Zensur bei Google

micmatic 27.10.2002 05:17 Themen: Medien Netactivism
"Was man von der populären Suchmaschine Google hat, hängt womöglich ganz davon ab, wo man lebt."
Wie CNN.com am 25. Oktober berichtete [1] soll eine Untersuchung der Harvard Law School in den USA ergeben haben, daß die französische, sowie die deutsche Variante der beliebten Search Engine "Google" immer stärkerer Selbstzensur zum Opfer fallen.

So hat man in einem direkten, stichprobenartigen Vergleich mit der Mutterseite Google.com festgestellt, daß bei Google.de mindestens 65 Webseiten bei einer Suche nicht mehr aufgelistet werden. Diese 65 und 48 weitere sogar bei Google.fr. Damit sind diese beiden Länder derzeit weltweit Spitzenreiter.

Der berühmte Google-Algorithmus bedient sich bei seiner Suche nach Webseiten, die gewünschte Begriffe enthalten, und ihrer Sortierung nach der Häufigkeit der Verlinkung eines eigenen, umfangreichen Webarchives. Dieses Archiv besteht aus einem Index eines großen Teils aller Webseiten, der in regelmässigen Abständen neu gescannt und aufgefrischt wird. Wird eine Seite, oder eine ganze Domain, aus dem Index entfernt, so taucht diese bei einer Suche nicht mehr auf.

Danny Sullivan von SearchEngineWatch.com bezeichnet dies als eine Art Zensur. Zwar werden die fraglichen Webseiten selbst nicht entfernt, aber effektiv unauffindbar für diejenigen, die Suchmaschinen wie Google.de nutzen. Als privater Dienstleister ist Google nach amerikanischem Recht nicht an das erste Ammendment gebunden und damit nicht zur Garantie von Meinungsfreiheit verpflichtet. Jedoch, so Ben Edelmann vom "Harvard Law School's Berkman Center for Internet & Society", trägt eine Suchmaschine wie Google als universelle Internet-Resource eine große Verantwortung für die Gesellschaft, egal ob als öffentliche oder private Institution.

Die meisten der zensierten Webseiten fallen in den Bereich der Holocaust-Leugnung oder der "White Power"-Bewegung. Obwohl weder die deutsche, noch die französische Rechtsprechung irgendeinen Anspruch auf globale Inhalte haben, sieht man sich immer noch dazu gezwungen, den jeweils eigenen Bürgern vorschreiben zu wollen, welche Informationen sie sehen dürfen und welche nicht. Eine Möglichkeit dies durchzusetzen ist die Einschüchterung von Suchmaschinen-Betreibern oder Internet Service Providern, und diese für die von ihren Kunden konsumierten Inhalte verantwortlich zu machen. Diese Pervertierung der freien Meinungsäußerung und der informationellen Selbstbestimmung stellt eine erhebliche Gefahr für das Internet dar, und ist ein ständig wachsendes Phänomen der zunehmenden Regionalisierung von Bürgerrechten und "Konsumbedürfnissen", welche im krassen Gegensatz zur Globalisierung der Firmen- und Behördenspielräume steht.

In Deutschland oder in Frankreich lebende Menschen müssen für genauso fähig genommen werden, mit der ihnen zur Verfügung stehenden Information umgehen zu können, wie jeder Andere auf dieser Welt.

Daß die vorauseilende Selbstzensur der Internet-Suchmaschinen nicht nur diverse nazistische Inhalte betrifft zeigt der Fall der "Church of Scientology". Diese stützte sich vor einiger Zeit auf den neuen, sogenannten "Digital Millenium Copyright Act" in den USA, welcher es Suchmaschinen-Betreibern vorschreibt, Inhalte, die Kopierrechte verletzen, aus dem Index zu entfernen, sofern der Kopierrechtsinhaber dies wünscht. Google.com entfernte damals prompt stolze 126 Seiten aus seinem Index, viele von ihnen Kritikerseiten. Eine davon "Operation Clambake"[2] auf Xenu.net aus Norwegen, bis dahin auf Rang 4 bei der Suche nach dem Begriff "Scientology". Für eine Low-Budget-Seite durchaus beachtlich, wenn man ihr das systematische und flächendeckende "Google-Bombing"[3] der Scientology gegenüberstellt.

Edelman kritisiert, daß Nutzer keine Möglichkeit hätten, die Zensur auf Google überhaupt zu erahnen, sofern sie nicht alle Suchergebnisse verschiedener Suchmaschinen miteinander verglichen, und schlägt ein Konzept von "Platzhaltern" vor, das unsichtbar gemachte Suchergebnisse mit einer Meldung versieht, anstatt diese ganz aus dem Index zu löschen.

Da Google den Standort eines Nutzers anhand seiner IP-Adresse erkennt und ihn dadurch selbst beim expliziten Versuch, auf die globale/amerikanische Mutterseite Google.com zuzugreifen, immer auf die regionalisierte Version (sprich Google.de/Google.fr) weiterleitet, gestaltet sich die informationelle Selbstbestimmung für den regionalisierten Laien etwas schwierig.

Für den Fall, daß man daran etwas ändern möchte hier zwei Tips:

1) Wenn man Funktionen wie "nur nach deutschen Seiten/Seiten in deutscher Sprache suchen" nicht unbedingt braucht, sollte man es sich zur Gewohnheit machen, stets eine ausländische Suchmaschine zu verwenden. Ein deutschsprachiges Interface läßt sich bei per Präferenzeinstellungen u.a. auch bei google.co.uk oder google.nl auswählen. Hierdurch hat man die beste Möglichkeit, regionalisierter (Selbst-)Zensur aus dem Weg zu gehen.

2) Falls man die amerikanische, bzw. globale Suchmaschine unter Google.com benutzen möchte sollte man folgendes tun (hierfür muss ein Cookie gesetzt werden):

Unter "Sprach-Tools" wählt man bei "Verwenden Sie Googles Benutzeroberfläche in Ihrer Sprache" "Englisch". Das sollte die URL in " http://www.google.com/intl/en/" ändern. Jetzt befindet man sich auf dem amerikanischen Server. Wenn man nun noch ein deutschsprachiges Interface haben möchte wählt man unter "Preferences" als "Interface Language" "German". Voila.

Spätestens nach einem Neustart des Browsers sollte er bei der Eingabe der URL "www.google.com" nun nicht mehr nach  http://www.google.de wechseln und dennoch ein deutsches Interface, sowie Deutschland-spezifische Funktionen haben.

Leider geht dadurch die neue integrierte Funktion der Nachrichtensuche für englischsprachige Google-Sites wieder flöten, bei der mittlerweile auch Indymedia teilweise im Index steht. (Ansonsten hier:  http://news.google.com/ ).

Ein kurzer Test beweist: die "White-Pride"-Seite stormfront.org [4] taucht bei einer Suche nach dem Begriff "stormfront" auf Rang 1 im Ergebnis auf, bei google.de ist diese unsichtbar. Ein Link auf www.xs4all.nl/~tank/radikal/ [4] steht noch auf Rang 3 im deutschen Google. Bleibt die Frage wie lange noch.

[1]:  http://www.cnn.com/2002/TECH/internet/10/25/google.censorship.ap/index.html

[2]: Mittlerweile wieder im Index auf Rang 2.

[3]: "Google-Bombing" ist die Manipulation von Google-Suchergebnissen, durch groß angelegtes Verlinken auf eine Wunschseite mit einem bestimmten Suchbegriff. Die "Church of Scientology" fing an, diese Taktik erfolgreich anzuwenden und Kritikerseiten zu verdrängen, indem sie eine große Anzahl verschiedenster Domains (auch solche, die nicht ohne weiteres als Scientology-Seiten erkennbar sind) erwarb, und jeweils aufeinander, bzw. auf die große Mutterseite verweisen ließ. Dank kollektiver Gegenmaßnahmen war es bisher möglich, eine uneingeschränkte Dominanz der Suchergebnisse durch die Scientology zu verhindern.

 http://www.microcontentnews.com/articles/googlebombs.htm
 http://www.operatingthetan.com/google/

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Ergänzungen

weitere beitrag

micmatic 27.10.2002 - 05:30
einen weiteren beitrag hierzu gab es noch hier:  http://www.indymedia.de/2002/10/32176.shtml

leider übersehen :( aber doppelt hält besser.

Warum wird Scientology eigentlich zensiert?

Dummi 27.10.2002 - 10:50

Schöner Zusammenfassung. Danke

o vom bwt 27.10.2002 - 13:15
:-)