Dresden: Mehrheit im Stadtrat für Vetorecht beim Roten Baum

addn.me 15.04.2011 16:56 Themen: Freiräume Repression
In Dresden setzt auch die Politik weiter auf Eskalation. Nach Extremismusklausel, der gewaltsamen Hausdurchsuchung im Februar und einer Großrazzia in Teilen der linken Szene vor wenigen Tagen hat die Stadtratsmehrheit aus CDU und FDP gestern Abend gemeinsam mit den Stimmen der NPD einer Zahlung von Steuermitteln an den von der Hausdurchsuchung am 19. Februar betroffenen Verein nur unter Vorbehalt zugestimmt. Ungeachtet gesetzlicher Regelungen über die Verteilung von Steuergeldern ist dies erneut der Versuch, konträre politische Auffassungen in der Öffentlichkeit pauschal zu diskreditieren, um damit die knapp 20-jährige Arbeit des Vereins generell in Frage zu stellen.
Der Streit um die Finanzierung des Roten Baums ist auf politischer Ebene eskaliert. Gestern stimmten am frühen Abend in einer Stadtratssitzung CDU, FDP und NPD gemeinsam für einen Antrag der CDU-Fraktion. Dieser sieht vor, die jährliche Förderung von rund 240.000 Euro für den Verein nur auf Widerruf auszuzahlen. Mit 34:31 Stimmen wurde der so genannten Förderungsvorbehalt bei zwei Stimmenthaltungen angenommen. Als Grund für den Antrag hatte die CDU die gewaltsame Durchsuchung des Roten Baums in den Abendstunden des 19. Februars durch Spezialkräfte der Polizei angegeben. Falls die Ermittlungsbehörden Ansätze dafür finden sollten, "dass extremistisch motivierte Straftäter unmittelbar oder mittelbar durch den Verein unterstützt wurden oder seine Ressourcen nutzen konnten", drohen dem Verein demnach Rückforderungen von bis zu 240.000 Euro. Zeitgleich zur Sitzung des Stadtrats hatten vor dem Eingang des Rathauses mehr als 50 Menschen unter den argwöhnischen Augen von fast eben soviel Polizei erneut gegen die geplanten Kürzungen in der Jugendhilfe protestiert. Nach Angaben der Jugendvereine fehlen in diesem Jahr knapp 900.000 Euro, Grund sind die im Dezember verabschiedeten Kürzungspläne im Landeshaushalt.

Das CDU-Stadtratsmitglied Lothar Klein begründete den Schritt seiner Partei damit, dass der Verein ein "Sammelbecken teils gewaltbereiter Linksextremisten" sein könnte und verwies auf die Solidaritätskampagne als Zeichen "großer Nervosität". Sein Parteikollege Georg Böhme-Korn warf dem Verein die "Erziehung zum Linksextremismus" vor und forderte stattdessen eine "Erziehung zur Liebe zum demokratischen Rechtsstaat". Der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Jens Hoffsommer (Die Grünen), kündigte im Fall einer Zustimmung eine rechtliche Prüfung des Beschlusses an und verwies auf die Unzulässigkeit des politischen Einflusses auf die Rechte des Jugendhilfeausschusses. Der Vertreter der NPD Jens Baur begrüßte den Vorschlag und bedankte sich bei der CDU für den "ersten Schritt in die richtige Richtung" zur Austrocknung des "Fördermittelsumpfes für linke Projekte". Das ehemalige Stadtratsmitglied der Linken, die FDP-Abgeordnete Barbara Lässig, verwies auf die Razzien vom Montag und warf der Partei Die Linke eine Verharmlosung der Gefahren von Links vor.

Der Jugendverein Roter Baum e.V. engagiert sich seit knapp 20 Jahren in Stadtteilprojekten und unterhält ein Jugendfreizeitzentrum in Pieschen. Außerdem organisiert der Verein seit 1993 Ferienlagerfahrten vor allem für sozial weniger privilegierte junge Menschen und betreibt ein Demokratieprojekt. Darüber hinaus haben bis heute mehr als 5.000 Jugendliche und ihre Familien an den vom Roten Baum ausgerichteten Jugendweihen teilgenommen und dazu im Vorfeld zahlreiche Bildungsveranstaltungen besucht.

Im Vorfeld hatte sich der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Dresden gegen die erhobenen Vorwürfe positioniert und eine "Jugendarbeit auf der Basis von Demokratie und Fachlichkeit, fern ab von Extremismusklauseln und unverhältnismäßigen parteipolitischen Eingriffen" gefordert. Auch etliche Politiker kritisierten gestern die CDU dafür, mit dem Antrag den Verein finanziell unter Druck zu setzen und seine Arbeit in der Öffentlichkeit zu kriminalisieren. Denn wer die riesige Lücke im Jugend- und Sozialbereich in einem der sozialen Brennpunkte der Stadt im Fall eines Aus schließen könnte, beantwortete der Antrag genauso wenig, wie die Rehabilitation, falls sich die politischen Denunziationsversuche von Teilen des Stadtrats als haltlos herausstellen sollten. Immerhin hatte die Dresdner Staatsanwaltschaft nur wenige Tage nach den Durchsuchungen bestätigt, dass gegen den Trägerverein keinerlei Ermittlungen im Zusammenhang mit Straftaten laufen.
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