Protestaktion vor Auswärtigem Amt Berlin

Geschichtspolitik 12.09.2011 09:38 Themen: Antifa Militarismus
Am Freitag, 9. September 2011, fand vor dem Auswärtigen Amt eine Protestkundgebung anlässlich der Klage der Bundesrepublik Deutschland gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag statt.
Es sprachen der Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann, der Journalist Eberhard Rondholz und der VVN-BdA Vorsitzende Hans Coppi. Ulla Jelpke sprach ein Grußwort.

Trotz des elenden Dauerregens kamen viele Berlin-Touristen vorbei. Mit vielen, darunter Menschen aus Israel, Polen und Dänemark, die sich sehr erfreut über die Kundgebung äußerten und zum Teil von eigenen Familien-Verfolgtengeschichten berichteten, wurden Gespräche geführt.

Ludwig Baumanns Rede:

Teil 1 von Ludwigs Rede,
 http://www.youtube.com/watch?v=0WUFSBpR37I
Teil 2
 http://www.youtube.com/watch?v=ctkTKGBGc1o

Während der Rede von Ludwig Baumann war sich die Berliner Polizei nicht zu blöd, die Ausstellung
„Griechenland unter dem Hakenkreuz“ abzuhängen, da sie nicht zuvor angemeldet worden sei…

Zum Hintergrund des Verfahrens in Den Haag siehe den Artikel von Frank Brendle in der Jungen Welt vom 12.9.2011:

Ohne Verantwortung
Bundesregierung will Hinterbliebenen von Opfern der Wehrmachts- und SS-Verbrechen in Italien und Griechenland keine Entschädigung zahlen
Von Frank Brendle
Am Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag beginnt am heutigen Montag die mündliche Verhandlung der Klage Deutschlands gegen Italien. Anlaß für den Rechtsstreit sind Entscheidungen des obersten italienischen Gerichtshofes, der die BRD zu Entschädigungszahlungen an Opfer eines von der Naziwehrmacht verübten Kriegsverbrechens verurteilt hat. Die Bundesregierung will erreichen, daß diese Urteile als Verstoß gegen die Staatenimmunität zurückgewiesen werden (siehe jW vom 15. August).

Der italienische Kassationsgerichtshofes hatte 2008 angeordnet, daß die BRD die Hinterbliebenen eines Massakers der Wehrmachtsdivision »Hermann Göring« entschädigen muß, die am 29. Juni 1944 im oberitalienischen Civitella 203 Zivilisten ermordet hatte. Außerdem erhielten die Angehörigen von Opfern eines SS-Massakers im griechischen Dorf Distomo die Möglichkeit, ihre Anspräche in Italien vollstrecken zu lassen. Insgesamt beträgt die Entschädigungssumme laut Bundesregierung 51 Millionen Euro. Weil Deutschland nicht zahlen will, laufen in Italien drei Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Ziel, deutsches Staatseigentum zu pfänden. Davon betroffen sind auch die Deutsche Bahn und, als deren Drittschuldner, mehrere italienische Bahnen.

Derzeit sind in Italien 50 weitere Gerichtsverfahren von Naziopfern anhängig. Drei davon sind Strafverfahren vor Militärgerichten, die über Kriegsverbrechen der Wehrmacht entscheiden, in deren Rahmen aber auch Entschädigungen verlangt werden. Die anderen 47 Klagen finden vor Zivilgerichten statt. Über die Hälfte der Kläger sind ehemalige Militär-internierte, d.h. italienische Soldaten, die unter Aberkennung des Kriegsgefangenenstatus in Deutschland Zwangsarbeit leisten mußten. In 13 weiteren Verfahren geht es um zivile Zwangsarbeiter. Hinzu kommen sechs Gerichtsverfahren von Überlebenden bzw. Hinterbliebenen von Wehrmachtsmassakern. Vor allem im Sommer 1944 hatten deutsche Truppen zahlreiche Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen, um sich für Partisanenangriffe zu rächen. In einem weiteren Verfahren klagt eine Person, die Opfer antisemitischer Verfolgung geworden war. Diese Zahlen teilte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, am Wochenende mit, sie stammen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage.

Zuletzt hatte das Militärgericht Verona im Juli in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil mehrere ehemalige Wehrmachtsoffiziere zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie im Frühjahr 1944 Hunderte Zivilisten ermordet hatten. Die Kläger bekamen Summen zwischen jeweils 40000 und 145000 Euro zugesprochen. Unter den Toten waren auch Kinder im Alter von drei, vier und sieben Jahren – auch für diese Morde pocht die Bundesregierung auf den Grundsatz der Staatenimmunität. Ihre Behauptung, sie habe sich wie ihre Vorgänger »nach Kräften und mit Erfolg bemüht, das von den Nationalsozialisten begangene Unrecht zu entschädigen«, ruft den heftigen Widerspruch Jelpkes hervor: Die Regierung versuche, die Naziopfer »als lästige Störenfriede abzukanzeln«, erklärte sie in einer Pressemitteilung. Es sei »unfaßbar zynisch«, daß die BRD einen Prozeß führe, der sich zumindest indirekt gegen jene richte, die schon einmal Opfer deutschen Unrechts geworden seien.

Die Hinterbliebenen selbst werden in der bis Freitag angesetzten Verhandlung nicht zu Wort kommen, lediglich Regierungsvertreter aus Deutschland, Italien und Griechenland.

Nach Angaben des »Arbeitskreises Distomo« wird es in Den Haag Protest- und Informationsveranstaltungen geben. Bereits am Freitag hatten Aktivisten vor dem Auswärtigen Amt in Berlin dafür protestiert, die Entschädigungsansprüche zu erfüllen. Der Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann verwies dabei einmal mehr auf den verbrecherischen Charakter der deutschen Kriegführung.
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