Erfahrungsbericht des politischen Gefangenen Carsten / 129 a

Die Gefangenen müssen raus 06.06.2003 17:06 Themen: Repression
[ Der Knast ist geschaffen um Menschen einzuschüchtern, abzuschrecken und letztendlich zu brechen. Du hast kaum Möglichkeiten, außer beim Umschluß und in der Freistunde,. soziale Kontakte zu knüpfen. Auch sollst du durch den monotonen Knastalltag auf ein genauso monotones Leben, außerhalb des Knastes, vorbereitet und hin erzogen werden. Wenn du z.B. zum Frühstück um 6.00 nicht komplett angezogen, mit einem sauberen Teller, an der Tür stehst, erhältst du halt kein Frühstück. ]
JVA Rheinbach, 01.05.03


Erfahrungsbericht eines politischen Gefangenen, Mai 2003


Liebe FreundInnen und GenossInnen!

Seit dem 17.04.2003 sitze ich in U-Haft, in der JVA Rheinbach. Über meine Haftbedingungen und die Mechanismen dieses Knastes möchte ich euch hiermit informieren. Dabei muss allerdings festgestellt werden, dass jeder Knast anders ist und deshalb dieser Erfahrungsbericht zur Verallgemeinerung des Knastalltages in Deutschland unbrauchbar ist.

Allgemeines zum U-Haft-Trakt der JVA Rheinbach

In der U-Haft sitzen ca. 140-170 Männer. Die meisten der Gefangenen scheinen wegen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) oder halt Beschaffungskriminalität einzusitzen. Der Anteil an Migranten liegt bei ca. 50%. Das soziale Klima der Gefangenen untereinander ist gut. Es wird viel untereinander getauscht (z.B.: Tabak gegen Kaffee und dieser wiederum gegen Konfitüre u.s.w.). Auch habe ich erlebt, daß einzelne Gefangene sozial schwächere unterstützen und diesen ab und zu Tabak o.ä. zustecken. Körperliche Gewalt habe ich hier noch nicht erlebt und von den Mitgefangenen habe ich erfahren, daß dieser Knast einer der "angenehmen sein soll.

Die ersten Tage

Ich wurde am 17.04.2003 gegen 17.00 Uhr in diesen Knast eingeliefert Dort wurden meine Sachen und persönlichen Gegenstände kontrolliert und meine Aufnahme registriert. Anschließend wurden mir meine Sachen und Gegenstände (Uhr, Bücher, Schreibblock, ....) wieder ausgehändigt. Die Schließer waren über meinen Haftgrund -Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Verdacht)- informiert, sie haben sich mir gegenüber aber immer korrekt verhalten. Ich erfuhr, daß ich bis auf die Post- und Besuchskontrolle, "normale" Haftbedingungen erhalten soll. Dann wurde ich auf eine Doppelzelle geführt, wo ich erst einmal alleine untergebracht wurde. Ich erhielt auch gleich ein Leihradio des Knastes und mir wurde eine kleine Einführung über die Regeln und die "Möglichkeiten" des Knastes gegeben.
Dann schloß sich meine Zellentür und ich hatte, seit meiner Verhaftung am 16.04.2003, daß erste mal das Gefühl allein zu sein. Meine Zelle bestand aus einem Doppelstockbett, einem Schrank, einer Lampe, einem Tisch, zwei Stühlen, einem Klo und einem Waschbecken. aus meinem Fenster blickte ich auf den Knasthof und die Knastmauer. Ich habe noch einen Verpflegungsbeutel erhalten und wurde darüber informiert, daß ich Anträge erst ab dem 22.04. stellen konnte -wegen den Feiertagen.
An den Feiertagen gab es, genau wie an jedem Wochenende, um 9.00 Uhr Frühstück. Ab 9.30 hatte ich die Möglichkeit in die Freistunde, auf den Hof zu gehen. Dort wird wirklich, wie in einem schlechten Film, die ganze Zeit im Kreis gegangen. Um 10.30 Uhr wurden dann alle wieder auf ihre Zellen gebracht. So gegen 12.00 Uhr bekam mensch dann das Mittags- und das Abendessen ausgehändigt und ab 12.30 Uhr war Umschluß, bis auf Sonntags, da fällt er aus. Beim Umschluß dürfen sich bis zu vier Gefangene auf einer Zelle aufhalten. Da ich aber in den ersten zwei Tagen Schwierigkeiten hatte mit den anderen Gefangenen Kontakt aufzunehmen, habe ich diese zwei Tage darauf verzichtet. Um 16.00 Uhr war Rückschluß, was auch gleichzeitig das offizielle Ende des Tages war. Nun mußte mensch sich auf seiner Zelle beschäftigen und versuchen die Zeit sinnvoll rumzukriegen.
Ab Sonntag dem 24.04. wurde mein Knastleben angenehmer, da ich einen Gefangenen mit auf die Zelle bekam. Er war auch nicht das erste mal hier und konnte mir zeigen wie viele Dinge hier funktionieren.

"normaler" Knastalltag

Ab dem 22.04. hatten wir wieder den "normalen" Knastalltag. Dieser beginnt um 6.00 Uhr mit der Aushändigung des Frühstücks und dem einsammeln der Anträge und Briefe. Alles was du im Knast fragen oder machen möchtest, mußt du beantragen. Um 7.30 Uhr beginnt dann die Freistunde, die dann um 8.00 Uhr endet. Gegen 11.30 Uhr bekommt mensch dann seine Post und die Zeitungsabos ausgehändigt. 12.00 Uhr bekommst du das Mittagessen und um 17.30 dann das Abendessen. Ab 18.00 Uhr ist dann Umschluß, dieser endet um 20.15 Uhr.
Zwischen Frühstück und Mittagessen hat mensch 2 mal die Woche -bei mir war es Montags und Donnerstags- die Möglichkeit zu duschen. Dies waren, kurz aufgezählt, die "Höhepunkte" des Tages. Die Zeit dazwischen vertreibe ich mir mit lesen, schreiben und Radio hören.
Ab dem Abendessen am 22.04. habe ich -auf einen Antrag hin- vegetarische Kost erhalten. Auch Bücher, aus der Knastbibliothek habe ich -wieder durch einen Antrag- relativ schnell ausgehändigt bekommen. Das ärgerliche ist, mensch bekommt immer nur drei Bücher und der Büchertausch ist nur einmal die Woche. Das hat zur Folge, daß ich immer spätesten 3 Tage nach Aushändigung der Bücher, dies zum zweiten mal anfange zu lesen. einkaufen kann mensch, wenn Geld auf dem Knastkonto vorhanden ist, 2 mal im Monat.

Mechanismen des Knastes

Der Knast ist geschaffen um Menschen einzuschüchtern, abzuschrecken und letztendlich zu brechen. Du hast kaum Möglichkeiten, außer beim Umschluß und in der Freistunde,. soziale Kontakte zu knüpfen. Auch sollst du durch den monotonen Knastalltag auf ein genauso monotones Leben, außerhalb des Knastes, vorbereitet und hin erzogen werden. Wenn du z.B. zum Frühstück um 6.00 nicht komplett angezogen, mit einem sauberen Teller, an der Tür stehst, erhältst du halt kein Frühstück. Auch werden alle Verfehlungen, zum Beispiel wenn du vorsätzlich den Müll nicht trennst, mit Disziplinarmaßnahmen bestraft. Pass dich an, oder geh unter, lautet die Devise. die Bürokratie in diesem Knast ist genauso wie draußen, oft überflüssig, aber du bist leider immer davon abhängig.
Durch die Post- und Besuchskontrolle ist eine offene Kommunikation nach draußen unmöglich. Zumindest dann, wenn du keine Lust hast, daß fremde Menschen alles von dir wissen sollen.

Tips für den Knast

(Eigentlich ist es ja komisch, daß ich, der gerade mal 14 Tage einsitzt, Ratschläge geben möchte. Dennoch helfen mir diese Tips hier drin als politisches Individuum zu überleben.

Trotz aller Repressionsmaßnahmen, hast du auch im Knast die Möglichkeit ein politisches Individuum zu bleiben.
Lese viel und bewußt, schreibe so viel wie möglich und teile dich somit anderen Menschen mit. Auch beim Radio hören kannst Du entscheiden, ob du die ganze Zeit die gleichen Popsongs dir rein ziehen möchtest, oder ob du dich doch lieber für Sender wie "D-Landradio Berlin" entscheidest. Versuche dich selbst immer wieder zu hinterfragen und stelle fest, was du an Kompromissen eingehst und ob du sie auch draußen eingehen würdest.
Auch schau, ob du genauso handeln würdest wie draußen.
Versuche politische Gespräche mit Mitgefangenen zu führen und sei dir dessen bewußt, daß sie anders sind als mit Genossen draußen.
Achte bei den Gesprächen auf deine Sprache, denn mit Fachausdrücken oder Szeneslang kannst du hier drinnen keinen Blumentopf gewinnen. Verborge deine Bücher und Zeitschriften und animiere andere Gefangene zum lesen. Versuche Mithäftlingen zu helfen und sie durch dein handeln zu überzeugen, statt sie belehren zu wollen. Du wirst hier drin nach deinen Taten und deinem Handeln beurteilt und nicht nach deinen Worten.


Zum Abschluß möchte ich alle solidarisch Grüßen, die heute auf der Straße waren um für eine herrschaftsfreie Welt zu Kämpfen!

mit anarschistischen, kraftvollen und lieben Grüßen

Carsten, JVA Rheinbach, 01.Mai 2003
politischer Gefangener nach § 129a

Literaturhinweis: Arranca Nr. 26; "Einmal Knast und wieder zurück"; K. Viehmann
Infos zum Verfahren: www.soligruppe.de

Post an: Carsten Schulze
über den Ermittlungsrichter am BGH
Herrenstr. 45a
76133 Karlsruhe

"Wenn wir einmal nicht grausam sind, dann glauben wir gleich, wir seien gut" (Tucholsky)
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Ergänzungen

Trotzdem: Was fuer ein Glueck, das du ..

eec 06.06.2003 - 18:13
Was fuer ein Glueck im Unglueck dass Du doch als Deutsche Politischer Gefangener in einen Deutschen Knast einsitzen kannst. Ich habe 'Politische Gefangene' in Vietnam und Angola gesehen die von Politik sowenig Ahnung hatten wie Kohl von Tucholsky und in Vietnam ging es um 04:45 raus auf das Feld, ob U-Haft oder nicht mit schreienden Waechtern hinten dran, Ketten an den Fuessen und dann den ganzen Tag unter Hitze Reis rein stecken oder rausreisen. Gegen 10 gab es einenSchuessel mit Reis und Fisch und am Abend frisches Wasser vom Regen und eine Reissuppe bevor es in den Gemeinsamschlafraum ginng ind welchem 24 Maenner am Boden auf Strohmatten lagen , angekettet.
Sicher, jede Situation ist beschissen. Deine auch. Aber Du bezeichnest Dich selber als Politischer Gefanger also wusstes Du was Du tust oder machen wuerdes wenn. Nun wie steht es denn mit den sogenanten 'Sozialtaetern' bei Dir? Gibst Du den einen Rat, wohin sie nach der Entlassung egehen koennen, denn die haben keinen Kommunen oder Freunde bei der Linken usw.? Der Sozialtaeter welcher das xxxte mal drin ist, weil er einfache keine Wohnung findet, keinen Job, alles weg ist, auf der Strasse steht, naja und dann eben mal wieder klauen geht weil seine einzigen Freunde jene sind, genau wie er, am Bahnhof wohnen oder leben?
Sprichst Du mit jenen? OK trotz allem, nimms nicht zu hart du hast eine Sozialgruppe welche fuer Dich von drausen was macht und an dich denkt. Wenigstens das!

07.06.2003 - 04:42
Eine Ergänzung zur Ergänzung!
Es gibt genug Grausamkeit auf der Welt, da muss ich nichts erzählen denke ich, nicht mal über die Tigerkäfige in Vietnam... oder?
Wahrscheinlich weißt Du mehr darüber.
Wo die Grausamkeit anfängt, bis wohin sie sich erstreckt, weshalb es was in welcher Form beeinflußt, ist jedoch eine andere Sache. Vielleicht weißt Du auch etwas über Isolationshaft, über die weiße Folter. Vielleicht weißt Du auch, gegen wen sich diese Art von Bestrafung richtet, welchen Zweck diese Folter hat. Wenn Du all das wüßtest, würdest Du nicht auf eine Solche Weise schreiben. "Ein politischer Gefangener in Deutschland... Du Glücklicher..." wolltest Du glaube ich damit sagen, und "Du bist links, aber bist Du auch sozai.." wolltest Du fragen, so habe ich Deine Ergänzung zumindest verstanden.
Du hast nicht das Recht, auf eine solche Weise zu schreiben. "Nun stell dich nicht so an... woanders gehts ab 4.45 aufs Feld"... du verharmlost die Gefängnispolitik der BRD damit und indem Du seine politische Identität mit Deiner Frage nach sozialem Beistand anzweifelst, legitimisierst Du diese Haftbedingungen. Allein schon davon auszugehen, dass ein "kleiner Dieb vom Bahnhof" unter den Bedingungen eines Schwerverbrechers in der selben Folteranstalt wie Carsten sitzt, zeigt wie Deine Auffassung von der Gefängnispolitik dieses Staates ist.

soligrüße

pele 07.06.2003 - 11:32

Klingt ein bisschen plizeifreundlich

08.06.2003 - 20:16
Wurde der Brief zwischen der Abgabe in der JVA und der Weiterleitung der Post von den Beamten geöffnet?