Bombenanschlag in Venedig inszeniert?

Uwe Barschel 09.08.2001 14:18 Themen: Repression
Gestern gab es in Venedig einen Bombenanschlag auf den Justitzpalast. Es enstand Sachschaden - Auch ohne Bekennerschreiben scheinen die Schuldigen festzustehen....
Die "Strategie der Spannung" sollte bereits früher in Italien die Opposition zerschlagen. Dazu gehörten inszenierte Anschläge und Repressionen, wie sie eigentlich aus Lateinamerika bekannt sind. Nach einigen Jahren der Ruhe kehrt jetzt mit Berlusconi scheinbar die "Alte Zeit" zurück. Einen Vorgeschmack gab es bereits vor dem G8-Gipfel in Genua.
Bereits im Vorfeld des G8-Gipfels inzenierte die Regierung Berlusconis Bombenanschläge, um so Stimmung gegen die Opposition zu machen. Dieses Vorgehen ist nicht neu. In den Siebzigern und Achtzigen gab es eine ganze Reihe von Bombenanschlägen, die meist den Linken in die Schuhe geschoben werden sollten. Oftmals kam die Wahrheit dann aber ans Tageslicht. Als Beispiel sei hier der Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna am 2.August 1980 geführt, der auch mit den Anschlag auf das Münchner Oktoberfest in Verbindung gebracht wird.
Der P-2-Großmeister Licio Gelli und sein Helfershelfer, der CIA-Agent Francesco Pazienza, werden schließlich zu jeweils zehn Jahren verurteilt. Auch Berlusconi und andere Mitglieder seiner Neofaschistischen Regierung waren
Mitglied in der Loge P2. (Dazu hier ein Text:  http://zoom.mediaweb.at/zoom_4596/italien.html )
Die Anschläge waren Teil der sogenannten "Strategie der Spannung", die die Opposition zerschlagen sollte. Dabei wird nicht einmal versucht, den Anschein der rechtsstaatlichkeit zu wahren.
Natürlich ist solches Vorgehen nicht nur in Italien üblich. Es sei an das Celler Loch in Deutschland erinnert.
Oder der Versuch vor einigen Monaten, eine neue RAF zu konstruieren.(Text:  http://www.de.indymedia.org/2001/05/2384.html )
Als in Italien eine Mitte-Links-Regierung in den Neunzigern an die Macht kommt, beruhigt sich die Lage. Jetzt, wo wieder die Rechten an der Macht sind, werden inszenierte Anschläge wieder an der Tagesordnung sein.
In Venedig explodierte die Bombe im Justitzpalast. Berlusconis Medien schrieben die Tat natürlich sofort den "G8-Gegnern" in die Schuhe. Deutsche Medien freuen sich die Meldung zu übernehmen. Jetzt können die Medien endlich wieder vom Thema Repression weg zum Thema "Linke Terroristen" umschwenken.
In Italien und Europa wird so Stimmung gegen die Bewegung gemacht.

Text der im Vorfeld zu Genua erschien und sich mit diesem Thema beschäftigt:
 http://www.de.indymedia.org/2001/07/4258.html

Text der Konzernpresse:  http://de.news.yahoo.com/010809/40/1v5ia.html

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Ergänzungen

schnell geändert

Joshua 09.08.2001 - 14:39
Auf italienischen Nachrichtenseiten war kurz nach dem Bombenanschlag die Rede davon, dass die Tat nach Aussage der Polizei keinen erkennbaren politischen Hintergrund hätte. Eine Stunde später war dies dann schon in die offizielle Version der "G8-Gegner Bombe" geändert. Scheinbar muss die Zusammenarbeit zwischen der lokalen Polizei, der Regierung und Geheimdienst noch etwas verbessert werden.

Mehr Info, mehr Differenzierung

wop 09.08.2001 - 14:59
Den Hinweis auf die Strategie der Spannungen finde ich wichtig.
Dennoch wäre es hilfreich, ein bisschen mehr Informationen über den Anschlag zu haben. Unter anderem ist ja nicht unwichtig zu wissen, wer tatsächlich dahinter steckt. Mutmaßungen über Motive ersetzen jedenfalls keinen Beweis.
Ansonsten fände ich es angebracht, nicht immer so pauschal über "die Medien" zu jammern. Es gibt eine Menge Journalisten, die durchaus ein Interesse an erstens wharheitsgetreuer Berichterstattung haben und zweitens - im geringeren Ausmaße - durchaus auch Sympatien für die Bewegung(en) hegen. Die unnötig zu vergraueln wäre mehr als dumm.
Im übrigen zeigt ein Blick in die hiesige Presselandschaft, dass man durch aus nicht von einer monolithischen Front der Hetzer sprechen kann. Selbst in der "Financial Times Deutschland" war gestern ein überaus kritischer Bericht über den Polizeieinsatz zu finden und ich gehe davon aus, dass das bei denen kein Einzelfall war.
wop

wird auch mal zeit...

kobold 09.08.2001 - 15:02
...das mal wieder ein paar Machtsymbole wackeln. Wieso immer von Konstrukten sprechen? Mag sein, daß es mal wieder ein primitiver Versuch war. Aber der Wunsch vieler Menschen ist, daß es auch mal wieder richtig kracht...

Strategie der Spannung

eine genau lesende 09.08.2001 - 15:28
und nicht vergessen: ein Text zur Strategie der Spannung in Genua auf Englisch:  http://www.de.indymedia.org/2001/07/4530.html

huuuuuuchuuuuu

kein 09.08.2001 - 16:32
endlich. und was läuft so in unseren köpfen?

Wo gibts denn EINEN(!)?

Georg 09.08.2001 - 17:25
eine Menge Journalisten die ein Interesse an wahrheitsgemäßer Berichterstattung haben????- Dann bin ich wohl in den letzten 11 Jahren immer den paar Bösen begegnet
Vor, in und nach Hoyerwwerda, Saalfeld, Hannover, Berlin, Potsdam, Leipzig, Hamburg und bei Hunderten anderer Anlässe oder in anderen Orten. DIE MEDIEN SIND SCHEIßE-ALLE! Die wenigen Splitterblättchen auf die dieser Vorwurf nicht anzuwenden wäre sind da, realistisch betrachtet, unbedeutend. Oder habe ich nur die Formulierung nicht verstanden?-EIN INTERESSE HABEN- Das kann jeder Polizist(Für unserer aller Sicherheit sorgen Wollen)- jeder Soldat (den Frieden schützen wollen) WAS ER/SIE ABER TATSÄCHLICH TUN IST DOCH ENTSCHEIDEND. AAAAAARRGH. Der Vollständigkeit halber sei hier noch kurz erwähnt, das:
ein Interview von engen Freunden, mit einer jungen Journalistin(von "Potsdamer Neueste Nachrichten") im Frühjahr dieses Jahres, wohl derart wahrheitsgemäß in Ihren Artikel geflossen ist, daß sie mit den Worten "noch so ein Ding und sie können gehen" von Ihrem
Chef(redakteur) rausgeschmissen wurde. Sie kam am nächsten Tag nochmal vorbei, und erzählte noch sehr geschockt von diesem Ereignis. Kurz: Der Artikel erschien Gar Nicht, und die Frau war bereits 3 Wochen nach diesem Vorfall nicht mehr
bei der PNN zu finden.

@ kobold

icke 09.08.2001 - 17:51
also findest du auch den reichstagsbrand ne tolle sache? erdbeben und wirbelstürme sowiso? warum macht die regierungen wohl solche sachen?
@ wop: lass uns abwarten, wie die medien über die sache schreiben. du wirst sehehn, daß kritische berichterstattung eine ausnahme ist.

Ist nun jeder Anschlag vom Staat gesteuert???

Helmut 09.08.2001 - 18:54
Ist nun der Staat (ob Italien, BRD oder anderer)für jeden Anschlag verantwortlich? Ist für jede Demonstration, Kundgebung oder sonstige Aktion der Staat verantwortlich? Alle linken Gruppen nur ein Konstrukt der Herrschenden? Jede Form von Widerstand nun ein schöner Schein?
Liebe Leute erst nachdenken, Infos einholen und analysieren und dann solche Sachen schreiben!
Unser Widerstand ist keine Erfindung!

?

Miau 09.08.2001 - 20:27
Zum letzten Satz gebe ich Dir recht. Die Frage ist aber immer, wem nutzt was. Italien ist nun einmal bekannt dafür, daß inszeniert Anschläge gern Linken untergeschoben werden. Interessanterweise haben die letzten Anschläge genau die Handschrift der P2-Loge, die momentan (quasi) an der Macht ist (Berlusconi und Fini). Ich würde daher von Indizien reden.

Inszeniert

LogeP2 09.08.2001 - 23:16
Erst sollte man Fakten haben, und dann jemandem die Schuld zuweisen. Der linke Terrorismus in diesem Jahrhundert ist nunmal keine Erfindung, den gibt es wirklich. Nur deswegen können Inszenierungen auch glaubhaft wirken. Eine Bewegung, die sich nicht von der Gewalt distanziert, hat auch gar kein moralisches Recht, sich über solche Tricks moralisch zu erheben. Denn wenn es gerechtfertigt sein kann (wie viele Linke lange Zeit meinten), dem heiligen Zweck zuliebe zu töten, warum ist es dann verboten, zu lügen??
So gut wie die RAF, die RZ oder die AIZ selbst, kraft eigener Anmaßung die Maßstäbe festsetzen, nach denen man jemanden berauben, verletzen oder töten darf, kann das doch auch die Geheimloge von Berlusconi.
So gut, wie die einen für sich in Anspruch nehmen, nur das Glück der Menschheit im Auge zu haben, können das doch auch die Taliban.
Nun aber ist ein Teil der Linken bekannt dafür, sich bei jeder Gelegenheit für überführte Terroristen stark zu machen, anstatt klar und deutlich ihren Abscheu über deren Untaten zum Ausdruck zu bringen. Und zwar einfach deswegen, weil sie diesen Abscheu nicht empfinden.
Wer aber den Bürgerkrieg ansteuert, der kann hinterher nicht auf die Einhaltung irgendwelcher Normen pochen.
Übrigens habe ich im Radio bisher keinerlei Schuldzuweisung gehört und habe zuallererst an die Separatisten gedacht, die vor nicht langer Zeit am Campanile die "Republik Venezien" ausgerufen haben. Kann natürlich sein, daß ich mich irre.

Anschlag wahrscheinlich wirklich inzeniert

Einer 10.08.2001 - 03:46
Während für die rechten Zeitungen klar ist, daß es sich um linke Täter handelt (können die Hellsehen), ist in einigen Zeitungen andere zu lesen.
Die eher konservative "Berliner Zeitung" schreibt: "
Casarini selbst und einige Parlamentarier drehten den Spieß um und sprachen von einer neuen "Saison der Strategie der Spannung". Der Ausdruck stammt aus den den siebziger und achtziger Jahren, den Terrorjahren Italiens. Damals verübten italienische Geheimdienste Attentate im Land, um sie dann linken Organisationen in die Schuhe zu schieben. Auch Venedigs ehemaliger Bürgermeister Massimo Cacciari stieß in dasselbe Horn: "Mit diesem Attentat will man die Kriminalisierung der Bewegung der Globalisierungsgegner erreichen", sagte der als besonnen geltende Philosoph. "

naja und die Salzburger nachrichten schreiben: "Vertreter der
Mitte-Rechts-Regierung von Silvio Berlusconi brachten
Globalisierungsgegner mit dem Anschlag in Verbindung. Ihr
politisch radikaler Flügel, die so genannten "Tute bianche"
(Weißen Overalls), wehrte sich allerdings vehement dagegen, mit
der Explosion in Verbindung gebracht zu werden. Deren Sprecher Luca Casarini meinte, die Ziele des Anschlags von Venedig seien
klar, "nämlich uns den Mund zu stopfen, indem man uns zu
Terroristen umformt". "

linke und Widerstand

read 10.08.2001 - 11:32
hey loge 2 was soll das wenn die linke den Bürgerkrieg will?glaubst du wirklich das die radikale linke Gewalt sinnlos anwendet oder angewandt hat?warst du mal auf Demos und hast die bullen wahlos auf alles einschlagen sehenob in Genua oder wo anders auf der Welt die Gewalt geht vom Staat aus und die Medien berichten fast nur in seinem Interesse schaut euch doch die Medienlandschaft in Italien oder Deutschland an wo gibt es denn da Berichterstattung die nicht von Macht abhänig ist???egalwie wo wann sie lügen wir machen weiter KEIN GOTT KEIN STAAT KEIN VATERLAND

Wenn Inszeniert, dann unglaubwürdig

LogeP2 10.08.2001 - 19:20
Nein, nein, die Linke will natürlich größtenteil keinen Bürgerkrieg, Gott sei Dank.
Allerdings fragt man sich manchmal, ob sie daraus, daß sie denn Bürgerkrieg eben nicht will, immer die richtigen Konsequenzen zieht.
Ansonsten wirkt der Anschlag als "Inszenierung", wenn es eine ist, kaum überzeugend, denn diese Art von Terror paßt nun wirklich nicht zu den G8-Gegnern, auch nicht zu den militanteren unter ihnen.
Da aber in Italien die "Globalisierungsgegner" im Land insgesamt genauso eine Randgruppe sind wie hier, weiß ich nicht, welches Motiv Berlusconi für so eine Provokation haben sollte. Die "Krawallmacher" sind von vornherein die Prügelknaben, auch wenn sie keine Bombe legen.
Natürlich sind die Bullen viel brutaler als die allermeisten Demonstranten, und das nicht nur in Genua.
Ansonsten ist es völlig legitim, wie Otto Schily seinerzeit, auch die Rechte von Terroristen zu verteidigen, aber es muß eben klar sein, daß die Regeln grundsätzlich für alle gelten.

Ich habe eine Meldung mit bekommen

E T 11.08.2001 - 18:55
wonach es ein Bekennerschreiben, von irgend welchen Roten Zellen geben soll?