Stadtrundgang am Tag der dezentralen Aktionen in Jena

Nie wieder Urlaub in Thüringen 17.07.2002 20:50 Themen: Antirassismus
Für heute waren im Programm des 5. Antirassistischen Grenzcamps dezentrale Aktionen angekündigt. Die Chance die Stadt bei einem Rundgang kennenzulernen und andere Aktivisten zu unterstützen.
Regen, Ausstellung und Kundgebung, auf der Polizeiwache, Spontandemo und der Intershop-Turm.
Beim wandern durch die Stadt, geschützt durch einen Regenschirm, kommen einem komische Gedanke über eine neue mögliche Polizeitaktik: In den Bergen rund um Jena sind alle in Deutschland verfügbaren Wasserwerfer der Polizei stationiert und lassen immer wieder Regenschauer auf das Camp und die Stadt nieder. Anfangs sah es auch so aus, als ob die Taktik efolgreich sein würde. Aber so einfach lassen sich Politaktivisten dann doch nicht stoppen.
Auf dem Marktplatz wurde eine Ausstellung (Bilder und Texte) über die Flüchtlingslager in Jena-Forst und Markersdorf aufgebaut. Einige Bürger blieben sogar stehen. Der Platz wurde am Rand durch viele Transparente verschönert, es gab Musik und Redebeiträge, später auch VoKü. Einige Zugänge zum Marktplatz wurden durch neue Grenzen für die Bürger zu einer überraschenden Hürde mitten in der Stadt. "Rote Regenschirme haben wir hier schon genug!"
Polizei war minimal und locker vor Ort.


Der Marktplatz.

Inhalte vermitteln.

Aufklärung.

Transparente am Rande.

Neue Grenzen braucht das Land!

Irgendwann kam die Info an, dass die Polizei Leute kontrolliert hat und dabei zwei Flüchtlinge wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht mit auf die Wache genommen hat. Nachdem klar war, auf welcher Wache sich die Gefangenen befinden, machte sich spontan eine Gruppe auf den Weg zur Wache.
An der Wache waren 80 bis 90 Leute. Ein Teil davor, ein Teil im Vorraum. Die Stimmung war ruhig, entspannt und friedlich. Einige Leute sprachen mit den wachhabenden Beamten. Ohne das was besonderes passiert wäre kamen von draußen das thüringesche BFE und von drinnen Riot-Cops aus Sachsen und räumten zügig und brutal den Vorraum. Einer der Wachhabenden (wahrscheinlich der Revierleiter) verkündete per Megaphon, dass er von seinem Hausrecht gebrauch macht und die Leute sich 50 Meter von dem Gebäude entfernen sollen.
Allgemein bekannt ist ja inzwischen, dass Polizeibeamte eine schlechtes Auffassungsvermögen haben, zumindest was Entfernungen betrifft ("100 Meter sind da wo ich sage!" - um mal eine ältere Äußreung zu zitieren.). Und so kam es auch. Die Leute wurden min. 200 Meter bis zur Übernächsten Kreuzung und später noch ein Stück weiter getrieben. Eine Frau wurde dabei Festgenommen. Die Polizei war locker in der doppelten Überzahl und die Versuche einer Person eine Spontandemo anzumelden scheiterten daran, dass auf Seiten der Polizei kein zuständiger Verantwortlicher zu finden war (wie oft in solcher Situationen). Auch von dern Deeskalationsbeamtebeamten war zu diesem Zeitpunkt nichts zu sehen (obwohl sie eben noch an der Wache waren).
Irgendwann klappte es doch mit der Anmeldung einer Spontandemo. Es mußten nur noch Ordner benannt werden und die Polizei bräuchte Zeit um den Verkehr zu lenken. Dann ging es los zum Marktplatz. Gut 80 Leute, in Ketten und mit vielen Parolen ging es in lockerer Begleitung des thüringischen BFE.
Am Marktplatz wurde die Demo freundlich von den Leuten empfangen. Weitere Beamten kamen über andere Wege zum Marktplatz und stellten sich an die Eingänge zum Marktplatz. Dies war aber angeblich ein versehen. Die sollten nur zu ihren Autos laufen und waren zu blöd um um den Marktplatz drum herum zu laufen. Sie zogen sich dann doch noch etwas zurück. Inzwischen war auch das Deeskalationsteam wieder vor Ort.


In der Wache. Alles ist ruhig und friedlich.

Vor der Wache auch.

Plötzlich müssen alle raus.

Und noch weiter raus.

Dabei wird auch geschubst und gedrängt.

Diese Frau wurde dann doch nicht festgenommen, sondern wieder frei gelassen.

Ketten gegen Kette - Auf der Straße vor der Wache.

Spontandemo zum Marktplatz.

Vom Marktplatz war der Intershop-Turm (Höchstes Gebäude der Stadt und von überall gut zu sehen.) Ganz oben wehte ein Transparent: "Deutschland - Lagerland". Nach einigen Stunden hing es immer noch.

"Deutschland - Lagerland" in 128m Höhe.

Woodstock-Feeling auf dem Camp.
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Ergänzungen

solidarische grüße

sonja 18.07.2002 - 02:14
gibt es noch mitfahrgelegenheiten für donnerstag,donnerstagabend oder freitagmorgen ?ich hab beim besten willen kein fahrgeld und zu wenig pass,mich aber seit wochen auf antira vorbereitet,die bin ich.traurig,das nicht da.

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-- 18.07.2002 - 15:54
oh menno, könnt ihr denn nicht auch mal schreiben was nun mit den zwei flüchtlingen passiert ist?
und wieso erfährt mensch von euch nix über den vorfall am wochenende, wo anscheinend auch einer verhaftet wurde?

genervt ob eurer selbstdarstellung

die beiden flüchtlinge

sorry vergessen 18.07.2002 - 17:15
wurden noch als die leute vor der wache waren (aber schon etwas abgedrängt) freigelassen. beide erhielten auch ihre papiere zurück, die die polizei zuerst behalten wollte.
nach der residenzpflicht hätten sich die beiden nur im landkreis weimar aufhalten dürfen.

war keine absicht, dass das ihm artikel nicht mit drinne stand. wurde einfach vergessen.

was meinst du am wochenende? der am samstag festgenommene wurde nach ein paar stunden freigelassen. oder meinst du jemanden, der in markersdorf mitgenommen wurde? davon weiß ich nichts.

brutale Mißhandlung und Schikane

[ASN] grenzcamper 19.07.2002 - 22:07
Der Artikel vermittelt meiner Meinug nach nur unzureichend, mit welcher übertriebenen Brutalität die Polizei gegen die DemonstrantInnen vor der Polizeiwache vorging.

Ich erlebte die Situation so:

Nachdem bekannt wurde, dass 2 Flüchtlinge in der Polizeiwache festgehalten wurden, sammelten sich in kürzester Zeit einige Leute vor dieser. Personen, die das Anliegen der Versammelten gegenüber der Polizei äußern wollten, betraten den Vorraum der Polizeiwache. Dabei verhielten sich die DemonstrantInnen friedlich und stimmten ab und zu Sprechchöre an, wobei sie die Freilassung der Festgenommenen forderten.
Die Riot-Cops und das BFE stürmte (ohne vorher die DemonstrantInnen aufzufordern, sich von der Polizeiwache zu entfernen) in den Vorraum des Gebäudes, in dem sich einige Menschen friedlich aufhielten und Gespräche mit der örtlichen Polizei führten. Dabei kam es schon zu Knüppeleinsatz. Die Menschen konnten nur schlecht die Polizeiwache durch eine kleine Tür verlassen. Die, sich draußen aufhaltenden DemonstrantInnen öffneten daraufhin die zweiflüglige Tür komplett. Als alle DemonstrantInnen aus der Wache gedrängt waren folgte die Aufforderung, sich von der Polizeistation zu entfernen. Dies schien den gewaltbereiten Bullen nicht schnell genug zu gehen, und so setzten sie ihre Knüppel ein, um den Vorgang möglichst zu beschleunigen. Als die (friedlichen) DemonstrantInnen ihren Unmut über die völlig übertriebene Polizeigewalt äußerten, wurde dies nur mit Gebrüll und weiteren Polizeiknüppel-Schlägen beantwortet.
Die RiotCops drängten die DemonstrantInnen weiter über eine Straße. Wahllos schlugen sie auf Menschen ein und warfen dabei eine junge Frau zu Boden. Ihr Kopf wurde brutal gegen eine Bordsteinkante gedrückt. Sie wurde hinter die Bullenkette abgeführt und noch eine Weile vor der Wache gefesselt liegen gelassen. In der Wache spielten sich, ihren schilderungen zufolge, unglaubliche Szenen ab. Bei der Personalienfeststellung, mußte sie sich vor den Bullen ausziehen, um nachzuweisen, dass sie weiblichen Geschlechts ist.
Nach einigen Stunden wurde sie wieder freigelassen.


Ich bedauere sehr, dass wir es nicht geschafft haben, das Vorgehen der Polizei am darauffolgenden Tag anzuklagen, an die Öffentlichkeit zu bringen und spontan direkte Aktionen gegen die Bullen zu organisieren. Grund dafür hatten wir allemale und statt der "RTS-Party" wäre eine Aktion gegen die Bullen viel nötiger gewesen! Die Repressionen in der Woche erreichten Ausmaße, die sich wohl kein Camp-Teilnehmer vorher ausgemalt hat, was sicherlich auch unseren Aktionsspielraum einschrankte.

No Justice No Peace - Fuck da Police!!!