NBG: Antifaschistische Aktionen am 1.8. Fazit

Antifaschistisches Aktionsbündnis 06.08.2012 00:47 Themen: Antifa Repression
Am 1. August gab es für Antifaschist_innen einiges zu tun in Nürnberg. Die NPD machte mit ihrer „Deutschlandtour“ halt in der Stadt, eine Splittergruppierung von NPD-feindlichen Neonazis meldete einen Infostand in der Nürnberger Südstadt an und schlussendlich fand eine spontane Demonstration gegen das „Nationale Zentrum“ des „Freien Netz Süd“ (FNS) in Nürnberg Langwasser statt. Insgesamt waren bis zu 2.000 Nazigegner_innen auf der Straße.
Mit dem folgenden Artikel möchte das Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg (AAB) seine Einschätzungen zu den antifaschistischen Protesten am 1. August in Nürnberg abgeben.
I. Vorfeld und Mobilisierung

Unmittelbar nachdem bekannt wurde, dass die NPD auf ihrer „Deutschlandtour“ auch halt in Nürnberg machen würde, begannen antifaschistische Bündnisse und Gruppen aus Nürnberg und Fürth mit der Mobilisierung für einen antifaschistischen Start in den August. Nach anfänglichem hin und her um den Ort der NPD Kundgebung genehmigten die städtischen Behörden die Neonazi Kundgebung schließlich im Nürnberger Stadtteil Langwasser. Wenige Tage später wurde bekannt, dass einzelne Personen der extrem rechten Szene eine weitere Kundgebung bzw. einen Infostand in der Nürnberger Südstadt (Maffeiplatz) planten. Während sich Oberbürgermeister und Konsorten darauf einigten, dass sie in Langwasser glaubwürdig beteuern könnten, etwas gegen die rechte Propaganda zu unternehmen, wurde die Kundgebung am Maffeiplatz gekonnt ignoriert und totgeschwiegen. Gerade deswegen war es für viele linke, antifaschistische und gewerkschaftliche Personen, Gruppen und Bündnisse umso wichtiger die Neonazis am Maffeiplatz in ihrer Mobilisierung auf Korn zu nehmen.
In den letzten Juli-Tagen wurde bekannt, dass Nazis aus dem FNS wohl in Langwasser sich Räumlichkeiten gemietet hatten und ein selbsternanntes „Nationales Zentrum“ eröffnet hatten (siehe Bericht bei a.i.d.a.-Archiv,  http://bit.ly/MHv7bJ).
Kurzfristig wurde eine Demonstration angemeldet um, nach den Aktionen gegen die NPD, durch Langwasser zu ziehen und auf die neuen Nachbarn im Viertel hinzuweisen.

II. Aktionen am Maffeiplatz/Annapark

Um vierzehn Uhr fanden sich am Maffeiplatz in der Nürnberger Südstadt bis zu 400 Antifaschist_innen ein, um gegen die Kundgebung der beiden Neonazis Karl Roedel und Jörn Gronemann. Von der „Linken Liste“-Nürnberg wurde in unmittelbarer Nähe des geplanten rechten Versammlungsortes ein Infostand angemeldet. Die Polizei hatte am Rande eines Parks einen Käfig aus Gittern errichtet, in dem die Veranstaltung der Neonazis stattfinden sollte. Einige Antifaschist_innen flossen einfach an den sichtlich überforderten und verwirrten Polizist_innen der Bereitschaftspolizei vorbei, setzten sich in den eingegitterten Bereich und genossen die Sonne. Innerhalb kürzester Zeit war der Platz, der für die extrem Rechte Kundgebung vorgesehen war von ca 150-200 Antifaschist_innen besetzt, in etwa die gleiche Menge an antifaschistischen Menschen tummelte sich in unmittelbarer Nähe des Gitterkäfigs. Nach einigen zögerlichen und wohl auch halbherzigen Versuchen seitens der Polizei, die Situation wieder in den ursprünglich geplanten Zustand zu bringen, begnügten sich die Einsatzkräfte damit zu schwitzen.
Gegen 15 Uhr ließ der Einsatzleiter der Polizei verlauten, dass der Anmelder der extrem rechten Kundgebung, Karl Roedel, die Anmeldung zurück gezogen hatte und unverrichteter Dinge nach hause gefahren war.
Motiviert durch den Erfolg machten sich die Nazigegner_innen gemeinsam auf den Weg nach Langwasser.


III. Kundgebung und Aktionen gegen die NPD-Deutschlandtour

Am Heinrich-Böll-Platz in Nürnberg Langwasser waren von nahezu allen bürgerlichen Parteien Kundgebungen angemeldet worden. Zwischen FDP-Transparenten und vereinzelten Deutschlandfähnchen wollten die Stadtoberen sich medienwirksam in Szene setzen.
Statt vor dem abgegitterten Areal, das für die NPD vorgesehen war, zu stehen, beschlossen einige Antifaschist_innen sich dem NPD-Truck ganz praktisch in den Weg zu stellen und begannen Sitzblockaden auf der Zufahrtsstraße zum Heinrich-Böll-Platz zu errichten. Dies wurde durch die Einsatzkräfte der Polizei vorerst hingenommen.
Das Verhalten der Polizei, die bis dahin eher durch Überforderung geglänzt hatte, sollte sich jedoch drastisch wandeln, als der LKW der NPD sich, mit gehöriger Verspätung die den vehementen antifaschistischen Protesten in Regensburg zu verdanken war, dem Heinrich-Böll-Platz näherte.
Während der NPD-Truck mit unverminderter Fahrtgeschwindigkeit auf die Sitzblockaden zufuhr, prügelten Einheiten des bayrischen USK unvermittelt auf die Antifaschist_innen ein und gingen mit Massen an Pfefferspray gegen die Blockierer_innen vor. Dies alles spielte sich in einem Zeitraum von ca. 30 Sekunden ab. Antifaschist_innen die in erster Reihe standen hätten den vorbei rasenden LKW mit bloßen Händen berühren können. Während das USK prügelte und Reizgas versprühte mussten Antifaschist_innen sich gegen die Genoss_innen hinter ihnen stemmen, um nicht im Gerangel einen der prügelnden Uniformierten in den Fahrtweg des LKW zu bringen. Dass es in dieser Situation nicht zu schwersten Verletzungen durch den NPD-Truck gekommen ist, war pures Glück. Die Einsatzleitung der Polizei setzte hier bewusst Menschenleben aufs Spiel, sowohl das von Nazigegner_innen, als auch das ihrer eigenen Beamten.
Durch den massiven Einsatz von Reizgas gab es bei zahlreichen Menschen die üblichen Verletzungen der Augen und Gesichtsregion.
Von der Kundgebung der NPD selbst war kein Wort zu verstehen, die Außenwirkung der lag weit unter Null. Die Propaganda von Ralph Ollert und Karl Richter ging in einem kontinuierlichen Lärmkonzert unter. Aus einer Kirche am Heinrich-Böll-Platz wurden ununterbrochen Glocken geläutet. Zwei Jung-Nazis sollten mit Regenschirmen dafür sorgen, dass anfliegende Flüssigkeiten und Obst/Gemüse von den Rednern der NPD fernbleibt, was freilich nur teilweise gelang. So fand die ein oder andere Tomate bei Karl Richter eine unsanfte Landung.

IV. Demonstration gegen das FNS-Zentrum

Zügig nach der Abreise der Neonazis aus der NPD, die wiederum von Gewaltausbrüchen von USK-Beamt_innen begleitet war, formierten sich ca. 450 Menschen zu einer antifaschistischen Demonstration zur Wettersteinstraße 25, in der Neonazis aus dem FNS, sich Räumlichkeiten gemietet haben.
Trotz des langen und anstrengenden Tags für, brachten die demonstrierenden Antifaschist_innen laut und kämpferisch auf die Straße, dass das Nazi-Zentrum in Langwasser-Nord keinesfalls ungestört bestehen bleiben wird.
In unmittelbarer Nähe zum Objekt der Neonazis fand die Abschlusskundgebung der Demonstration statt. Mit Flugblättern und Redebeiträgen wurden die Anwohner_innen über ihre neuen extrem Rechten Nachbarn aufgeklärt. Auch der Vermieter des Objekts, Frank W., der in Sichtweite des „Nationalen Zentrums“ ein italienisches Restaurant betreibt wurde in den Redebeiträgen thematisiert. Die Demonstration wurde mit einer klaren Kampfansage gegen das selbsternannte „Nationale Zentrum“ des FNS beendet. In den folgenden Tagen und Wochen werden weitere Aktionen stattfinden. Mit klaren Zielsetzungen und Forderungen: Nazi-Zentren dichtmachen, Freies Netz Süd zerschlagen.

V. Fazit

Insgesamt war der 1. August ein voller Erfolg für die antifaschistische Bewegung in Nürnberg. Durch viele Spektren der Zivilgesellschaft hindurch konnten linke und antifaschistische Bündnisse und Gruppen ein klares Zeichen setzen, dass sich in der Wahrnehmung auch nicht von den Lippenbekenntnissen der Stadtspitze vereinnahmen ließ. Trotz der kurzen Mobilisierungszeit für die Demonstration gegen das FNS-Zentrum konnte auch hier ein kraftvoller Startschuss für alle kommenden Aktivitäten gesetzt werden.
Massivste Kritik üben wir jedoch am Vorgehen der Polizei am Heinrich-Böll-Platz. Natürlich wissen wir, dass die Polizei weder Freund noch Helfer ist, jedoch stellt das rücksichtslose Vorgehen der USK-Beamt_innen gegen die Sitzblockaden einen Höhepunkt an Frechheit dar. Auf einmal ist man als Antifaschist in der höchst eigentümlichen Situation darauf achten zu müssen, nicht versehentlich einen der Prügelbullen vor einen Nazi-LKW zu schubsen. Die Einsatzleitung der Polizei nahm mit diesem Vorgehen schwerste Verletzungen in Kauf, um nicht einmal einer Handvoll Neonazis den Weg zu ihrer Propagandaveranstaltung zu garantieren.
Dies wäre auch ohne die Prügelexzesse des USK möglich gewesen, da unweit des eigentlichen Kundgebungsortes ein weiterer Gitterkäfig aufgebaut war, der unserer Einschätzung nach, als Ausweichort für die NPD-Kundgebung geplant war, die bürgerlichen Parteien hätten sich dennoch in ihrem selbst inszenierten Glanz sonnen können. Eine solche Polizeitaktik entsteht unserer Meinung nach nicht aus dem „Nichts“ sondern fand mit politisch gewollter Unterfütterung statt. Dieses Vorgehen reiht sich nahtlos in die aktuelle Kriminalisierungs- und Repressionsstrategie der Behörden gegen Antifaschist_innen in der Region ein. Doch den politischen Verantwortlichen können wir versichern, dass diese Strategien nicht aufgehen werden. Weder Prügelbullen noch willkürliche juristische Verfolgung werden uns von unserer politischen Arbeit abhalten können. Antifaschismus ist legitim und notwendig, jetzt mehr denn je.

Wir bitten an dieser Stelle: Sollten Menschen von der Szene als der NPD-LKW auf den Heinrich-Böll-Platz einfuhr Dokumentationsmaterial besitzen (Foto/Video), lasst uns dieses bitte zukommen. Wir werden jedes Material vertrauensvoll behandeln.
Verbreitet diese Bitte auch unter euren Genoss_innen, Freund_innen und Bündnispartner_innen!
Ihr könnt uns via E-Mail unter  aabnbg@web.de erreichen. Oder kommt zur Anlaufstelle des AAB, jeden Donnerstag, 19-20 Uhr, Stadtteilladen „KOMM e.V.“ Untere Seitenstraße 1, 90429 Nürnberg.

Solltet ihr am 1. August im Rahmen der antifaschistischen Proteste festgenommen worden sein, meldet euch bitte bei der Ortsgruppe Nü/Fü/Er der Roten Hilfe! (Jeden 2. und 4. Donnerstag im Monat, 19 - 20 Uhr, „KOMM e.V.“ Untere Seitenstraße 1 90429 Nürnberg)
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Ergänzungen