„Rajoy – höre die kämpfenden Bergarbeiter!“

Matthias Berg 14.07.2012 20:20 Themen: Soziale Kämpfe
„Marcha Negra“ erreicht Madrid – Bericht und Fotoreportage

Madrid, 10. Juli 2012, kurz vor Mitternacht. Die Straßen um den nordöstlichen Verkehrsknotenpunkt Moncloa sind voll von Menschen. 100.000 Madrider warten auf das Eintreffen des „Schwarzen Marsches“ der streikenden Bergarbeiterinnen und Bergarbeiter.
Ein kurzer Rückblick:
Im Mai kündigte das spanische Industrieministerium eine 64 % Kürzung der staatlichen Subventionen für den Bergbau an. Was im Fall der Umsetzung eine sofortige Schließung aller Bergwerke bedeuten würde. Die nordspanischen Bergbauprovinzen Asturien, Castilla y Leon und Aragon zählen zu den wirtschaftlich strukturschwachen Regionen. Die spanische Arbeitslosenquote beträgt derzeit 25 %. Darunter sind eine Million „Ninis“, spanische Jugendliche, die keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz haben.
Nach dem die Schließungspläne bekannt wurden, besetzten die Kumpels Ende Mai alle Bergwerke und traten in den Vollstreik. Da sie keine Streikgelder beziehen, sind sie seitdem ohne finanzielle Bezüge. Wichtige Aktionsformen der Mineros sind die Blockaden von Hauptverkehrswegen. An den brennenden Barrikaden kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Hierbei setzen die Kumpels selbstgebaute Bazookas ein, mit denen sie Feuerwerksraketen auf die Polizei abfeuern:
 http://youtu.be/U5EPKw9SAHc
 http://youtu.be/KjtGM_DDhGQ
Am 22. Juni starteten mehrere hundert Mineros, darunter auch einzelne Frauen, einen 20 Tage dauernden Marsch nach Madrid. Organisiert wurde die Aktion von den beiden großen Gewerkschaften CCOO und Suma-UGT. Auf ihrem 480 km langem, Kräfte zehrenden Marsch trafen Mineros allerorts auf begeisterten Zuspruch und große Solidarität.
Doch der Einmarsch der Kumpels am 10. Juli in Madrid sollte alles vorher Erlebte und alle Erwartungen noch übertreffen.

Die Wartezeit bis zum Eintreffen der Bergarbeiter nutzt ein Teil der Menge, um in unmittelbarer Nähe eine mehrspurige Autobahn zu blockieren. Als die Mineros gegen 23.30 Uhr endlich am Moncloa eintreffen, sind die Straßen mit jubelnden Menschenmassen vollständig verstopft. Raketen steigen in den Nachthimmel und Böllern explodieren. Solidarische Feuerwehrleute, die lange Seile vor sich tragen, bahnen den Kumpels einen Weg durch die Menschenmassen. Die Madrider und die Kumpels rufen zusammen Parolen, singen, ballen ihre Fäuste, schütteln Hände, umarmen sich, lachen und weinen. Ein emotionaler Höhepunkt großer Klassensolidarität!

Für die hier versammelten Menschen, sind die Bergleute Hoffnungsträger im Kampf gegen die antisoziale Politik der Regierung. Am folgenden Tag wird Ministerpräsident Rajoy im Parlament ein neues Umverteilungsprogramm zu Gunsten der Banken und Konzerne ankündigen, welches „weh tun werde“: Kürzung der Arbeitslosenhilfe, Mehrwertsteuererhöhung auf 21%, usw.

Die in der Nacht am häufigsten gerufen Parolen sind:

Wir sind alle Minenarbeiter!
Wenn das nicht zurückgenommen wird, gibt es Krieg, Krieg, Krieg!
Lang lebe der Kampf der Arbeiterklasse!
Das ist unser Team! (in Anlehnung auf die erfolgreiche Fußball-Nationalmannschaft)
Wir haben Eierstockeier – wir Frauen der Bergleute!
Rajoy – höre die kämpfenden Bergarbeiter!
Die vereinten Mineros werden niemals besiegt werden!
Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden!
Wenn keine Lösung – dann Revolution!
Dynamit! Dynamit!
Madrid fühlt sich eins mit den Bergarbeitern!

Der lange Tag findet sein Ende gegen 2.30 Uhr auf dem Puerta del Sol. Die Bergleute werden auch dort mit großem Applaus begrüßt. Sie marschieren durch die Menge mit erhobenen Fäusten und singen mit den Anwesenden die Bergbauhymne „Santa Barbara“.
 http://youtu.be/x_XApseiqZ0
Ein Bergmann ergreift das Wort und sagt: "Wir sind Kämpfer und wir werden uns wehren!" und „Vielen Dank an alle, die uns geholfen haben!“ und als Warnung an den Minister für Industrie José Manuel Soria: "Beim nächsten Besuch wird Dynamit dabei sein!"

8 Stunden später, 11.00 Uhr, auf der Paseo de la Castellana, einer großen Prachtpromenade in Madrid. Hier startet bei brütender Hitze die große Demo zum Industrieministerium, zu der tausende von Kumpels, ihre Familien und Unterstützer mit Bussen eintreffen. Insgesamt kommen mehrere zehntausend Menschen zusammen. Die Stimmung ist im Vergleich zur Vornacht eher gedrückt. Ein kleinerer Teil der Kumpels reißt vor dem Industrieministerium die Absperrung nieder und attackiert die Polizei mit vergammelten Bananen, schweren Böllern, Steinen und Stöcken. Die Polizei schießt mit Gummigeschossen. Über 70 Menschen werden verletzt, 8 verhaftet.

Mit ihrem harten Widerstand stellen sich die spanischen Bergarbeiter gegenwärtig an die Spitze der sozialen Kämpfe in ganz Europa.
Die reformistischen Gewerkschaftsführer fordern von Seiten der spanischen Regierung ein „konstruktives Verhalten“ und ein „gewisses Entgegenkommen“. Damit wird deutlich, das diese „Arbeitervertreter“ wieder einmal auf einen faulen Kompromiss setzen.

Langsam wächst unter den Bergarbeitern weltweit der Gedanke, nach der Notwendigkeit der internationalen Koordinierung der Arbeiterkämpfe. Hierzu ist, auf Grundlage einer weltanschaulichen Offenheit für revolutionäre Positionen, eine 1. Internationale Bergarbeiterkonferenz vom 1. bis 3. März 2013 in Arequipa (Peru) geplant.

Hier die Fotoreportage zum Bericht, chronologisch geordnet, als kleine Diashow:
 http://www.flickr.com/photos/bergm13/sets/72157630573698150/show/
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Ergänzungen

Gewerkschaften wollen Proteste+Generalstreik

UGT / CCOO 14.07.2012 - 21:02
Spanische Gewerkschaften rufen zu Protesten auf

Die großen spanischen Gewerkschaften machen weiter gegen den harten Sparkurs der konservativen Regierung von Premier Mariano Rajoy (Volkspartei/PP) mobil. Mit neuen Demonstrationen und möglicherweise einem zweiten Generalstreik wollen die Gewerkschaften UGT und CCOO gegen geplante Einschnitte der Regierung in Madrid protestieren.

Die nächsten Demonstrationen sind für den 19. Juli in rund 80 spanischen Städten geplant, wie die Gewerkschaftsführer Candido Mendez (UGT) und Ignacio Fernandez Toxo (CCOO) heute ankündigten. Sie schlossen nicht aus, dass beide Gewerkschaften zu einem neuen Generalstreik aufrufen. Eine erste allgemeine Arbeitsniederlegung hatte es am 29. März gegeben, damals allerdings nur mit mäßiger Beteiligung.

Die Gewerkschaften weisen die gestern beschlossenen neuen Sparmaßnahmen der konservativen Regierung von Rajoy entschieden zurück. Sie würden zu einer Verarmung der Bevölkerung führen, warnten Mendez und Toxo. Das neue Sparpaket sieht unter anderem eine kräftige Anhebung der Mehrwertsteuer und eine Kürzung des Arbeitslosengeldes nach den ersten sechs Monaten vor.

foto

---- 14.07.2012 - 21:48
Es wird Zeit, mehr zutun!!!!

...

Eine gute Videosammlung...

Anarcho 14.07.2012 - 23:07
...gibt es auch auf anarchismus.at unter  http://www.anarchismus.at/anarchistischer-blog/7231-eindruecke-vom-bergarbeiterstreik-in-spanien

Vor allem das erste Video legt ganz gut die Beweggründe für die Massenmilitanz der Bergarbeiter dar.

@ UGT & CCOO: "Eine erste allgemeine Arbeitsniederlegung hatte es am 29. März gegeben, damals allerdings nur mit mäßiger Beteiligung." Hä? Der Streik war einer der heftigsten und auch militantesten Streiks der letzten Jahre, von mäßiger Beteiligung kann da keine Rede sein. Manche Industrien wie etwa die Autoindustrie standen fast komplett still, in anderen Bereichen gab es ebenfalls eine starke Streikbeteiligung. Aus meiner Perspektive natürlich nett: die massive Beteiligung an den anarchosyndikalistischen Streikdemos ( http://www.anarchismus.at/blog-diverse/7064-generalstreik-in-spanien-am-29-3-2012), aber auch bei den Demos und Streikposten von UGT & CCOOO gab es massive Beteiligung. Man stelle sich mal solche Gewerkschaftsdemos in Deutschland vor...

"Raketenwerfer" / "Bazooka"

Übertriebener Käse 15.07.2012 - 10:42
Die Feindpropaganda, bzw. das Feindvokabular der bürgerlichen Medien von "Raketenwerfer" und "Bazooka" möchte ich nicht übernehmen.

Auch wenn es spektakulär aussieht, sind das keine militärischen Waffen wie Raketenwerfer / Bazookas, sondern Baumarktröhren aus Plastik mit Sylvesterraketen.

Solidarität, Zusammen Kämpfen

left action 15.07.2012 - 11:38

Berlin: Protest vor Spanischer Botschaft

Name? 15.07.2012 - 11:46
Interview mit Spanierinnen vor der Spanischen Botschaft in Berlin
 http://www.youtube.com/watch?v=ff6XoCWdZao

Repression gegen Arbeiter/innen in Madrid

(muss ausgefüllt werden) 15.07.2012 - 11:49
Mit Gummigeschossen gegen Großdemonstration u.a. von streikenden Bergarbeiter/innen:
 http://t.co/lV1pW8yG

Protest vor der spanischen Botschaft Berlin

skk 15.07.2012 - 12:07

Madrid: Proteste gegen Regierung (13.07.)

... 15.07.2012 - 12:35
Demonstrationen der Arbeiter/innen gegen den Sparkurs der Regerung Rajoy (PP)

 http://www.youtube.com/watch?v=fwHy5GRzD4o

Vielleicht mal aus der Geschichte lernen...

Keratea 15.07.2012 - 12:56

16 Minuten Doku Staatsterroristen

von verschiedenen Orten 15.07.2012 - 13:51

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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