Prozess gegen Antifaschisten in München

Rote Hilfe München 11.09.2003 19:36 Themen: Antifa Repression
Polizei rühmt sich der Verhinderung eines rechten Bombenanschlags ?
Nazigegner bekommen Strafbefehle
(11.09.2003) Wie am gestrigen Mittwoch bekannt wurde, hat die Münchner
Polizei in den letzten Wochen bei Razzien bei Mitgliedern
neofaschistischer Organisationen in München mehrere Kilo Sprengstoff
(darunter 1,7kg TNT), scharfe Waffen, Handgranaten und Munition
gefunden. Gleichzeitig müssen sich Antifaschisten vor Gericht
verantworten, die zu Aktivitäten gegen Naziaufmärsche und
Versammlungen im Herbst 2002 aufgerufen hatten, an denen zumindest der
nun verhaftete Martin Wiese maßgeblich beteiligt war.

Der Rechtsextremist Martin Wiese ist führendes Mitglied der freien
Kameradschaft ?Aktionsbüro Süd?, und hatte unter anderem mit Steffen
Hupka die Naziaufmärsche am 12.10.02 und 30.11.02 gegen die
Wehrmachtsausstellung angemeldet. Die Aufmärsche wurden damals durch
ein massives Polizeiaufgebot geschützt. Am 12.10. entschied die
Polizei, dass eine gewaltsame Durchsetzung des Aufmarsches gegen
tausende MünchnerInnen wohl politisch nicht opportun war ? nicht
zuletzt nachdem einem jungen Antifaschisten bei einem Räumungsversuch
das Bein gebrochen wurde. Am 30.11. wurde die Route weiträumig durch
Polizeieinheiten abgeschirmt, so dass eine Blockade der Naziroute
nicht möglich war.

Bei diesen Ereignissen wie auch bei den folgenden Nazi-Kundgebungen in
der Innenstadt wurde offensichtlich, wer der Polizei ein Dorn im Auge
ist: Sondereinheiten wie das USK, Zivilbeamte und etliche Videokameras
überwachten und drangsalierten die NazigegnerInnen, es kam jeweils zu
etlichen Festnahmen. Die Nazis hingegen trugen am 12.10. unbehelligt
ein Transparent mit der Aufschrift ?Nationalsozialismus? durch
Münchens Straßen.

Für einige Antifaschisten hat ihr Widerstand gegen die
Nazigruppierungen in München (deren Gefährlichkeit durch die jüngsten
Ereignisse ja hinreichend belegt ist) nun weitere Folgen. Schon im
August fand der Prozess gegen den Friedensaktivisten und
Antifaschisten Günter W. statt, der an einer Umhüllung einer rechten
Kundgebung mit einem weißen Transparent beteiligt war, und damit das
Versammlungsrecht der Nazis behindert haben soll.

Weitere Antifaschisten haben nun Strafbefehle über 1500 Euro wegen des
?Aufrufes zu Straftaten? bekommen, da sie zu einer Blockade der
Naziaufmärsche aufgerufen haben sollen. Einzelne sollen in Vertretung
für die Zivilcourage tausender Menschen bestraft werden.

Am 22. September (9:00 Uhr, Raum A 224, Strafjustizzentrum,
Nymphenburger Str. 16) findet ein erster Prozess statt. Wir rufen alle
dazu auf, dort zu erscheinen und die Solidarität mit den betroffenen
Antifaschisten zu zeigen.

Dazu Paula Schreiber, Pressesprecherin der Roten Hilfe München:
?An diesem Fall zeigt sich erneut: Einerseits wird das
antifaschistische Engagement und die Zivilcourage der Münchner
BürgerInnen gerne als Aushängeschild verwendet, andererseits werden
eben diese Aktivitäten behindert. NazigegnerInnen werden verfolgt und
kriminalisiert und Naziaufmärsche werden mit Polizeigewalt
durchgesetzt, obwohl die Gefährlichkeit dieser menschenverachtenden
Ideologien und ihrer Strukturen nicht erst seit den jüngsten
Sprengstofffunden bekannt ist. Wir wehren uns vehement gegen diese
Kriminalisierung legitimen antifaschistischen Widerstands.?

Paula Schreiber
Rote Hilfe e.V.
Ortsgruppe München

 http://www.indynews.net/index.php?id=434&backPID=421&tt_news=411
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Ergänzungen

Artikel zu den Münchener Bomben Nazis

ein Überblick 12.09.2003 - 00:16

 http://de.fc.yahoo.com/r/rechte_gewalt.html

 http://www.netzgegenrechts.de/


Donnerstag 11. September 2003, 19:17 Uhr
Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen gegen Münchner Neonazis
 http://de.news.yahoo.com/030911/12/3muks.html

Donnerstag 11. September 2003, 21:28 Uhr
Behörden vereiteln Neonazi-Anschlag in München
 http://de.news.yahoo.com/030911/286/3muta.html

Donnerstag 11. September 2003, 20:09 Uhr
Jüdische Gemeinde: Waren Ziel eines Bombenanschlags
 http://de.news.yahoo.com/030911/71/3muq3.html

ftd.de, Do, 11.9.2003, 17:41, aktualisiert: Do, 11.9.2003, 19:52
Neonazis sollen Anschlag auf Synagoge geplant haben
Generalbundesanwalt Kai Nehm hat die Ermittlungen gegen die in München verhafteten Neonazis an sich gezogen. Die Neonazis sollen einen Anschlag auf die Baustelle des neuen jüdischen Gemeindezentrums geplant haben.
 http://www.ftd.de/pw/de/1063087847646.html?nv=cpm
 http://www.ftd.de/pw/de/1063087847646.html?nv=cptn

MÜNCHEN
Neonazis planten Anschlag auf Synagoge
Die in München verhafteten Neonazis haben offenbar einen Anschlag auf den Neubau einer Synagoge geplant. Inzwischen ermittelt die Bundesanwaltschaft.
 http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,265251,00.html

RAZZIA IN MÜNCHEN
Neonazis planten Anschlag mit 1,7 Kilo TNT
Die Polizei hat offenbar einen Anschlag rechter Extremisten vereitelt. Sechs Menschen wurden in der bayerischen Hauptstadt und in den neuen Bundesländern festgenommen. Dabei entdeckten die Fahnder eine gefährliche Menge hochexplosiven Sprengstoffs.
 http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,265049,00.html

11.09.2003 17:20 Uhr
Anschlag in der Stadtmitte Münchens geplant
Neonazis wollten jüdisches Zentrum sprengen
 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/841/17824/

11.09.2003 14:40 Uhr
Geplanter Neonazi-Anschlag
"Neue Dimension im rechtsextremistischen Bereich"
 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/817/17800/

Nur zwei Wochen vor dem Oktoberfest
Polizei vereitelt Bombenattentat von Neonazis
 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/749/17732/

Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung
Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Münchner Neonazis
veröffentlicht am 11.09.03 - 18:35 Uhr
Karlsruhe (rpo). Wegen Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Münchner Neonazis übernommen, bei denen die Polizei Sprengstoff und Waffen sichergestellt hatte.
 http://www.rp-online.de/public/article/politik/deutschland/19810

Ermittler stellen 1,7 Kilo TNT sicher
Bombenanschlag von Neonazis in München verhindert
veröffentlicht am 10.09.03 - 12:19 Uhr
München (rpo). In München hat die Polizei einen Anschlag aus der rechtsextremen Szene vereitelt. In einer Wohnung haben Ermittler unter anderem 1,7 Kilogramm TNT gefunden. Sechs Tatverdächtige sind bereits festgenommen.
 http://www.rp-online.de/public/article/politik/deutschland/19597

Neonazis planten Anschlag auf jüdisches Zentrum
11. Sep 18:26, ergänzt 18:43
 http://www.netzeitung.de/deutschland/254234.html

Bayerische Polizei vereitelt Sprengstoff-Anschlag von Neonazis
Mindestens 1,7 Kilogramm TNT wurden sichergestellt.
 http://news.tirol.com/politik/international/artikel_20030910_229715.html

Polizei vereitelt Bombenattentat von Neonazis
 http://morgenpost.berlin1.de/inhalt/titel/story628439.html

Münchner Polizei verhindert Bombenanschlag
Sechs Personen aus der rechtsextremen Szene festgenommen - Keine genauen Attentatspläne bekannt
 http://morgenpost.berlin1.de/inhalt/politik/story628261.html

Rechtsextremer Sprengstoff-Anschlag vereitelt
 http://www.lz-online.de/news/politik/iptc-bdt-20030910-381-dpa_4691750.html

Kofferbombe - waren es Neonazis?
 http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=521450



Vier der Verdächtigen stammen aus der Skinhead-Szene
Polizei kam Bombenanschlag zuvor
Die Polizei hat in einer Münchener Wohnung Sprengstoff sichergestellt und konnte damit offenbar einen Anschlag mit rechtsradikalem Hintergrund vereiteln. Die Beamten ermitteln gegen sechs Verdächtige wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens und eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
 http://www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200013,200050,660671/SH/0/depot/0/index.html

Mittwoch 10. September 2003, 16:21 Uhr
Rechtsextremer Sprengstoff-Anschlag vereitelt
 http://de.news.yahoo.com/030910/3/3mr27.html

Mittwoch 10. September 2003, 16:24 Uhr
Bericht über Verhinderung eines Anschlags auf IAA nicht bestätigt
 http://de.news.yahoo.com/030910/12/3mriy.html

Mittwoch 10. September 2003, 16:46 Uhr
Polizei verhindert Sprengstoffattentat von Neonazis
 http://de.news.yahoo.com/030910/12/3mrl8.html

Mittwoch 10. September 2003, 16:51 Uhr
Womöglich Sprengstoff-Anschlag in München vereitelt
 http://de.news.yahoo.com/030910/71/3mrlx.html

Mittwoch 10. September 2003, 17:02 Uhr
Bombenattentat von Neonazis in München verhindert
 http://de.news.yahoo.com/030910/12/3mrn1.html

Mittwoch 10. September 2003, 19:17 Uhr
Polizei vereitelt womöglich Bombenanschlag von Neonazis
 http://de.news.yahoo.com/030910/286/3mr6j.html

Bombe sollte in der Nacht zum 9. November ...

Dokumentation 12.09.2003 - 00:59
11.09.2003, 21:27 Uhr
Behörden vereiteln Neonazi-Anschlag in München - Bombe sollte in der Nacht zum 9. November gezündet werden
 http://www.berlinonline.de/newsticker/eins/_html/afp_030911192740.gograbxm.html

weiter Texte zu den Bomben Nazis

ein Überblick 12.09.2003 - 03:04
NPD Neu-Ulm/Senden und die Bombenbauer
 http://www.linkeseite.de/Texte/2003/september/11-1.htm

München: Polizei vereitelte offenbar Bombenanschlag von Neonazis
 http://www.linkeseite.de/Texte/2003/september/10-5.htm

Münchner Polizei verhaftet Mitglieder der rechten Szene wegen des Verdachts eines geplanten Sprengstoffverbrechens
 http://www.linkeseite.de/Texte/2003/september/10-4.htm

München: Rechtsextremer Sprengstoffanschlag in München verhindert - knapp zwei Kilo TNT sichergestellt
 http://www.linkeseite.de/Texte/2003/september/10-3.htm

HAHA!

glücklicher 12.09.2003 - 19:34
" Beckstein sprach von einer "neuen Dimension rechtsextremistischer Straftaten". Durch "intensive und hartnäckige Ermittlungsarbeit" hätten die bayerischen Sicherheitsbehörden "eines der empörendsten Verbrechen der deutschen Nachkriegszeit verhindert". "

intensive ermittlungsarbeit, dass ich nicht lache, wenn die nazis sich nicht ständig selber prügeln würden, hätte die polizei wohl nie deren wohnung durchsucht.

Weitere Prozesstermine gegen Antifaschisten

Rote Hilfe 13.09.2003 - 17:05
Wieder 3 Antifaschisten vor Gericht!

Als im vergangenen Herbst Neonazis mehrmals gegen die Wehrmachtsausstellung aufmarschierten, gingen tausende MünchnerInnen auf die Straße, um sich ihnen entgegenzustellen. Einzelnen Antifaschisten wird nun vorgeworfen sie hätten zur Blockade einer der Nazidemos und damit zu einer Straftat aufgerufen. Die Betroffenen Antifaschisten legten gegen die erhaltenen Strafbefehle – zwischen 40 und 60 Tagessätzen – Widerspruch ein, nun stehen die Verhandlungen an (Prozesstermine siehe unten).

Einzelne werden so verantwortlich gemacht für die Zivilcourage tausender
MünchnerInnen. Die Nazi-Aufmärsche wurden von dem Kreis um Martin Wiese
organisiert, der durch den versuchten Mord an einem Griechen und zuletzt
durch den Besitz von Sprengstoff bekannt wurde. Während die Faschisten
geschützt durch die Polizei z.B. ein Transparenten mit der Aufschrift
„National Sozialismus“ durch München trugen, wird der antifaschistische
Widerstand kriminalisiert.

Lassen wir uns dies nicht gefallen!

Zeigt eure Solidarität und erscheint zahlreich bei den Prozessen!
Betroffen sind Einige, gemeint sind wir alle!

Verhandlungstermine:

Montag 22. September, 9.00 Uhr, Raum A 224
Montag 22. September, 10.00 Uhr, Raum A 224
Donnerstag 16. Oktober, 10.00 Uhr, Raum A 219

im Justizzentrum, Nymphenburger Str. 16 (Stiglmaierplatz)

Copie der FR da nur 14 Tage Archiv

Dokumentation 13.09.2003 - 23:48
Rechte hatten wohl mehrere Ziele
Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Neonazis in München
Außer dem Bombenanschlag auf die neue Synagoge in München haben die in den vergangenen Tagen festgenommenen Neonazis möglicherweise weitere Attentate geplant. Das teilte die Bundesanwaltschaft am Freitag in Karlsruhe mit. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) äußerte Zweifel, ob der Anschlag Menschen treffen sollte. Dagegen hieß es bei der israelitischen Kultusgemeinde, nicht ein Gebäude sei das Ziel gewesen, "sondern Menschen".

KARLSRUHE, 12. September (ukn/dpa/rtr). Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwältin Frauke-Katrin Scheuten, sagte am Freitag, es gebe Hinweise, dass die Beschuldigten verschiedene Anschlagsziele im Visier hatten. Es bestehe der Verdacht, dass sie am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, auf das Baugelände des Neuen Jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrums und der Hauptsynagoge am Jakobsplatz in München einen Anschlag verüben wollten; an diesem Tag soll der Grundstein gelegt werden. Angaben zu weiteren möglichen Zielen wollte die Sprecherin nicht machen. Ob ein Anschlag auf die Festveranstaltung am 9. November oder vorher geplant war, müsse noch geklärt werden. An der Feier wollen auch Bundespräsident Johannes Rau, Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, teilnehmen.

Münchens Polizei hatte am Mittwoch bei einer Razzia im Neonazi-Milieu 14 Kilogramm "sprengstoffverdächtiges Material" gefunden, davon 1,7 Kilogramm TNT.

Generalbundesanwalt Kay Nehm ließ am Freitag zwei mutmaßliche Mitglieder der Neonazi-Gruppe "Kameradschaft Süd-Aktionsbüro Süddeutschland" aus München dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe vorführen. Ob Haftbefehl erlassen werde, war bei Redaktionsschluss noch nicht entschieden. Nehm hatte das Verfahren an sich gezogen, weil der Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung bestehe. Das vorrangige Ziel sei jetzt, ein vollständiges Bild der Gruppierung und ihrer Ziele zu erhalten, so Scheuten. Gegen sieben weitere Beschuldigte hatte zuvor bereits das Amtsgericht München Haftbefehl erlassen.

Bayerns Innenminister Beckstein sagte in München, er erkenne die "Struktur einer ,Braunen Armee-Fraktion' ". Allerdings äußerte er Zweifel, ob der von den Rechtsextremen geplante Anschlag Menschen galt. Man müsse zwar von einem "Rechtsterrorismus" ausgehen. Möglicherweise habe der Anschlag aber schon vor der geplanten Grundsteinlegung verübt werden sollen. Die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, erklärte indes, nach ihren Informationen hätte "nicht eine leere Baugrube getroffen werden sollen, sondern Menschen".

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte, der vereitelte Anschlag zeige, dass von Rechtsextremisten weiterhin eine Bedrohung ausgehe. "Ich sehe mich in meiner Einschätzung bestätigt, dass wir die Gefahr aus dem rechtsextremistischen Bereich äußerst ernst nehmen müssen", sagte Schily in Berlin. Er warnte aber davor, aus den Anschlagsplänen ein "subjektives Bedrohungsgefühl" entstehen zu lassen.
 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/deutschland/?cnt=302589


Ein Stück weiter
Der geplante Anschlag von München stößt die Ermittler auf einen Radikalisierungsprozess unter Neonazis
Von Iris Hilberth (München) und Christoph Seils (Berlin)

Der Hund hat eine Nase für Sprengstoff. Und er bellte. Da stimmte was nicht mit dem Mann, der am Nürnberger Hauptbahnhof aus dem Zug stieg, der gerade aus Ostdeutschland im Fränkischen eingetroffen war. Die Polizei zeigte große Präsenz an diesem Tag, als sich die Rechtsradikalen zu einer Demonstration treffen wollten. Doch so intensiv die Beamten den Mann durchsuchen, sie finden nichts bei Martin Wiese, dem Rechtsextremen.

Martin Wiese kann auf eine langjährige Karriere in der neonazistischen Szene zurückblicken. Vor drei Jahren zog der 27-Jährige aus dem vorpommerschen Anklam nach München. Dort nannten sie ihn den "Käpt'n". Schon in seiner Anklamer- Zeit galt Wiese als "Waffennarr". Es soll, so heißt es in der vorpommerschen Szene, seit langem bekannt gewesen sein, dass dieser Gewehre und Pistolen sammele. Dort, im äußersten Nordosten Deutschlands, wuchs Wiese auf, dort gehörte er dem "Kameradschaftsbund Anklam" an. Einer Kaderorganisation, die eher zurückgezogen arbeitet, Schulungen und Wehrsport organisiert, sich aber gleichzeitig aktiv an Demonstrationen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen beteiligt.

Diese Doppelstrategie verfolgte Wiese offenbar auch in München. Dort drängte er mehr und mehr in die Rolle des örtlichen Führers, öffentlich und subversiv zugleich. Denn Wiese organisierte zusammen mit dem so genannten nationalen Widerstand Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung, wurde an Infoständen der NPD gesehen, trat auf Veranstaltungen im Umfeld der "Republikaner" auf und redete auf Kundgebungen der Rechten gegen den Irak-Krieg. Gleichzeitig gehörte er dem "Aktionsbüro Süd" an. Ein informeller Zusammenschluss von militanten Neonazis und Skinheads, aus dem sich offenbar die Terrorzelle rekrutierte, die hinter dem geplanten Anschlag während der Grundsteinlegung des neuen Jüdischen Gemeindezentrums am Jakobsplatz, mitten in München, stehen könnte.

Am vergangenen Wochenende durchsuchte die Polizei Wiese bei seinem Eintreffen in Nürnberg. Wenige Tage später fügte sich diese Begegnung als Teil eines großen Puzzles zusammen. Mitte der Woche hat die Münchner Polizei 14 Kilogramm sprengstoffverdächtiges Material, darunter 1,7 Kilogramm TNT, zwei Handgranaten und Munition im Süden der Stadt gefunden und sechs Personen festgenommen. Sie zählen zur rechten Szene. Inzwischen ist klar, was sie vorhatten: einen Anschlag. Am 9. November. Am Jahrestag der Pogromnacht sollte Bundespräsident Johannes Rau auf der großen Baustelle neben dem Stadtmuseum sprechen. Man erwartete Paul Spiegel, den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ministerpräsident Edmund Stoiber und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. "Es ist beklemmend und beschämend für uns, dass mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Dritten Reiches Juden in Deutschland immer noch nicht in selbstverständlicher Sicherheit leben können", sagte das Stadtoberhaupt nach dem Bekanntwerden des Sprengstofffunds.

Ausgerechnet der Jakobsplatz. Zwar gibt es hier außer einer großen Baugrube noch nicht allzu viel zu sehen. Doch dass im Herzen der Stadt ein neues Jüdisches Zentrum entstehen soll, "ist das Symbol für das Wiederaufblühen der jüdischen Gemeinschaft", hat Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, mal gesagt. Eine Vision also. Und Knobloch ist sich heute sicher: Nicht das Gebäude oder die Baustelle seien Ziel des geplanten Anschlags gewesen, sondern die Menschen, die für Freiheit und Toleranz sowie eine Stärkung des jüdischen Lebens eintreten.

Wilhelm Schmidbauer, Münchens Polizeipräsident, wollte das so nicht bestätigen. Wie er zu vielen Fragen derzeit noch lieber schweigt. Die Ermittlungen laufen. Und die will man nicht gefährden. "Einige werden von uns demnächst noch Besuch bekommen", kündigte Bayerns Innenminister Günther Beckstein am Freitag an.

Bisher steht fest: Mitte Juli haben fünf Skinheads in Unterschleißheim einen 23 Jahre alten Maler brutal zusammengeschlagen, da sich dieser von der rechten Szene losgesagt hatte. Zwei Hauptverdächtige wurden wegen versuchter Tötung verhaftet, in ihren Wohnungen fand man rechtsextremistisches Propagandamaterial. Dass die Sicherheitsbehörden so "zufällig" auf Sprengstoff, Waffen und sechs Tatverdächtige, die den Anschlag planten, gestoßen seien, will Beckstein nicht gelten lassen. Die Erkenntnisse durch die verhafteten Schläger seien nur ein Teil der Ermittlungen gewesen, die zum bisherigen Wissen der Fahnder geführt haben. Die Soko "TNT" kam der Gruppe auf die Schliche. 30 Beamte aus Staatsschützern, Münchner Polizei und Bayerischem Landeskriminalamt hätten eng mit der Staatsanwaltschaft München I zusammengearbeitet, betonte Beckstein, und dabei alle rechtlich möglichen Instrumentarien, wie auch die Handy-Ortung, den so genannten IMSI-Catcher, eingesetzt. Jetzt sitzen also sechs Personen in Haft, die mehrere Anschläge in München geplant haben sollen. Zu ihnen zählt Martin Wiese.

Generalbundesanwalt Kay Nehm übernahm inzwischen die Ermittlungen. Denn nun besteht der Verdacht, dass es sich um eine terroristische Vereinigung handelt. Möglicherweise eine "Braune Armee Fraktion". Neonazis und Skinheads seien eine "gefährliche Symbiose" eingegangen, berichtete Beckstein.

Bundesweit soll es etwa 2600 Neonazis geben, in Bayern 250. Dazu kämen im Freistaat rund 900 rechtsextrem motivierte Skinheads. Sie sind in so genannten Kameradschaften organisiert, die Veranstaltungen oder Skinhead-Konzerte vorbereiten. Die genauen Strukturen aber müssten noch offen gelegt werden, heißt es aus dem Innenministerium.

Auch zu der von Oberbürgermeister Ude angesprochenen möglichen Verbindung zu dem Republikaner-Stadtrat Johann Weinfurtner wollten Beckstein und Polizeipräsident Schmidbauer sich nicht äußern. Die soll es nämlich zwischen Wieses "Kameradschaft Süd" und Weinfurtners Verein "Demokratie direkt" geben, Wiese sogar bei Veranstaltungen des für rechtes Gedankengut bekannten Vereins aufgetreten sein. Stadtrat Weinfurtner selbst hat sich in den vergangenen Monaten als Gegner des Jüdischen Zentrums auf dem Jakobsplatz hervorgetan. In einem offenen Brief an alle Münchner Stadträte trat er angesichts der "prekären Situation", in der sich Kleingewerbe, Handwerk und Einzelhandel befänden, für "eine tabufreie Diskussion" ein und stellt die Akzeptanz der Neugestaltung auf dem Jakobsplatz beim Bürger in Frage.

Die Berichte über die Entdeckung des Sprengstoffs am Stadtrand Münchens versetzten die militante Neonazi-Szene in Unruhe. Nun will niemand in den Sog der Ermittlungen geraten. Noch vor zehn Monaten etwa hat der einflussreiche Hamburger Neonazi Christian Worch zusammen mit Wiese eine Demonstration organisiert, jetzt sagt Worch, er kenne diesen "nur flüchtig". Worch gehört zu denen in der Szene, die allein auf Demonstrationen und öffentliche Mobilisierung setzen und für den Wiese "mental in die falsche Richtung abgedriftet ist". Für einen führenden Neonazi aus Mecklenburg-Vorpommern steht außer Frage: "Nach dem vierten oder fünften Bier reden viele Kameraden darüber, dass man so etwas machen müsste." Es gebe immer wieder kleine Gruppen, die dann auch ein Stück weiter gehen.

 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/die_seite_3/?cnt=302553

KOMMENTAR
Im Verborgenen
Von Christoph Seils

Das Entsetzen ist groß, die Abscheu einhellig. Eine neonazistische Terrorzelle hortete Sprengstoff, plante einen Anschlag auf die Baustelle des jüdischen Gemeindezentrums in München, nahm möglicherweise Opfer in Kauf. Noch stecken die Ermittlungen in den Anfängen, somit ist manches Spekulation, was jetzt gemeldet wird. Aber sollte es nur ansatzweise stimmen, dann zeigt sich einmal mehr - die braune Gefahr hat in den vergangenen Jahren eine neue Dimension erreicht.

Völlig überraschend kommt diese Entwicklung nicht. Schon die Ermittlungen über die Herkunft der Kofferbombe auf dem Dresdener Hauptbahnhof deuteten mitnichten auf islamistische Fanatiker, sondern auf deutsche Neonazis. In Berlin, Potsdam oder Saarbrücken gab es schon in den vergangenen Jahren neonazistisch motivierte Anschläge. Angesichts des staatlichen Verfolgungsdrucks organisiert sich die neonazistische Szene seit langem in autonomen Strukturen und klandestinen Kameradschaften. In sektiererischen Kleingruppen verehren sie die nationalsozialistische Ideologie, leben sie heimlich ihren Judenhass. Und die eine oder andere Gruppe kommt dann auf die Idee, dass man mehr tun müsse als diskutieren und demonstrieren. Nicht spontan und bierselig, sondern diszipliniert und zielstrebig. Man organisiert Waffen, schmiedet Pläne.

Auch wenn der Münchner Anschlag verhindert werden konnte - die braune Terrorgefahr ist allgegenwärtig.
 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/die_seite_3/?cnt=302550

Naziterroristen in München

Verlinker 14.09.2003 - 00:06
von Max Brym
Naziterroristen in München festgenommen.
Was und wer inspirierte die Nazis ?
 http://de.indymedia.org/2003/09/61612.shtml

München: Wieder 3 Antifaschisten vor Gericht!

Verlinker 14.09.2003 - 03:12

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