Retroaktion: 5 Jahre Gießener Federballnacht

Im Namen des Volkers 17.05.2011 17:44 Themen: Repression

Ca. 30 Personen spielten in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2011 in Gießen an vier Orten rund um Justizkomplex und Knast Federball. Sie erinnerten damit an einen absurden Versuch von Innenministerium, Landes- und regionaler Polizei in gemeinschaftlicher, krimineller Vereinigung mit Gießener RichterInnen und Staatsanwaltschaft, kritische Oppositionelle hinter Gitter zu bringen. Das Oberlandesgericht verglich die Vorgehensweise über ein Jahr später mit den Methoden im Dritten Reich. Um den inzwischen zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Volker Bouffier sowie die Uniform- und RobenträgerInnen nicht wegen ihrer offensichtlichen Rechtsbeugung, Freiheitsberaubung, Verfolgung Unschuldiger usw. belangen zu müssen, erklärte sich die Gießener Staatsanwaltschaft komplett für befangen, während die dann beauftragte Wiesbadener Staatsanwaltschaft durch Dauerverfahren einen Abschluss und damit einen gerichtlichen Entscheid verschleppt. Derweil regiert Bouffier, dürfen Rechtsbrecher in Robe und Uniform weiter Menschen jagen oder über sie richten ...

Der vergangene Freitag begann mit der Ton-Bilder-Schau "Fiese Tricks von Polizei und Justiz", in dem unter anderem die Geschehnisse des 14.5.2006 noch einmal in Wort und Bild nacherzählt werden. Danach zogen rund 30 Personen zu den Schauplätzen, an denen vor fünf Jahren ein paar kleine Federballspiele stattfanden, die eine absurde Polizeiaktion und mehrere Tage Haft nach sich zogen. Die Fotos zu diesem Bericht dokumentieren den 13.5.2011, sie erinnern aber nur an das frühere Geschehen. Daher ist der Rückblick wichtiger:

  • Die Internetseiten von damals ... eine ziemlich chaotische, aus der damaligen Zeit heraus erstellte Sammlung von Berichten, Links, Zeitungsartikeln und Gerichtsbeschlüssen. Sie lassen sich noch ein bisschen aufteilen:
    • Die Federballnacht, vorhergehende Beschlüsse und das unmittelbare Geschehen bis zur Freilassung aller Betroffenen ++ Infos über die damals eingesetzte Überwachungspolizei MEK
    • Die vielen Beschwerden gegen die Maßnahmen nachher und die Vertuschungen und Lügen durch Gießener Gerichte, die alles immer gedeckt haben
    • Der Übersichtlichkeit und Bedeutung wegen sind auf einer Extra-Seite der zentrale Gerichtsbeschluss zum mehrtätigen Gewahrsam sowie die Widersprüche dagegen und schließlich der Beschluss des Oberlandesgerichtes Frankfurt dargestellt.
    • Auf einer weiteren Seite sind die Anzeigen der Betroffenen gegen die RechtsbeugerInnen, FreiheitsräuberInnen und falschen VerdächtigerInnen zusammengestellt - einschließlich der Einstellungen und Reaktionen. Ermittelt wurde ... nichts!
    • Außerdem noch: Die Hausdurchsuchung vom 14.5.2006 und Folgen ++ Verwaltungsverfahren gegen die Festnahme ++ DNA-Tests und der Streit darum
  • Das 14. Kapitel im Buch "Tatort Gutfleischstraße" ist die genaueste Ablaufbeschreibung - aber nur bis Sommer 2007
  • Pitt von Bebenburg und Matthias Thieme schrieben 2010 das Buch "Ausgekocht", in dem ein Kapitel "Die Federballaffäre" zu finden ist. Ein Auszug aus diesem Kapitel erschien in der Frankfurter Rundschau am 23.8.2010. Andere Medien zogen nach - aber nur zögerlich. Die meisten verschwiegen alles weiter ...
  • Die FR blieb zunächst weiter dran und veröffentlichte ...
  • Es kam, wie es kommen musste: Die staatlichen Behörden schützten die StraftäterInnen in Robe, Uniform und Ministerrang - und stellten brav wenige Tage vor Bouffiers Amtseinführung als Ministerpräsident alle Ermittlungen ein. Es hätte sich nicht ergeben ... und das dürfte sogar stimmen, denn wer nicht nicht sucht, der findet auch nichts. Das war schon in der ersten Runde der Emittlungen klar. Das war ja schon das zweite Mal. Nach der ersten Einstellung hatte sich der Betroffene Jörg B. die Akte angesehen und feststellt, dass gar nicht ermittelt wurde. Trotz vieler Monate, die vergangen waren, war in der Akte einfach gar nichts enthalten, was Ergebnis einer Ermittlung hätte sein können. Nur ein paar Formblätter - fertig. Er hatte deshalb gegen die Einstellung Protest eingelegt und dadurch war das Verfahren offiziell nochmal in gang gekommen. Über vier Jahre nach dem Vorkommnis und "zufällig" wenige Tage vor der Ministerpräsidentenwahl wurden alle Verfahren eingestellt - selbst gegen den Ermittlungsrichter, der ja in einem Vermerk sogar selbst notiert hatte, dass absichtlich gelogen und manipuliert wurde. Aber: Eine Krähe hackt der anderen ...
  • Nun tauchte ein Schreiben von Bouffier auf - eine Antwort auf die Anfrage eines Grünenpolitikers. Grundaussage von Bouffier: Ich weiß von nichts. Soso. Die Blackouts und Gedächtnislücken haben in der CDU ja Tradition. Außerdem behauptete Bouffier, zu dem Vorgang schon mal Aussagen gemacht zu haben. Das stimmte aber nicht - vielmehr kam er bei der Fülle illegaler Festnahmen ein bisschen durcheinander und verwechselte die Sache des 14.5.2006 mit einer Festnahme Anfang Januar 2003.
  • Im Oktober 2010 fragte die SPD im Landtag nach, was es denn nun mit dem Ganzen auf sich habe. Im Dezember beschwerte sie sich, warum es keine Antwort gäbe
  • Dann endlich - am 28. Januar 2011 geschrieben - folgte die Antwort aus dem, inzwischen von Boris Rhein geleiteten, Innenministerium. Doch die fiel dürftig aus. Wurde hier gemauert?
    • Bericht in der Frankfurter Rundschau am 19.2.2011 (Seite Hessen 1)
      Kommentar dort zu dem Vorgang (von Pitt von Bebenburg:)
      "Rhein schützt Bouffier
      Der Fall Bergstedt stinkt zum Himmel – und der heutige Ministerpräsident Volker Bouffier trägt dafür die politische Verantwortung.
      Aufklärung sieht wahrlich anders aus als das, was Innenminister Boris Rhein nach monatelangem Nachdenken zum Fall Bergstedt zuwege gebracht hat. Es scheint ihn nicht zu bekümmern, dass da ein Mann unschuldig vier Tage hinter Gittern gesessen hat, obwohl die Polizei wusste, dass er unschuldig war. Der Fall stinkt auch deswegen zum Himmel, weil die Polizei dem Gericht die entscheidende Information vorenthielt, dass Politaktivist Bergstedt während der Tatzeit an einem ganz anderen Ort observiert worden war.
      Die politische Verantwortung liegt beim damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Jahrelang hat sich niemand die Mühe gemacht, den Skandal aufzuklären. Schließlich ist keine Partei gut auf den Systemgegner Bergstedt zu sprechen. Doch Grundrechte gelten auch für politisch unbequeme Menschen, selbst für solche, die zuweilen bewusst gegen Gesetze verstoßen.
      Die Landesregierung weiß, wie die Aufklärung eigener Versäumnisse funktioniert. Vor wenigen Monaten hat sie es gezeigt, als es um illegale Vergabepraktiken der alten Koch-Regierung ging. Doch Koch und Finanzminister Weimar sind abgetreten, Bouffier ist noch da. Das dürfte der wahre Grund sein, weshalb Rhein sich um die notwendige Aufklärung drückt."
    • Gießener Allgemeine zu dem Vorgang (23.2.2011)
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Ergänzungen

Foto von der 3. Spielstation

k.o.b.r.a.___antirepressionsplattform__ 18.05.2011 - 12:13
Das Foto stammt vom Spielort vor dem Knasteingang in der Gutfleischstraße. Hier kam die Polizei dazu, verweigerte aber das Mitspielen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Vortrag Youtube

deg 18.05.2011 - 11:44
Hab erst letztens euren Vortrag auf Youtube gesehen, erschreckend aber durch euren Umgang mit der Situation auch wieder recht lustig :)