Vorläufige Kurzchronik Argentinien

r.s. 27.06.2002 09:56 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Eine erste Zusammenfassung der Ereignisse in Argentinien von IMC Argentinien. (Übersetzung)
15,00: Sie gehen repressiv gegen die Strassenblockaden auf den Brücken der Hauptstadt vor. Auf der Brücke Pueyreddon, bei einer der stärksten und am meisten unterstützten Blockaden des Tages, sollen nach Aussagen der arbeitslosen Genossen der CTD (Arbeiter und Arbeitslose Komitee) Anibál Verón.der zwei tote Genossen liegen, 4 Schwerverletzte und weitere 90 verletzte. Einer der Toten wurde in der Nähe des Avellaneda-Bahnhofs ermordet Nach Angaben des MTL soll es mindestens 6 Genossen geben, die durch Bleikugeln getroffen wurden, was von Berichterstattern von uns vor Ort bestätugt wurde, die in der Gegend, in der die Auseinandersetzungen stattfanden, Patronenhülsen einsammelten. Ausserdem ist die Rede von 60 Verhaftungen und mindestens 200 Ingewahrsamnahmen auf dem 1.Kommmissariat in Avellaneda. Die polizeiliche Repression hat auch eine Demonstration auf der Alsina Brücke getroffen, bei der aber bisher keine Verletzten und Verhaftete konstatiert wurden. Repression auch gegen die Strassenblockade der Panamericana, wo die Demonstranten bis sie ausserhalb des Hauptstadtgebiets waren verfolgt wurden. Auf der Noria Brücke wurden die Demonstranten 100 m vor der Blockadestelle aufgehalten. Menschen sammeln sich beim Fiorito-Krankenhaus um den Zustand der Verletzten festzustellen. In La Plata und Cordoba sind Solidaritätsdemonstrationen einberufen worden, ein Protesttreffen in Richtung der Plaza de Mayo ist denkbar.

15,30: Nachrichten über Sturmaktionen und Tränengas im Bereich des Bahnhofs Lanus treffen ein, und über die Anwesenheit von Verletzten im Krankenhaus Eva Perón. Im Krankenhaus Fiorito soll eine Pressekonferenz organisiert werden, um allen die Identität der Toten von heute bekannt zu geben. Auf der Plaza de Mayo hängen Menschen, die spontan zusammenkamen, Schilder gegen die Repression auf.

16,00; Razzias ubd Durchsuchungen in Avellaneda, wo ein Lokal von Izquierda Unida (Vereinigte Linke) durchsucht wurde. Zusammenstösse in der Nähe des Fiorito-Krankenhauses.

16,11 Etwa 200 Menschen auf der Plaza de Mayo. Anwesend, Rentner, UOCRA - Arbeiter, Sparer, linke Parteien. Es sind die ersten Demonstranten die den Platz erreicht haben und angefangen haben, die Strasse zu blockieren. Die CTA (Konföderation der Argentinischen Arbeiter) ist versammelt, um über neue Kampfformen und Mobilisieuntg gegen die Repression zu entscheiden.

17,00: Die Madres der Plaza de Mayo fordern dazu auf, auf die Strasse zu gehen. Die Eingänge zur Plaza de Mayo sind von Demonstranten Blockiert und durch zahlreich Sicherheitskräfte bewacht.

17,30: Die CTA bestätigt den Generalstreik von morgen.

18,00: Die Polizei schreitet auch vor dem Kongress ein um die Demonstranten zu vertreiben. Gummigeschosse und Gas gegen die Madres und die Hijos. Inzwischen verbleiben 180 Menschen auf dem 1. Kommissariat in Avellaneda in Gewahrsam.

18,30: Die Mobilisierung auf der Plaza de Mayo, die von Piquetero- und Studentengruppen und Asambleas populares , hält, inzwischen etwas ruhiger, an. Demo für Morgen angekündigt.

19,26: wir haben Nachricht erhalten, dass es sich bei einem der ermordeten Piqueteros um Dario Santillan handelt, ein 21 Jahre alter Genosse aus dem Viertel La Fé. Dario war militantes Mitglied des MTD des Bezirks, er war Maurer und arbeitete jeden Tag um Geld zu sammeln um ein salón comunitario eröffnen zu können. Er lebte seit Monaten in einem rancho, auf besetzten Ländereien. Wir alle von Indymedia haben das Glück gehabt, mit ihm viele Piquetes (Blockadeposten), Versammlungen und unvergessliche Gespräche zu teilen. In diesem Augenblick haben wir keine Worte um unserer Wut und unserer Trauer Ausdruck zu verleihen. Seine Mörder werden dafür bezahlen, dass sie uns das wunderschöne Leben eines Genossen entwendet haben.

für Spanischsprechende und hoffentlich für Übersetzungen gesammelte Artikelauswahl und Fotos aus IMC argentinien hier:

 http://italy.indymedia.org/front.php3?article_id=58864&group=webcast
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Ergänzungen

noch mehr bilder

so sieht´s aus 27.06.2002 - 10:33
 http://italy.indymedia.org/front.php3?article_id=58865&group=webcast.

der zweite Tote heisst Maximilano Gostegui. Beim Tod Darios berichte Zeugen, dass er Erschossen wurde, während er versuchte, einem Verletzten zu helfen. Da er ein ausgesprochen beliebter, überzeugter und engagierter Aktivist war, äusserten Freunde und Zeugen den Verdacht, dass er nicht zufällig von einer Kugel getroffen worden sein könnte.

Wie befürchtet

Einer 27.06.2002 - 13:05
Sie haben sich für die Diktatur entschieden. Vielleicht hätte der Staat eine Chance gehabt, wenn er die Proteste weiterhin ins Leere hätte laufen lassen. Nun ist die Frage, wie die Bevölkerung reagiert. Nach den Versuchen der Trotzkisten, die Asambleas zu schädigen, sind diese vielleicht momentan nicht in der besten Verfassung für etwas Größeres. Hoffen wir, daß der Staat nicht den Aufstand der Bevölkerung in Blut erstickt.

weitere Übersetzungen

stw 27.06.2002 - 13:12
bitte koordinieren über die deutsche Übersetzungsliste  www-de@lists.indymedia.org.

hier ist das webarchiv:
 http://lists.indymedia.org/mailman/public/www-de/2002-June/date.html

zwecks vermeidung von doppelarbeit!!!

Einer hat keiner Ahnung

aldo 27.06.2002 - 15:24
Die Trotzkisten sollen also versucht haben die Asambleas zu schädigen? Woher beziehst du deine Informationen? Weißt du nicht, dass fast alle trotzkistische Parteien dazu aufgerufen haben die Mobilisierung von Gestern (26/06) zu unterstützen?
Viele Asambleas waren, nebenbei erwähnt, gar nicht dabei!!!

Nur die Trotskisten werden das Proletariat zum Sieg führen!
Die ganze politische und wirtschaftliche Misere, die wir heutzutage erleben, ist das Ergebnis der kriminellen Politik der Stalinisten und der minderbemittelten "hau den Bullen" Jungs.

Schöne Grüsse

Aldo

Zitate

Wildcat 27.06.2002 - 15:37
Kann ich bestätigen mit den trotskis. bei Indy-Argentinien gabs dazu ein paar Berichte im April.
Genaugenommen haben die Trotzkisten das bei den Interbarrials durchgezogen. Die Interbarrials sind so eine Art stadtweite Asambleas, die sich einmal die Woche Treffen. Dabei kommen Vertreter der einzelnen Asambleas vorbei. Die Schädigung war nicht allein vorsätzlich, sondern zumindest zum teil eher fahrlässig. Verschiedenen Trotzkistische Gruppen (die ja alle der Meininug sind einzig recht zu haben) haben ihre Streitereien auf den Interbarrials ausgetragen und die damit fast Handlungsunfähig gemacht. Das rächt sich jetzt.

Aus Wildcat 64:
"Obwohl die vielen linken (vor allem trotzkistischen) Splittergruppen als solche nicht auf den Asambleas auftreten dürfen, sind ihre VertreterInnen als NachbarInnen, als teilnehmerInnen der Asambleas in den Stadteilen, anwesend. Und während sie sich an der Basis der Stadtteile noch eher zurückhalten (müssen), wittern sie bei diesen Koordinierungstreffen die Chance, Leute zu rekrutieren, Linien durchzudrücken und Politik zumachen. Im Laufe des April haben sie es mit Ihren Machtspielchen fast geschafft, diese selbstgeschaffene Koordination kaputt zu machen.
.....
...entstehen im Laufe des April Auseinandersetzungen, die mehrfach zu Schlägereien zwischen Mitgliedern zweier trotzkistischer Parteien führen."

Wie immer bei solchen Aufständen geht immer alles soweit gut, bis linke Parteien/Organisationen auftauchen. Dann beginnen die Machtkämpfe. Das erste mal ist sowas 1917 passiert: Die Sowjets konnten von den Bolschweisten (Lenin und Trotzki waren die Führer) dominiert bzw. zerschlagen werden. Der Parteidiktatur stand somit nichts im Wegen.
Die schlechten nachrichten in Argentinien zeigen, daß es eigentlich egal ist, was wer wie schlimmes gemacht hat: Welche Chance hat die verzweifelte Regierung gegen die Armee?

Trotzki der gescheiterte Stalin

Anti-Bolschewist 28.06.2002 - 12:07
Hallo,

Nein, es geht hier eigentlich nicht um die Trotzkis, Lenins
und andere Autoritäre die (immernoch)eine alternative Erziehungsdiktatur errichten wollen...
Aber es riecht allenthalben nach "alternativen" Polizei
und Ordnungsfanatikern, die einzig und allein vorgeben zu wissen wo es längs geht...
Also zur Lektüre empfohlen:
Willy Huhn: "Trotzki der gescheiterte Stalin"
erschienen im Karin Kramer Verlag Berlin 1974,
(Vorwort von Paul Mattik). Der Text von Willy Huhn ist
im Internet verfügbar.
Der Sozialismus beruht auf der schöpferischen EIGENINITIATIVE der Menschen! "Der Sozialismus wird frei sein oder er wird nicht sein."

nie wieder kasernen-kommunismus!

ein anarchist 28.06.2002 - 15:14
Marxismus-Leninismus-Stalinimsus-Trotzkismus ist tot... er stinkt allerdings noch ein bisschen. Sollten diese Krankheiten allerdings nochmal akut auftreten, werden sie bekämpft werden müssen wie alles auf der Welt, das für Unterdrückung und Diktatur steht. Der autoritäre Kommunismus liegt am Boden und da muss er bleiben! Sozialismus ohne Freiheit ist eine Lüge!

anarchistin 28.06.2002 - 15:20

Fröhliche Autonomie! Gegen Staatsterror!

ja! 28.06.2002 - 17:59
Erfrischend Gustav Landauer mit seinem 'Aufruf zu Sozialismus' und seiner Marxismus Kritik.

Murray Bookchin: 'Die Neugestaltung der Gesellschaft'
 http://otopia.de/bookchin/index.htm

Cornelius Castoriadis, Denker der Autonomie.
 http://www.arbeitsalltag.de oder:
 http://aleph.lib.ohio-state.edu/~bcase/castoriadis/index2.html

Project for Inclusive Democracy:
 http://www.inclusivedemocracy.org