt, die mit keinem anderen teil des spanischen staates vergleichbar sind.
zwei beispiele:
die nach ende des francofaschismus zum volksentscheid ausgestellte neue spanische verfassung wurde spanienweit mit einer mehrheit angenommen, im baskenland jedoch war die mehrheit der bevölkerung dagegen. das hat ihr jedoch nichts genützt.
die mehrheit der spanischen bevölkerung stimmte für den nato-beitritt spaniens, im baskenland stimmte jedoch eine klare mehrheit dagegen. trotzdem trat spanien der nato bei.

3. eta strebt keinen bürgerlichen nationalstaat an sondern ein sozialistisches baskenland. was auch immer mensch von ihrer praxis halten mag - kein grund, hier falsche behauptungen aufzustellen.

4. die ausrufung der münchner räterepublik oder der republik freies wendland ist nicht rassistisch noch "völkisch" (was für ein absurder, inhaltsleerer begriff...) sondern einfach nur ein schöner revolutionärer emanzipatorischer akt. oder?

baskische volk

nbg 28.09.2003 - 18:52
nur so zur ergänzung. das baskische wort für "basken" heißt wörtlich übersetzt "die die baskisch sprechen".
genau so definiert auch die baskische linke ihren volksbegriff. alle die baskisch sprechen sind basken.
hat allerdings mit völkischem blut und boden schwachsinn nichts zu tun.

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