Ambazonia - Ein vergessenes Land in Afrika

Annette 17.07.2003 21:53 Themen: Indymedia Weltweit
Eine kurze geschichtliche Zusammenfassing ueber ein Land, dessen Unabhaengigkeit nur auf dem Papier existiert.
Wie einige von Euch vielleicht wissen gibt es seit einiger Zeit einen neuen IMC namens 'Ambazonia'. Doch was es damit auf sich hat, oder wofuer der Name "Ambazonia" steht, wissen wahrscheinlich nur wenige.

Ambazonia ist ein Landstrich im Sueden Kameruns und existierte bis mitte letzten Jahrunderts als 'British Southern Cameroons', welches benachbart war mit der franzoesischen Kolonie 'Cameroun Francois'. Dort gab es in den 50er Jahren einen wachsenden Aufstand gegen die Franzosen, der 1960 zum Erfolg und damit zur Unabhaengigkeit fuehrte.

Am 11. Februar 1961 organisierten die Vereinten Nationen eine Volksabstimmung in Ambazonia. Diese war Teil der Resolution 1514, genannt 'The Two Alternatives', und bot zwei Varianten der Unabhaengigkeit. Die Abstimmung wurde von der UN anerkannt und fuehrte zum in Kraft treten der Resolution 1608, welche die populaere Variante der Resolution 1514 uebernahm und die Errichtung zweier gleichberechtigter Staaten innerhalb einer Konfoederation zum Ziel hatte.

Dazu kam es aber nie.

Als das British Colonial Office seine Hoheit in der Region aufgeben sollte entschloss man sich zu einem diplomatischen Schachzug, in dem die 'British Southern Cameroons' an das franzoesische Kamerun abgetreten wurden. Daraufhin besetzten franzoesische und franzoesisch-kamerunische Soldaten den ehemals britischen Teil. Die Briten ihrerseits erhielten im Gegenzug die Kontrolle ueber die im Land verteilten Plantagen, welche noch aus der Zeit der deutschen Kolonialbesatzung stammten.

Mit der militaerischen Uebernahme kam es zu Uebergriffen, Masseninhaftierungen und Ermordungen, wie beim toedlichen Anschlag auf das Leben des ambazonischen Premierministers Augustine Ngom Jua.

Die Jahre danach

Auch in der ehemaligen franzoesischen Kolonie, die seit 1960 'Republique de Cameroun' heisst, nahm die staatliche Repression gegen die Bevoelkerung zu. Die von den Franzosen installierte Regierung fing an, haerter gegen politische Opposition vorzugehen, vor allem gegen die 'Union du Peuple de Cameroun', die kommunistische Partei, die in den Jahren zuvor massgeblich am Widerstand gegen die koloniale Herrschaft beteiligt war. Schliessungen staatlicher Betriebe und der Ausverkauf kamerunischer Industrie an die Franzosen waren die Folge. Besonders das in der Kuestenregion vorhandene Oel war von grossem Interesse und sorgte in den Folgejahren fuer zunehmende Umweltprobleme, ohne dabei auf die oekonomischen Beduerfnisse der lokalen Bevoelkerung einzugehen.

Damit gerieten Ambazonia und die Resolution 1608 der Vereinten Nationen wieder in Vergessenheit. Bis 1985 von einem Fon Fongum Gorji-Dinka eine Schrift veröffentlicht wurde namens 'The New Social Contract'. Darin forderte der Autor nach Jahren der Isolation und der politischen Ohnmacht des Landes die Umsetzung der Resolution 1608 und eine Widerherstellung der Unabhaengigkeit Ambazonias.

Gorji-Dinka wurde fuer sein politisches Engagement vor ein schnelles Militaergericht gestellt, das ihn jedoch freisprechen musste und worauf er floh, um im Heimatland seiner ehemaligen Kolonialherren als Anwalt taetig zu werden. Es folgte ein Aufleben des politischen Bewusstseins der Menschen in Ambazonia und eine ernstzunehmende Gefahr fuer die dortige Macht des kamerunischen 'Praesidenten' Paul Biya, der seit 1982 bis heute im Amt verbleibt - zuletzt mit einem Wahlerfolg von 92.6% aller abgegebenen Stimmen im Jahre 1996. (Regimegegner hatten die Wahl boykottiert.)

Als 1990 mit der SDF, einer sozialistisch-demokratischen Partei, das seit den 70er Jahren bestehende Parteienverbot durchbrochen wurde kam es erneut zu Uebergriffen bei denen mehrere Menschen von Regierungstruppen getoetet wurden. Doch wurde dadurch der Drang nach Selbstbestimmung nicht gebremst und es fanden neben der Gruendung einer organisierten Studentenbewegung weitere Demonstrationen und oeffentliche Sitzungen statt, sowie 1999 eine Uebernahme des Radiosenders Buea in der gleichnamigen Haupstadt. Ueber diesen verkuendeten Mitglieder des "Southern Cameroons National Council" (SCNC) und andere Aktivisten die Unabhaengigkeit Ambazonias.

Im Jahre 2001 gewann die "Southern Cameroons Peoples Organisation", kurz SCPO, erstmals eine Verhandlung vor dem obersten nigerianischen Zivilgericht, wodurch es der Regierung Nigerias verboten wurde, die Bewohner Ambazonias als "Kameruner" zu bezeichnen. Das Gericht ging sogar noch weiter und legte es der nigerianischen Regierung auf, sich um die Wideraufnahme der Umsetzung der UN Resolution von 1961 zu bemuehen und eine Unabhaengigkeit Ambazonias voranzutreiben.

Viele Probleme, viele Moeglichkeiten der Verbesserung

Den Umstaenden entsprechend sind dies alles erfreuliche Entwicklungen, doch duerfen Wir nicht vergessen, dass die Menschen in Ambazonia noch einen weiten Weg vor sich haben.

Die miserable wirtschaftliche Situation, der Eigensinn und die Doppelmoral der oertlichen Politiker, sowie rassistischer Populismus innerhalb der Region, aber auch gegenueber den Kamerunern im ehemals franzoesischen Teil setzen noch viel Geduld und Anstrengung unter den politisch engagierten Menschen voraus, die sich um eine wahre und nachhaltige Verbesserung fuer ihr Land bemuehen.

Umso erfreulicher ist, dass "IMC Ambazonia" hierbei als gerademal fuenfter afrikanischer IMC mit gutem Beispiel vorangeht. Wie spaerlich im Netz, und wahrscheinlich anderswo, -mit Ausnahme Indymedias- Informationen zum Thema "Ambazonia" verfuegbar sind zeigt auch, was fuer eine wichtige Aufgabe unabhängige Berichterstattung hat, der Oeffentlichkeit Themen nahezubringen, die von den herkoemmlichen Medien leider all zu oft uebersehen werden.

Ein kurzer einsteigender Artikel in englischer Sprache findet sich hier:
http://ambazonia.indymedia.org/en//2002/09/24.shtml

Und ein weiterer, den ich als Grundlage fuer diesen Text genommen habe hier:
http://ambazonia.indymedia.org/en//2003/03/255.shtml

Die Webseite des IMC Ambazonia heisst natuerlich:
http://ambazonia.indymedia.org/

Ein Besuch lohnt sich allemal um etwas Grundlegendes ueber Ambazonia selbst, die Situation vor Ort und die deutsche Vergangenheit als Kolonialmacht in der Region zu erfahren. Die Beitraege sind in leicht zu verstehendem Englisch geschrieben und bieten eine Sicht der Dinge aus erster Hand.

Auch wenn die Verbreitung von Internetanschluessen in Zentralafrika noch zu wuenschen uebrig laesst, so koennen IMC Ambazonia und andere einen grossen Beitrag dazu leisten, uns Menschen im Norden einen Einblick in die Situation dort zu geben und uns auf die Problematik dieses extrem vernachlaessigten Kontinents aufmerksam zu machen, welcher historisch doch so eng mit uns verbunden ist.

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Ergänzungen