nachtrag zu genua den verhören und aussagen

eine ehemalige gefangene aus genua 05.04.2002 23:16 Themen: Globalisierung Repression
stellungnahme zu den verhören und den aussagen die wir gemacht haben, und wie es dazu gekommen ist.
-ich bin !eine! der ehemaligen gefangenen von genua, und davon eine aus der sogenannten 10er gruppe. ich möchte mich hiermit in die gegenwärtige diskussion um aussageverweigerung einklinken, versuchen zu erklären, wie es zu den aussagen gekommen ist und einen überblick darüber zu geben, zu was wir überhaupt befragt wurden, und was wir ausgesagt haben. ich finde die diskussion hierüber sehr notwendig, grade auch weil wahnsinnig viele leute in genua, göteburg, im wendland, in brüssel, ... aussagen/einlassungen gemacht haben.
bis ich selbst im knast in italien sass dachte ich, wenn ich verhaftet werden sollte, mache ich totale aussageverweigerung und wenn es dann einen prozess geben sollte, redet meine rechtsanwältin. ist ja ganz einfach und eh am besten...
dann sind ein paar sachen zusammen gekommen wie lange drohende haft, schlechte kenntnis vom italienischen rechtssystem und probleme mit den anwältinnen, die tatsache, dass in italien aussageverweigerung gegen eine verwendet werden kann, und dass ich z.t. mit leuten unterwegs war die ich kaum kannte und mit denen ich mich also noch sehr wenig auseinandergesetzt hatte, die angst sich von den anderen abzuspalten und dann alleine dazustehen und ich habe mich doch auf verhöre eingelassen.
wir haben keine leute verraten, oder dem staat informationen gegeben, die er nicht auch aus dem internet ziehen, oder sonstwoher haben könnte.
trotzdem bewerte ich unsere entscheidung uns auf aussagen einzulassen als ziemlich groben fehler. (dazu später mehr...)
da es zu aussagen aber offensichtlich sehr unterschiedliche ansichten in der linken gibt, hoffe ich durch diesen schon lange geforderten text etwas offenlegen/klarstellen zu können, bzw. zumindest die möglichkeit zu geben eine grundsatzdebatte am konkreten fall führen zu können.
dass es solange gedauert hat, bis ich was schriftliches zusammengekriegt habe, hängt ganz einfach damit zusammen, dass ich eigentlich gerne etwas gemeinsam mit den anderen 9 geschrieben hättte, aber einige der anderen die dringlichkeit oder notwendigkeit dazu nicht sehen. natürlich gibt es nach 6 wochen knast und einem eventuell/ wahrscheinlich noch anstehenden prozess auch noch viel mehr zu diskutieren als aussageverweigerung und dieses thema hat trotzdem bei uns immer einen sehr grossen raum eingenommen, meiner meinung nach ist es aber unumgänglich über das geschehene auch breit in der linken zu diskutieren, um fehler zu analysieren und die seit jahren etwas verblasste anna+arthur kampagne wieder auf die tagesordung zu bringen.
ein weiteres problem bei unserer diskussion war außerdem, dass wir aus verschiedenen städten, und auch sehr unterschiedlichen hintergründen kommen.

-mehrere von uns kannten sich vor unserer reise überhaupt nicht, andere bekanntschaften waren eher oberflächlich, d.h., unsere reisegruppe ist einfach sehr spontan entstanden. (das war übrigens etwas was wir ausgesagt haben.) wir vertreten unterschiedliche meinungen, und das war auch schon im knast so. trotzdem haben wir im knast immer versucht auf einen gemeinsamen nenner zu kommen und als gruppe zu handeln und uns gegenseitig stärke zu geben. wenn wir entscheidungen zu treffen hatten, haben wir immer versucht zu einem konsens zu kommen; aufgrund von zeitdruck war das aber nicht immer möglich, so daß auch mal die mehrheit ausschlaggebend war.

-das hauptproblem, das ich mit unseren aussagen habe, liegt in dem umstand, dass wir zwar unter ganz vielen anderen, aber als 10er gruppe doch deutlich sichtbar, einen schritt gemacht haben, der das prinzip der aussageverweigerung deutlich aufweicht. aussagen, auch wenn sie niemanden direkt belasten, geben dem staat nicht nur informationen über lebensumstände, denkstrukturen und bewegungszustände, öffnen womöglich türen zu weiterer kooperation, sondern schwächen vor allem die position all der leute, die keine aussagen machen wollen!
dann haben wir unsere aussagen auf jeden fall viel zu früh gemacht. sich auf aussagen einzulassen bevor überhaupt ne akteneinsicht da ist, ist mehr als fahrlässig.
auch das argument, wir sind doch 2 tage nach den protesten festgenommen worden, und deswegen ist das nochmal ne doppelte schweinerei uns in den knast zu stecken,und deswegen will ich dazu auch was sagen, zählt für mich nicht. erstmal geht es dem staat sowieso nicht um gerechtigkeit, und wenn wir jetzt weil wir unschuldig sind brav aussagen machen, heisst das noch lange nicht, dass es uns was nützt, und unterstützt nur wieder die argumentation des staates, wer unschuldig ist hat auch nichts zu verbergen, bzw. wer nichts sagt ist also schuldig. ich will jetzt gar nicht anfangen damit, dass es beschissen ist, beweisen zu müssen, dass mensch unschuldig(im juristischen sinne) ist, was erwarten wir schon von der justiz...
wenn mensch sich politisch äußern will, kann er/sie das auch in einer prozesserklärung.
was bei vielen leuten die aussagen gemacht haben sicherlich auch eine rolle gespielt hat, ist die überlegung, "wieso soll ich für das prinzip der aussageverweigerung persönlich soviel opfern, wenn ich mit meinen aussagen niemanden direkt reinreite?" aber
dieses prinzip/recht war mal ein wichtiges standbein der linken, und es ist nur ein zeichen der schwäche unserer bewegung, wenn alle entscheidungen/siege oder niederlagen nur noch individuell getroffen/erlebt werden.(ganz abgesehen davon, dass aussagen kein garant dafür sind rauszukommen, bzw. aussageverweigerung nicht heissen muss, dass mensch drin bleibt) ich weiss nicht ob es "leichter" ist in den knast zu gehen, wenn mensch weiss, dass draussen fett was los ist, bzw. mensch teil einer starken bewegung ist, aber ne individuelle geschichte hatte jede schon immer. sicher ist aber, dass sich zu anderen zeiten die leute viel mehr mit dem thema knast auseinandergesetzt haben. dabei ist die gefahr einzufahren bestimmt nicht kleiner geworden.
ausserdem ist es nicht so, dass eineR draussen "besser" kämpfen kann als drin, oder dort mehr gebraucht wird für die bewegung. klar wollen alle lieber draussen sein, aber im knast gibt´s meistens auch leute(wenn mensch nicht in isohaft ist)und auf jeden fall viele möglichkeiten (und viel zeit) zu kämpfen.
klaus viehmann hat hierzu geschrieben, dass es nicht das wichtigste ist hier und heute aus dem knast zu kommen. solidarität mit den mitgefangenen (vor allem die mit denen die nix sagen wollen) und wirkung des eigenen verhaltens auf die öffentlichkeit sind wichtiger. und eine ungebrochene persönlichkeit/biografie ist wichtiger, denn sie ist ein guter start ins leben nach dem knast.
dem kann ich nur zustimmen, und ich will jetzt auch nicht jammern, wenn ich bestätige, wie ätzend es ist was gemacht zu haben, was ich eigentlich voll beschissen finde.

ich denke es ist sehr schwierig die qualität von aussagen und alle ihre folgen einzuschätzen.
einfach und klar ist es bei verräterinnen, die als tauschhandel oder aus ignoranz andere leute ans messer liefern. (wobei mensch sich fragen kann wieso so`ne einstellung nicht schon vorher aufgefallen ist...)
aber dann wird es schon schwierig die grenze zu bestimmen..
grundsätzlich läuft es mir zuwider mich irgendwie mit diesem staat einzulassen, trotzdem finde ich aussagen gegen nazis oder vergewaltiger o.k. (obwohl auch sowas voll nach hinten losgehen kann!)
ich mache einen unterschied, ob aussagen in einem verkehrs- oder strafverfahren gemacht wurden.
bei entlastungszeuginnen oder einem alibi müssen namen genannt werden, da fängt das elend schon an.
und was ist mit gelaber im internet oder in anderen medien, mit getratsche in kneipen...
das problem ist, mensch könnte sich hier zu tode differenzieren, und würde doch nicht zu ner klar definierbaren, allgemeingültigen grenze kommen. deswegen bleibt meines erachtens gar keine andre wahl, aussagen immer als scheisse zu betrachten, und sich im jeweils gegebenen fall intensiv damit auseinander zu setzen, und zwar öffentlich.
wer was vor den bullen, der staatsanwaltschaft oder richterinnen sagen konnte, kanns erst recht auch vor uns.
und wenn mensch sich auf bestimmte leute nicht verlassen kann, weil diese unverantwortlich sind, müssen auch konsequenzen gezogen werden. wir sind keine so homogene bewegung, dass alle alles gleich bewerten, aber zumindest, die möglichkeit der reaktion sollte durch offenlegung der aussagen gegeben werden.
dabei sollte nicht vergessen werden, auch einen kritischen blick auf uns selbst zu werfen, "warum die fehler die zu aussagen geführt haben, auch fehler der ganzen bewegung und aller kommunisten sind."(geklaut aus für eine gesellschaft ohne knäste,texte aus italien; berlin ´83 )
ziel ist natürlich dass irgendwann niemand mehr mit dem system "redet".

-wenn ich jetzt (aus meiner sicht) im folgenden näher darauf eingehe, wie es denn jetzt dazu gekommen ist, dass wir aussagen gemacht haben, soll das keine aufzählung von rechtfertigungen sein, sondern die grundlage für eine aufarbeitung.
wie wichtig dem staat aussagen sind, hat sich am besten im carabinieri gewahrsam gezeigt. die ganzen schläge und tritte, der ganze psychoterror hatte eigentlich nur einen grund: los, sagt was! gebt irgendwas zu!
wir haben nix gesagt, und grade deswegen auf den kopf gekriegt. als wir dann in die knäste verlegt wurden, waren wir frauen plötzlich von den männern getrennt, was hiess, dass alle kommunikation und diskussion z.b. über anwältinnenwahl, aussagen oder nicht usw. unheimlich erschwert und zeitverzögert war. deswegen schreib ich im folgenden auch nur aus unserer sicht. am anfang hatte wir ja gar keinen kontakt nach draussen, unsere anwältin haben wir nach 3 tagen zum ersten mal gesehen, und dass nicht mal alle, und nur 10 min. das einzige was sie sagte war: morgen ist haftprüfung, sagt auf jeden fall was zu den indizien,das ist eure einzige haftprüfung vor dem prozess, wenn ihr nix sagt, bleibt ihr auf jeden fall drin. von den männern hiess es, dass sie auf jeden fall was sagen. das problem war also,wir sitzen in 2 verschieden knästen, die frauen auch nochmal in 2 gegenüberliegenden zellen, wie können wir da ne entscheidung treffen? wir haben also bis spät in die nacht diskutiert (zeitstress ohne ende!) und konnten zu keiner gemeinsamen entscheidung kommen, am schluss hat also mit bauchweh die mehrheit entschieden (wie sonst?!), daß wir einlassungen zu indizien und reiseweg machen. tja, das hat den haftrichter nicht gross beeindruckt und wir mussten erstmal drinbleiben. wir haben dann ziemlich direkt die anwältin gewechselt( die männer haben sie behalten). in den 2 wochen bis zur nächsten haftprüfung hatten wir dann einige anwältinnengespräche und es kamen auch die ersten besuche und briefe. mit den ra´s hatten wir enorme verständigungsschwierigkeiten, nicht nur auf sprachlicher ebene. ein hauptproblem war, dass sie sich ständig beklagten, dass wir ihnen nicht vertrauen, und es absolut nicht verstanden/kannten, dass wir sie nicht einfach machen ließen, sondern immer genau wissen wollten, was los ist und unsre strategie selbst bestimmen und mit ihnen diskutieren wollten. daß wir nach unserer verkackten 1. hp beschlossen hatten, doch nix mehr zu sagen, versetzte unsre ra`s quasi in entsetzen. ihr standardspruch war: ihr müsst was sagen, sonst bleibt ihr auf jeden fall drin, in italien ist es ein schuldeingeständnis nix zu sagen, außerdem sind die richterinnen eh alles linke (?????),ihr müsst uns vertrauen. anfangs war es unmöglich mit ihnen politisch zu diskutieren, auch unsre argumentation, dass dies -natürlich- ein politischer prozess ist, wurde entgeistert zurückgewiesen.
an diesem punkt möchte ich einfügen, dass unsre erste anwältin multedo als erfahrene linke anwältin gilt, die von den verschiedensten gruppierungen im vorfeld empfohlen wurde, auch tambucchio,den wir behielten, ist ein linker anwalt, nur roveta, den wir auf empfehlungen neu hinzuhahmen, stellte sich als etwas unerfahren, dafür aber sehr motiviert heraus. gerade die ra-wahl war für uns wahnsinnig schwer gewesen- wir kannten ja niemand, und die einschätzungen von aussen waren teilweise dermaßen widersprüchlich, dass wir uns eher wie beim lottospielen vorkamen, als dass wir das gefühl hatten, jetzt richtig loslegen zu können. naja, auf wiederholte hilferufe nach draussen hin, bittebitte den ra´s klarzumachen, was wir uns unter zusammenarbeit in einem politischen prozess vorstellen, wurde das verhältnis besser.(im nachhinein wurde uns von leuten gesagt, dass in italien, im gegensatz zu hier, der begriff ´polit. Prozess´ immer bedeutet, ein geständnis zu machen, und das dann politisch zu vertreten.(?)) trotzdem haben sich im nachhinein einige dinge herausgestellt, die echt scheisse warn. wir nehmen zwar eher laxheit als berechnung als hintergrund an, trotzdem haben die ra keine unwesentliche rolle bei der entscheidungs"findung" hin zu aussagen gespielt.
so waren die männer bei der 2.hp (->"es gibt nur eine?!") nicht wenig erstaunt, als wir nix sagten, nachdem sie in absprache mit den ra`s ihre unschuld beteuert hatten, und auf deren aussagen hin auch dachten, wir würden jetzt ebenfalls was sagen.
nachdem staatsanwältin canepa dann mit ihren überzeugenden beweisen (die berühmten zigarettenfilter- molliezünder) aufgetrumpft hatte,und in den medien die hetzkampagne gegen den blackblock und seine vermeintlichen mitglieder in unverminderter härte weiterging, war klar, dass wir auch nach dieser haftprüfung nicht rauskommen dürfen.
nun trat eigentlich fast sowas wie erleichterung bei uns ein: auch der letzten optimistin wurde klar, dass das was längeres wird, und wir jetzt "endlich" zeit haben, uns vorzubereiten auf den prozess oder eine neue hp (die von ra´s aufgrund neuer beweislage jederzeit neu beantragt werden kann, was wir auch erst jetzt erfuhren). meiner meinung nach war genau das auch einer der wichtigsten punkte, die gegen aussagen gesprochen haben, naja...
von unseren ra`s kam jetzt das ding, dass wir gedächtnisprotokolle
unserer reise und der tage in genua anfertigen sollen, weil, sollten sie eine neue hp beantragen, die staatsanwältin oder der richter bestimmt ein verhör machen wollen. wir mussten also weiter diskutieren. für einige kam sehr wohl von anfang an in betracht sich auf verhöre einzulassen. dabei spielte es auch eine grosse rolle, dass wir von besucherinnen gesagt bekamen, dass es den männern aufgrund der fortgesetzten misshandlungen im knast, die zwar nach den besuchen von deutschen konsulats/botschafts(?)-angestellten und empörten presseerklärungen von dt. politikerinnen aufgehört hatten, -aber die folterer warn natürlich noch ständig präsent-, ziemlich schlecht geht, und sie auf jeden fall da raus wollen. gleichzeitig diskutierten wir auch mit unseren besucherinnen. der kontakt mit "der" linken szene italiens/genuas gestaltete sich extrem schwierig. die spaltungen untereinander sind etwa so gross wie hier(?), und ausser dem gsf und einem hauptsächlich von leuten aus dtld. gebildeten ea, schien es quasi keine antirepressionsstrukturen zu geben.(vom ea in milano haben wir gefangene so gut wie nichts mitbekommen)
was bei uns ankam war: einer von dem centrosociale hat das gesagt, eine aus dem spectrum das, usw..der grundtenor war, solang niemand belastet wird, sind aussagen voll o.k.,und nichtaussagen würden tatsächlich als schuldeingeständnis gewertet werden. somit rieten uns auch fast alle besucherinnen zu aussagen. von fast allen kam, in deutschland wäre das mit der aussageverwiegerung völlig klar(?), aber in italien sähe das anders aus. dazu soviel, dass für die meisten das wirklich kein neues thema war, sondern für quasi alle seit jahren (auch praktizierter) grundsatz. wir im knast waren ziemlich genervt, weil wir mit den infos kaum was anfangen konnten und auch nicht wussten, was wir glauben sollen oder nicht.
gleichzeitig gingen alle aufgrund der von den medien aufgeheizten stimmung (irgendwie müssen ja die bullen+ militär(carabinieri)- übergriffe überspielt werden) und wegen der faschistischen regierung davon aus, dass wir, grade als "10er gruppe" , zu sündenböcken gemacht und dazu benutzt werden sollen, einen präzedenzfall zu schaffen, um in zukunft demonstrantinnen als terroristinnen wegzusperren. das hat ja jetzt der 11.9. geschafft, aber schon vorher kamen gegen uns "antiterrorparagraphen" zum einsatz, die eine mindeststrafe von 8 jahren(für plünderung und zerstörung) bedeuten.
da wir nicht zu einer einigung kommen konnten, beschlossen wir, erstmal die gedächtnisprotokolle anzufertigen, und dann weiterzusehen.
am fr.17.08. bekamen wir besuch von heidi lippmann die uns erzählte, dass wohl nächste woche die verhöre losgingen. wir fielen aus allen wolken. auf unser drängen hin kamen am samstag nochmal die ras zu uns, und bestätigten, dass im laufe der nächsten woche (so ab mittwoch) die staatsanwältin uns zu verhören laden will. sie hätten im laufe der woche die neuen beweise (fotos aus den autos, ne aussage von nem verkehrspolizist) beim zuständigen richter eingereicht, damit wir schnell rauskommen. wir wussten zwar, dass unsre anwältinnen sowas vorbereiteten, die entscheidung hatten sie aber einfach ohne uns getroffen. ausserdem sagten sie uns noch, dass die männer aussagen wollen.(die hatten sich aber in wahrheit auch noch nicht entschieden!) wir bestanden darauf, dass sie montag nochmal kommen, weil wir so schnell nix entscheiden können. als sie montags nochmal kamen, war die entscheidung wieder mehrheitlich gefallen, uns jetzt doch auf aussagen einzulassen. vorher waren die ra´s aber schon bei den männern gewesen, und hatten ihnen gesagt, dass wir ausssagen wollen.
um ca 14°° wurden dann auch schon 2 von ihnen zum verhör abgeholt.
ca. 2h vorher erreichte uns endlich! post mit schriftl. stellungnahmen von draussen: jeweils 1 von freundinnen vor ort, von "jüngeren ital. genossinnen"(?), von "älteren ital. Genossinnen"(?), und von 2 weiteren bekannten linken ital.ra´s. alle sprachen sich für aussagen aus. ein einziger brief aus d. war dagegen, und riet uns zu warten. wir wussten leider nicht wer den geschrieben hatte. aber es war ja quasi eh zu spät.
die ra´s gaben uns noch ein "macht euch keine sorgen" mit auf den weg, und sagten uns, dass sie sehr optimistisch seien, daß wir danach rauskommen.

-beim staatsanwaltlichen verhör anwesend war jeweils eineR von uns + anwalt, eine dolmetscherin, die ausnahmsweise tatsächlich deutsch gesprochen hat, die staatsanwältin canepa, die normalerweise mafia fälle macht, und ein sekretär. zu dem ist noch zu sagen dass er im feinsten bikeroutfit herausgeputzt war - mit kaputten jeans, ohrringen, lederjacke,boots,...-ob der immer so rumläuft, oder für uns ein bisschen "die situation auflockern" sollte, sei mal dahingestellt. die ganze zeit lief ein diktiergerät, bei einigen von uns blätterte canepa ständig vielsagend in dicken ordnern. am ersten verhörtag wurden 2 der männer verhört- jeweils ca. 3h, wobei da natürlich die übersetzung mitreingehört. erst sollten sie frei den weg unserer reise erzählen. sie erzählten, wann wir in deutschland losgefahrn sind, dass wir über frankreich nach italien gefahrn sind, in torino auf nem festival della musica waren, dort 2 unserer reisegruppe dazugekommen sind und niemand bzw.nur oberflächlich kennengelernt haben.
über unseren aufenthalt in genua erzählten sie, dass wir auf dem manuchau konzert warn (woher wir auch das infomaterial hatten), an der migrantinnendemo teilgenommen haben und im camp im parque alvaro gepennt haben. am freitag (dem tag mit den grössten aussschreitungen) seien sie morgens aus dem camp losgegangen um sich die verschiedenen demozüge anzugucken. in der stadt wäre irgendwann alles total chaotisch gewesen, so daß keiner wußte, wo er rumgelaufen ist. ja, sie hätten zerstörungen(einer auch die plünderung eines supermarktes) gesehen, aber damit nichts zu tun gehabt. später hätten sie andere von uns in der nähe des lautis der tute bianche wiedergefunden, dort eine zeitlang rumgesessen. dort hätten wir wahnsinnig viele verletzte gesehen. weil das alles viel zu heftig war, wären wir zurück richtung camp gegangen, auf dem weg hätte auch ein ausgebranntes auto gelegen, vor dem andre leute fotos gemacht hätten, und wir dann alberner-/bescheuerterweise auch (das foto is übrigens eindeutig kein "blackblock"poserfoto,sondern mensch sieht n paar luftig gekleidete bescheuert grinsende touris). wir wären dann fast die ersten im camp gewesen. später hätten wir dann von der ermordung von carlo gehört, und hätten beschlossen, in ein camp n stückchen weiter außerhalb in nervi umzuziehen. am nächsten tag seien wir von dort aus sehr spät losgelaufen zu der großen demo und hätten grade noch das hintere ende errreicht, das wir dann überholt hätten. irgendwann gab es dann aus heiterem himmel einen lauten knall, und eine von uns sei schreiend umgefallen. sie sei von einem aus der demo gekommenen feuerwerkskörper getroffen und am bein verletzt worden. ein anderer hätte ein knalltrauma bekommen. diese beiden und zwei weitere seien dann zurück ins camp getrampt. die anderen seien weitergegangen. später sei dann die demo von der polizei angegriffen worden, und sie wären weggerannt, und auch zurück ins camp gegangen.
am nächsten tag hätten wir dann gemäss unseren plänen die reise richtung süden an der küste entlang fortgesetzt. da wir dort nirgendwo mit unseren wannen hätten halten können, seien wir ein stück ins landesinnere gefahren und hätten uns als es dunkel wurde in einen feldweg gestellt, wo wir dann am montag den 21. morgens verhaftet wurden.
diese ausführliche aussage mussten nur die 3 männer machen, aus zeit gründen bekamen wir frauen dann jeweils eine der aussagen der männer vorgelegt. wir sollten dann sagen, ob die reise bis dato bzw. der aufenthalt in genua so grob bestätigt werden kann. falls nicht sollten wir das sagen. dann wurden wir nur noch mal zu einzelnen punkten befragt.
zur zusammenstellung unserer reisegruppe sagten wir was ich auch schon in punkt 2 erwähnt habe, und dass die besetzung der autos ständig wechselte.
besonders wichtig war der sta. der grund unserer reise, und ob wir schon vorher vorhatten an den protesten teilzunehmen. dies bejahten wir, trotzdem sei der hauptgrund unserer fahrt urlaub gewesen.
dann wollte sie wissen woher das infomaterial + die stadtpläne gekommen seien.
einige von uns befragte sie zu früheren personalienfeststellungen, verhaftungen bzw. verurteilungen in d-land. auf die antwort, dass der anlass zb eine antirassistische oder antiakw demo war, fragte sie ob dort auch der blackblock gewesen sei, was dann verneint wurde.
manche wurden auch gefragt, ob es in d. auch einen blackblock gäbe(~"keine ahnung"), ob wir den bb/anarchistinnen kennen würden("nein") bzw schon davon gehört hätten (~"war ja nicht zu übersehen bei der hetze im vorfeld").
grade hier ist es schwierig wiederzugeben, was wir geantwortet haben, weil die frage schon so schwammig ist und schon im vorhinein versucht wird einer etwas in den mund zu legen.
dann wurde noch die autohalterin ausführlich nach dem werkzeug, eine frau die verletzt war und welche die dabei waren nach der ursache und unfallhergang, einer nochmal speziell zu seinen tätowierungen.die fotoalben mit einem film von uns und mit den fotos von den beschlagnahmten gegenständen bekamen wir alle vorgelegt.
wir sollten hauptsächlich frei erzählen, die sta wollte dann gerne orte, +gruppen (waren dort die tute bianche?) identifiziert/präzisiert haben, was in einer fremden stadt bei so nem chaos logischerweise unmöglich ist. sie hätte wohl auch gerne gehabt, dass wir kontakt zu irgendwelchen leuten gehabt hätten, wie sollte sie sonst ihr konstrukt von den international agierenden anarchistischen terroristen des blackblock aufbaun. bei den fotos fragte sie auch manchmal nach- wir mussten auf jedem bild sagen wer drauf ist, auch wenn auf den ganzen bildern nur wir und ein bekannter von einigen drauf war, und sonst nur bilder wo leute von weitem bzw demos und graffitis drauf warn.
auf den fotos von den beschlagnahmten gegenständen sollten wir jeweils unsere eigenen sachen und klamotten identifizieren. bei so gefährlichen dingen wie schwimmbrille, perücke und beinschonern sollten wir sagen, wem die gehören, und die jeweiligen besitzerinnen, wozu sie sowas dabei gehabt hätten. bei den uns vorgelegten sachen war auch eine sturmhaube, von der wir nicht wussten wo sie herkam. da unser auto im parque alvaro ständig offen gestanden hatte, war eine vermutung, dass sie vielleicht von da stammen könnte.
die sta. wollte natürlich auch wissen wer die bilder gemacht hat.
weggelassen bei der zusammenfassung habe ich emotionale äusserungen/ ausführungen (á la: " da war ich geschockt...") und den ganzen unwichtigen? kram der in eine ausführliche schilderung der tage gehörte (klo gesucht, eis gegessen, sonne geschienen,...), was von der verhörzeit bestimmt ne ganze menge ausgemacht hat.
sicher ist aber auch, dass die sta. wenn ihre zeit nicht begrenzt gewesen wäre noch viel mehr gefragt hätte (wie in verhören von anderen leuten geschehen).
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Ergänzungen

wichtige auseinandersetzung

ich 06.04.2002 - 17:43
ich muß sagen, dass ich es sehr wichtig finde, sich mit gelaufenen inhaftierungen, fehler die in haft begangen wurden (oder fehler in anführungszeichen) auseinander zu setzen.
ich hab selber immer gesagt: klar, keine aussage machen, is doch total leicht, einfach das maul halten.
aber so leicht isses logischer weise nicht. mensch ist einem haufen stress- und angstfaktoren ausgesetzt udn versucht irgendwie aus der scheiße rauszukommen.
klar, der bericht ist sehr ausführlich (mensch hätte ihn an einigen stellen kürzen können), aber erstens ist gerade durch die ausführlichkeit klar zu machen, unter welchem druck die gefangen standen und unter welchen umständen sie zu dem und dem schluß kamen.
in sämtlichen lektüren über repressionen und den umgang mit eben jenen wird gesagt, dass man die klappe zu halten hat, und dass das eventuell schwierig ist (ach!). aber die situationen, die eben schwierig sind und die faktoren, die dazu beitragen, dass mensch unter allen umständen versucht aus dieser beschissenen situation rauszukommen, sind selten bis nie beschrieben.
berichte über inhaftierungen tragen dazu bei, dass außenstehende sich ein besseres bild machen könne, wie es ihnen in der situation ergehen kann und wie sie eventuell damit umgehen können (ob sie nun aus fehlern lernen, oder sich an diskussionsergebnisse halten, die vorher schon mal erarbeitet wurden, oder nur wissen, was die punkte sind, die sie geminsam durcharbeiten müssen/sollten).
außerdem, noch ein aspekt, warum solche texte wichtig sind:
die sechs wochen in genua in haft müssen der horror gewesen sein (denk ich mir). und über solche erlebnisse muß mensch reden, sich damit auseinandresetzen. und genau dazu ist solch ein medium wie indymedia meines erachtens aucvh da. die inhaftierung in genua hatte klar politische hintergründe und auch die umgehensweise mit bestimmten situationen im knast ist klar politisch. da ist es nur logisch (und vernünftig), dass einzelne aus der gruppe (oder auch alle) eine resonanz haben wollen udn vor allem ihre erlebnisse auch mitteilen wollen, sie mit anderen diskutieren und erneut durchspielen. denn nur dadurch verarbeitet mensch solche erlebnisse und bereitet auch eventuell andere stückweise auf solche erlebnisse vor.

vielleicht

. 07.04.2002 - 01:07
traegt das ja mal dazu bei, dass sich ein paar leute darueber gedanken machen ob sie wirklich so unfehlbar sind wie sie glauben. auch wenn´s weh tut.
ich finde den text total wichtig, weil er zeigt in welch beschissener situation man so alleine im knast steckt (selbst wenn man nicht total allein ist)
viel glueck noch!!

alles wieder ok ?

imranx 10.04.2002 - 05:42
... ich glaube nicht das du dir den kleinesten vorwurf anhören musst ... jeder hätte wahrscheinlich unter diesen umständen so ausgesagt - man kann sich ja ungefähr immer ausrechnen wie antworten eingeordnet oder verwertet werden können - und auf der ungefährlichen seite bleiben (muss ja extrem peinlich für die gewesen sein ;) ... und diese schilderung einer verhör-situation ist auch wichtig ... so in etwas konnte man sich das nach genua vorstellen ... wie kriegen die ihren black bloc zusammen

btw. ich hatte zufällig sogar schon mal auf einer polizei oder geheimdienstseite ein schönes schaudiagramm entdeckt ... drei übereinandergestellte kästen - symphatisanten, aktivisten, organisatoren - e voila - le blac bloc ;) ... allerdings haben sie wahrscheinlich gemerkt das sie sich das selbst nicht mal vormachen können und dann gabs keinen blac bloc zum anschauen mehr ... die behörden blamieren sich eh nur noch ...

hoffe alles gute für dich ;)

(von jemanden der nur 2 stunden drin war)

Dialektik

Punxatan 15.04.2002 - 12:51
Man sollte wirklich alles versuchen, keine Aussagen zu machen, um damit auch einen Gegenstandpunkt zu bilden gegen die Totalität des Anspruchs auf Nichtigmachen des Widerstands. Wenn man dabei unterliegt, darf man sich deswegen auch nicht gleich aufgeben; man muß sich aber eingestehen, einen Fehler gemacht zu haben. Sich selber und anderen gegenüber eingestehen...