Erklärung zu Tod und Kapital

Franco Camusp 21.03.2001 13:36 Themen: Globalisierung
In ein paar Wochen wird der Aids-Prozess in Pretoria wieder aufgenommen...
Erklärung zu Kapital und Tod

Im Namen der über 40 Millionen mit dem HI-Virus infizierten Mitmenschen weltweit. Im Namen der Kinder der bereits 20 Millionen an AIDS gestorbenen Mitbewohner dieses Planeten. Im Namen der zahlreichen Erdenbürger, die es sich nicht leisten können, gegen den fatalen Virus anzukämpfen.

Dass der Schutz von Patentrechten wichtiger ist, als der Schutz von Leben, Menschenleben, ist eine Tatsache, keine subjektive Ansicht und keine Interpretation. Die Ausbeutung der Südens durch den reichen Norden ist ebenfalls ein Faktum. Auch wir, die wir hier unsere materiellen Bedürfnisse bis zum Platzen stillen, sind schuldig. Mitschuldig. Durch unser Schweigen, das anderen Menschen auf dieser Welt das Leben kostet. Einige aber stehen auf und sagen NEIN. Nein zu diesem Wirtschaftssystem, das sich eine ungewillte, sich taub stellende Ethikabteilung mit dem verlockenden Namen Politik eingeheimst hat. Dass diese machtlos oder gar unterstützend den neoliberalen Auswüchsen, ausgeübt durch die WTO und deren Schützlinge, die transnationalen Konzerne, zuschaut, ist ein alarmierender Zustand. Dieser tritt aber nicht plötzlich zu Tage, nein, er wuchert einem Geschwür gleich langsam heran. Und man schaut zu. Man schaut nur noch zu, man resigniert, man ist egoistisch, abhängig und leicht einzuschüchtern.
Südafrika liegt weit entfernt von der Schweiz, jaja, bis man den Schwarzafrikaner an der Grenze hat. Er flüchtet nicht aus Spass, sondern aus Zwang. Die Umstände in seiner Heimat erlauben es ihm nicht zu überleben, ein menschenwürdiges Dasein zu fristen. Afrika ist auch hier, Mitmenschen, hier bei uns! Solidarität bedeutet für uns mehr als ein gut tönender Wert!
Der Gerichtsprozess im südafrikanischen Pretoria wird am 18. April dieses Jahres wieder aufgenommen. Die South African Pharmaceutical Manufacturers Association klagt die Regierung an, gegen die Regeln der TRIPS-Abkommen der ach so heiligen WTO (?Wohlergehen für alle durch Liberalisierungen und Schrankenlosigkeit im Globalisierungsprozess?) sowie gegen die südafrikanische Verfassung verstossen zu haben, als Nelson Mandela 1997 eine Gesetzesänderung zur Zulassung von Parallelimporten pharmazeutischer Nachahmerprodukte (sog. Generika) und von Zwangslizenzierungen erliess. Ausländische Anbieter wie der thailändische Cipla-Konzern oder brasilianische Firmen würden Anti-Aids-Medikamente zur Verfügung stellen, zu Selbstkostenpreisen oder gar gratis... Dies duldet der machtgierige Westen nicht. Wir sind ja schliesslich im Zeitalter des allmächtigen Shareholdervalue!
Es ist unfassbar, dass hier ein Prozess von statten geht, den wir im imperialistischen Zeitalter schon beobachten konnten, und trotz den daraus erworbenen Erkenntnissen von politischer Seite kaum etwas dagegen unternommen wird. Dieser Neoimperialismus - ein schöneres Wort dafür nennt sich Globalisierung - basiert auf maximalem Gewinnstreben, der dafür nötigen Freiheit und dem Ausbau der westlichen Hegemonie in der sogenannten Dritten Welt. Die globale Ökonomie liegt der noch nationalen Politik (die EU ist ein Ansatz einer transnationalen politischen Institution) weite Strecken voraus. Der Aufstand der Wohlstandskinder in Seattle, Prag, Nizza, Melbourne, Davos und erst gestern in Neapel ist der Anfang einer neuen Bewegung, einer solidarischen, internationalen Basisbewegung. Der globalisierten Wirtschaft ist nur noch mit auf Solidarität und Demokratie basierendem Widerstand entgegenzukommen; wir haben der institutionellen Politik abgesagt, ihre Verfilzung und Abhängigkeit von Kapital und Kapitalisten (Oops, diese Wörter machen mich wohl gleich zum Dogma-Kommunisten...) ist offenbar. Hier und beinahe überall auf der Welt. Leider.
Ich rufe alle Leser vorliegender Zeilen dazu auf, euch zu besinnen, wieso wir in Subcomandante Marcos Hoffnungen hegen, wieso wir uns von physischer Gewalt (die von den Schergen des Wirtschaftsstaates ausgeübt wird) nicht kleinkriegen lassen, wieso wir Widerstand leisten. Politik findet auch auf der Strasse statt, denn dort herrscht Meinungsäusserungsfreiheit, solange sie nicht durch Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer oder andernorts mit scharfer Munition, Panzern, Helikoptern und Granaten kastriert wird. Auf der Strasse bestimmt nicht das Kapital die Worte, herrscht Unabhängigkeit und Freiheit.
Den moralischen Sieg erringen wir von Protest zu Protest: Unsere Argumente können nur noch durch Polizeigewalt vorläufig erstickt werden. Aber selbst Gewalt kann dem gedachten Gedanken nichts anhaben, nie, denn er existiert und wurde schon ausgesprochen. Also werden wir immer wieder aufstehen und kämpfen, für eine andere Welt, für unsere Nachkommen, für unsere Mitmenschen...
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Ergänzungen

mehr ueber die kostenlosen AIDS-Drogen

maybrit boss 27.03.2001 - 05:47
ich habe diesen Artikel mit Genuss gelesen;
nur zwei Sachen:
1. wo kann man merh ueber die kostenlosen AIDS drogen herausfinden?

2. unter den Staedten, die dem Neoliberalen Globaliesierungszug Widerstand leisten,
soll Quebec City stattfinden:
ich war dieses WOchenende bei einer
PlanungsSpokescouncil von verschiedenen
Gruppen, die um den 21. APril beim anti-FTAA (Free Trade of the Americas) SUmmit, protestieren werden. Man muss sagen, ich war beeindruckt von ihrem Fleiss und ORganisationsfaehigkeit...

nur um diese Info einem ausgezeichnetem Artikel zuzu"adden"...

MB>

Kommentar einer Pharmavertreterin

E.T. 20.04.2001 - 14:44
Anbei ein Auszug aus dem Spiegel (15. Woche 2001) zu diesem Thema:

Das ist Mirryena Deeb, Geschäftsführerin des Verbandes der klagenden südafrikanischen Arzneimittelhersteller, Ableger der Weltkonzerne. Sie sagt nichts. Kürzlich hat sich die Dame mit einer Bemerkung weit vorgewagt. Auf die Frage eines Reporters, ob sie mit ihrer Haltung Tausende mit dem Tode bedrohen wolle, antwortete sie: "Wenn Sie so wollen: ja."

Dies sagt alles.