Hoffnung für Itoiz weiterhin nur in Strassburg

Ralf Streck 23.04.2004 10:11 Themen: Weltweit Ökologie
Während der neue spanische Ministerpräsident angeblich die Weichen in der Umweltpolitik neu stellt und den Nationalen Wasserplan stoppt, wird im Kernstück des Plans (Itoiz) weiter geflutet.Hoffnung für die zwei Täler in den Pyrenäen setzen die Betroffenen deshalb nicht auf Madrid, sondern auf Strassburg.
Von der Ankündigung den Nationalen Wasserplan (PHN) durch den Sozialisten (PSOE) José Luis Rodríguez Zapatero "bestimmte Arbeiten am Nationalen Wasserplan (PHN)" zu stoppen, blieb verdeckt, dass in Itoiz fleißig weiter geflutet wird. Damit bleibt das Kernstück des Plans bisher unberührt.



Insgesamt hatte das großspurige Projekt der Vorgängerregierung zum Ziel, jährlich 1050 Hekto-Kubikmeter Wasser über eine Länge von 845 Kilometer aus den grünen Tälern der Pyrenäen in den trockenen Süden zu leiten. Nach dem Wunsch der ultrakonservativen Volkspartei (PP) sollten Touristen dort immergrüne Golfplätze vorfinden, auch wenn offiziell der Wassermangel als Begründung angeführt wurde.



Über den spanischen Staat verteilt waren insgesamt fast 900 Bauprojekte vorgesehen, Dämme, Stauseen, Leitungen und Kanalsysteme, ganze Flüsse sollten verlegt werden - auch der größte Fluss Ebro. 112 Stauseen sollen zu den 1300 Bestehenden hinzukommen, ökologisch wertvolle Täler wären zerstört worden, obwohl eigentlich kaum Wassermangel besteht. Denn tatsächlich hat Spanien ein Verbrauchsproblem. Das trockene Land liegt im pro Kopf Verbrauch mit an der Spitze Europas und nur etwa ein Drittel des Wassers, was ins Netz eingespeist wird, kommt beim Endverbraucher an. Der Rest versickert im maroden Rohrsystem.



So will Zapatero nun angeblich, dort wo wirklich Wassermangel besteht, mit der Meerwasserentsalzung beginnen. Mit Informationskampagnen soll zudem für einen verantwortlichen Umgang mit dem raren Gut geworben werden. Die Bewässerung in der Landwirtschaft soll verbessert und die Abwasserreinigung und deren Nutzung verstärkt werden. Eigentlich verteidigt nur noch die PP den Plan und kündigt heftigen Widerstand an, doch solange Itoiz nicht gestoppt wird, kann auch der Plan jederzeit wieder aufgenommen werden.



Aus den Provinzen Murcia und Valencia, wo die PP die Regionalregierungen stellt, fallen harte Worte. Der Regierungschef von Valencia Francisco Camps erklärte, die Sozialisten begingen politischen Betrug. In beiden Regionen rechnete man fest mit dem Wasser, um den Luxustourismus zu fördern. Dies bestätigte der Direktor der Raumordnungsbehörde der Provinz Murcia, José Anselmo Luengo Pérez. Die Deckung des Trinkwasserbedarfs diente nur als Vorwand.



Zapatero blieb kaum eine andere Wahl, sonst hätten ihm die Linksnationalisten Aragons (CHA) und Kataloniens (ERC) die Bildung seiner Minderheitsregierung Ende letzter Woche vermasselt. Beide Regionalparteien sprechen sich gegen den PHN aus. Ihre Wahlerfolge verdanken sie auch dem Widerstand gegen den Wasserplan, der in beiden Regionen Hunderttausende auf die Straßen treibt. Auch die Finanzierung des Projekts ist unklar, nachdem ein Gutachten der EU sich gegen die beantragte Teilfinanzierung von 1,26 Milliarden Euro an den 4,2 Milliarden Euro Gesamtkosten ausgesprochen hat. Dass es bei dieser Bausumme geblieben wäre, daran hat ohnehin niemand geglaubt. Doch was passiert, wenn Zapatero die PP als Mehrheitsbeschaffer braucht? Schon gibt es Streit mit den Katalanen wegen einem eigenen Finanzierungssystem und wenn die ERC wegbricht hat Zapatero ein Problem.



In Itoiz könnte Zapatero wirklich Stärke zeigen, sonst könnte es für zwei besonders wertvolle Täler in Navarra zu spät sein. Dort schaffen die ultrarechten eifrig weiter Fakten. Im letzten Jahr wurden etliche Dörfer geräumt, um geschwind mit der Flutung zu beginnen. Seit mehr als 15 Jahren tobt der Kampf um den Staudamm von Itoiz. Die Entscheidung über dessen Rechtmäßigkeit liegt derzeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der schon im letzten Jahr über den Eilfall entscheiden wollte.



Neben den Fragen um die Flutung mehrerer Naturschutzgebiete, mit denen sich Straßburg beschäftigt, läuft noch ein Verfahren in Madrid wegen eklatanter Sicherheitsmängel. Zuvor war jahrelang ein Gutachten verheimlicht worden, das auf die Gefahr des Bruchs der Staumauer hinweist. Angesehene Staudammbauer kamen zu dem Ergebnis, dass die Fehler beim Bau des Damms „nicht zu heilen“ seien. Eines ihrer sieben Katastrophenszenarien zöge sogar das Atomkraftwerk Asco in Mitleidenschaft.



Die Koordination gegen den Staudamm hat zwar von Zapatero Aufklärung darüber verlangt, ob die Flutung von Itoiz gestoppt wird, doch bisher keine Antwort erhalten. Offiziell, obwohl der Damm ein Kernstück des Wasserplans ist, wird er darin nicht aufgeführt. Hoffnung setzt der Sprecher der Koordination Patxi Gorraiz aber nur auf die Richter in Strassburg. „Wenn eine Entscheidung fällt, kann die Regionalregierung sie ohne den Beistand aus Madrid nicht ignorieren“. Noch unter der konservativen Zentralregierung hatte die Regionalregierung getönt, man fühle sich nicht an Urteile des höchsten europäischen Gerichtshofs gebunden.



Derzeit setzen die Konservativen Tausende unterhalb der Staumauer einer tödlichen Gefahr aus. Obwohl eine Flutung nur bis zur Marke 531 über dem Meeresspiegel vorgesehen ist, um den neuen Damm zu testen, sei jetzt schon die Marke 542 erreicht, denunziert Gorraiz das unverantwortliche Vorgehen der Regionalregierung. Die Reste des völlig zerstörten Dorfes Itoiz, in dem seine Familie seit Generation lebte, lägen nun schon 17 Meter unter Wasser.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen