Hamburg: Demo "Leerstand zu Wohnraum"

r2d2 24.10.2010 17:12 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
ImageAm Samstag, den 23. Oktober, gingen in Hamburg mehr als 5.000 Menschen unter dem Motto „Leerstand zu Wohnraum“ auf die Straße, um gegen steigende Mieten und Leerstand sowie für die Legalisierung von Hausbesetzungen zu demonstrieren. Aufgerufen hatte ein breites Bündnis von 108 Initiativen, Vereinen und Organisationen.
Bereits im Vorfeld der gestrigen Demonstration hatte es eine intensive Kampagne zu den Themen steigende Mieten und Leerstand gegeben. Initiativen aus der „Recht auf Stadt“-Bewegung kämpfen seit mehreren Monaten für eine soziale Wohnungspolitik der städtischen Wohnungsgesellschaft SAGA/GWG, nach der Besetzung des Gängeviertels kam es immer wieder zu Hausbesetzungen und seit dem Sommer war die Stadt mit Aufklebern von Avanti gepflastert, auf denen im Layout der Astra-Werbung zu lesen war: „Astraturm besetzen. Was dagegen?“.




Demo auf dem Uni-Campus, Aktionen auf dem Dach der ehemaligen HWP und am Pferdestall

Das Bündnis „Leerstand zu Wohnraum“ hatte für den 23. Oktober eine große Demonstration geplant, um v.a. auf den immensen Leerstand von Büroflächen hinzuweisen. Dieser beträgt inzwischen mehr als 1,2 Mio. Quadratmeter, und trotzdem wird weiter gebaut. Gleichzeitig mangelt es an bezahlbarem Wohnraum und die Mieten steigen stetig an. Der Hintergrund dieser „Absurdität des kapitalistischen Immobilienmarktes“ (aus dem Aufruf) ist die Tatsache, dass leerstehende Gewerbefläche als Verluste von der Steuer abgeschrieben werden können. Die damit verbundene Knappheit von Wohnraum treibt wiederum die Mieten in die Höhe. Ziel der Demonstration sollte der Astraturm auf St. Pauli sein, der 2007 gebaut wurde, aber zu 70 Prozent leersteht. Im Vorfeld gelang es dem Demobündnis, 108 Gruppen als UnterzeichnerInnen des Aufrufs zu gewinnen, von den Initiativen aus dem Netzwerk „Recht auf Stadt“ über verschiedene Studierendenvertretungen, die Obdachlosenzeitung „Hinz und Kunzt“ bis hin zum Hamburger Landesverband der Linkspartei.




Demo in Rentzelstraße, Gängeviertel-AktivistInnen, Tuten und Blasen

Mit einer spektakulären Pressekonferenz am 1. Oktober begann die „heiße Phase“ der Mobilisierung. Während die VertreterInnen der bürgerlichen Presse vor dem Astraturm warteten, kam ein Umzugswagen um die Ecke gebogen und AktivistInnen begannen, ein provisorisches Wohnzimmer vor dem Turm zu errichten. In der Hamburger Morgenpost war am folgenden Tag zu lesen: „Stadtteilinitiativen fordern: Besetzt die Bürotürme!“ (Mopo, 2.10.2010). Am 16. Oktober sorgte eine Hausbesetzung im Schanzenviertel für erneuten Wirbel in der Öffentlichkeit. Die BesetzerInnen, die ein neu renoviertes, aber fast vollständig leerstehendes Haus neben der Roten Flora für etwa drei Stunden besetzten, bezogen sich explizit auf die Demonstration. Während 300 UnterstützerInnen vor dem Haus standen, wurden Transparente „Miethaie zu Fischstäbchen“ und „Leerstand zu Wohnraum“ aus den Fenstern gehängt. Gegen 20 Uhr wurde das Haus von der Polizei geräumt. Erstaunlich war das große Echo, das diese Besetzung fand. Sowohl die oppositionelle SPD als auch die mitregierenden Grünen bekundeten – angesichts der Wohnungsknappheit und steigender Mieten – Verständnis für die Aktion. Alle Medien machten auf die Demonstration am 23.10. aufmerksam, die Taz erklärte die Besetzung gar zum „Auftakt einer Kampagne gegen den Leerstand“, deren Höhepunkt die Demonstration sei (Taz Nord, 18.10.2010). Die Mopo fragte: „Droht ein neuer Häuserkampf?“ und zog Parallelen zu den Kämpfen um die Hafenstraße (Mopo, 19.19.2010). Mit einer Pressekonferenz machte das Vorbereitungsbündnis am 21. Oktober erneut auf die Demonstration aufmerksam.



Temporäre Hausbesetzung in der Feldstraße

Ab 13 Uhr sammelten sich bei gutem Wetter mehr und mehr Menschen auf dem Gelände des Universitätscampus. Nachdem erste Redebeiträge gehalten wurden, machten sich mehr als 5.000 Menschen in Richtung Astraturm auf den Weg. Bereits auf dem Uni-Gelände kam es zu mehreren Transparent- und Pyro-Aktionen am Rand der Demo. Das „Fronttransparent“ der Demo bestand aus mehreren, mit den Slogans „Leerstand zu Wohnraum“ und „Besetzung legalisieren“ beschrifteten Umzugskartons, die von AktivistInnen getragen wurden. Die Gruppe Noya hatte aus Pappe zwei riesige Bürotürme gebaut. Insgesamt fuhren mehrere Wagen mit, neben den zwei Lautsprecherwagen ein Umzugswagen, ein Wasserwerfer der Bambulistas und ein Techno-Wagen der Hedonistischen Internationale. Parolen wie „Wohnraum für alle – und zwar umsonst!“ und „Hinter dem Leerstand steht das Kapital, der Kampf um Wohnraum ist international“ wurden gerufen. Die Polizei hielt sich auffällig im Hintergrund. Auch der autonome Block, der neben Leerstand und Besetzungen auch die im November in Hamburg stattfindende Innenministerkonferenz (IMK) thematisierte, wurde im Gegensatz zur „Recht auf Stadt“-Parade im Dezember 2009 von keinem polizeilichen Spalier begleitet.




Leerstand (Neuer Kamp, Real-Markt, Mui-Hotel), autonomer Block, Wagenbewohnerinnen und Museumsfreunde

Das Spektrum, das auf der Demo mitlief, reichte von AktivistInnen aus dem Netzwerk „Recht auf Stadt“ über Flüchtlinge aus dem Lager Horst bis hin zu GewerkschafterInnen von ver.di, deren Vorsitzender Wolfgang Rose wenige Tage vor dem 23. Oktober ebenfalls zur Demonstration mit aufgerufen hatte. Aus dem Flüchtlingslager Horst in Mecklenburg-Vorpommern waren etwa 50 Menschen, hauptsächlich Roma, angereist. Das Lager wird von Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt. Mit einem Hungerstreik hatten Flüchtlinge im September gegen ihre Lebensbedingungen protestiert, am 19. Oktober hatte eine Delegation von ihnen die GAL-Zentrale in Hamburg aufgesucht (Indymedia, 19.10.2010). Ebenfalls zur Demo gekommen waren etwa 100 UnterstützerInnen des Altonaer Museums. Dieses Museum soll den Sparbeschlüssen des schwarz-grünen Senats zum Opfer fallen. In den vergangenen Wochen hatte sich ein breiter Protest dagegen formiert. Nach einer Vorabdemo für den Erhalt des Museums in Altona, schloss sich ein großer Teil von ihnen der „Leerstand zu Wohnraum“-Demo an.



Schwabinggrad-Ballett, verdi-Betriebsgruppe, Wasserwerfer der Demo

Die Demonstration bog schließlich in die Marktstraße im Karolinenviertel ein und zog vorbei an einem leerstehenden Haus, das im November 2009 kurzzeitig besetzt worden war. An einer Kreuzung spielte die Blaskapelle „Tuten und Blasen“ auf. Weiter ging es in der Feldstraße, wo es vor dem ehemaligen Real-Gelände eine erste Zwischenkundgebung gab. In dem Moment, als die Demo den Ort der Kundgebung erreichte, rollten maskierte AktivistInnen in weißen Overalls aus einem leerstehenden Haus Transparente aus, zündeten Pyros und warfen Konfetti. Die Polizei schritt nicht ein, die temporäre Hausbesetzung wurde nach einigen Minuten erfolgreich beendet. Mit Redebeiträgen wurde auf den Konflikt um die Zukunft des ehemaligen Real-Geländes und die Situation von MigrantInnen aufmerksam gemacht. Während sich AnwohnerInnen gegen eine vom Bezirk geplante „Music Hall“ wehren, wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass der Staatsschutz die Bürgerinitiative „die leute: real“ überwacht. Offizielle Begründung: Diese sei Teil des „Recht auf Stadt“-Netzwerks.



Botschaft des Tages, Flüchtlinge aus Horst, Demo-Spitze

Die Demo zog weiter, vorbei am leerstehenden Mui-Hotel in der Budapester Straße. Auch in diesem Haus, das bereits im August temporär besetzt worden war, waren offensichtlich AktivistInnen gewesen. Ein Transparent „Hier entstehen 10 Sozialwohnungen“ hing aus einem Fenster. Nach der Besetzungsaktion in der Feldstraße zeigte hier auch zum ersten Mal die Polizei Präsenz, eine Kette bewachte das Objekt. Zu einer weiteren Transparent-Aktion kam es auf der Reeperbahn, als die Demo an den Esso-Häusern vorbeizog. Ein riesiges Transparent der MieterInnen-Initiativen Esso-Häuser und No BNQ wurde heruntergelassen. Die rund 100 Wohneinheiten der Esso-Häuser waren von der „Bayerischen Bau und Immobilien Gruppe“ aufgekauft worden, die eine Umstrukturierung des Grundstücks anstrebt, die BewohnerInnen aber über ihre Zukunft im Unklaren lässt. Diese befürchten, rausgeschmissen zu werden und keinen bezahlbaren Wohnraum im Stadtteil mehr finden zu können. Im Juli gründete sich deshalb die MieterInnen-Initiative Esso Häuser, die gegen ihre Vertreibung kämpft.



Schwabinggrad-Ballett, Avanti-Transpi

Kurz vor dem Astraturm spaltete sich die Demonstration auf. Mit Polizeiketten war der Turm und der privatisierte Platz davor von den DemonstrantInnen abgeriegelt worden. Security- Angestellte sorgten im Inneren für Sicherheit. Während der große Teil der Demo in einem Schlenker auf der offiziell angemeldeten Strecke vor den Turm zog, nahmen mehrere hundert Menschen den direkten Weg. Hier kam es dann zu ersten Auseinandersetzungen mit der Polizei, die die Menschen mit Pfefferspray und Tonfas angriff. Auf der anderen Seite führte das mit Schaumstoff und Reifen gepolsterte Schwabinggrad Ballett eine Performance vor der Polizeikette auf, auch hier entwickelte sich eine kleine Rangelei. Mit einem Auftritt der Band Caracho und einem Redebeitrag der AG Mieten zur Wohnungspolitik der SAGA endete der offizielle Teil der Demonstration.




autonomer Block, Pyrotechnik, AG Mieten, Aktion an den Esso-Häusern

Die Polizei ließ es sich jedoch nicht nehmen, am Ende noch für eine Eskalation zu sorgen. Etwa 20 AktivistInnen wurden von Polizeikräften mit dem Vorwurf einer Spontandemonstration auf der Reeperbahn eingekesselt. Nach und nach wurden alle einzeln abgeführt, durchsucht und abtransportiert. Mehr und mehr Menschen von der Demonstration zogen nun zum Kessel und setzten sich mit lautstarken Sprechchören für die Freilassung der Betroffenen ein. Die Polizei fuhr daraufhin Wasserwerfer auf und versuchte die Straßen zu säubern, vereinzelt flogen Flaschen.



Streng bewacht: der Astraturm auf St. Pauli

Insgesamt lässt sich aber ein überwiegend positives Fazit der Demo ziehen. Mit mehr als 5.000 Menschen (die bürgerlichen Medien sprechen von 3.000 bzw. 3.500) wurden die Erwartungen des Vorbereitungsbündnisses noch übertroffen. Damit konnte auch an die letzte große Parade der „Recht auf Stadt“-Bewegung vom Dezember 2009 angeknüpft werden. Das Konzept, ein breites Bündnis zusammenzutrommeln, aber dennoch radikalere Forderungen wie die Legalisierung von Besetzungen und die Vergesellschaftung von Wohnraum ins Gespräch zu bringen, hat sich bewährt. Bereits im Vorfeld konnten eigene Positionen in der Öffentlichkeit transportiert werden. Temporäre Besetzungs- und Transparentaktionen am Rande der Demo machten die Entschlossenheit deutlich, die Wohnungsfrage notfalls in die eigenen Hände zu nehmen. Der Kampf gegen steigende Mieten und die kapitalistische Wohnungspolitik wird in den kommenden Monaten weitergehen. Gerade angesichts der Drohungen der Bundesregierung, die Kosten für energetische Sanierungen zu 100 Prozent auf die MieterInnen umzulegen – was für Hamburg Mieterhöhungen von durchschnittlich 100 Euro bedeuten würde (Mopo, 1.10.2010), wird das auch bitter nötig sein.



Polizei bewacht Leerstand, „Recht auf Stadt“-Ballon überwindet Absperrungen (Fotos von Flickr)

NDR-Bericht (mit Videobeitrag)
Mopo
Hamburger Abendblatt

Mehr Infos:

Leerstand zu Wohnraum
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Ergänzungen

Steinbach morgen in Hamburg

Die Linke.SDS Uni Hamburg 24.10.2010 - 17:51
Den Toten zur Ehre – Den Lebenden zur Mahnung
Gegen den unerträglichen Geschichtsrevisionismus und Revanchismus

Erika Steinbach verkündete im September „Ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat“. Dem Nazi-Wehrmacht-Terror in Polen sind 6.000.000 Zivilisten zum Opfer gefallen. Hier Ursache und Wirkung umzudrehen ist nicht nur zynisch, es ist pervers.

Wir rufen anläßlich des Besuches von Erika Steinbach auf zur:

MAHNWACHE FÜR DIE OPFER DES NAZITERRORS IN POLEN

IHR SEID NICHT VERGESSEN – NIE JESTEŚCIE ZAPOMNIENI

MONTAG, 25. OKTOBER, 18 UHR

VOR DER BUCERIUS LAW SCHOOL, JUNGIUSSTRAßE 6, S-BHF DAMMTOR ODER U-BHF STEPHANSPLATZ

 http://dielinkesdsunihamburg.blogspot.com/2010/10/gegen-den-unertraglichen.html

Reeperbahn

Name 24.10.2010 - 18:01
Zu zwei Sachen noch eine kurze Ergänzung:

Die Spontandemo auf der Reeperbahn wurde im Polizeifunk als "60 Vermummte, die Pflastersteine aufnehmen" angekündigt, worauf hin sich die 23. und die 201. Hundertschaft auf den Weg machten. (Stand gerade in deren Nähe, als der Funkspruch kam...)

Und dann noch zur Teilnehmerzahl: Die Polizei hat ziwschenzeitlich von 7000 Demonstranten gesprochen, 5000 erscheint mir aber am realistischsten.

Das war erst der Anfang

zelbo-bot 24.10.2010 - 19:29
Die Demo war 1A, bin begeistert. Viele Leute, viel bunt, viel kreativ.
Leider ohne Happy End, aber das kommt sicher.

Die Kampagne kommt gerade erst in Fahrt.

Nicht vergessen: 10.11 in der Fabrik im Gängeviertel:
Aktionsplenum zur Thematik

radio-podcast

yoyo 24.10.2010 - 19:45
FSK: "Polizeiausschreitungen auf der "Recht auf Stadt" Demonstration in Hamburg"
 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=36799

6000 Menschen auf der Demo (taz)

nwasa 24.10.2010 - 20:24
Sehr guter Artikel in der taz:
 http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/bueroturm-im-sperrgebiet/

Schlagende Polizisten, willkürliche Festnahmen, Einschränkung der Presse- und Demonstrationsfreiheit. Das hat mensch wohl zu erwarten, wenn ein Hardliner wie Ahlhaus regiert.

Und super Sache, dass auch in Redebeiträgen die Situation von Flüchtlingen und Transgendern thematisiert wurde.

Eine Demo, die Mut für die Zukunft macht.

Infoveranstaltung Berlin

IMK geht nicht 24.10.2010 - 23:44
Mittwoch 3.11., 21:00, Kadterschmiede, Rigaer 94, Berlin-Fhain
Infoveranstaltung zur Innenministerkonferenz in Hamburg

Feuerlöscher TV

eigene medien 25.10.2010 - 00:36

Pressmitteilung "leerstand zu Wohnraum"

Bündnis LEERSTAND ZU WOHNRAUM 25.10.2010 - 13:07


*Pressemitteilung*
Demonstration „Leerstand zu Wohnraum“ erhält enormen Zulauf


Die Demonstration „Leerstand zu Wohnraum-Sofort die Wohnungsfrage lösen“
war ein voller Erfolg. Während des Verlaufs des Aufzuges waren bis zu
7000 Teilnehmer_innen auf den Straßen St. Paulis unterwegs, um dem Recht
auf Wohnraum Ausdruck zu verleihen. Um das Recht auf Wohnraum für jede
Person (unabhängig von Alter, Nationalität, Geschlecht, Aussehen oder
Kontostand) mit Nachdruck zu versehen, forderten sie die Legalisierung
von Besetzungen leer stehender Häuser, um der Spekulation mit Leerstand
Einhalt zu gebieten.

Zur Freude vieler beteiligten sich auch Flüchtlinge aus dem
Flüchtlingslager Horst und forderten ihr Recht auf Stadt ein. Die Stadt
Hamburg versucht diese Menschen von jeglichem Leben in der Stadt
auszuschliessen und isoliert sie in Lagern weit vor Hamburg. Unser Kampf
um Wohnraum kann aber nur gemeinsam Erfolg haben. Ob wir uns unsere
Miete nicht mehr leisten können oder ob Flüchtlingskinder nicht in die
Schule gehen dürfen sind nicht die Probleme einzelner. Es sind
elementare Angriffe auf unser Leben die wir nicht einfach hinnehmen werden.

Die Demonstration erhielt großen Zuspruch von den AnwohnerInnen entlang
der Route. An vielen Stellen wurde die Demonstration mit Transparenten
und Plakaten begrüßt, und ständig schlossen sich weitere Menschen dem
Aufzug an. Die Beiträge verschiedenster Initiativen wurden aufmerksam
verfolgt. Am Neuen Kamp hatten AnwohnerInnen kurzzeitig ein Haus
besetzt, um auf den Leerstand des Gebäudes hinzuweisen. Das sind Zeichen
einer ausgeprägten Kultur der politischen Auseinandersetzung um das
Recht auf Stadt. Und es zeigt wie wichtig eine Legalisierung solcher
direkten Aktionen wie Besetzungen gegen Leerstand und Spekulation sind.
Während der Senat noch nicht mal einen Überblick hat wo überall
Leerstand in Hamburg existiert und wer davon profitiert gehen die
Anwohner_innen gemeinsam das Problem direkt an.

Höchst problematisch sehen wir das Handeln der Polizei am Samstag. Dem
Anmelder der Demonstration wurde in völlig unzulässiger Weise mit einem
Strafverfahren gedroh, da der Aufzug entgegen der unverbindlichen
Polizeiprognose einen langsameren Verlauf genommen hatte. Diese
Drohgebärden zur Einschüchterung der Versammlungsleitung entbehrt
jeglicher Rechtsgrundlage. Und das eine Demonstration länger läuft, wenn
mehr als dreimal so viele Personen wie vorher erwartet teilnehmen,
ist ziemlich offensichtlich.

Auch das martialische Auftreten am Ende der Demonstration zeugt vom
mangelnden Feingefühl im Umgang mit einer lebendigen und kreativen
Protestbewegung. Als ein kleiner Teil der Demonstration auf den letzten
Metern eine Abkürzung neben der Demo zum Platz der genehmigten
Abschlußkundgebung nahm, kam es zu einem völlig überflüssigem
Polizeieinsatz. Das harte Auftreten der Beamten wirkte hier unnötig
eskalierend, so wurden im Verlauf auch eine Theaterperfomance des
Schwabinggrad Ballet bedrängt. Dazu paßt, dass nach Ende der Versammlung
ein martialischen Polizeiaufgebot mit Wasserwerfern an der Reeperbahn
kleinen Gruppen auf dem Nachhauseweg nachstellten. Pikanterweise wurde
Teile der anwesenden Presse trotz offizellem Presseausweis untersagt,
den Einsatz zu verfolgen.


Diese Versuche zur Behinderung des Versammlungsrechts und der lebendigen
Auseinandersetzung um gesellschaftliche Fragen sind nicht hinnehmbar.
Denn der Kampf um eine lebenswerte Stadt in der das Recht auf Wohnraum
für alle gilt, fängt gerade erst an. Und diese Auseinandersetzung kann
nicht mit Einschüchterungen und Knüppeln geführt werden. Wir fordern
daher umso vehementer ein Ende der Kriminalisierungsversuche gegen
kritischer Stadtbewohner_innen. Die Energie, die aufgebracht wird um
unsere Initiativen zu überwachen oder unsere Aktionen zu bedrängen
sollte aufgebracht werden um Leerstand und Spekulation in dieser Stadt
zu bekämpfen.

Für die Legalisierung von Besetzungen leerstehender Räume!

Sofortige Einstellung aller derzeitigen Verfahren gegen
Hausbesetzer_innen in Hamburg.


Bündnis „Leerstand zu Wohnraum“

Hamburg, den 24.10.2010

Eveningpaper again!!

shock&awe 25.10.2010 - 13:42
Heute schreibt das Abendblatt noch etwas mehr zum Ablauf der Demo, inkl. Umfrage:

""Auch Büros haben Duschen und Klos"
Von Christopher Beschnitt 25. Oktober 2010, 05:42 Uhr

Mehrere Tausend Menschen demonstrierten am Sonnabend gegen die Hamburger Wohnungspolitik. Es kam zu kleineren Krawallen.

Rotherbaum/St. Pauli. Auf einer Tafel stand "Rainvilleterrasse 4 (alte Seefahrtschule)" geschrieben. Auf anderen Plakaten war "Lagerstraße 2 (Fernsehturm)" zu lesen oder "Bellevue 24 (30er-Jahre-Villa)" - Schilder wie diese trugen am Sonnabend viele der Demonstranten: Sie nannten damit die Adressen leer stehender Häuser in Hamburg - und prangerten gleichzeitig an, warum diese Flächen nicht als Wohnraum genutzt werden.

Zu der Kundgebung gegen Gebäudeleerstand und Wohnungsnot hatte das Aktionsbündnis "Leerstand Wohnraum - sofort die Wohnungsfrage lösen" aufgerufen. Mehrere Tausend Hamburger - laut Polizei waren 3200 Menschen gekommen, nach Angaben des Veranstalters sogar knapp 7000, darunter auch Ver.di-Chef Wolfgang Rose - zogen am Nachmittag vom Uni-Campus im Stadtteil Rotherbaum bis zum teils leer stehenden Astra-Turm auf St. Pauli. Der Protest blieb bis auf wenige Ausnahmen friedlich.

Das Bündnis kritisierte, dass mit rund 1,2 Millionen Quadratmetern ungenutzter Bürofläche in Hamburg Platz für etwa 40.000 Menschen sei, während auf der anderen Seite Wohnungsnot und Mietwucher herrschten. Der Hamburger Senat vertrete mit seiner Wohnungspolitik, so die Organisatoren der Demonstration, einseitig die Interessen von Unternehmen und Vermietern. Die Gruppe forderte daher unter anderem, die Besetzung von Leerstand zu legalisieren. Auch für den Übergang von Wohnraum in gesellschaftliches Eigentum sowie Sanktionen für das Abschreiben leer stehender Büroräume sprach sich das Bündnis aus.

Indes marschierten die Demonstranten entspannt: Manche hatten sich in ein selbst gebasteltes Gebäude-Kostüm gezwängt, andere schwenkten Plakate mit Sprüchen wie "Auch Büros haben Duschen und Klos". Immer wieder skandierten sie: "Wem gehört die Stadt? Uns!" Aus Lautsprecherwagen tönte neben Forderungen wie "Leerstand verschenken!" auch laute Partymusik. Die Menschen - vom Punk mit der Astraknolle bis zum Papa mit Kinderwagen war alles vertreten - zelebrierten ihren Protestzug als friedlichen "Gute-Laune-Marsch": Luftballons stiegen auf, fröhliche Kinder und Hunde tollten umher. Von vielen Passanten ernteten die Protestler Zuspruch.

Zu Spannungen kam es erst, als bei der ersten Zwischenkundgebung am Neuen Kamp plötzlich einige Demonstranten aus einem leer stehenden Haus Konfetti warfen, Feuerwerke zündeten und auf einem Spruchband eine "Fette, fette Leerstandsparty" verkündeten. Die Masse applaudierte, die Polizei schritt jedoch nicht ein, die Lage blieb entspannt. Ebenso, als sich ähnliche Szenen auf der Budapester Straße im ehemaligen Hotel Mui und bei der zweiten Zwischenkundgebung auf St. Pauli am Spielbudenplatz bei der Esso-Tankstelle abspielten. "Diese Aktionen kamen nicht direkt aus unserer Demo heraus", sagte Martin Reiter, 31, einer der Protest-Sprecher. "Allerdings begrüßen wir solche Aktionen durchaus. Sie machen darauf aufmerksam, dass es ein Unding ist, wertvollen Wohnraum und womöglich Kulturdenkmäler einfach verkommen zu lassen."

Dann, als der Protestzug am frühen Abend den Astra-Turm erreichte, gab es doch noch einige unruhige Szenen: Aus der Menge heraus flogen Eier, Flaschen und Böller durch die Luft. Es folgten Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten, die den Platz um den Astra-Turm abgesperrt hatten. Schnell kehrte jedoch wieder Ruhe ein.

Allerdings flammten die kleinen Krawalle nach Demonstrationsende nochmals auf: Hinterher nahm die Polizei auf der Reeperbahn 20 Protestler in Gewahrsam, vier Demonstranten wurden vorläufig festgenommen; ein Wasserwerfer kam dabei zum Einsatz.

Nach einigen Abschlussreden, ein wenig Musik, Gesang und Tanz ging der Protest aber erst einmal recht unspektakulär zu Ende. In Sachen "Probewohnen" (wir berichteten) blieb es bei der symbolischen Ankündigung - in den Astra-Turm kam niemand hinein. Manche der Demonstranten riefen zwar noch "Frei besetzen statt leer besitzen!", aber insgesamt schien die Luft etwas raus zu sein aus diesem Vorhaben. "Aber nur für heute", sagte Constantin Braun, der die Demonstration für Sonnabend angemeldet hatte. "Der heutige Protest wird sicherlich nicht der letzte gewesen sein, wenn die skandalös ungerechte Hamburger Wohnungspolitik so weitergehen sollte wie bisher."

nochmal Abendblatt von heute

hier 25.10.2010 - 13:46
"Die Stadt muss endlich handeln
25. Oktober 2010, 05:36 Uhr

Ein Kommentar von Berndt Röttger

Eigentum verpflichtet, heißt es in Artikel 14 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Da ist es ein Skandal, wenn Hausbesitzer Tausende von Quadratmetern leer stehen lassen, wenn gleichzeitig Menschen in dieser Stadt keinen bezahlbaren Wohnraum finden.

Die mehr als 3000 Demonstranten legten mit ihrem Protest am Sonnabend ihre Finger in eine große Wunde dieser Stadt. In Hamburg fehlt es nicht an teuren Eigentumswohnungen. Aber mangelnder Wohnraum für Geringverdienende ist seit Jahren ein Problem. Und es scheint größer zu werden.

Es besteht dringender Handlungsbedarf. Der kann natürlich nicht in der von Demonstranten geforderten Legalisierung von Hausbesetzungen und dem Ruf nach Enteignungen bestehen. Das ist ebenso absurd, wie die Gebäude in der Erwartung späterer höherer Renditen leer stehen zu lassen, statt sie zu vermieten.

Dauerhafter Leerstand darf nicht geduldet werden. Hier müssen Sanktionen und Anreize für die Umwandlung von leeren Büros in vermietete Wohnungen her.

Und: Die Stadt muss den Bau von günstigen Wohnungen wieder fördern. Nein, damit ist nicht das großzügige Verteilen von Fördermitteln - sprich Steuergeldern - gemeint. Das kann in Zeiten von Schuldenbergen und leerer Staatskassen nicht die Lösung sein. Aber der Senat kann mehr Flächen für sozialen Wohnungsbau stellen und niedrige Baukosten durch geringere Energieauflagen schaffen. Die Stadt muss endlich handeln."

Protestmarsch

welt 25.10.2010 - 14:25
Mehr als 3000 Menschen haben am Sonnabend gegen die Wohnungsnot protestiert. Zu der Demonstration hatte das Aktionsbündnis "Leerstand zu Wohnraum" aufgerufen, dem über 100 Organisationen und Initiativen angehören. Der Aufzug blieb weitgehend friedlich. Erst am Ende und im Anschluss kam es zu Ausschreitungen durch Linksautonome, die einen kleinen Teil der Demonstranten ausgemacht hatten.....

 http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article10518716/Protestmarsch-gegen-Wohnungspolitik-des-Senats.html

Aufsteiger mieten hier!

Monty 25.10.2010 - 23:54
Auch wenn der Spruch sich auf den Fußballverein bezieht - kackendreist ist das ja schon!

FSK: Ausführliche Nachbetrachtung

weidagehds! 26.10.2010 - 12:08
"Nachbetrachtung der Demonstration „Recht auf Stadt“ vom 23.10.2010 einschließlich des Polizeieinsatzes. Betrachtungen zur Bewegung.
Einschaltung der Landespressekonferenz wegen der Behinderung von Medienberichterstattung."

 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=36845

FSK

klara korn 26.10.2010 - 16:59
fsk hört doch bitte mit dieser unwahrheit auf.

nicht jeder der dunkel gekleidet ist, hat was mit der bfe zutun.

es werden immer wieder kennungen gefordert,
dann diese aber auch bitte vom helm ablesen.
in diesem fall war eine 2 auf dem helm
und dieser war auch noch weiss.

somit nix bfe,
sondern ein überforderter mensch der 2ten hundertschaft ;-)

ansonsten empfand ich die demonstration als sehr angenehm und kreativ.




Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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kein — wanderkessel

gute Parole zum Thema — Bootney Farnsworth