Sachsen: Unterstützung für Kritik an Polizei und Staatsanwaltschaft

addn.me 09.12.2011 11:26 Themen: Blogwire Freiräume
Im Sächsischen Landtag wurde in dieser Woche die Frage diskutiert, ob der für das Land zuständige Datenschutzbeauftragte mit seiner Kritik an den Ermittlungsbehörden wegen der massenhaften Datenerfassungen anlässlich zweier Naziaufmärsche im Februar zu weit gegangen ist. Dabei wird klar, dass es selbst in den Reihen der beiden Regierungsparteien Probleme gibt, die Methoden von Polizei und Staatsanwaltschaft als verhältnismäßig eizuordnen. Dennoch hat sich in der Praxis nichts geändert, noch immer wird mit den so gewonnen Daten gegen die Menschen ermittelt, die im Februar erneut einen Nazigroßaufmarsch wie schon im vergangenen Jahr verhindern konnten.
Heute fand im Sächsischen Landtag auf Antrag der Grünen eine Sachverständigenanhörung zum Thema: "Funkzellenabfragen im Freistaat Sachsen sofort beschränken" im Ausschuss für Verfassung, Recht und Europa statt. Darin haben, so der Grüne Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi, die geladenen Sachverständigen aus Justiz, Datenschutz und von den Gewerkschaften dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig im Fall der Funkzellenabfragen im Februar 2011 in Dresden demonstrativ "den Rücken gestärkt".

Der Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, kritisierte die massenhafte Funkzellenabfragen in Dresden als einzigartig, inhaltlich unverhältnismäßig und rechtswidrig. Auch Ralf Hron vom DGB verwies auf den Einschüchterungseffekt gegenüber politisch engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die gegen den Naziaufmarsch demonstrieren wollten. Der Präsident des Görlitzer Landgerichtes verteidigte die Kritik an Polizei und Staatsanwaltschaft durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragten bei der Veröffentlichung seines Berichtes Anfang September und stellte sich damit gegen Vorwürfe des Sächsischen Richtervereins und des Präsidenten des Oberlandesgerichts Ulrich Hagenloch, die in der Kritik Schurigs einen Angriff auf die "richterliche Unabhängigkeit" sehen wollten. Der ehemalige Sächsische Datenschutzbeauftragte Thomas Gießen appellierte an die Verantwortung von Polizei und Staatsanwaltschaft, bei ihren Ermittlungen die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen zu überprüfen und kritisierte, dass die Beschlüsse durch die Staatsanwaltschaft Dresden auf dem Briefbogen des Amtsgerichts Dresden vorformuliert worden waren.

Marko Schiemann, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, erklärte nach der Anhörung, dass die sächsische Staatsregierung auf Bundesebene darauf drängt, "die Voraussetzungen für eine Funkzellenabfrage zu präzisieren". In Zukunft sollte bei Maßnahmen wie einer flächendeckenden Funkzellenabfrage zuvor "sowohl die Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit [...] als auch datenschutzrechtliche Belange eine stärkere Beachtung" finden.

Erst in dieser Woche war bekannt geworden, dass vom sächsischen LKA inzwischen schon 54.782 Bestandsdaten aus den fast eine Millionen Verkehrsdaten abgefragt und gespeichert wurden, ohne dass bis heute die Betroffenen darüber in Kenntnis gesetzt worden sind. Rund 800 Menschen haben aus diesem Grund bisher ein Auskunftsersuchen bei den zuständigen Behörden eingereicht. Die übrigen knapp 54.000 von der Speicherung betroffenen Personen hätten nach Aussage der Staatsanwaltschaft "kein Interesse" an einer Benachrichtigung, so Lichdi in einer Twittermeldung.

Derweil laufen in Dresden die Vorbereitungen für den kommenden Februar. Während die Stadt am 13. Februar 2012 erstmals auf eine offizielle Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof verzichten will, hat der Bundesvorstand der SPD auf seinem Bundesparteitag seine Bereitschaft signalisiert, den Blockadeaufruf von Dresden-Nazifrei auf Initiative der Dresdner Jusos zu unterstützen, um damit die "Vielfalt der Protestformen" anzuerkennen. Der Bundesvorsitzende der Jusos, Sascha Vogt, begrüßte die Entscheidung und zeigte sich davon überzeugt, dass der Naziaufmarsch wie in den vergangenen Jahren "nur mit Blockaden verhindert werden kann".
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Ergänzungen

Datenschutz in Sachsen?

.,- 10.12.2011 - 10:04
Sächsische Sicherheitsbehörden & Datenschutz

Auch die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entwickelt sich in Sachsen mittlerweile zum Problem – nicht nur aus datenschutzrechtlicher Sicht. “police private partnership“ (ppp) und “public private security“ (pps), also Partnerschaften zwischen der Polizei und Sicherheitsunternehmen und Sicherheitsunternehmen die für Städte (z.B. Plauen, siehe link) und Gemeinden für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen, werden in diesem Bundesland stetig ausgebaut, obwohl diese Modelle oftmals gegen den Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz sowie den Datenschutz verstoßen.
Gerade im Zusammenhang mit pps, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch “öffentliche Private“ (Sicherheitsfirmen), kann der Datenschutz gar nicht eingehalten werden! Bereits vor Jahren gab es Pläne die öffentliche Videoüberwachung in Sachsen zu privatisieren und in die Hände von Sicherheitsunternehmen zu geben. Vertreter der Sächsischen Polizei waren übrigens dafür!

Siehe auch:

 http://www.trend.infopartisan.net/trd0910/t210910.html


 http://www.cop2cop.de/2011/06/30/sicherheitskooperation-in-sachsen-wegweisend/

trolls sperren!

SK 12.12.2011 - 14:02
Dieses haarsträubende Märchen von der Verfassungswiderrechtlichkeit von Privaten Sicherheitsdienstleistern im öffentlichen Raum - es wird auch bei der hunderten Wiederholung nicht richtiger.

Ich bin es langsam Leid gegen diese Anfeindungen gegen das Bewachungsgewerbe anzuschreiben. Wenn ihr keine Ahnung habt und hanebüchene, aufgeschnappte Halbwahrheiten publizieren wollt: Schreibt über die angebliche Vaterschaft von Justin Bieber!
Anders als von meinem Vorposter behauptet, ist der Datenschutz bei privaten sehr gut ausgebaut und entwickelt. Zuwiderhandlungen werden sofort zur Anzeige gebracht und durch dt. Gerichte behandelt. Tatsächlich könnte es sogar eher eine Chance zur Demokratisierung von öffentlicher Sicherheit sein - da die Sicherheitsmitarbeiter sich - anders als deutsche Polizisten - strengstens an die Gesetze halten müssen / nicht mehr Rechte haben, als jeder andere auch (und seit geraumer Zeit auch durch entsprechende Aus- und Weiterbildungen entsprechend qualifiziert sind, dies zu gewährleisten), da sie sonst sofort ihren Job los wären.

Ich habe langsam das Gefühl, dass hier Polizei-Trolle schreiben, die ihr schniekes Gewaltmonopol bedroht sehen.

@ SK

DDer 12.12.2011 - 17:03
Die Leute die das posten sind bestimmt keine Polizeitrolle, sondern liegen einfach mit ihrer juristischen Interpretation nicht richtig. Es ist ja auch alles nicht so einfach zu durchschauen.

Recht gebe ich Dir v.a. in dem Punkt, dass die Privaten zur "Demokratisierung von öffentlicher Sicherheit" beitragen, auch wenn ich diese Formulierung für sehr unglücklich halte. Aber es ist schon so, dass die Privaten (im Gegensatz zu den "echten" Polizeibeamten) bei Rechtsbrüchen richtig Ärger bekommen und etwaige Vorfälle durch die Gerichte bestimmt etwas gewissenhafter aufgeklärt werden.

Aber kritisch sehe ich zwei andere Punkte. Erstens die Auftragsvergabe, d.h. welche Unternehmen bekommen solche Aufträge und wer überprüft die Mitarbeiter dieser Unternehmen? SK, Du wirst besser wissen als ich, das es bei sächsischen Sicherheitsdiensten von Nazis nur so wimmelt. Ich habe kein Interesse daran, dass meine Identität von solchen Leuten überprüft wird oder dass sie in meine Tasche gucken.

Der zweite Punkt ist, dass die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit mit einer
Reduzierung des Polizeipersonals einhergeht. Das bedeutet, dass es in Zukunft noch länger dauert, bis die "echte" Polizei da ist wenn man sie wirklich mal braucht. Dann habe ich außerdem noch das Vorurteil, dass es im Grunde darum geht, privates Eigentum zu schützen. Ich denke, bestimmte Gebiete, in denen kein privates Eigentum (Läden, Firmen) gibt, werden sich sicherheitsmäßig verschlechtern.

Wie dem auch sei, schlimmer als die sächsische Polizei werden auch die Privaten nicht sein. Auch freistaatlich organisierte Repression ist von den privaten kaum zu erwarten.

@DDer

SK 12.12.2011 - 19:19
Bei deinen Bedenken gebe ich dir Recht. Das sind zwei Punkte die genannt werden müssen.
Zur Unterscheidung: Wachleute dürfen keine Personalienfeststellung durchführen - dies ist ein hoheitliches Recht. Sie sind allerdings angehalten, die Identität festzustellen, wenn eine widerrechtliche Handlung gegen das von ihnen vertraglich zugeschriebene Rechtsgut ausgeführt wurde. Letzten Endes müsste dies eine angeforderte Polizei-Streife machen, wenn dies auf freiwilliger Basis nicht möglich ist. Also: ein Nazi-Wachmann würde sich der Amtsanmaßung strafbar machen.
Ich muss aus eigener Erfahrung allerdings anmerken, dass Rechte meistens im Veranstaltungsschutz zu finden sind und weniger im Separatwachdienst.

Das PPP-Konzept ist Folge der Reduzierung des Polizeipersonals - nicht deren Ursache. Hier werden Lücken gestopft, weil der Staat sich als Unternehmer begreift und überall zusammenstreicht, um auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können. Gleichwohl ist natürlich mit Sorge zu beobachten, dass Sicherheitsmitarbeiter im Bewachungsgewerbe (vor allem die ohne Fachkraft-Ausbildung) immer noch unterirdisch und eigentlich sittenwidrig schlecht bezahlt werden - also schlichtweg billiger sind als uniformierte Staatsdiener.

Die Konsequenz kann nur lauten gemeinsam mit den im BwachGew Beschäftigten weitgehende Qualifizierungsmaßnahmen von den AG zu fordern, um einerseits das Lohnlevel anzuheben und andererseits all die schwarzen Schafe rauszudrängen.

Zu deinem Vorurteil: Der gesetzmäßige Generalauftrag eines jeden Bewachungsunternehmen lautet Eigentum, Werte und Leben schützen. Sicherheitsmitarbeiter haben genau so wie Sanitäter aufgrund ihrer Ausbildung eine Garantenstellung - sie sind zur Hilfe verpflichtet, auch wenn sie nicht im Dienst sind.