Erlangen: Gedenken an Doppelmord

Presseperson 20.12.2011 21:41 Themen: Antifa Repression
Am 19.12. erinnerten über 50 AntifaschistInnen an die Ermordung von Shlomo Lewin und Frida Poeschke, vor genau 31 Jahren, durch ein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann. Sie zeigten auch die Parallelen der damaligen Morde mit den aktuellen Morden der NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) auf. Sowohl damals wie heute zeigen sich Verstrickungen des Verfassungsschutzes und anderer Staatsorgane mit den agierenden Neonazis.
Am heutigen Montag fand in Erlangen unter dem Motto „Naziterror stoppen! Staatliche Verstrickungen offen legen! In Erinnerung an Shlomo Lewin und Frida Poeschke“ eine Kundgebung der Radikalen Linken (RL) Nürnberg, Banda Sinistra Erlangen und der Revolutionären Antifaschistischen Gruppe Erlangen (RAGE) statt. Vor 31 Jahren wurden Shlomo Lewin und Frida Poeschke in Erlangen von Neonazis der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) ermordet. Bis heute bleiben viele Details des Doppelmordes im Dunkeln. Hinweise über eine Beteiligung durch den Verfassungsschutz blieben unbeantwortet im Raum stehen. Die aktuellen Geschehnisse um die Neonazi-Morde des Nationalsozialistischen Untergrundes lassen eine Notwendigkeit der Aufdeckung von VS-Verstrickungen mit rechtsterroristischen Gruppierungen laut werden.

Die Banda Sinistra informierte die Erlanger Bevölkerung an das Leben und Wirken von Lewin und Poeschke. Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke wurden in Erlangen in ihrer Wohnung ermordet. Lewin, ehemaliger Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, von Beruf Verleger, hatte zuvor öffentlich vor der Neonaziszene gewarnt. Insbesondere wies Lewin auf die Gefahr hin, die von Karl Heinz Hoffmann und dessen gewalttätiger Wehrsportgruppe ausgehe. Der Schütze, welcher als Mörder der beiden Erlanger ermittelt wurde, ist Uwe Behrent - Hoffmanns engster Vertrauter. Behrent folgte nach den Morden Hoffmann und einigen Kameraden in den Libanon, um dort die sog. „WSG-Ausland“ aufzubauen. Der Schütze konnte nie vernommen werden, da er im Libanon unter ungeklärten Umständen ums Leben kam.
Verhindern konnte sein grausamer Doppelmord zu dieser Zeit aber die Gründung der Israelitischen Kultusgemeinde Erlangen, die von Lewin ins Leben gerufen werden sollte.

Dass sich mehrere Mitglieder der WSG im Prozess gegen Hoffmann wandten und ihn als Auftraggeber der Morde benannten, reichte der Justiz nicht, ihn wegen Auftrag und Beihilfe zum Mord zu verurteilen.

In einer Rede der Radikalen Linken wurde immer wieder die Kritik an der Beteiligung und Unterstützung staatlicher Beamter an rechtsterroristischen Verbrechen betont. Sei es das 1980 begangene Oktoberfestattentat, bei dem 12 Menschen und der Attentäter ums Leben kamen und 210 Menschen verletzt wurden oder die Ermordung des Paares Poeschke/Lewin. Es werden immer wieder erschreckende Querverbindungen zwischen WSG und Verfassungsschutz sichtbar. So soll der Sprengstoff aus Geheimdienststrukturen stammen. Der Attentäter Gundolf Köhler sollte nach Abschluss der Ermittlungen als wirrer Einzeltäter übrig bleiben. Jedoch hatte Köhler, ebenso wie der Erlanger Schütze direkten Kontakt zur WSG und dessen Gründer. Köhler nahm an Wehrsportübungen teil, wurde im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausgebildet.
In den folgenden Ermittlungen kamen immer wieder Zeugenaussagen und Hinweise ans Licht, die eine Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzagenten vermuten lassen und die Geschichte vom Einzeltäter auf jeden Fall hinfällig werden ließen. Dennoch auch in diesem Fall wurde gedeckelt und verschleiert, so dass nicht von einer objektiven Ermittlung durch die Justiz gesprochen werden kann.
In weiteren Reden und Flyern wurde die andauernde staatliche Hetze und Repression gegenüber AntifaschistInnen behandelt. So wurde dem Angeklagten Hoffmann Zeit für stundelange Rechtfertigungen und Ausführungen vor Gericht gegeben - ein Rednerpult inklusive. Wer zu dieser Zeit die Prozesse in Stammheim gewohnt war, oder heute die Repressionen gegen AntifaschistInnen in Dresden beobachtet, kann sich bei einer solchen entgegenkommenden Haltung des Staates nur wundern. Hoffmann nutzte diese Gelegenheit auch prompt, um „sich allgemein zur Judenfrage [zu] äußern“ und Neonazipropaganda – quasi unter dem Schutz des Gerichts – zu verbreiten.
Deutlich gemacht wurde in diesem Fall auch, dass Hoffmann mit seiner WSG auf zahlreiche UnterstützerInnen aus der sog. „bürgerlichen Mitte“ bauen kann. So war der Rüstungsfabrikant Karl Diehl, der auch auf die Ehrenbürgermedaille der Stadt Nürnberg stolz sein kann, einer der Unterstützer dieser paramilitärischen Neonazigruppe.

Ein Sprecher der Banda Sinistra zeigte sich nach der Kundgebung sehr zufrieden mit deren Verlauf und kündigte an, auch weiterhin in der Öffentlichkeit präsent zu sein. „Natürlich werden wir weiterhin präsent sein, um darauf aufmerksam zu machen, dass auch im oberflächlich so beschaulichen Erlangen Nazis aktiv sind, wie an dem Buttersäureanschlag auf das Selbstverwaltete Jugendhaus Erlangen und zahlreichen Sprühereien zu erkennen ist. Wir werden nicht wie Medien und Politik warten bis es wieder einmal zu spät ist, sondern werden den Nazis konsequent entgegentreten“.

Eine Sprecherin der Radikalen Linken kommentierte die Kundgebung ebenso und wies noch einmal auf die Verstrickung Staatlicher Organe mit den Neonazis hin:
„Ebenso wie bei der Ermordung der beiden ErlangerInnen und dem Attentat auf das Oktoberfest, werfen sich jede Menge Hinweise auf, die auf die Verstrickung staatlicher Stellen hindeuten. Fest steht: die jetzt identifizierte Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ steht in der Kontinuität eines Rechtsterrorismus wie er die BRD seit den 50er Jahren begleitet. Nichts davon ist neu, aber alles daran fordert von der Öffentlichkeit, endlich aufzuwachen und ausnahmsweise wach zu bleiben.“



Rechten Terrror stoppen! Verfassungsschutz auflösen!
Kein Vergeben! Kein vergessen! Nazis immer und überall entschlossen entgegentreten!
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Ergänzungen

Fotos

posta 21.12.2011 - 13:29