Sepi will Babcock Spanien verschenken

Ralf Streck 20.01.2004 11:32 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Harte Vorwürfe macht die Staatliche Gesellschaft zur Beteiligung in der Industrie (Sepi) in Spanien der Firma Babcock Borsig. Die deutsche Zentrale des zahlungsunfähigen Konzerns gefährde mit ihrem Handeln die spanische Filiale. Doch viele Arbeiter wundern sich vor allem über das Verhalten der Sepi und sehen Korruption zu Gunsten der Volkspartei im Spiel.
Schwere Vorwürfe erhebt die Staatliche Gesellschaft zur Beteiligung in der Industrie (Sepi) in Spanien gegen Babcock Borsig. Der deutsche Konzern gefährde, wie es in einer Stellungnahme heißt, den geplanten Verkauf von Babcock España an die in Österreich ansässige Firma ATB Beteiligungs GmbH. Dem Insolvenzverwalter des seit 2002 zahlungsunfähigen Anlagenbauers »fehlt die Ernsthaftigkeit«. Sepi drohte, die Zahlungen von Beihilfen an Babcock einzustellen, wenn der Vertrag mit ATB nicht unterzeichnet werde. Es sei »unerklärlich«, warum die deutsche Mutterfirma den Verkauf jetzt bremse und über ein Angebot der norwegischen Firma Enviroarc Aker verhandle. »Noch vor einem Monat hat sie von der Sepi höchste Eile bei der Suche nach einem Käufer und für die Abwicklung mit Brüssel gefordert.«
Ob gegen »geschlossene Verbindlichkeiten mit ATB« verstoßen wird, wie die staatliche Beteiligungsgesellschaft behauptet, ist in Spanien indes umstritten. Vor wenigen Tagen berichtete die Zeitung »El Pais«, Enviroarc Aker wolle die Firma tatsächlich kaufen, während sie an ATB für den symbolischen Preis von einem Euro gehen soll. Zudem wollten die Norweger von den knapp 700 Arbeitsplätzen nur 80 über Frühverrentung abbauen, ATB dagegen plane, 250 Stellen zu streichen. Und auch die vollen Auftragsbücher sprächen für die Norweger.
Sepi ignoriere, dass die Zentrale von Babcock Borsig nach deutschem Recht verpflichtet sei, alle Angebote zu prüfen, begründete Konzernsprecher Thomas Schulz das Vorgehen. Ohnehin sei eine mit Sepi unterzeichnete Absichtserklärung nicht bindend, und die Verhandlungen mit ATB seien nicht abgebrochen, erklärte Schulz im Namen von Insolvenzverwalter Helmut Schmitz.
Dass die EU-Kommission in Brüssel 104 Millionen Euro an Beihilfen für den Verkauf an ATB frei gemacht habe, wie Sepi erklärte, bedeutet für die Arbeiter wenig. Die Gelder wurden gewährt, als der einstige Staatsbetrieb in Spanien an den deutschen Anlagenbauer verkauft wurde, und sind seit der Zahlungsunfähigkeit von Babcock Borsig blockiert.
Mit der Privatisierung fingen die Probleme für die Beschäftigten im baskischen Trapagaran an. »Dass ausgerechnet Sepi in alle Richtungen Vorwürfe erhebt, erstaunt uns sehr«, sagte Miguel Angel Matabuena, Sprecher der Arbeiterunion (UGT) im Betriebsrat von Babcock, gegenüber ND. Der Arbeitnehmervertreter macht vor allem Sepi für die unsichere Situation verantwortlich. Schließlich sei es die Beteiligungsgesellschaft gewesen, die den Verkauf an Babcock Borsig kurz vor dessen Zahlungsunfähigkeit einfädelte.
So verwundert es nicht, dass alle Gewerkschaften, außer der Arbeiterkommissionen (CCOO), einen Einblick in Auftragsbücher der ATB fordern, bevor eine Entscheidung über den Verkauf fällt. Eine Situation wie beim Deal mit den Deutschen soll sich nicht wiederholen, sind sich baskische Gewerkschaften mit der spanischen UGT einig. ?Für uns sind Angebote willkommen, welche die Firma dauerhaft sichern, erklärt deshalb der UGT-Sprecher.
Allerdings ist auch der Betriebsrat von dem neuen Angebot aus Norwegen überrascht und bisher nicht offiziell darüber in Kenntnis gesetzt worden. So fragt sich Matabuena, ob das Angebot aus Norwegen real ist. Es könnte sich auch um einen taktischen Zug des Konzernzentrale handeln, um ein besseres Ergebnis mit ATB zu erzielen.
Wie viele Arbeiter in Trapagaran traut auch Matabuena vor allem der spanischen Beteiligungsgesellschaft nicht. Sie halte die Arbeiter in einer ungewissen Situation und drohe sogar mit der Aussetzung von Lohnzahlungen. Warum, fragen sich nach den jüngsten Enthüllungen viele, will Sepi mit allen Mitteln einen Verkauf an ATB durchdrücken? Hinter vorgehaltener Hand vermuten einige, Korruption könnte eine Rolle spielen. Immer wieder gibt es Berichte, die im Rahmen von Privatisierungen oder Verkäufen über die Beteiligungsgesellschaft auf illegale Zahlungen an die regierende Volkspartei (PP) hinweisen. In einem Brief an den Direktor der spanischen Filiale und an den Insolvenzverwalter hatte eine Gruppe Arbeiter schon im Dezember vergangenen Jahres auf mögliche »Straftatbestände« beim Verkauf an ATB hingewiesen. ?Nach dem betrügerischen und schamlosen Verkauf an Babcock Borsig wollen sie uns an die ATB in Österreich verschenken", schreiben die Arbeiter.
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