Köln ist überall - Kundgebung in Freiburg

ninguna persona es (i)legal 10.08.2003 12:35 Themen: Antirassismus Repression
Auch in Freiburg gab es eine Solidaritätskundgebung wegen der Räumung des Grenzcamps. Das Epos folgt...:
Wir waren 10. Immerhin. Ich war bereits so müde von der Hitze, und wollte
nur einen Text ausdrucken und dann schnell zum Baggersee radeln, als ich
dann trotzdem in die emails reingeschaut habe. Dann puhhhh - heftig. Das
Camp in Köln wird umzingelt. Scheiße. Letztes Jahr auf dem Strasburger Camp
hatten viele von uns noch Paranoia,auch wenn wir sie zum Teil verdrängt
haben. Genua und die Scuola Diaz saßen noch irgendwie in den Knochen, und
waren noch nicht so schnell verflogen wie das Tränengas.

Als erstes fiel mir das überdimensioniert und durchgeplante Vorgehen auf,
und errinerte mich sofort an die Gegengipfel Situationen. Der Kessel in
Lausanne war mein erstes Bild im Kopf. Die wollen das durchziehen. Eine
reine Machtdemonstration ? die Vorwürfe sind popelig und die Leute stellen
keine ernsthafte Gefahr dar. Warum dieses Vorgehen ? Die Zeiten des "im Keim
ersticken" wie etwa Köln 99 sind vorbei, was haben die jetzt vor ? Die
geben tatsächlich so viel Geld aus für Abschreckung....wie lohnt sich das ?
Und die Leute saßen da drin, und zwar genau zu dem Zeitpunkt an dem ich das
gelesen habe. Was soll ich tun ? Wieviel Kraft hast du noch ? Wen anrufen ?
Was kriegen wir hin ? Du willst eigentlich was essen ? ...Die Fragen
schießen durch mein Kopf. Ich fang an eine kurze Presseerklärung zu
schreiben. Holprig....egal. Diese Infos müssen raus, und am besten noch vor
den offiziellen Meldungen.

Das Telefon klingelt schon. Eine Freundin ruft mich an, erzählt die story.
Ich denke, gut, bin nicht alleine. Ein paar weitere Freunde sind erreichbar,
cool. Ein paar Anrufe nach Köln informieren uns über die Lage, Freunde sind
da drin. Die indymedia Seite funktionniert nicht immer.
Wir formulieren die Presserklärung zum Flugi um, machen 200 davon, packen
die Soundanlage in den Fahrradanhänger und sprayen ein "kein mensch ist
illegal" Transpi und ein "Stopt die Räumung - Köln ist überall".

Es ist fast 22h, die Innenstadt ist rammelvoll. Auf dem Schloßberg läuft ein
Fest, bands spielen und ganz Freiburg ist dort versammelt. Wir gehen zum
Schwabentor und stellen uns genau an der Stelle wo die Leute zum Schloßberg
hoch müssen.
Die Leute sind offen. Neugierig. Ihre Reaktionen sind gut, keine blöden
Sprüche, die meisten können unser Anliegen nachvollziehen, einige verdrängen
es, erstaunlich viele sagen sogar "gut dass ihr das macht ! ....Was können
wir tun ?....". Ein Typ kommt vorbei der nicht aus Freiburg ist, aber am Tag
davor noch in Köln auf dem Camp war.... er ist schockiert, er rastet nicht
aus, ist aber ein bißchen außer sich und ruft den Bullen "Scheißbullen"
hinterher. Ach ja die Bullen. Sie waren natürlich angekommen. Das übliche.
Wer, was, wie lange dauert das. Wir machen ja echt nur eine kleine
Kundgebung, wir stören niemanden und im Gegenteil alle sammeln sich um uns.
Über die Soundanlage läuft Sargento Garcia gerade (...immer die gleichen CDs
in dieser Soundanlage), die Stimmung ist entschlossen, und ganz nett. Auf
dem Schlossberg spielen die bands, sie würden sich lächerlich machen wenn
sie uns jetzt Lärmstörung oder so was vorwerfen würden.....Sie wollen aber
die Persos.
ich sage: " wir sind die gleichen Leute die jetzt in Köln im Kessel sind,
sie haben beschlossen sich nicht ED behandeln zu lassen....ihr wollt das
gleiche jetzt mit uns tun. Warum sollten wir unsere Persos zeigen, ich habe
eh kein dabei.". Die Bullen geben sich schlussendlich zufrieden mit einem
Perso und verschwinden.

Die Stimmung ist gut. Wir haben viele Gespräche, die Musik wird besser,
jemand hat eine CD mitgebracht. Wir gehen dann zum Augustinerplatz wo viele
Leute abhängen, breiten die Transpis aus und machen ganz leise Musik. Rufen
nach Köln an, essen endlich mal was und trinken Wasser, ich bin total
ausgetrocknet. Diskutieren mit den Leuten und Freunde vielen wissen nicht
von Köln, von den No Border Camps. Aber alle können die ungerechte
Repression nachvollziehen.

Hoffentlich haben die Leute im Kessel gut reagiert. Beim Kessel in Lausanne
war eine inspirierende Solidarität entstanden. Die Leute haben so mutig,
entschlossen und kreativ reagiert. Hoffentlich ist es auch so in Köln,
denken wir. Hoffentlich können die Leute mit dem Psychologischen Druck
umgehen. Sie haben die Campistas den ganzen Tag in der Sonne brutzeln
lassen, Gas eingesetzt, geprügelt, kein Wasser da, die Vorstellung Gas in
den Augen zu haben und kein Wasser um sie auszuspülen....Schweine.

Wir reden untereinander noch ewig, räumen alles ein, und gehen super spät
erst nach Hause. Jetzt schau ich noch ein letztes Mal auf indy....in anderen
Städte waren sie auch auf die Straße. Super. Wir sind manchmal Wenige, aber
überall ein paar. Die Leute sind tatsächlich alle mitgenommen worden. Sind
in Brühl. Den Namen habe ich schon mal gehört ? Wann war das ? Köln99 -
J18/G8 Gipfel. Die Demo mit den Indern der Interkontinentalen Karawane war
eingekesselt worden und die Bullen hatten alle nach Bühl gebracht.

Der Staat agiert. Sie wollten die Leute identifizieren. Den Zug nach Evian
haben sie auch ganz eingespeichert. Die Entscheidung über das was sie mit
uns machen haben sie noch nicht getroffen, können sie vielleicht nicht
treffen, wollen sie nicht treffen. Aber erstmal alle identifizieren.

In den kommenden Tagen werden wir sicherlich noch drüber reden. Die ersten
Berichte werden bestimmt bald kommen. Jetzt schlafen und erholen.

aus den südwestlichen Berge der selva negra .... :-). Sorry, dass es so ein
Epos geworden ist. Aber heute abend kann ich den Sub tatsächlich
nachvollziehen.
salud


------
hier das Flugblatt:

Brutale Räumung
des No Border Camps in Köln durch die Polizei

Die Polizeit hat Samstag Spätnachmiitag das 6. antirassistische Camp in Köln
umstellt. Bei Temperaturen von fast 40 °C hat sie den Wasserzugang für die
ca 400 CampteilnehmerInnen abgestellt. Die Internet- und
Festnetzverbindungen wurden gekapp, damit das Camp nicht nach außen
kommunizieren kann. Bei der Umzinglung das Camps wurden nach den ersten
Berichten 30-40 Campteilnehmer durch den Einsatz von Schlagstöcken und
chemischen Waffen (Reizgas) seitens der Polizei verletzt. Die Polizei
fordert die CampteilnehmerInnen auf sich "freiwillig" einer
erkennungsdientlichen Behandlung zu unterziehen (Personalien,
Fingerabdrücke, Foto- und Videoaufnahmen). Andererfalls würden sich diese
Daten mit Gewalt geholt.
Dass die Drohung sehr ernstgemeint ist, belegt das massive Polizeiaufgebot
mit 2500 Einsatzkräften, mehreren Wasserwerfern, Hubschrauber usw. Das Camp
ist inzwischen (20:45 h) komplett umzäunt, der ganze Stadtteil abgesperrt.
Die gewaltsame Räumung der verbliebenen CampteilnehmerInnen soll jeden
Moment beginnen und wir befürchten weitere Verletzte duch die bevorstehende
Brutalität.

Antirassistische Aktionscamp finden seit 6 Jahren überall in Europa statt.
Diese "No Border Camps" vertreten die Vision einer Welt wo Menschen nicht
durch Nationalstaaten getrennt werden. Sie denunzieren Diskriminiereungen
aufgrund der Hautfarbe und die Trennung von Menschen in "brauchbaren" und
"unbrauchbaren". Unzählihe MigrantInnen aus der ganzen Welt prallen an der
Festung europa jährlich ab, nicht selten ist der Versuch nach Europa zu
gelingen ein tödliches Unternehmen. Migration wird heute mit der
organisierten Kriminalität gleichgestellt, damit MigrantInnen die billigste
Arbeitskraft auf dem europäischen Markt darstellen.

Politische Dissidenten (antirassisten, antiglobalisierer....) werden heute
zunehmend kriminalisiert durch Meldepflichten, Reiseverbite etc. Bei großen
politischen Veranstaltungen wie in Strassburg 2002, Genua oder zuletzt Evian
hat die Polizei öfters die Infrastruktur (Camps, Medienzentrum etc) der
Aktivisten angegriffen. Bekannt ist der Fall der Schule Diaz in Genua, in
der die Polizei 78 schlafende Menschen krankenhausreif geprügelt hat. heute
hat die deutsche Polizei erneut bewiesen, dass sie in der gleichen Linie
handelt.

Kein Mensch ist Illegal - Köln ist überall !

Freedom of movement !
No Borders! No Nations !

weitere infos auf:
de.indymedia.org (breaking news über die Räumung)
http:// public.nadir.org/camp03/ (webseite des Camps)
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Soliaktion Bielefeld

Sam 10.08.2003 - 13:04
Weiß jemand etwas über die Soliaktion in Bielfeld?
Folgen noch weitere? Bitte um genauere Infos, evtl auch zu anderen Soliaktionen. Danke.

Vielen Dank von ganzem Herzen

Grenzcamper 10.08.2003 - 23:14
Als ich jetzt Deinen Bericht gelesen habe sind mir wieder die Tränen gekommen, Tränen der Wut aber auch irgentwie Tränen der Freude. Als jemand der gerade nach einer Woche Grenzcamp zurück ist, bewegt es mich sehr zu lesen dass es auch Menschen gibt die mitfühlen und daraus auch konkrete und spontane Handlungen erwachsen lassen!!!

Gestern Nacht habe ich noch die Räumung des Camps beobachtet, diese gepänstige Situation lies mich nicht mehr los. Solche Situationen vergisst Mensch wohl nie.

Wandet Wut und Trauer in Widerstand.

P.S.:
Übrigens habe ich noch gesehen wie die Bullen auch unserer Campkneipe 5 Kästen Wasser geklaut haben (bewaffneter Diebstzahl aus eingefriedetem Gelände).

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an