HH: CDU-Zentrale besetzt

streikpirat 27.02.2004 15:51 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
CDU-Zentrale in Hamburg zwei Tage vor der Wahl besetzt!
Hamburg. Heute gegen 13 Uhr haben wir, eine Gruppe von ca.30 Studierenden der Universität, die CDU-Parteizentrale (Leinpfad 74) in Hamburg besetzt.

Wir wenden uns mit dieser Aktion gegen Kürzungen im öffentlichen Raum. Der LBK - Verkauf (als bekanntestes Beispiel) gehorcht der gleichen Logik wie die Kürzungen im Bildungs- und Sozialsektor sowie die Angriffe auf Projekte und gesellschaftliche Gruppen, die nicht in das Bild einer „sauberen“ und nach kapitalistischen Kriterien „prosperierenden“ Stadt passen.

Da die CDU diese Politik maßgeblich vorangetrieben hat, wollen wir symbolisch die ehemalige Zentrale dieser Partei (ab sofort „Villa Kunterbunt“) als Raum für die attackierten Einrichtungen und Gruppen einfordern.

Zudem bekräftigen wir die Positionen, die bei der Besetzung der SPD am Dienstag, dem 24.2. vertreten wurden. Diese sind als Positionspapier dieser Mitteilung angehängt.

Wir wollen uns ausdrücklich nicht auf Themen aus dem universitären Bereich beschränken, da wir uns als Teil einer weit über Hamburgs Grenzen hinaus für die politischen und sozialen Rechte von Individuen und Gruppen kämpfenden Bewegung verstehen.

ALLES FÜR ALLE!

ANHANG:
Positionen der Studierenden, die heute die CDU Parteizentrale zur Villa Kunterbunt erklärten:
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1. Zur Bildungspolitik:

a) Sofortige Rücknahme des „Hochschulmodernisierungsgesetzes“.
Dieses ist Produkt eines politischen Prozesses, aus denen die betroffenen
gesellschaftlichen Gruppen bewusst ausgeschlossen wurden. Die Ausarbeitung der Reform wurde weitestgehend von der Unternehmensberatung Mc Kinsey gestaltet, während die
mehrheitlich mit Wirtschaftsfunktionären besetzte Dohnaniy-Kommission nur als Namensgeber und Aushängeschild dienten. Durchgesetzt werden sollten die Reformen mit der Unterzeichnung des so genannten „Letter of Intent“ seitens der Universitätspräsidenten ,einer geheim gehaltenen Blankovollmacht mit der die Universitäten sich zur uneingeschränkten Umsetzung von Reformen verpflichteten, deren Inhalt sie nicht einmal kannten. Dieser Stil von Hinterzimmerpolitik ist autoritär und undemokratisch, weil er die Interessen der der Studierenden, Mitarbeiter und Lehrenden der Universität ignoriert. Eine adäquate Hochschulreform kann nur unter Beteiligung aller betroffenen Gruppen ausgearbeitet und durchgeführt werden. Sie muss Ihrem Charakter nach sozial, d.h. von gesellschaftlichem Nutzen für alle Menschen sein. Die aktuelle Reform zielt aber auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Bildung und Forschung: Einziges Kriterium für Umfang und Inhalt der gelehrten Studienfächer ist der für die wirtschaftliche Entwicklung der „Metropolregion Hamburg“ vermutete Bedarf an Arbeitskräften im Jahr 2012. Wir fordern stattdessen ein Bildungs- und Wissenschaftssystem, das eigenständiges, kritisches, von wirtschaftlichen und politischen Zwängen freies Denken und Forschen garantiert. Wissenschaft und Forschung sollen im Dienste der Entwicklung einer menschlichen, solidarischen und ökologischen Gesellschaft stehen.

b) Die vom Land Hamburg bei dem BVG eingereichte Klage gegen das im
Hochschulrahmengesetz verankerte Verbot von Studiengebühren ist zurückzunehmen!

Studiengebühren in jeglicher Form – also auch ein Studienkontenmodell – lehnen wir
ab. Sie verschärfen soziale Ungleichheiten und befördern die Bildung von
Eliten. Somit leisten sie der hierarchischen Strukturierung unserer Gesellschaft
Vorschub. Eine grundlegende Bedingung einer wirklich demokratischen
Gesellschaft ist, dass Wissen allen Menschen jederzeit gleichermaßen zugänglich ist.

c) Deshalb fordern wir die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems.

Durch die PISA-Studie wurde erneut bestätigt, dass dieses System soziale
Ungleichheiten verfestigt und verstärkt. Jeder Mensch sollte nach seinen Begabungen
und Fähigkeiten gefördert werden, anstatt von außen aufgezwungenen
Leistungsnormen unterworfen zu werden. Wir fordern den Aufbau und die Weiterentwicklung
des Systems der integrativen Gesamtschulen, in denen kooperatives Lernen
gefördert wird. Die Schüler sollen lernen, sich gegenseitig zu helfen anstatt
schon frühzeitig in einer kompetetiven Wettbewerbsnorm ihre „Ellenbogen“ auszubilden, indem sie Leistungs- und
Konkurrenzdruck ausgesetzt zu werden.

2. Gesellschaftspolitische Forderungen:

a) Keine privatwirtschaftliche (auch keine teilweise!) Beteiligung an
sozialen und öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Wasserwerken,
(Berufs-)Schulen, Schwimmbädern, Theatern etc.

Privatwirtschaftliche Profitinteressen und Verwertungslogik haben in allgemeingesellschaftlichen Lebensbereichen nichts zu suchen!

b) Kitaplätze für alle, unabhängig von Einkommen, Berufstätigkeit und
sozialem Status der Eltern!



c) Rücknahme der Kostenabwälzungen im Gesundheitswesen auf die Betroffenen
wie die Einführung der Eigenbeteiligung bei Medikamenten oder der Praxisgebühren. Die Absicherung der medizinischen Versorgung als Grundrecht eines jeden
Menschen unabhängig vom Einkommen ist zu gewährleisten.


d) Wir fordern eine Umkehr in der Drogenpolitik:

Schluss mit der Illegalisierung von Drogen und Kriminalisierung drogenabhängiger Menschen. Wir fordern eine Politik, die die Probleme und Bedürfnisse der Betroffenen ernst nimmt. Eine Politik, die in sozialer Verantwortung versucht, wirkliche Lösungen für
die Ursachen gesellschaftlicher Probleme zu finden anstatt diese wie bisher
durch ignorante Vertreibung und Ausgrenzung zu verdrängen. Deshalb fordern wir
eine integrative Drogenpolitik, die Wiedereröffnung des Fixsterns und den
Ausbau integrativer Stukturen. Die von der CDU durchgeführten Brechmitteleinsätze,
denen schon ein Menschenleben zum Opfer fiel, müssen sofort eingestellt
werden. Die Verantwortlichen Politiker, Vollzugsbeamte und Ärzte müssen zur
Rechenschaft gezogen werden.

e) Rücknahme der Kürzungen im Sozialbereich:

Keine Ausbeutung sozialer Schicksale durch die Verpflichtung zu 1-Euro-Jobs unter Androhung von Kürzungen der Sozialhilfe. Eine Sanierung der öffentlichen Haushalte auf Kosten sozial benachteiligter Gruppen lehnen wir grundsätzlich ab! Geld ist genug da: statt
einer Subventionierung privatwirtschaftlicher Untenehmen (wie das Pretigeprojekt Airbus mit 650Millionen €) fordern die forcierte Besteuerung profitorientiert arbeitender Unternehmen.

f) Wir fordern die Annerkennung der Rechte aller in Deutschland lebenden
Menschen und einen sofortigen Abschiebestopp. Das Einsperren von Menschen in
Lager ist ein Verbrechen gegen die Menschenrechte.

g) Den Erhalt und Ausbau von frei zugänglichen Naturflächen als wichtigen
Bestandteil für die Lebensqualität aller in Hamburg lebender Menschen. Der
Schanzenpark muss erhalten bleiben. Das Konzept zum Umbau des Wasserturm im
Schanzenpark zu einem Luxushotel ist völlig inakzeptabel! Dies ist eines von
vielen Beispielen dafür, wie bei der Entwicklung dieser Stadt die Belange der
Allgemeinheit den Interessen einer kleinen, finanziell privilegierten Minderheit
geopfert werden.

h) Die Wiedereinrichtung des Offenen Kanals in Hamburg als von kommerziellen
Interessen freies Forum für alle Bürgerinnen und Bürger! Gerade
marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen bot der Offen Kanal ein Forum zu ihrer
politischen und kulturellen Entfaltung und war somit Vorraussetzung zur freien
Meinungsbildung! Der Kontrolle aller Medien durch private Kapitalgeber und deren
Nutzung zur Manipulation der öffentlichen Meinung muss sofort Einhalt
geboten werden. Freie Medien sind auszubauen und zu fördern! Die Repressionen gegen
unabhängige und kritische Medien wie den Radiosender FSK sind eine
gewaltsame Einschränkung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung und nicht hinnehmbar.

3. Forderungen zur Innenpolitik:

a) Das Recht auf Meinungsfreiheit ist höher zu bewerten als die
Geschäftsinteressen des in der Innenstadt ansässigen Einkaufshandels:
Keine Demonstrationsverbote, sondern uneingeschränkte Versammlungsfreiheit in der Innenstadt und überall!

b) Des Weiteren fordern wir die unverzügliche Freigabe eines Platzes für die
Bambule und den Erhalt der Henriette!

Doch damit ist es nicht getan; weiterhin muss die unbefristete
Existenz aller Plätze gesichert sein und das Wohnen im Wagen als alternative und
gleichberechtigte Lebensform anerkannt werden. Dafür muss das bestehende Hamburger
Bauwagengesetz geändert werden.

c) Die Diskussion um die Privatisierung öffentlicher Räume wie z.B. der
Einkaufsbereiche in der Innenstadt muss sofort abgebrochen werden!

Es geht hierbei nur darum, Gruppen von Menschen, die sich der herrschenden Norm nicht
anpassen wollen aus dem gesellschaftlichen Leben auszuschließen. Öffentliche Räume
– insbesondere das Stadtzentrum - müssen allen Menschen frei zugänglich
sein. Die Innenstadt ist kein Einkaufszentrum!

d) Die Überwachung des öffentlichen Raums mit Kameras ist ein Eingriff in
die individuelle Privatsphäre!

Sämtliche Kameras auf Bahnhöfen, öffentlichen Plätzen, im öffentlichen Personennahverkehr und sonst wo müssen sofort abgebaut werden!

e) Kein Erhalt oder gar weiterer Ausbau der Sicherheitsapparate, ob in
technischer oder personeller Hinsicht.
Anstatt wie immer behauptet, das Sicherheitsgefühl der BürgerInnen zu erhöhen schaffen sie ein latentes Gefühl der Bedrohung und schüren gegenseitiges Misstrauen. Aus sozialen und deshalb gesellschaftlich verschuldeten Problemen erwachsene Kriminalität lässt sich nicht mit einer Law&Order-Politik bekämpfen, sondern nur durch Beseitigung der ihnen
zugrunde liegenden Ursachen.
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