Von Riva nach Cancun

Peter Nowak 06.09.2003 21:10 Themen: Globalisierung Weltweit
Widerstand gegen EU-Aussenministertreffen war erfolgreich, wenn auch die Euphorie, die mensch noch vor einigen Jahren auf Demos in Italien erlebte, sich dieses Mal nicht einstellen wollte.


Mehr als zehntausend Menschen protestierten am Gardasee gegen EU-Treffen

Hohe Berge und klare Seen, dazu ein tiefblauer Spaetsommerhimmel. Die
Landschaft am Gardasee in Norditalien glich tatsaechlich wie aus dem Bilderbuch. Doch ploetzlich sind kaempferische Parolen und laute HipHopmusik zu hoeren. Die kommunistische Jugend Italiens ist mit einem mit einer mit Kuba- und einer Palaestina-Fahne geschmueckten Wagen in die Idylle eingebrochen. Sie ist nur die Vorhut. Danach treffen immer mehr Busse und Wagen ein. Zum Schluss sind es ueber
10000 Menschen, die am Samstagmorgen gegen das Treffen der Europaeischen Aussenminister in Riva del Garda protestieren. Alle linken Gruppen Italiens sind beisammen, wie man an den verschiedenen Fahnen und Transparenten erkennen konnte. Die Kommunisten dominieren mit Hammer- und Sichel-Emblemen. Aber auch die Regenbogenfahnen mit dem Pace-Schriftzug sind ueberall zu sehen.
Dazwischen finden sich immer wieder Transparente mit Parolen gegen das
EU-Treffen in unmittelbarer Naehe aber auch gegen die WTO (Welthandelsorganisation), die in den naechsten Tagen im mexikanischen Nobelort Cancun tagen wird. Die italienischen
Demoorganisatoren aus dem Spektrum des Europaeischen Sozialforums (ESF) sahen ihre Proteste gleichzeitig als Beitrag des internationalen Widerstandsstand gegen das WTO-Treffen. Am deutlichsten haben es die Disobbedienti mit ihrer Parole "Von Riva nach Cancun" zum Ausdruck gebracht. Die der undogmatischen Linken entstammenden Disobbedienti waren mit einem starken Block auf der
Demonstration vertreten und fanden gerade unter jungen Leuten viel Zuspruch.

Sie hatten schon am Freitag mit einer Strassenblockade den
EU-Aussenministern und ihren Mitarbeitern symbolisch den Zugang zum Gardasee verwehrt. Doch anders als noch vor zwei Jahren in Genua blieben dieses Mal direkte Aktionen weitgehend aus. Am Ende der Demonstration vergnugten sich alle Gruppen gemeinsam bei einem grossen Konzert am Rande von Riva del Garda. Dort hatte schon
von Donnerstag an eine Konferenz mit dem Motto "Das Europa, dass wir wuenschen" stattgefunden. Auf zahlreichen Foren und Podiumsdiskussionen hatten Vertreter sozialer Gruppen gegen die Privatisierung von Dienstleistungen, gegen eine zunehmende Militarisierung auch der europaeischen Aussenpolitik und gegen die
Abwehr von Fluechtlingen in der "Festung Europa" Stellung genommen. Das Alternativforum erarbeitete auch Beschluesse, die im Europaeischen Sozialforum im November in Paris weiter diskutiert werden sollen.
Die Demoorganisatoren waren mit dem Zuspruch bei den Protesten zufrieden.
Die Aktionen haetten gezeigt, dass in Italien weiterhin eine Widerstandskultur besteht, erklaerte ein Sprecher des Buendnisses. Die Zusammenarbeit so unterschiedlicher Spektren, wie linker Christen, kommunistischer Aktivisten und und undogmatischer Linker habe sich auch an diesem Wochenende wieder bewaehrt.
Allerdings war die Stimmung dieses Mal nicht so euphorisch, wie man es noch auf der Grossdemonstration zum Abschluss des Europaeischen Sozialforums im letzten November in Florenz erlebt hatte. Ueber weite Strecken wurden dieses Mal kaum Parolen gerufen. Das lag allerdings auch an der unguenstigen Route, die ueber Industriegelaende und weitgehend unbewohntes Gebiet fuehrte und die Stadt nur am Rande streifte. Aus Sicherheitsgruenden waren groesse Teile der Altstadt von Riva del Garda zur 'Roten Zone' erklaert worden und somit fuer die
Demonstration gesperrt worden. An dieser Linie war die Polizei postiert.
Ansonsten haben sich die Ordnungskraefte an diesem Wochenende weitgehend zurueck gehalten. Haessliche Bilder von Polizisten, die auf friedliche Demonstranten einpruegeln, wie sie im Sommer 2001 aus Genua um die Welt gingen, konnte und wollte sich die Berlusconi-Regierung dieses Mal nicht leisten.

Peter Nowak, Riva del Garda
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Ergänzungen

Riva

Hans Elas 06.09.2003 - 22:11
Kann nur bestätigen, was Peter N. aus Riva berichtet. Ich habe mich etwa zwei Stunden vor dem Hotel der ehrenwerten Ministerrunde aufgehalten und beobachtet, was sich da abspielete. Anschließend bin ich dann zur Demo, die in den Außenbezirken herumgeführt wurde. Bei solchen Demos, die endlos durch unerfreuliches Gelände geschickt werden, kann nicht viel Stimmung aufkommen.

10.000 oder 20.000 oder mehr?

alta 06.09.2003 - 22:22
Wieso 10.000 DemonstrantInnen?? Selbst in der bürgerlichen Repubblica steht 20.000 ... wie viele waren es denn nun?
Außerdem sollte bedacht werden, dass Anfang September in Italien absolute Urlaubszeit ist. Es ist wohl das erste Mal seit 30 oder 40 Jahren, das an einem solchen Termin überhaupt eine Demo in Italien stattfindet

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