Caballito sieben Monate im Streik

Ralf Streck 09.06.2004 12:34 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Aus Solidarität mit den Arbeitern von Pferd-Rüggeberg (Caballito ist Tochterfirma) streiken heute viele Arbeiter um die baskische Stadt Gasteiz, um deren siebenmonatigen Streik zu unterstützen.
Seit sieben langen Monaten streikt der Großteil der Belegschaft von Caballito, eine Tochter der deutschen Firma Pferd-Rüggeberg. Deshalb haben die baskischen Gewerkschaften und die kleinen spanischen (CNT/USO) für heute zu einem Solidaritätsstreik aufgerufen. Mit dem Ausstand wollen sie das „Beispiel der Aufrichtigkeit und Mut“ der Kollegen gegen einen „gefährlichen und aufwiegelnden“ Unternehmer unterstützen. Sollte der mit seiner Konfrontationsstrategie durchkommen, bedeute das den „Abbau gewonnener Rechte“, sagen die Gewerkschaften und rufen ihre Mitglieder zum Streik um die Stadt Gasteiz (spanisch Vitoria) auf.

Tatsächlich handelt es sich um einen beispiellosen Konflikt in der neueren Geschichte des spanischen Baskenlandes. Der Konflikt entwickelte sich im vergangenen Jahr an zwei Punkten. Zum einen blockierte die Firma aus dem deutschen Marienheide, die nach eigenen Angaben weltweit „umweltfreundliche Schleifscheiben“ und andere Schleifmittel herstellt, die Verhandlungen um den ausstehenden Tarifvertrag. Auf der anderen Seite wurde der Konflikt verschärft, als die Caballito in eine modernere Produktionsanlage umzog und im vergangenen November 25 von 220 Arbeitern kündigte.

Zuvor hatte die Pferd-Rüggeberg von den Arbeitern gefordert, die Löhne über Jahre einzufrieren. Sollte es keine Garantien der Belegschaft über einen sozialen Frieden in dieser Zeit geben, müssten 25 - 35 Arbeiter entlassen werden, hieß es damals. Der Betriebsrat von Caballito stellte sich gegen die Forderung, schon im Jahr zuvor waren 30 Arbeitsplätze durch Frühverrentung abgebaut worden. Zudem, so betont der Sprecher der größten baskischen Gewerkschaft ELA Gorka Vierge verdiene die gewinnbringend arbeitende Firma viel Geld. Trotzdem, wolle sie „durch den Umzug in die neue Anlage weitere Arbeitsplätze vernichten, die Arbeitszeit erhöhen und die Arbeiter weniger verdienen lassen“.

So fehlte es in den vergangenen sieben Monaten weder an Einsätzen prügelnder Polizisten gegen Streikposten oder demonstrierender Arbeiter, noch um Vermittlungsversuche durch die baskische Regionalregierung oder die bekannten Drohungen nach Verlagerung der Produktion. Doch die Drohung ist offenbar vom Tisch. Der Besitzer Tom Rüggeberg fragt sich gegenüber der Tageszeitung El Pais nur noch, wie lange eine Firma eine derartige Situation wie in Gasteiz durchhalten kann? „Das wichtigste einer Firma sind ihre Kunden, wenn man die verliert gibt es keine Arbeitsplätze mehr“, sagte er.

Während die Belegschaft nun erneut eine Vermittlung fordert, sie ist auch bereit einen Vermittler zu akzeptieren, den die Firma Pferd-Rüggeberg auswählt, will die Leitung in Deutschland nun ein verbindliches Schlichterverfahren durchsetzen. In einer Presseerklärung erklärt sie, alle Ressourcen zur Beilegung seien erschöpft, „die Verhandlungen definitiv beendet“. Ein Schlichter des Rats für Arbeitsfragen (CRL) solle nun entscheiden und ein „obligatorisches Ergebnis“ für beide Seiten diktieren.

Dass Rüggeberg, der selbst mit den Gewerkschaften verhandelte, nun die CRL ins Spiel bringt, ist für die Belegschaft ein Zeichen des Nachgebens. Bisher habe er sich stets geweigert auch nur eine Vermittlung des Rats anzunehmen. Ohnehin ginge es nur noch um die Frage der Wiedereinstellung von zwei Kollegen, die wegen mehrfacher Krankheit nur eine geringe Produktivität aufweisen würden. In den übrigen Fragen habe man eine weitgehende Annäherung erzielt, hieß es aus der Verhandlungsdelegation. Alles spricht dafür, dass die heutige Ausweitung des Konflikts auf andere Firmen in Gasteiz den Druck auf Rüggeberg erhöht und sich deshalb bald in irgend einer Form eine Lösung des Konflikts erreichen lässt.

Die Gewerkschaften ELA, LAB, CNT , ESK, USO, UTL, STEE, Hiru streiken gerade für eine Stunde. Überalle gibt es zwischen 11 und 12 Uhr Protestkundgebungen vor den jeweiligen Fabriken und auf dem Hauptplatz von Gasteiz. Heute Abend gibt es eine große gemeinsame Demo.

Die großen spanischen Gewerkschaften UGT und CCOO rufen nicht zum Streik auf, streiken aber bei Caballito mit. Die UGT will nun eine Streikkasse aufbauen, denn anders als in Deutschland erhalten streikende Arbeiter hier meist keinen Lohn. Allerdings hat die große baskische Gewerkschaft ELA eine "Widerstandskasse" deshalb sind inzwischen fast alle Caballito Leute bei ELA.

Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 08.06.2004
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Ergänzungen