Exportschlager Rechtsrock aus MV: Von ‘Ungebetenen Gästen’ in Wolfsburg

Kombinat Fortschritt 13.06.2013 17:31 Themen: Antifa Antirassismus
Nazi-Bands findet man in Mecklenburg-Vorpommern reichlich und auch über einen Mangel an Band-Neugründungen können sich die Neonazis nicht beklagen. Am 15. Juni will eine Gruppe aus M-V ein Konzert außerhalb des Landes, nämlich in Wolfsburg spielen: „Ungebetene Gäste“. Bei den Mitgliedern handelt es sich keineswegs um Unbekannte; die erst 2012 gegründete Gruppe setzt sich aus zum Teil altgedienten Mecklenburger Kameraden und Granden der Neonazi-Musikszene zusammen. Thematisch bietet man allerdings nichts Neues. In ziemlich holprigen Versen wird eine Mischung aus Fußball, Gewalt, Fußballgewalt, Gesaufe und Freundschaft besungen. Um auch keine Zweifel an ihrer Gesinnung aufkommen zu lassen, veröffentlichten sie ihr jüngstes Album bei „Front Records“ aus Sachsen, einem der umtriebigsten und bundesweit bedeutendsten Neonazi- und Rechtsrock-Versände.
Drummer Martin Worzfeld, der zuletzt an Naziaufmärschen in Güstrow und Demmin teilnahm, trommelt auch bei „Painful Awakening“, einer auch international auftretenden neonazistischen Hardcore-Band aus Güstrow. „Painful Awakening“ spielten im Frühjahr 2008 beim „Day of Honour“, einer Blood & Honour-Großveranstaltung in Budapest. 2009 traten sie auf dem 8. „Thüringentag“ in Arnstadt auf, einem Nazigroßevent, das vom derzeitigen Angeklagten im NSU-Prozess, Ralf Wohlleben, mitorganisiert wurde.

Der Sänger der „Ungebetenen Gäste“, der sich im Internet Sven Zabel nennt, frönt seiner Leidenschaft für Punk- und Rockabilly-Konzerte gerne auch in alternativen Läden in M-V. Sein Faible für Hooligans wird nicht erst in den Liedtexten seiner Band deutlich, bereits früher spielte sich der Neu-Rostocker unter dem Label „Hoolsnation“ als vermeintlicher Hooligan auf.

Mit Gitarrist Frank Stumpe steht ein langjähriger Neonazi auf der Bühne, der der Bützower Naziszene zugerechnet werden kann. Rico Ehresmann, ebenfalls in Bützow wohnhaft und wie Stumpe Gitarrist, gehört zum Umfeld von „Painful Awakening“.

Ein Nebenprojekt ist „Ungebetene Gäste“ für den Bassisten. Mit seiner Hauptband Komando Ost (Schreibweise im Original) ist er bereits seit über 10 Jahren unterwegs. Die Band von der Insel Rügen ist auf dem Hammerskin-Sampler „Status Quo Germania“ mit einigen Songs vertreten und veröffentlichte jüngst mit „Weiße Wölfe“ die Split-CD „Kampfansage“ beim Nazilabel PC-Records. Die aus dem Wismarer Raum stammende Naziband Ultio Regni wird von Komando Ost ebenfalls unterstützt, mit den „Ungebetenen Gästen“ spielten sie zudem vor einigen Wochen bei Güstrow ein gemeinsames Konzert.

„Ungebetene Gäste“ sind damit ein weiteres Beispiel für die Tendenz in der Nazi-Bandszene des Landes, einzelne Musiker untereinander auszutauschen. Es gibt kaum eine Band, deren Mitglieder nicht noch in ein oder mehrere Nebenprojekte involviert sind. M-V stellt derzeit den Tummelplatz für die umtriebigste Nazimusik-Szene Norddeutschlands dar. Und dies aus Gründen: In den vergangenen Jahren ist es der Naziszene mit tatkräftiger Unterstützung der NPD gelungen, zahlreiche Großimmobilien zu erwerben. Zudem konnte sie Strukturen aufbauen, durch die staatliche Repressionsversuche – wie zum Beispiel durch Konzertverbote – zunehmend ins Leere laufen. Zwar sind beispielsweise die Ordnungsämter häufig durchaus kreativ, wenn es darum geht, mithilfe von Bau- oder Brandschutzbestimmungen Nazikonzerte zu verhindern. Eine wirklich zuverlässige Handhabe stellt dies für die Behörden jedoch nicht da. An Orten wie dem Grevesmühlener „Thinghaus“, dem Schweinestall in Viereck oder der ehemaligen Großbäckerei in Anklam kann sich die neonazistische Szene daher meist ungestört versammeln und Konzerte veranstalten.

Im „Thinghaus“, das dem inhaftieren Hammerskin Sven Krüger gehört, fand bereits 2011 ein Treffen der National Officers der elitären und international vernetzten Nazi-Organisation der Hammerskins statt. Im vorpommerschen Salchow wurde ein „nationales Wohnprojekt“ aufgebaut – der Gründer gilt ebenfalls als Hammerskin. Mittlerweile wurde das Objekt mit angeschlossener Konzertscheune von Alexander Wendt übernommen, der neben seiner Eigenschaft als Mitglied des Landesvorstandes der NPD dem Umfeld der in Deutschland verbotenen Blood & Honour-Bewegung nahestehen soll. Die Anklamer Großbäckerei wurde 2007 von Detlef Riske erworben, der sie zu einem Veranstaltungsort für Großkonzerte umbauen ließ.

Begünstigt durch die relative Ungestörtheit und eine breite Anhängerschaft lässt sich mittlerweile eine Ausdifferenzierung der Musikszene auf verschiedene Ziel- und Altersgruppen innerhalb des neonazistischen Spektrums konstatieren. Mit „Thors Rache“ existiert beispielsweise eine Nazi-Band, die nach eigener Aussage „auch die ältere Generation [...] erreichen und endlich wieder zum Handeln und zum Nachdenken [...] bewegen“ will. Die Betrachtung der Nazimusik-Szene ausschließlich als Jugendsubkultur greift daher zu kurz.

Neben dieser Ausdifferenzierung gibt es weitere Anhaltspunkte, dass sich die Musikszene des Landes in einer Expansionsphase befindet. Einige Projekte sind, zum Teil auch seit Jahren, international erfolgreich. Neben den bereits erwähnten „Painful Awakening“ dürfte „Path of Resistance“ aus Rostockinternational die bekannteste NS-Hardcore-Band aus M-V sein. Die Band spielte bereits Konzerte in den USA, Russland und Italien. Ihre Mitglieder sind und waren an internationalen Bandprojekten beteiligt, u.a. an „Fear Rains Down“, mit Mitgliedern von „Race Riot“, „Teardown“ und „Blue Eyed Devils“. Das neueste Projekt stellt die Band „Disbeliever“ dar, das einige Mitglieder von „Path of Resistance“ gegründet haben.

Die Umwälzungen des letzten Jahrzehnts auf dem Musikmarkt sind auch an den Neonazis nicht spurlos vorbeigegangen. Mit dem Verkauf der Tonträger allein lässt sich kaum noch genug Geld verdienen. Immens wichtig ist für die Bands daher der Verkauf von Band-Merchandise. Und hier stößt man, wie so oft, auf einen alten Bekannten: David Petereit. Der Neonazi, mittlerweile für die NPD im Landtag, betreibt den Internetversandhandel „Levensboom“. Neben dem Verkauf von Nazikleidung, CDs, Vermummungsgegenständen und Pfefferspray verkauft und produziert Petereit auch den Merch für mecklenburgische Nazi-Bands, u.a. für „Path of Resistance“ und „Painful Awakening“. Auch „Ungebetene Gäste“ bedanken sich auf ihrem Facebookprofil neben einem Foto eines Transparents mit ihrem Bandlogo bei „Levensboom“.

Petereit ist tief in der Kameradschaftsszene des Bundeslandes verwurzelt. Er zeichnete auch für das Neonazi-Fanzine „Der Weiße Wolf“ verantwortlich, in dem bereits 2002 ein Grußwort an den NSU veröffentlicht wurde. Dass er auch im subkulturellen Spektrum mitmischt, unterstreicht einmal mehr, welch zentrale Figur er für die Neonaziszene im Bundesland darstellt und ist ein erneuter Beleg dafür, dass in M-V nicht trennscharf zwischen Kameradschaftsstrukturen, subkulturellen Neonazis und der NPD unterschieden werden kann.

Alleine auf der Bühne stehen müssen die „Ungebetenen Gäste“ in Wolfsburg im Übrigen nicht. Mit ihnen zusammen spielt die sattsam bekannte Neonazi-Hool-Band „Kategorie C“ aus Bremen. Alles ganz unpolitisch, versteht sich.

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Ergänzungen

Update

Kombinat Fortschritt 13.06.2013 - 18:51
Update: Wir wurden darauf hingewiesen, dass das Konzert aufgrund der Flutkatastrophe ausfallen wird. Dies geht u.a. aus Meldungen via Facebook hervor.

Recherche-Blatt über RAC-Band "Ultio Regni"

Antifa Nordwestmecklenburg 04.09.2013 - 14:06
Im August veröffentlichten wir einen Folder über die RAC-Band "Ultio Regni", deren Mitglieder überwiegend im Raum Wismar/ Nordwestmecklenburg wohnen.

Weitere Informationen findet ihr unter:
 http://antifanwm.blogsport.de/2013/08/11/ultio-regni-rechtsrock-made-in-nwm/

Den Folder gibt es als Download unter:
 http://antifanwm.blogsport.de/images/Folder4c_UR_08.13.pdf

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