Povetkin: "Ja, ich bin Nationalist"

leser_in 26.02.2012 20:07 Themen: Antifa Weltweit
Am gestrigen Samstag, am 25. Februar, fand in der Stuttgarter Porsche Arena der Boxkampf zwischen Aleksandr Povetkin und Marco Huck um den Weltmeistertitel der World Boxing Association (WBA) statt. Fiel Huck, geboren als Muamer Hukic, schon vor seinem Kampf durch widerliche Deutschtümelei auf, hat Povetkin offenbar noch weniger Berührungsängste zu nationalistischen Überhöhungen. Der „russische Ritter“ (Russkij Vitjaz') ist nicht nur ein aktiver russisch-orthodoxer Kirchenvertreter und regionaler Deputierter der regierenden Partei Edinaja Rossija in der Kurskaja Oblast, sondern er kämpft als Nationalist mit Hang zu imperialen Mythen für Russland und alle „wahren“ Russ_innen. Aus diesem Grund waren gestern in Stuttgart neben der weiß-blau-roten Trikolore auch die sogenannte „Imperka“, die schwarz-gelb-weiße Flagge des Russischen Imperiums, sowie das russische Hakenkreuz Kolovrat zu sehen.
Beim Einlaufen der Kontrahenten war ein sehr großer und schon bei der Vorberichterstattung sehr lauter Block russischer Fans zu sehen, der zum einen durch das Transparent „Idu na vy“, einheitliche schwarze T-Shirts in stilisierter altrussischer Schrift irgend eines „Povetkin Fan Klub“ und durch mindestens eine einzelne sogenannte Imperiale Flagge auffiel. Es sollen auch „nicht-russische“ Menschen, so behaupten zumindest russische Nazis, derartige Fahnen bei sich geführt und gezeigt haben. Das diese nicht zu sehen waren, wurde allerdings, so die verärgerten russischen (Inter-) Nationalist_innen, von „jüdisch-freimaurerischen“ Medien verhindert. Der Banner-Spruch ist übrigens ein Zitat des legendären altrussischen Generals und Zaren der Kiever Rus' Svjatoslav Igorevich I., der ausgiebige Eroberungsfeldzüge auf dem Balkan durchführte und als russischer Alexander von Makedonien gilt. Die Nachricht „Idu na vy“ schickte er den Gegner_innen und forderte sie so zur Schlacht.

Povetkin selbst bezieht sich ebenfalls positiv auf die altrussische Legende und imperiale Mythen. Sein Titel beim Einlauf hat den Titel „Rus' (Deti Svaroga)“ und wird von dem paganistisch-slavophilen Barden Nikolaj Ermilin gesungen. Der Untertitel des Liedes bezieht sich auf den heidnisch-slawischen Gott Svarog. Im Text heißt es, daß die heutigen Russ_innen die „guten“ und „slawischen Enkel“ dieses Gottes wären und auf der geheiligten Erde der Väter leben würden, die es in zahlreichen Kriegen zu verteidigen galt. Außerdem wird auf ein tausendjähriges Russisches Reich Bezug genommen und die imperiale Vorstellung von Moskau als dem „dritten Rom“ (Zweimal ist Rom gefallen, das dritte steht und ein viertes wird es nicht geben) reproduziert.

Das sich Povetkin offen als Nationalist bezeichnet und seine Sympathien für das russischen Imperium nicht versteckt, hat er mehrfach bewiesen. Vor dem Kampf mit Huck ließ er sich eine Tätowierung am linken Oberarm stechen, die zum einen als Symbol für den heidnischen Gott Svarog steht, aber auch große Ähnlichkeiten mit dem Kolovrat, dem russischen Hakenkreuz hat. Dieses Zeichen wurde in den 90er Jahren von der militanten Nazi Organisation „Russkoe Nacional'noe Edinstvo“ (Russische Nationale Einheit, RNE) von Aleksandr Barkashov und bis zum Verbot 2011 von der selbsternannten national-sozialistischen Bewegung „Slavjanskij Sojuz“ (Slawischer Bund) genutzt. Eine russische NS-Hatecore und Anti-Antifa Band aus dem Dunstkreis von Russkij Obraz (Russische Weise) nennt sich ebenfalls Kolovrat. Und auch der Sänger Ermilin nutzt auf seiner offiziellen Homepage das russischen Hakenkreuz.

Povetkins Hang zur Selbstinszenierung als russischer Patriot und Monarchist gibt er auch gerne gegenüber der Presse zu. In einem Interview mit der Zeitung „Kurskie Izvestija“ vom 16. Dezember 2009 bekennt er sich stolz dazu ein Nationalist zu sein, der für den Bestand und die Wiedergeburt der „Russischen Nation“ eintritt. Im September 2011 erklärte er gegenüber der „Kurskaja Pravda“, daß er in seinen Kämpfen die Ehre des russischen Volkes verteidigt. Außerdem betonte er, daß es nicht reicht ein „Russe zu sein“, sondern jede_r dies als Verantwortung betrachten muß. „Damit das ganze Leben, sowohl die Gedanken als auch unser Handeln“, so Povetkin im Interview, “dem Ruhm und der Erde Russlands zur Ehre gereicht.“

Dieser positive Bezug auf den Mythos der ruhmreichen russischen Nation und ihrer Imperiums sowie der Russ_innen ist auf auch T-Shirts während der Box-Kämpfe von Povetkin zu sehen. So trug er zum Beispiel vor und nach seinem Kampf gegen den Nigerianer Teke Orukh im Sportpalast „Olimpiskij“ im Moskauer Vorort Chevov ein Shirt mit einem Bild des Zaren Aleksandr III. und der Aufschrift „My Russkie!“ (Wir sind Russen) sowie unter dem Bild „Khozain zemli russkoj, zar' Aleksandr III (1845-1894)“ (Herrscher über die russischen Lande...). Auf einem anderen Bild mit dem „Povetkin Fan Klub“ ist er mit einem Shirt zu sehen, auf Aleksandr Nevskij abgebildet ist und das folgendes Zitat trägt: „Wer zu uns mit dem Schert kommt, wird auch durch das Schwert sterben“. Die Fans haben übrigens auf demselben Bild ein Shirt an, auf dem der imperiale zweiköpfige Adler zu sehen ist und „Povetkin Slava Rusi“ (… Für die Ehre Russlands) geschrieben steht.

Trotz der sichtbaren und expliziten Sympathien zum russischen Nationalismus scheint Povetkin aber mit militanten Nazis und nationalistischen Organisationen zumindest nicht offen den Kontakt zu suchen. Seine Verpflichtungen gegenüber „Edinaja Rossija“ könnten hierbei im Wege sein. Dennoch berichten Nazis oft und hoch erfreut über ihren Helden, der allerdings gestern gegen den deutschen Nationalisten Huck mächtig einstecken mußte. Die gestrige Anwesenheit russischer Nazis und Nationalist_innen sollte dennoch aufmerksam verfolgt werden. Schließlich stand Povetkin von seinen 24 Profi-Kämpfen 19 in Deutschland im Ring. Womöglich wurden außerhalb des Rings auch andere Kontakte geknüpft.
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Ergänzungen

verständnisfrage

mok 28.02.2012 - 00:07
"so die verärgerten russischen (Inter-) Nationalist_innen, von „jüdisch-freimaurerischen“ Medien verhindert"
Was soll das (Inter-)?

@ mok 28.02.2012 - 00:07

Rolan-d Iona-s Bia-lke 28.02.2012 - 07:00
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verständnisfrage
"so die verärgerten russischen (Inter-) Nationalist_innen, von „jüdisch-freimaurerischen“ Medien verhindert"
Was soll das (Inter-)?
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"Internazis" bzw. Internationale Nationalisten sind Nationalisten und Nationalistinnen, die sich auf internationaler Ebene vernetzen, um für gemeinsame Ziele - ihre jeweils eigene Nation - zu kämpfen. Die Theorie ist, dass wenn es gelingt einen Staat national zu stabilisieren, gleichzeitig eine Basis geschaffen ist, aus der heraus die anderen Staaten national stabilisiert werden können.

Die Nation of Islam waren bspw. Inter-Nationalisten, die sich auf einer Ebene vom KKK verfolgt sahen, auf der anderen Ebene aber Gelder vom KKK bekamen, um eine panafrikanische Bewegung zu stärken, die einen schwarzen Seperatismus bzw. eine von schwarzen bestimmte Rassentrennung in bestimmten afrikanischen Regionen vorsah. Demgegenüber sollte die nordamerikanische Rassentrennung unter weisser Vorherrschaft und us-amerikanischen Nationalismus gefördert werden.

Der Panafrikanismus hat hier aber eine andere Stellung als der typische europide Nationalismus. Generell kann bei Neonazis neben der nationalistischen Strömung auch eine rassistische Strömung festgestellt werden. Und ja, das eine kann das andere ausschliessen - beispielsweise wenn eine Willensnation vorherrscht. Es gibt aber auch Neonazis, die dieses Vorgehen ablehnen.

Der Internationalismus, den Du wahrscheinlich kennst, und der Nationalismus haben tatsächlich die selben Wurzeln und deren Anhänger haben sich auch oft ausgetauscht. Beispielsweise in den 1920er und frühen 1930er Jahren. Beispielsweise Mussolini, war überzeugter Kommusnist - bis er Unterschiede in der Kampfpraxis wahrnahm. (Vorsicht: Das ist etwas verkürzt beschrieben. Lese darum alles über Mussolini und sein Leben.)

Wenn Du das Bild des einheitlichen "Nazis" im Kopf hast, liegst Du falsch: Auch bei Neonazis gibt es verschiedene Strömungen und "Meinungen". Beispielsweise zum Thema Sex mit Heranwachsenden oder gleichgeschlechtlicher Liebe.

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