Die Krise, von der niemand spricht

Wal Buchenberg 13.09.2003 16:36 Themen: Globalisierung Weltweit
Alle Ökonomen und Politiker reden vom kommenden Aufschwung, niemand spricht vom vorherigen Abschwung. Alle Ökonomen und Politiker warten auf die "wirtschaftliche Verbesserung", niemand gibt zu, dass der Kapitalismus in einer Krise steckt. Rezession und Krise ist kein Thema, dennoch steigen die Arbeitslosenzahlen Monat für Monat und in den Betrieben geht die Angst vor weiteren Entlassungen um.
Die kapitalistische Krise, von der niemand spricht

Alle Ökonomen und Politiker reden vom kommenden Aufschwung, niemand spricht vom vorherigen Abschwung. Alle Ökonomen und Politiker warten auf die "wirtschaftliche Verbesserung", niemand gibt zu, dass der Kapitalismus in einer Krise steckt. Rezession und Krise ist kein Thema, dennoch steigen die Arbeitslosenzahlen Monat für Monat und in den Betrieben geht die Angst vor weiteren Entlassungen um.
Dass niemand über die Krise spricht, ist das Zeichen von tief sitzender Verunsicherung quer durch die herrschende Klasse und ihre wissenschaftlichen Fachleute. Frühere Krisen schienen lokal begrenzt, wie die Finanzkrisen in Asien oder Mexiko und die nachhaltige Wirtschaftskrise in Japan. Frühere Krisen betrafen scheinbar marode Branchen oder Unternehmen, die in der kapitalistischen Konkurrenz versagt hatten, wie die Textilindustrie oder die Kohlebranche. In diesen lokalen Krisen konnten die Ideologen des Kapitals immer darauf verweisen, dass erfolgreiche Staaten und Unternehmen von der Krise mehr oder minder verschont blieben.
Heute sind die Krisentendenzen weltweit verbreitet und konzentrieren sich auf das Herzstück des globalen Kapitalismus, die Industrieunternehmen der reichen G 7-Staaten. Heute konzentrieren sich die Krisentendenzen nicht auf marode Unternehmen und Branchen, sondern auf die modernsten und technisch entwickeltsten Unternehmen: Die Autoindustrie und die Kommunikations- und Computertechnologie.
Wer heute von Krise spricht, der muss zugeben, dass der Kapitalismus insgesamt in der Krise steckt.
Wie in den Grafiken 01  http://www.marx-forum.de/bilder/krise/01.jpg und Grafik 02  http://www.marx-forum.de/bilder/krise/02.jpg zu sehen ist (Wirtschaftswachstum der G7-Staaten – Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr) hat sich die jetzige Krise des Kapitalismus über Jahre hinweg aufgebaut. Von satten Wirtschaftswachstumsraten von fast 15% entwickelte sich das Wirtschaftswachstum zunehmend gegen Null.
Die Weltindustrieproduktion (Grafik 03:  http://www.marx-forum.de/bilder/krise/03.jpg), der Motor des Weltkapitalismus, ist längst ins Minus gewandert. Die Arbeitslosenraten in den Industriemetropolen steigen in immer neue Rekordhöhen. Die Grafik 04  http://www.marx-forum.de/bilder/krise/04.jpg zeigt die Entwicklung auf dem US-Arbeitsmarkt.
Zweck und Motor der kapitalistischen Wirtschaft sind die Profite. Die Profitraten sind jedoch in den kapitalistischen Metropolen seit 1950 deutlich zurückgegangen. Die Grafik 05  http://www.marx-forum.de/bilder/krise/05.jpg zeigt, dass die Profitraten der US-Industrie in dieser Zeit von rund 20% auf rund 7% abfielen. Die notwendige Folge dieser strukturellen Schwäche ist die Zunahme der Unternehmensverschuldung (vergleiche dazu die Grafik 06:  http://www.marx-forum.de/bilder/krise/06.jpg) und damit auch die Zunahme der Unternehmenspleiten.

Alle diese Krisentendenzen betreffen Herz und Motor der kapitalistischen Wirtschaft. Niemand soll erwarten, dass sich die Krisenfaktoren in Nichts und Wohlgefallen auflösen.
Die Ideologen und Politiker des Kapitals leugnen einerseits die Existenz der jetzigen Krise, andererseits predigen sie ständig den "baldigen Aufschwung" und versprechen einen "Ausweg aus dem Dilemma".

Krisenausweg 1) - stärkere Verschuldung der Konsumenten?
Die Masse der Konsumenten sind jedoch die Lohnarbeiter, deren Einkommen seit Jahren stagnieren oder zurückgehen. Die Autokapitalisten haben die Autoproduktion Jahr um Jahr gesteigert. In den USA stieg die Zahl der Neuanmeldungen im letzten Jahrzehnt von 13 Millionen auf 17 Millionen pro Jahr. In Europa betragen die Überkapazitäten in der Autoindustrie 30% (The Economist, 16.November 2002). Jetzt plötzlich soll die "Kaufzurückhaltung" schuld sein, wenn Autos für die Halde produziert werden und Fahrzeuge nicht mehr abgesetzt werden können? Wir, die Kapitalisten, haben alles richtig gemacht, aber die Gesellschaft bzw. die Käufer machen einen kapitalen Fehler, wenn sie unsere Waren nicht kaufen!?
Karl Marx nannte diesen Vorgang: Überproduktion von Kapital, und auch der "Economist" gibt zu: "As productivity rises, on average, by 3% a year, compared with demand growth of 2%, there is an inbuilt tendency to develop excess capacity. Yet each firm has sunk so much capital in plants collective hole." (The Economist, 16.November 2002) Die Auto-Kapitalisten steigerten die Produktion Jahr für Jahr durchschnittlich um 3%, die Nachfrage nach Autos stieg aber im gleichen Zeitraum nur um 2% - und jetzt sagen die Ökonomen: Nicht das Kapital ist schuld an der Krisen-Katastrophe! Schuld ist der zu geringe Konsum! Schuld ist die “Kaufzurückhaltung”! Ist das nicht lächerlich?

Krisenausweg 2) - stärkere Verschuldung des Staates?
Kann der Konsum nicht über die privaten Konsumenten und die Lohnarbeiter angekurbelt werden, dann soll der Staat einspringen und den Kapitalisten ihre überproduzierten Waren abkaufen und ihre überschüssigen Kapazitäten am Laufen halten.
Doch schon längst verpulvert der Staat Milliarden an Steuergeldern für Rüstung, Raumfahrt, Atomkraftwerke und sonstige Projekte, die ohne Staatshilfe nie profitabel wären.
Schon längst sind die Regierungen höher verschuldet als die privaten Verbraucher. Rund ein Viertel der deutschen Steuereinnahmen wird gegenwärtig für Zinsen an die Staatsgläubiger verschenkt. Das staatliche Schuldenkarussell kann sich vielleicht ein paar Jahre noch schneller drehen, irgendwann muss es aus den Angeln springen und wir bekommen wieder eine Zeit der Hyperinflation wie 1920-22 oder des schnellen Staatsbankrotts wie bei der „Währungsreform“ 1949.
Erhöhte Staatsausgaben können – wie in Japan – die Krise hinauszögern und verlängern, sie können Kapitalüberproduktion und Kapitalfehlproduktion nicht aus der Welt schaffen. Über kurz oder lang werden noch mehr und noch größere Unternehmenspleiten kommen. Ohne indirekte Kapitalvernichtung durch Unternehmenspleiten und Verschrottung von nicht verkäuflichen Waren und ohne direkte Kapitalvernichtung durch Krieg kommt das Kapital nicht aus der weltweiten Krise. Man soll daher die Kriegstreiber in den USA und in Europa nicht für Dummköpfe halten. Sie haben die Zeichen der Zeit früher erkannt als mancher Linke.

Karl Marx über kapitalistische Krisen:  http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_k/krise.html

Quellenangaben:
Grafik 01: The Economist, 20. Oktober 02;
Grafik 02: The Economist, 20. Oktober 02;
Grafik 03: The Economist, 25. August 01;
Grafik 04: The Economist, 10. November 01;
Grafik 05: The Economist, 8. Dezember 01;
Grafik 06: The Economist, Survey Corporate Finance. 27.01.01.

Wal Buchenberg, 13.09.03.
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Ergänzungen

Auf Halde?

Mika 13.09.2003 - 16:52
Die Autobauer koennen noch Millionen Auto`s nach China usw. verkaufen, ich kann nur fuer BMW sprechen, aber die produzieren überhaupt erst ein Auto, wenn eins bestellt wurde. Die haben überhaupt keine Lager mehr.

autos &c

weist 13.09.2003 - 17:24
klar, autos kannst du momentan noch ohne ende verticken (gerade auch nach china - das wird uns noch den arsch kosten). aber daß nix 'auf halde' leigt, liegt eher an der tendenz zur just-in-time-produktion: einzelteile werden von zulieferern nur noch in kleinchargen hergestellt und geliefert, es existieren also (gerade auch in der autoindustrie) gar keine nennenswerten lagerbestände mehr! das ganze ist, da viel mehr transport und dann noch auf der straße erfolgt natürlich klimafeindlich wie sau.

trotzdem bleibt festzustellen, daß der glaube an 'den aufschwung' eine illusion ist. zwar wird es nicht konstant abwärts gehen (so etwas passiert praktisch nie, da in komplexen systemen, egal ob menschengemacht wie wirtschaft oder mit externen ursachen wie beim wetter, eine konstante dynamik nicht sehr lange anhält - die zykische wirtschaftheorie hat das theoretisch ganz gut, praktisch jedoch bloß ein bißchen begriffen, die volatilitätsindizes der börsianer wiederum in der praxis sehr gut, ohne auf den eigentlichen punkt bei der sache zu kommen), aber es ist ersichtlich, daß in der ersten hälfte des 21. jahrhunderts die 'grenzen des wachstums' erreicht sein werden - nicht, wie der club of rome in den 70ern meinte, weil das bevölkerungswachstum zu hoch ist, sondern, weil abgeleitete systeme (konkret: ökonomische) an die grenze der ressourcenverfügbarkeit stoßen werden.
erdöl z.b. ist eine sache, die sich in den nächsten jahrzehnten verteuern wird, bis zu einem punkt hin, wo die existenz von zivilisation, wie wir sie kennen (wir leben ja quasi im plastikzeitalter) schlicht unmöglich ist. den punkt werden wir zwar wohl nicht mehr erleben, aber es wird wohl ab 2020 anfangen, so haarig zu werden, daß selbst die ärgsten pisa-opfer nicht mehr wirklich die augen verschließen können.

blöderweise jedoch ist dieser zeitpunkt, so um 2020 herum, der absolute point of no return: der punkt, an dem die verschlechterte ökonomische lage und das zu erwartende ständige trommelfeuer aus 'seltsamen meteorologischen ereignissen' (aka global warming-folgen) eine so große sozioökonomische belastung darstellen wird, daß wir ums verrecken nicht mehr herauskommen aus der krise, weil unsere mittel gerade noch zur schadensbeseitigung reichen werden, und das dann auch irgendwann nicht mehr.
wenn die momentan progressiv politisch aktive generation es nicht gebacken kriegt, war's das. unsere kinder werden dann zuschauen dürfen, wie alles den bach heruntergeht und unsere enkel können sich dann von uns (wenn wir nicht sozialverträglich wegeuthanasiert werden) am lagerfeuer geschichten aus dem schlaraffenland anhören, als es noch computer gab, handys und satt zu essen, und als noch genug bezahlbares trinkbares wasser für die meisten europäerInnen zur verfügung stand.

naja, und dann ist halt ende gelände. es dauert erfahrungsgemäß hunderte von jahren, bis sich nach dem verrecken einer großen zivilisation wieder eine neue aus den ruinen erheben kann. und da es sich bei unserer um die erste globale zivilisation handelt, demzufolge die ausbeutung auch global ist, wird es eher länger dauern als kürzer.

das ist halt der fluch, in der krassesten zeit der menschheitsgeschichte zu leben: wenn wir's verbocken*, kommt danach eine phase, die das finstere mittelalter so um 1100 herum wie ein paradies an wohlstand, gesundheit und bildung aussehen läßt.

oder glaubt ihr etwa, EURE rente ist sicher?


* interessanterweise scheint die größte gefahr auch darin zu liegen, den umschwung selbst noch miterleben zu wollen. aber dafür steckt der karren schon zu tief im dreck: frühestens unsere kinder können erleben, wie es wirklich und nachhaltig wieder besser wird - global. aber es liegt an uns, die essentiellen grundlagen zu schaffen. das ist unsere verpflichtung und verantwortung vor der geschichte, und es ist nur blöd, daß wir es uns gar nicht aussuchen konnten.

aber dafür sind unsere möglichkeiten umd mittel immerhin krasser als jemals zuvor. und das ist immerhin etwas, was einen nicht verzweifeln, sondern gespannt der zukunft und der eigenen rolle, diese mitzugestalten, entgegenfiebern läßt.

Keine Halde bei BMW

Wal Buchenberg 13.09.2003 - 17:30
Hallo Mika,
mit BMW hast du recht (mit China nicht, am China-Geschäft profitieren die, die schon im Markt sind. Die Importbeschränkungen sind noch in Kraft und spürbar.)

Es ist aber eine linke Illusion, dass in einer Wirtschaftskrise alle Unternehmen gleichermaßen betroffen seien. Die Ungleichzeitigkeit der Unternehmens-Entwicklung spielt gerade in der Krise eine große Rolle: Wer wird betroffen und wie stark? Wer geht zuerst pleite? Andere Kapitalisten machen noch einen Reibach, wenn sie Pleiteunternehmen billig aufkaufen. Kapitalistische Leichenfledderei - oder: neue Profite sprießen aus Ruinen!

In der ftd (12.09.03) heißt es anlässlich der IAA:
"Der aktuelle Absatzrückgang hat die großen Hersteller am stärksten getroffen. Für den Fiat-Konzern ermittelte die Europäische Vereinigung der Automobilhersteller (ACEA) ein Minus von 15,8 Prozent. Ford verkaufte 10,4 Prozent weniger Autos, die Opel-Mutter General Motors verlor 9,9 Prozent und DaimlerChrysler 9,2 Prozent. Das Volkswagen-Minus betrug 3,8 Prozent. Stark dagegen BMW mit einem Plus von 12,2 Prozent. Auch Mazda, Toyota, Kia und Hyundai konnten zulegen."

Die Profite von BMW retten die Automobilindustrie nicht vor der Krise.

Gruß Wal

Originalüberschrift der Statistiken

fhsd 13.09.2003 - 20:30
Wieso wurde die Originalüberschrift der Statistiken retouschiert und was anderes drauf geschrieben?!

Originalüberschriften der Grafiken

Wal Buchenberg 13.09.2003 - 20:52
Die Grafiken sind aus einer englischsprachichen Zeitschrift und ihre Originalüberschriften sind in Englisch.
Da nicht jeder, der hier von der Wirtschaftskrise betroffen ist, Englisch kann, habe ich die Überschriften ins Deutsche übersetzt.
Wenn du meinst, mein Englisch sei zu schlecht oder ich würde bewusst Texte fälschen, dann kannst du die Originale des Economist in jeder guten Stadtbibliothek einsehen und vergleichen. Die Quelle für jede Grafik ist angegeben.

Gruß Wal

Achmed

Malocher 13.09.2003 - 22:56
Frage an den Experten: Im ersten Absatz vermittelst du einen Zusammenhang zwischen wachsenden Arbeitslosenzahlen und Krise des Kapitals. Den Zusammenhang kann ich nicht ganz sehen. Ich denke, das kapitalistische Geschäft geht auch bei horrenden Arbeitslosenzahlen prima, solange die Erwerbslosen sich das gefallen lassen und nicht zu einem allzu großen Kosten- oder Sicherheitsfaktor werden. (Ein extremes Beispiel zur Veranschaulichung: die Inder denken daran jetzt beim Wettlauf im All mitzumachen, obwohl ein großer Teil der Bevölkerung nicht nur keine Arbeit sondern nicht mal was zu fressen hat.)

gedanken zur nacht

cindy 14.09.2003 - 04:15
die welt, wie sie einmal aussehen wird, ist
immer schon in spuren im jetzt enthalten.
es ist auch möglich, in der vergangenheit die kleinen unscheinbaren ereignisse nachzuvollziehen, die an dynamik und umfang gewannen und bestimmend wurden für unsere gegenwart. die it-technologie hat ein paar mal winzig begonnen, mit einer rechenmaschine, einer anderen rechenmaschine, dann mal einer dechiffriermaschine, später bastelnden freaks in kellern und garagen und einsamen akademikern. das waren anfangs singuläre, unscheinbare phänomene, die höchstens von spezialisten überhaupt wahrgenommen wurden, heute aber leben, fühlen und realität von jedem auf alle möglichen weisen verändern.

im rückblick lässt
sich leicht auf anfänge rekurieren und geschichte schreiben, aber selten geschieht es, dass ein hellsichtiger mensch erkennt "dies könnte die welt in zukunft verändern", und es kann
sich dabei um ein konzept wie marxismus oder das digitale, monotheismus oder säkularisierung oder die konstituierung eines bürgertums, oder die ersten 68er und hippies, oder
die ersten paar punks, oder die ersten feldbauern handeln.

diese dinge stehen selten in der zeitung und kommen auch nicht im fernsehen, wenn sie gerade entstehen und zart wachsen, höchstens ihre missverstandene oberfläche, man kann sie aber schon früh im alltagsleben beobachten.

die leute, die in den 50ern so lebten wie 68 der liberale mainstream, oder die, die 68 so lebten wie 80 der desillusionierte mainstream, oder die 82 an ihrem ersten computer sassen wie heute du und ich, zb

wer also lebt jetzt adäquat den verhältnissen von 2020? vielleicht habt ihr sie schon gesehen und nur nichts gemerkt. vielleicht ist das sehr unscheinbar und anders, als man denken würde.

und dann: was geschieht, wenn produktivität und automatisierung nur deshalb nicht vollkommen entkoppelt sind von leben und realität und würde und sicherheit realer menschen, weil es einmal diese waren, die so etwas wie einen "staat" (auch eine obsolete vorstellung von gestern) überhaupt erst konstituierten, der zu seiner verteidung militärtechnik entwickelte, die dann in ihren zivilen anwendungen die welt so radikal ändern und so ein eigenleben entwickeln sollte?

der kapitalismus könnte gut funktionieren, nur all die ärmlichen menschen mit ihren sonderbaren, verschrobenen ansichten, ihren romantizismen und ihrer unberechenbarkeit stehen ihm im weg, längst schafft er es nicht mehr, sie friedlich mit "arbeitsplätzen" und "angeboten" zu versorgen, die die maschine am laufen halten würden, es sind einfach so viele, und immer mehr von ihnen wollen nun das alles, was ihnen versprochen wurde, immer ungeduldiger spielen sie noch mit bei der scharade, obwohl eigentlich kaum
noch jemand den ganzen quatsch glaubt, das einzige was noch geht, ist die zügel anzuziehen, damit ein konkurrenzkampf ums überleben, um würde, um schönheit und wahrheiten forciert wird, der all diese fragen vergessen machen soll, aber wie lange funktioniert das? und was kommt dann, ein terminator aus der zukunft? maschinen kaufen dinge bei maschinen, und menschen betteln bei ihnen um paar krümel? oder eine weltweite ddr? oder ein weltweites somalia? oder alles geht irgendwie so weiter und war dann doch nicht so dramatisch? eher gibt es ein paar prima neue stars in funk und fernsehen, die mit ihren liebesgeschichten und kleinen missgeschicken die herzen der menschen weit mehr berühren als die frage "wie wollen wir leben"? und warum hören jetzt eigentlich alle wieder rock? gute nacht.

Arbeitslosigkeit & Krise

Wal Buchenberg 14.09.2003 - 08:54
Hallo Malocher & Achmed,

Was die Arbeitsplätze angeht, steckt das Kapital in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite "schafft" das Kapital möglichst viele Lohnarbeitsplätze, damit das Kapital aus der Mehrarbeit der Lohnarbeiter möglichst viel Profit zieht.
Auf der anderen Seite "vernichtet" das Kapital Arbeitsplätze, weil die Lohnarbeiter für das Kapital einen Kostenfaktor darstellen, den sie möglichst reduzieren wollen.

Wo der Kapitalismus hohe Gewinnchancen und hohe Wachstumsraten aufweist, da werden mehr neue Arbeitsplatze geschaffen als alte vernichtet.
Wo die Gewinnchancen und Wachstumsraten gering sind, da werden mehr alte Arbeitsplätze abgeschafft als neue geschaffen.

Was auch immer vorwiegt: Das Schicksal der Lohnarbeiter hängt dabei nur von den Interessen des Kapitals ab. Das muss ein Ende haben. Wir alle können nur über uns selber bestimmen, wenn Kapital und Lohnarbeit abgeschafft sind!

Karl Marx über Arbeitslosigkeit:  http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_a/arbeitslosigkeit.html

Gruß Wal

Achmed

Malocher 14.09.2003 - 11:30
Hallo Wal,

so wie du das jetzt erklärt hast, seh ich das auch. Das sind jedoch "gesunde" (fürs Kapital gesunde, für die Malocher schädliche, weil, mal haben sie ein trauriges Einkommen, mal nicht) Selbstregulierungsmechanismen, die das Akkumulieren sichern. Von "Krise" kann ich da nichts erkennen (vielleicht mal ne kleine Absatzkrise, wenn sie ihr Zeug nicht los werden). Das Wort "Krise" klingt immer so endzeitlich, als ob dem Kapital das Wasser bis zum Hals stünde, wenn ein paar Arbeitslose mehr oder ein paar Konzerne weniger verbucht werden.

Wenn die Leute bei dem Blödsinn nicht mehr mitmachen, dann gibt es vielleicht ne Krise im Sinne des Wortes. Deshalb bin ich ganz deiner Meinung, was die Schlußfolgerung anbetrifft.

Gruß AM

Ende = Anfang?

Dr. Seltsam 14.09.2003 - 14:27
Das wir die Verantwortung für unsere nachfolgende Generation tragen, ist volkommen richtig. Doch was für eine Art Gesellschaft wollen wir uns denn zusammenbasteln?
1. Geld muß weg (ja ja...)- wenn z.Bsp. Bill Gates 30 Millionen Schafe hüten müsste, würde er den Schwachsinn in der materiellen Gier vielleicht eher erkennen. Der Austausch von Gütern und Dienstleistungen erfolgt dann P2P-artig, koordieren lässt sich das Alles schön per Internet.
2. Eventuell lassen sich tausende von Gesetzen wegrationalisieren, wenn es einfach nur ein Gesetz zur Ehrlichkeit gäbe- vor allem können dann die Politiker nicht mehr so viel labern, und das Heile-Welt-Konstrukt vieler gutbürgerlicher Familien mit Ansehen würde wegfallen und ihren Kindern ein Leben mit emotionellem Dachschaden (auch unter "trendy", "angepasst" oder "Pessimismus+Depression+Grössenwahn" usw. bekannt) ersparen. Solange das sogenannte und zu 99% herbeikonstruierte öffentliche Bild wichtiger ist als die eigenen Kinder, solange wird es kleine und grosse Faschisten geben. Dazu sei gesagt, das mir auch in der linken Szene viele Menschen mit diesem Symptom begegnet sind- es soll kein Vorwurf sein, da sie nichts dafür können, so zu sein, sondern viel mehr eine Klarstellung: Auf beiden Seiten gibt's Opfer, wie üblich...
PS: Ich habe es in der eigenen WG erlebt: "Mein Bruder hat ein Drogenproblem und hat sich geoutet, wie steht denn meine Mutter jetzt dar? Als Lehrerin steht sie doch im Licht der Öffentlichkeit..." Worte eines Lehrerkindes, die Standard-Mittelklasse eben. Traurig...
3. Die Linke muss endlich aufhören zu glauben, die "Bessere" zu sein. Wer oft bei Demos irgendwas anzünden oder die "Bullen" traktieren muss, steckt bis zum Hals im Schlamm der Pubertät- ist auch kein Problem, die Linke gibt's ja erst seit 200 Jahren, die Rechte erheblich länger. Und etwas verändern ist auch richtig, nur wohin? Der zweite Schritt sollte vor dem ersten klar sein, für Sozialexperimente gibt es einfach zu viele Atombomben. Und was auch ein Problem darstellt: Wer besitzt die dreiste Anmaßung zu wissen, was besser für den/die Anderen ist? Was ist, wenn ich einfach keinen Bock habe, in einer Joghurt-Kommune oder einem Polizeistaat zu leben? Das ist der Punkt, an dem jeder Weltverbesserer zum Faschisten wird...
4. "Wir wollen nicht Denken, wir wolen Wissen!"

Was soll daran so tragisch sein, wenn das derzeitige System abschmiert? Das es dann kein HiTech-Spielzeug mehr gibt? Wurde mit der Einführung des Christentums als Staatsreligion das Rad etwa abgeschaft? Oder ist man in der DDR mit dem Muli an die Ostsee gereist? Käse, zu viel Mad Max gesehen, und selbst da gibt's noch Autos... Wie soll denn das alles verschwinden, wenn es doch so nützlich ist, egal für wen? Der Kram ist doch nach Jahrhunderten nicht verrottet. Es wäre nur durch langsames Vergessen möglich, wo wir beim Fazit wären: Das geht nur, wenn man seine Kinder erzieht und versucht, aus ihnen gute Bürger zu machen, genau so wie das Gegenteil. Die guten Bürger richten ihre eigenen Kinder zu Grunde, die Kinder der Altennaiven Andere. Vielleicht sollten soziale Verantwortung, eigenes Denken ein bißchen Bescheidenheit an oberster Stelle stehen...
Gut, man kann das alles als Geschwafel abtun. Dazu muß ich sagen, das mir das auch herzlich egal ist- hier sollte jeder wissen, was sie/er will. Und ich will eben dieses, besser, ich würde es gern haben...

Schönes Wochenende noch...

Siehe auch

Phase4 16.09.2003 - 15:57
Dazu auch die vorzüglichen Artikel der Phase4:

 http://www.opentheory.org/phase4

und des Kollaps-Kuriers:

 http://www.kollaps-kurier-phase-4.blogspot.com/

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der übliche Ausweg — elfboi