umFairteilen-Demonstration in Berlin

Markus Oliver 01.10.2012 11:28 Themen: Soziale Kämpfe
Am Samstag, den 29. Oktober, zogen 3.000 Menschen vom Potsdamer Platz zum Roten Rathaus. Ein breites Bündnis von politischen und sozialen Organisationen hatte bundesweit mit den Forderungen von Vermögenssteuern und -abgaben mobilisiert. Dem Aufruf sind bis zu 40.000 Menschen in verschiedenen Städten der BRD gefolgt.
In Berlin gab es auch einen anti-kapitalistischen Block unter dem Motto „Kapitalismus fairsenken!“ mit circa 300 TeilnehmerInnen und eigenem Lautsprecherwagen.

An der Spitze der Demo marschierten allerdings die SPD und die Grünen. Ihre Beteiligung war äußerst zynisch, richtete sich die Demo doch gegen die Folgen der einstigen rot-grünen Regierung, zum Beispiel Hartz IV. Obendrein war es sicherlich ein Grund für die geringe Demobeteiligung – neben dem Startpunkt bereits um 11.30 Uhr – dass dieser Protest gegen Sozialabbau auf manche eher wie Wahlkampf für Parteien wirkte, die selbst gern Sozialabbau betreiben würden.

Von Seiten der Gewerkschaften, die offiziell den Demoaufruf unterstützten, wurden augenscheinlich nur FunktionärInnen mobilisiert. Diese zurückhaltende Politik der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsbürokratie spricht Bände. Besonders in Zeiten der Krise wird die Sozialpartnerschaft der bürokratischen Gewerkschaftsführungen so zur reaktionären Blockade der lohnabhängigen Bevölkerung im Interesse der herrschenden Klasse.

Die Anwesenheit eines anti-kapitalistischen Blocks war sehr zu begrüßen, weil es politisch notwendig war. Auch RIO, die Revolutionäre Internationalistische Organisation, unterstützte diesen Block. Mit bis zu 300 TeilnehmerInnen fiel er jedoch sehr klein aus. Das ist ein strategischer Fehler von den nicht anwesenden Teilen der radikalen Linken in Berlin, wie zum Beispiel der eigentlich klassenkämpferisch ausgerichteten FAU. Wie die letzten großen Streiks von ver.di und IG Metall gezeigt haben, können die rituellen Mobilisierungen der reformistischen Gewerkschaften (im Sinne eines systemerhaltenden „Dampfablassens“) in Zeiten der Krise in große Demo- und Streikbeteiligungen umschlagen. Dies müssen sich AntikapitalistInnen zu nütze machen, indem die kämpferischen Stimmungen vorangetrieben werden, um die reformistischen Führungen der lohnabhängigen Klasse, Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbürokratie, aus der Bewegung zu verjagen und eine ideologische Radikalisierung voranzutreiben. Wir dürfen nicht neben der realen Bewegung stehen und auf eine automatische Radikalisierung warten.

Die Redebeiträge aus dem antikapitalistischen Lautsprecherwagen waren insgesamt gelungen. Es wurde versucht, die umFAIRteilen-Forderungen aufzugreifen und zu radikalisieren. Zu diesem Zweck hätte die Kritik an SPD, Grünen und vor allem der überhaupt nicht angesprochenen Gewerkschaftsbürokratie jedoch konkreter gestaltet werden können. Wenn wir verhindern wollen, dass die KapitalistInnen und ihre Parteien sowie die Gewerkschaftsbürokratien die lohnabhängige Bevölkerung für die Krise zahlen lassen, müssen wir die Frage der Führung der lohnabhängigen Bevölkerung direkt stellen. Anstatt die Forderungen nach Vermögenssteuern und -abgaben bloß als Illusionen in das kapitalistische System zu kritisieren, muss dazu aufgerufen werden, die bürokratischen Gewerkschaftsführungen auf die kämpferische Durchsetzung dieser Forderungen mit Streiks, und Betriebsbesetzungen zu verpflichten. Gleichzeitig muss die Notwendigkeit klassenkämpferischer und basisdemokratischer Strömungen in den Gewerkschaften propagiert werden. So können den momentanen Gewerkschaftsführungen echte alternativen gegenübergestellt werden um die Gewerkschaften in arbeiterInnen-demokratische Kampforgane der lohnabhängigen Bevölkerung zurückzuverwandeln. Das heißt natürlich nicht, dass dann darauf verzichtet werden dürfte, weiterhin die Grenzen und Widersprüche der reformistischen Forderungen des Umfairteilen-Bündnisses aufzuzeigen.

Markus Oliver, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO)
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Ergänzungen

Fairer Kapitalismus

egal 01.10.2012 - 13:25
Einschätzung zum Aktionstag auf Telepolis:

 http://www.heise.de/tp/blogs/8/152883

man/vrouw kann das auch anders sehen

subcomandante marcus 01.10.2012 - 22:40
warum betteln dass die reichen bittebitte was abgeben?
darüber schmunzeln die doch nur.

 http://syndikalismus.wordpress.com/2012/08/18/ein-anarcho-syndikalistischer-kommentar-zu-umfairteilen/

Fotos: Umfairteilen & Kapitalismus fairsenken

Umbruch Bildarchiv 11.10.2012 - 10:10

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Bahnsteigkarte lösen?

icke 01.10.2012 - 12:21
Ich teile die Einschätzung des Autoren, dass es richtig ist, Kritik mit einem antikapitalistischen Block in so eine verlogene Veranstaltung hineinzutragen.

Allerdings finde ich es falsch, wie der Autor es anstrebt, auf Folgendes abzuzielen: "(...) die bürokratischen Gewerkschaftsführungen auf die kämpferische Durchsetzung dieser Forderungen mit Streiks, und Betriebsbesetzungen zu verpflichten."

Entweder wir organisieren uns alle selbst oder oder wir werden weiterhin verraten.

Gewerkschaften in den Händen der ArbeiterInne

Markus Oliver 01.10.2012 - 13:38
@ icke: Vielen Dank für Deine Antwort. Ich bin auch durchaus dafür, dass wir uns alle selbst organisieren. Allerdings denke ich, dass wir dafür die großen Gewerkschaften von den bürokratischen Gewerkschaftsführungen befreien und demokratisch umgestalten müssen, um sie wieder zu schlagkräftigen Waffen der ArbeiterInnen und lohnabhängigen Jugend zu machen. Ein Beispiel dafür ist die arbeiterInnendemokratische Gewerkschaft SOECN (Gewerkschaft der KeramikarbeiterInnen von Neuquén) mit jederzeitiger Wähl- und Abwählbarkeit der FunktionärInnen sowie einem Rotationsprinzip, in der auch die Beschäftigten der unter arbeiterInnenkontrolle betriebenen Keramikfabrik FaSinPat (ehemals Zanon) organisiert sind. http://www.klassegegenklasse.org/broschure-zanon-gehort-den-arbeiterinnen/ Druck auf die sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsführungen soll nicht ausgeübt werden, um sie nach links zu rücken. Sie sollen bei Strafe ihres eigenen Gesichtsverlustes auf kämpferische Maßnahmen verpflichtet werden. So werden sie im aktiven Kampf ihr Ansehen und ihren Einfluss an klassenkämpferische, basisdemokratische Strömungen verlieren. Solche Strömungen müssen dafür in den Gewerkschaften aufgebaut werden.

Demo

egal 01.10.2012 - 15:03
wo ist denn die Radikale Linke in Berlin? an dem Tag war jedenfalls nicht viel davon zu sehen.

@egal

yo 01.10.2012 - 15:57
mit der namensangabe "egal" hast du auch schon eine sehr treffende beschreibung der relevanz deines beitrags gegeben.

Rio?

urs 01.10.2012 - 16:54
Diese Vonobenherab-Sprache und diese entmündigende Herantretensweise an andere auch nicht politische Mitmenschen, wie sie bei trotzkistischer Gruppen wie Rio gehandhabt wird, hat mich schon immer angekotzt. Ihr behandelt die Leute wie Verfügungsmasse für eure Pläne. Das hat vielleicht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hier und da geklappt. Heute nicht. Ihr seid Vergangenheit. Lernts endlich.

Überall muss "strategisch" gedacht, "strategische Fehler" vermieden werden, sich Situationen "zu nütze gemacht", Stimmungen "vorangetrieben" werden. Es muss darum gehen, wer "an der Spitze der Demo läuft". Wenn Menschen zu einer Demo kommen, dann weil sie von irgendwoher zentral mobilisiert wurden. Scheiß doch drauf, echt!
Das wievielte Spaltprodukt seid ihr jetzt eigentlich?

Das ist der Grund warum der Antikap-Block so klein ausgefallen ist.