Gentech im Saatgut? Entscheidung fällt jetzt!

Benedikt Haerlin & Antje Hartmann 11.09.2003 14:11 Themen: Biopolitik EU Gipfel Thessaloniki Kultur Soziale Kämpfe Ökologie
Am 5.9. hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Gentechnik-Saatgut-Richtlinie vorgelegt: Saatgut darf künftig 0,3 bis 0,7% gentechnisch veränderter Sorten enthalten - ohne Kennzeichnung! Am 20.(?) Oktober soll der Ständige Ausschuss für Saatgut darüber abstimmen. Fast alles hängt davon ab, was wir in den nächsten Wochen in Bewegung setzen können.
[Achtung: Termin in Berlin am Ende dieser Mail]

Am Freitag, dem 5.9. hat die EU-Kommission ihren "neuen" Vorschlag für eine Gentechnik-Saatgut-Richtlinie vorgelegt: Sie bleibt bei Ihrem Ansinnen, dass Saatgut künftig 0,3 bis 0,7% gentechnisch veränderter Sorten enthalten kann, ohne dass dies gekennzeichnet werden müsste. Am 22. September wird sie den Vorschlag dem Ständigen Ausschuss für Saatgut vorlegen und im Oktober (vermutlich am 20.) soll er dann darüber abstimmen. Zwischen der Abstimmung im Oktober und der formellen Annahme muss das Gesetz noch der WTO vorgelegt werden, die 60 Tage Zeit hat, Einwände zu erheben. Bei einer Mehrheit für den Vorschlag wird er unmittelbar geltendes Recht.

Die Sache steht jetzt also auf Spitz und Knopf. Sie ist weder verloren noch gewonnen und (fast) alles hängt davon ab, was wir in den nächsten Tagen und Wochen in Bewegung setzen können. Das ist der "Endspurt" unserer Initiative "Save our Seeds" für ein Saatgut-Reinheitsgebot.

Die Regierungen müssen sich jetzt eine Meinung bilden und beschließen wie sie abstimmen. Wir haben also noch etwa 4 Wochen Zeit, die EU-Regierungen davon zu überzeugen, sich statt für den Kommissionsvorschlag für ein Reinheitsgebot im Saatgut zu entscheiden. Die Abstimmung folgt dem EU-Mehrheits-System: es werden 62 von insgesamt 87 Stimmen benötigt. Deutschland hat in diesem System 10 Stimmen, auf die es entscheidend ankommen wird. Wenn Italien (10), Österreich (4) und Luxemburg (2) gegen den Vorschlag stimmen, würden die 10 deutschen Stimmen zu einer Blockade ausreichen. Vor allem aber werden sich andere Staaten (Frankreich, Belgien, Griechenland, Portugal, Dänemark) bei einer klaren deutschen Position möglicherweise ebenfalls gegen den Vorschlag aussprechen. Das wäre ein entscheidender Schritt in Richtung auf ein Reinheitsgebot.

Was brauchen wir jetzt, um den Kommissionsvorschlag abzuwehren und dann das Reinheitsgebot durchzusetzen?


Breite Mobilisierung

Zwar haben viele Organisationen und Einzelpersonen unsere Petition unterzeichnet (soeben auch die Verbraucherzentrale und die Industriegewerkschaft Bau, Agrar & Umwelt, eine komplette Liste finden Sie auf unserer homepage). Aber sie müssen jetzt auch aktiv werden, sich in der Öffentlichkeit und bei der Regierung Gehör verschaffen. Dazu bedarf es schneller und effektiver, d.h. einfacher Aktivitätsangebote. Wir haben dazu einiges auf unserer homepage vorgeschlagen.

Aber das wirkliche Leben spielt sich nicht im Internet ab. Was wir brauchen sind:


Wirksame Aktionen

* wir schlagen eine Postkarten-Aktion direkt an Kanzler Schröder vor. Bitte lassen Sie uns wissen, ob Sie bereit und in der Lage sind, sich an deren Verbreitung zu beteiligen.

* Am 15. Oktober soll in Berlin eine Demonstration stattfinden, die von vielen Bauern-, Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen unterstützt wird. Kontakt: BÖLW, Marienstr.19, 10117 Berlin, 030 28482306,  roehrig@boelw.de

* Wir suchen dringend Prominente, die sich persönlich für die Reinhaltung des Saatgutes einsetzen


Presse und Medien

* wir wollen eine Presse-Konferenz zum 22. September (Saatgutausschuss tagt) organisieren

* noch wichtiger ist es, einzelne Journalisten anzusprechen und persönlich von der Wichtigkeit des Themas zu überzeugen

* ebenfalls sehr hilfreich sind Leser/innen Briefe an Ihre Zeitung zu dem Thema


Direkte Kommunikation

Nichts ist so effektiv wie das direkte Gespräch und Engagement. Hier eine lange Liste von Vorschlägen, aus denen Sie sich heraussuchen können, was Ihnen am ehesten liegt. Wichtig ist nur, dass viele das Ihre beitragen.

* Reden Sie über die Saatgut-Verunreinigung mit Ihren Bekannten, Freunden, Kollegen. Tragen Sie das Problem in Vereine, Organisationen und auch Unternehmen, in denen Sie tätig sind.

* Verteilen Sie unser kleines Flugblatt zu dem Thema, das wir Ihnen gerne zuschicken

* Hängen Sie das Plakat, das wir produziert haben in ihrer Umgebung auf

* Bitten Sie Läden, Büros, Arztpraxen, Bibliotheken, Restaurants und Kneipen, Kinos etc. darum, ein Plakat aufzuhängen und den flyer auszulegen, vielleicht auch weitere Unterschriften zu sammeln.

* Verteilen Sie das Material auf Veranstaltungen

* Sammeln Sie weitere Unterschriften unter die Petition "Save our Seeds"

* Rufen Sie Ihre Abgeordneten, Saatgutunternehmen, Lebensmittel-Hersteller und -Händler an und fragen Sie nach was sie unternehmen, um das Saatgut sauber zu halten.

* Schicken Sie per Brief, Fax oder mail die Informationen weiter

Wir geben auf der SOS-website weitere Anregungen und Hilfen und nehmen dankbar alle weiteren Initiativen, Vorschläge und Vorlagen auf, die Sie dort auch auf dem "FORUM" direkt ins Netz stellen können(hier bitte keine allgemeinen Meinungsäußerungen und Überzeugungen, sondern praktische Fragen und Vorschläge).


Wirksame Lobby

* Entscheidend ist, dass Vertreter der Wirtschaft, vor allem der Lebensindustrie und des Handels, bei Herrn Clement (und Schröder) vorstellig werden und auf ein Reinheitsgebot drängen, v.a. auch mit dem Argument der sonst für sie entstehenden Kosten.

* Ebenso wichtig ist, dass Bauern ihre Stimme erheben und der DBV - wenn schon nicht aktiv so doch wenigstens passiv - unsere Forderungen unterstützt

* Vertreter von Saatgut-Unternehmen, die sich - gegen die offizielle Linie ihres Verbandes - für ein Reinheitsgebot aussprechen und bestätigen, dass die Reinhaltung des Saatgutes von GVO machbar ist, wären Gold wert.

* Persönlichkeiten mit Einfluss, sei es wegen ihrer Popularität, ihres Ansehens bei der Regierung oder ihrer Fähigkeit andere zu mobilisieren, sollten sich aktiv und möglichst öffentlich für das Reinheitsgebot einsetzen.

* Wissenschaftler, die vor den Gefahren der Verunreinigung des Saatguts warnen und sich für das Reinheitsgebot einsetzen, sind ebenfalls von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang.


Geld & praktische Hilfe

Die Zukunftsstiftung Landwirtschaft unterstützt und koordiniert die "Save our Seeds" Kampagne seit ihrem Entstehen vor einem Jahr. Die finanziellen und personellen Erfordernisse einer effektiven und breiten Kampagne übersteigen aber bei weitem die finanziellen Möglichkeiten dieser kleinen Organisation, deren Stifterinnen und Stifter ja in erster Linie die praktische Saatzucht für die biologische Landwirtschaft fördern.

Überlegen Sie deshalb bitte, wieviel
* Geld
* Woman- und manpower
* Sonstige Beiträge
Sie innerhalb der nächsten Wochen kurzfristig zur Verfügung stellen können. Denken Sie dabei bitte daran: Die Konsequenzen dieser Entscheidung werden noch viele Generationen nach uns zu tragen haben. Es handelt sich hier um eine Grundsatzentscheidung für die Zukunft der Landwirtschaft und der Umwelt.

Spendenkonto:
"Save our Seeds": Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Konto-Nr. 30 005 414, GLS Gemeinschaftsbank Bochum, BLZ 430 609 67
(Die Zukunftsstiftung Landwirtschaft ist gemeinnützig. Zuwendungen an die Stiftung sind nach § 10b EStG steuerlich abzugsfähig.)

Sie können uns natürlich auch gerne ganz spontan einen Schein oder Briefmarken in einen Umschlag stecken.

Produziert und versandt wird mit diesem Geld unter anderem aktuelles Informationsmaterial:
ein Plakat und einen flyer, die Sie bei uns beziehen können, sowie eine Postkarte an den Kanzler, die wir in der kommenden Woche in Umlauf setzen wollen.

Sehr viel mehr finden auf unserer web-site www.saveourseeds.org. Wir werden Sie weiter auf dem Laufenden halten.

Wir zählen auf Ihr Engagement in den nächsten Tagen und sind überzeugt davon, dass wir mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung jetzt einen Meilenstein in Bezug auf den künftigen Umgang mit der Gentechnik in der Land- und Lebensmittelwirtschaft setzen können. Frau Künast haben wir schon auf unserer Seite. Jetzt müssen wir nur noch Herrn Clement und den Kanzler überzeugen.

Antje Hartmann, die Sie unter 030 24047146 oder  info@saveourseeds.org erreichen, steht Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung und nimmt Ihre Beteiligungsangebote und Anregungen gerne entgegen. Sicherlich haben Sie Verständnis dafür, dass uns zu längeren Gesprächen in diesen Tagen einfach die Zeit fehlt. Kompliziertere Fragen und Anregungen schicken Sie deshalb bitte unbedingt per email oder Brief.

Herzliche Grüße und vielen Dank für Ihre Hilfe!

Benedikt Haerlin & Antje Hartmann

SAVE OUR SEEDS
Tel. 030-24047146, Fax 030-27590312
 info@saveourseeds.org
www.saveourseeds.org

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BERLINER TREFFEN FÜR AKTIVE:

Am Montag, dem 15. September um 19 Uhr
Chausseestr.131 (Ecke Torstr.), 10115 Berlin (U-Bhf Oranienburger Str.)
Treffen wir uns in den Räumen von Greenpeace

Alle, die in den nächsten Wochen etwas Zeit und Engagement erübrigen können, um die "Save our Seeds" Kampagne praktisch zu unterstützen, sind herzlich eingeladen.
Wir berichten über den letzten Stand der Dinge und möchten mit Ihnen zusammen besprechen, was wir hier in Berlin konkret auf die Beine stellen können. Allzu weitschweifende Grundsatz-Diskussionen wollen wir dabei nicht führen. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns, bei der wir auf praktische und ehrenamtliche Unterstützung angewiesen sind.

Wenn Sie am kommenden Montag keine Zeit haben, sich aber trotzdem beteiligen wollen, schicken Sie uns eine email. Wir halten Sie dann auf dem Laufenden.
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Ergänzungen

eins jedenfalls ist klar

weist 11.09.2003 - 23:04
''Vertreter von Saatgut-Unternehmen, die sich - gegen die offizielle Linie ihres Verbandes - für ein Reinheitsgebot aussprechen und bestätigen, dass die Reinhaltung des Saatgutes von GVO machbar ist, wären Gold wert.''

..nämlich, daß, wer behauptet, das wäre machbar, Scheiße labert. Du kannst genetisches Material ja schlecht wieder zusammensammeln, wenn es einmal begonnen hat, sich auszubreiten.
Wenn du in Deutschland Zitronen anbauen würdest (was potentiell bei den momentanen Wetterbedingungen möglich ist) oder sonst irgendwas Abgefahrenes, was nicht durch Aussaat vermehrt wird, könnte es eine Zeitlang klappen.

Aber selbst dann reichen die beim Umschlag großer Mengen Saatgut zwangsläufig irgendwo verleibenden Körner etc aus einer GM-Charge aus, wie jetzt in Italien (Piemont) gesehen, wo 381 Hektar Mais vernichtet wurde, da irgendwie Saatgut von (in Italien per Moratorium bislang verbotenen) GM-Mais dazwischengeraten war.

Oder in Kanada, wo Rapsfarmer von Mansanto vor Gericht gezerrt werden, weil sie angeblich deren transgene Sorte angepflanzt haben, was etwas bizarr ist angesichts der Tatsache, daß darunter auch Betriebe sind, die ihr Geld mit garantiert gentech*freiem* Raps machen.

Tatsächlich haben zumindest Bt-Pflanzen (Bacillus thuringiensis-Toxin, ein natürliches Insektizid) einen Selektionsvorteil an von Menschen beeinflußten Standorten, so daß sich über die Zeit ein Reservoir 'entkommener' transgener Pflanzen bilden wird, die eine 'Reinhaltung' des Saatguts technisch unmöglich machen.

NB: Ihr werdet, wenn ihr euch nur ein bißchen Mühe gebt, selbstverständlich Leute finden, die behaupten, transgene und nichttransgene Pflanzen können auf Dauer auseinandergehalten werden. Aber solche Leute bringen so etwas als Verkaufsargument, wie sicher doch ihre Technologie sei, und haben keine Ahnung von den wissenschaftlichen Grundlagen.

Daß genetisches Material herumvagabundiert, ab und zu ein Genom findet und sich dort einnistet und damit gar nicht mal so selten erfolgreich ist, ist zumindest bei Einzellern und Pflanzen relativ alltäglich. Und da die bei Gentransfer eingebauten Elemente autonom funktionieren (die meisten Gene sind allein funktionsunfähig und machen nur in Kombination mit anderen etwas - Epistasis*), sind sie wahrscheinlicher als bei unforcierter Genomevolution in der Lage, nach einer Übertragung ihre Funktion weiter auszuführen. Da die eingebauten Elemente der GM-Pflanze einen Vorteil z.B. gegenüber Insektenfraß, Spritzmitteln etc bringen, werden sich transgen gewordene Pflanzen oder Hybriden auf längere Sicht ebenfalls gegenüber dem Wildtyp durchsetzen. Und bingo - da ist das Reservoir für Transgene, das sich ohne besonderes Zutun hält.

Nebenbei bemerkt führt das dazu, daß die Spritzmittel (die zugegebenermaßen öfters mal spezifischer geworden sind), welche mit dem Gentech-Express verkaufsbefördert werden, nach und nach wirkungslos werden, bzw. daß schädliche Insekten ein weitaus besseres Trainingsfeld haben, um Resistenzen gegen Bt-Toxin oder Spritzmittel zu entwickeln, andere, seltenere Populationen (z.B. Insektenfresser, die ja für gewöhnlich da höher im Nahrungsnetz kleinere, anfälligere Populationen haben) hingegen verschwinden.

Der ganze Gentechschiet ist eine Pandorabüchse, die auf lange Sicht nichts weiter macht als Geld im Umlauf zu halten. Niemand wird netto davon satt, der es vorher nicht auch schon war. Alles in allem wird wahrscheinlich der Schaden, finanziell ausgedrückt, größer sein als der Nutzen; es handelt sich hier ja um nichts mehr und nichts weniger, als der Evolution ein neues Spielzeug in die Hand zu drücken, und die ist nicht bekannt dafür, auf die Feingefühle einer einzelnen Spezies - sei es Mikrobe oder kahler Primat - Rücksicht zu nehmen.


* Gleichzeitig ist Pleiotropie die Regel; das bedeutet, daß ein Gen für mehrere Formen eines Proteins codiert, die unterschiedlichste Funktionen haben können, bzw. daß das Protein (bei Epistasis) mit einer Vielzahl anderer Proteine zu unterschiedlichen funktionalen Komplexen zusammengesetzt wird.

Genmaisversuchsfelder in Rheinhessen

Maisreiniger 26.09.2003 - 04:34
Gene verunreinigen den Mais nicht,sie verändern ihn,machen ihn zum Bespiel gegen Schädlinge resistent,was den Saatgutverwendern eine Menge
Ausgaben für Schädlingsbekämpfunsmittel spart.Auf Kosten von Risiken.