Atomkraftgegner blockieren AKW Brunsbüttel

BI Lüchow-Dannenberg 11.09.2006 01:08 Themen: Atom Ökologie
Atomkraftgegner haben am Sonntagnachmittag die Zufahrt zum Atomkraftwerk Brunsbüttel blockiert. Sie wollen mit ihrer Protestaktion zum Schichtwechsel der AKW- Mannschaft bekräftigen, dass dieses Skandal-Kraftwerk keine Minute weiter laufen darf. "Die Betreiber des AKW Brunsbüttel vertuschen nicht zum ersten Mal gravierende Sicherheitsmängel, sowohl gegenüber der Öffentlichkeit, als auch gegenüber der Atomaufsicht. Wir können und wollen nicht akzeptieren, dass erst Menschen durch einen 'GAU' zu Schaden kommen müssen, damit ein Atomkraftwerk außer Betrieb geht", so einer der Beteiligten.
"Uns reicht es! Wir fordern: Stoppt das AKW Brunsbüttel jetzt! - Wir belassen es nicht bei der Forderung, sondern wir werden uns aktiv dafür einsetzen, dass der Reaktor endlich vom Netz geht" heißt es in einer bislang von 38 Umweltinitiativen unterzeichneten "Brunsbütteler Erklärung".

"Die Stromkonzerne Vattenfall und E.on haben im 'Atomkonsens' unterschrieben, das AKW Brunsbüttel an der Unterelbe bis spätestens 2009 stillzulegen", so der Text des Aufrufs, den weitere Einzelpersonen und Gruppen unterzeichnen sollen. Weiter: "Für alle Menschen im Umfeld des Pannenreaktors bedeutet diese Frist schon ein zu großes Risiko. Doch jetzt wollen die Betreiberfirmen Vattenfall und E.on sich nicht einmal mehr an diese Vereinbarung halten. Mit Unterstützung der CDU soll die Laufzeit - also die Zeit der immensen Gefahren - weiter verlängert werden."

Kaum ein anderer Reaktor in Deutschland musste so häufig auf Grund von Pannen und Störfällen vom Netz genommen werden wie das AKW Brunsbüttel. Seit Inbetriebnahme kam es immer wieder zu Schnellabschaltungen. Vattenfall deutet diese enorme Störfallserie einfach um: Wenn alle Teile schon einmal ausgetauscht wären, könne ja von einem runderneuerten AKW gesprochen werden, so die Betreiber. Doch geblieben ist das marode Herz der gesamten Anlage: der Reaktordruckbehälter. Er ist der strahlungsbedingten Versprödung am stärksten ausgesetzt.

Erinnert wird in dem Aufruf, dass es bereits am 14. Dezember 2001 im Reaktor Brunsbüttel eine höchstgefährliche Wasserstoffexplosion gab. Dabei wurde eine Rohrleitung auf einer Länge von etwa drei Metern in unmittelbarer Nähe zum Reaktorkern zerfetzt. "Die Reaktorprüfer der schleswig-holsteinischen Atomaufsichtsbehörde kamen nach einer Kontrolle im Februar 2002 'leichenblass' aus dem Inneren des Reaktors zurück", wird aus einem SPIEGEL-Artikel zitiert.

Ein Sprecher der mitblockierenden BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg: "Bisher haben alle 'Sicherheits'-Aussagen der Atomiker erheblich geringere 'Halbwertszeiten' als die Entdeckung der Kernspaltung an sich. So stürzt eine als 'Endlager' für schwach- und mittelaktiven Atommüll deklarierte Salzgrube in sich zusammen (Morsleben) oder säuft ab (Asse bei Wolfenbüttel, in dem mehr als 125.000 Atommüllfässer abgekippt worden sind). Auch der Gorlebener Salzstock steht in direktem Kontakt mit grundwasserführenden Kiesschichten - niemand kann für solche 'End'-Lager die geforderte Sicherheit von einer Million Jahren garantieren!"

Dennoch sollen Atomkraftwerke weiterlaufen, obwohl weiltweit niemand weiß, wohin mit deren Müll. "Wir werden uns das nicht weiter bieten lassen, und stellen uns quer - hier in Brunsbüttel, beim CASTOR-Transport im November nach Gorleben, vor der Urananreicherungsanlage in Gronau, am Schrott-AKW Biblis und überall", so die Bürgerinitiative. "Wie die Ära Rot/Grün gezeigt hat, kann nur der 'Druck der Straße' einen Atomausstieg wirklich voranbringen!"

Die symbolische Blockade wurde nach zwei Stunden beendet. Es wird nicht die letzte Aktion sein - Brunsbüttel wird so einfach nicht zur Ruhe kommen - bis es endgültig abgeschaltet ist.
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Ergänzungen

"Zynismus pur" - Deutsche Umwelthilfe zum AKW

Hugo 11.09.2006 - 02:01

Deutsche Umwelthilfe nennt Vattenfall-Pläne zu Brunsbüttel "Zynismus
pur"

Berlin (ots) - Reaktorbetreiber will den Problemreaktor länger als
im Atomkonsens vereinbart betreiben - Auch 2004 war Brunsbüttel
Schauplatz eines kritischen Störfalls - Brand an "gealterten" Kabeln
legte Strom-Eigenversorgung des Reaktors lahm und löste umfangreiche
Austauscharbeiten aus - DUH Bundesgeschäftsführer Rainer Baake:
"Dieser Reaktor ist erst sicher, wenn er endgültig abgeschaltet ist."

Berlin, 10. September 2006: Mitten hinein in die öffentliche
Debatte über die Sicherheitsdefizite im Notstromsystem des
Problemreaktor Brunsbüttel hat der Vattenfall-Konzern seine
Entschlossenheit bekräftigt, den Meiler über das Jahr 2009 hinaus zu
betreiben. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom
Samstag erklärte Vattenfall-Vorstand Reinhardt Hassa, sein
Unternehmen plane einen entsprechenden Antrag im nächsten Jahr.
Brunsbüttel könne wie andere Atomkraftwerke "40 oder sogar 60 Jahre
sicher laufen." Vattenfall platziert seine Ankündigung noch bevor der
Konzern die von der Atomaussicht verlangten Nachweise über die
Ausfallsicherheit von Wechselrichtern und Antworten auf Fragen nach
dem Sicherheitsmanagement erbracht hat. "Der Konzern provoziert die
Öffentlichkeit und er zeigt, dass in der Konzernzentrale Zynismus pur
regiert", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Er
erinnerte daran, dass im Atomkonsens und im Atomgesetz als Regelfall
die Übertragung von Strommengen von älteren auf neue Reaktoren
vorgesehen sei. Grund sei der schlechtere Sicherheitszustand von
alten Reaktoren wie Brunsbüttel. Wenn Vattenfall jetzt den
umgekehrten Weg gehen wolle, dann zeige diese, wie es um die
Sicherkultur dieses Unternehmens bestellt sei.

Auch Hassas Begründung, es sei falsch, Atomkraftwerke
abzuschalten, die "preiswert Elektrizität liefern", könne angesichts
der jüngsten Preiserhöhungen für Privat- und Gewerbekunden in Berlin
und Hamburg zum 1. Mai 2006 "nur mit Kopfschütteln quittiert" werden.
"Vattenfall und die anderen Atomkraftbetreiber produzieren den Strom
in ihren abgeschriebenen Meilern zwar preiswert, aber sie verkaufen
ihn teuer". Auch das sei ein Grund, warum viele Deutsche von der
Dominanz der Atomkonzerne genug hätten, erklärte Resch.

Unwahr ist auch Hassas Erklärung, das Atomkraftwerk Brunsbüttel
laufe seit der Wiederinbetriebnahme im März 2003 "unbeanstandet".
Diese Behauptung "ist nicht einmal die halbe Wahrheit", sagte Gerd
Rosenkranz, der Leiter Politik und Öffentlichkeit der DUH. Erst im
März 2006 hatte die schleswig-holsteinische Landesregierung in der
Antwort auf eine Anfrage im Landtag erklärt, in "über 200
Prüfberichten" von Sachverständigen seien "über 650 offene Fragen mit
unterschiedlichen Inhalten ausgewiesen". Der Öffentlichkeit wurden
diese Sicherheitsdefizite bis heute nicht zugänglich gemacht. Hassa
verschweigt auch einen Kabelbrand in der Strom-Eigenbedarfsversorgung
des Kraftwerks, der am 23. August 2004 zu einer
Reaktorschnellabschaltung und einem erneuten Stillstand der Anlage
von 63 Tagen führte. Wegen "Alterungseffekten an Kabeln und
PVC-Isolierungen", die als Auslöser des Brandes galten, mussten
anschließend alle vergleichbaren Kabel ausgewechselt werden. Dem
Jahresbericht 2004 über "Meldepflichtige Ereignisse" in deutschen
Atomanlagen (nachzulesen im Internet-Auftritt des Bundesamts für
Strahlenschutz, BfS) ist zu entnehmen, dass der Kabelbrand als
"Eilmeldung" der Stufe 1 der INES-Skala (International Nuclear Event
Scale) eingestuft wurde. Das Feuer war damit eines der beiden
kritischsten Ereignisse in einer deutschen Atomanlage im Jahr 2004
(von 154 Ereignissen insgesamt). Zum Vergleich: Der dramatische
Forsmark-Unfall wird bisher als INES-Stufe 2 eingestuft.

Baake erinnerte daran, dass der Reaktor in Brunsbüttel im Dezember
2001 Schauplatz eines der schwersten Unfälle in einem deutschen
Atomkraftwerk war, als eine Wasserstoffexplosion in unmittelbarer
Nachbarschaft des Reaktorbehälters eine Rohr zerfetzte. Damals hatte
der später von Vattenfall übernommene Betreiber HEW den Reaktor noch
zwei Monate weiterbetrieben, bevor eine von den Atomaufsichtsbehörden
erzwungene Begehung des Sicherheitsbehälters das ganze Ausmaß der
Explosion offenbarte. Der Kraftwerksdirektor musste gehen. Nur Monate
später offenbarten Störfallsimulationen mit einem neuen Simulator,
dass das Notstromsystem des Kraftwerks Brunsbüttel eine ganze Reihe
von Störfällen nicht wie vorgesehen beherrschen würde. Die Planungs-
und Umsetzungsfehler waren zuvor seit der Inbetriebnahme 1976
niemandem aufgefallen. Auch nach der nachträglichen Herstellung des
Zustandes, auf der die Betriebsgenehmigung aus den achtziger Jahren
basierte, bescheinigte die Reaktorsicherheitskommission (RSK) der
Bundesregierung dem Notstromsystem in Brunsbüttel massive Defizite.
Anlässlich einer Sondersitzung stellte die RSK im März 2003 fest,
dass selbst mit dem Austausch des defizitären Sicherheitsleitsystems
gegen ein hochmodernes System "kein Sicherheitsgewinn verbunden ist,
da dies die Defizite im Anlagenkonzept hinsichtlich des Aufbaus der
Notstromversorgung nicht ausgleicht."

Auch das Atomkraftwerk Forsmark, das Ende Juni nur knapp einer
Katastrophe entging, wies massive Sicherheitsprobleme im
Notstromsystem auf. Betreiber wie in Brunsbüttel: Vattenfall. Bei der
Überprüfung der deutschen Kraftwerke in der Folge des
Forsmark-Unfalls, hatte der Meiler in Brunsbüttel mit Abstand die
größten Probleme nachzuweisen, dass Vergleichbares wie in Forsmark an
der Elbe nicht geschehen könnte. Der Konzern verbreitete zwei Wochen
lang objektive Falschinformationen über das Notstromsystem,
korrigierte sich dann, erklärte den Reaktor gleichwohl für sicher und
bot der Atomaufsicht schließlich einen Umbau des Notstromsystems an.
Dazu jetzt Hassa gegenüber der FR: "Eigentlich nicht nötig, bringt
aber noch mehr Beruhigung."

Baake: "Dieses Unternehmen kommt voraussichtlich erst zur
Besinnung, wenn ein katastrophaler Unfall geschieht. Soweit darf es
nicht kommen, Dieser Reaktor ist erst sicher, wenn er endgültig
abgeschaltet ist."

brunsbütteler erklärung

wo 12.09.2006 - 00:51
wo findet man den text dieser "brunsbütteler erklärung", wie kann man sie ggfs. unterstützen?