"Sekt statt Selters" in der ARGE Erfurt

IL EF 04.10.2010 14:36 Themen: Soziale Kämpfe
Das Kommando „Sekt statt Selters“ hat heute unter dem Motto „Freibier statt Hartz IV“ in der ARGE Erfurt Freibier und Flugblätter verteilt.
Die Leistungsempfänger, die am Monatsanfang in der Schlange stehen, haben eher verhalten reagiert und sich die Zettel und das Bier „für später“ eingepackt. Die Bediensteten waren wenig begeistert: Nach wenigen Minuten wurde das Kommando vom Sicherheitsdienst des Gebäudes verwiesen. Vor der ARGE fanden dann ausführlichere Gespräche mit den Kunden der Agentur statt. Dabei wurde klar: Wenn die Leute nicht mehr im Blick der Sachbearbeiter sind, werden sie deutlich. Viele sind wütend über die verlogene und stigmatisierende Diskussion über die Regelsätze, aber auch über den Umgang mit Arbeitslosen überhaupt. Und wenn eine nette alte Dame in Richtung ARGE ruft „Man müsste sie alle aufhängen“, dann ist diese Ansicht vielleicht nicht der Gipfel der Emazipation, sie zeigt aber, wie wütend die Leute sind.


Das folgende Flugblatt wurde verteilt:
*** Freibier statt Hartz IV ***

In Erwägung daß die Regierung den Armen in einem der reichsten Länder dieser Erde lächerliche 7,19€ im Monat für alkoholische Genussmittel nicht mehr gönnt, haben wir beschlossen, heute Freibier in der ARGE zu verteilen. Wir halten die kleinliche Kürzung für einen weiteren Beitrag dazu, Arbeitslose zu entmündigen und ihnen die soziale Teilhabe zu nehmen. Aber wir lassen uns das gemeinsame Feiern nicht verbieten. Wenn man uns die Bezüge immer weiter zusammenkürzt, nehmen wir uns irgendwann was uns zusteht. Wir schauen irgendwann einfach mal da vorbei, wo man für 7,19€ nicht die alkoholischen Genussmittel für einen Monat, sondern ein Glas guten Wein einkauft. Der Kapitalismus produziert in seinem jetzigen Stadium eine nie dagewesene Fülle an Gütern. Es ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte, daß heute Menschen im Elend leben – nicht weil zu wenig, sondern weil zu viel produziert wird und die hohe Produktivität menschliche Arbeitskraft zunehmend überflüssig macht. Auf lange Sicht kann man diesem Irrsinn nur entgehen, wenn man den Kapitalismus abschafft. Aber bleiben wir realistisch: Für’s erste fordern wir eine bedingungslosen Grundsicherung für alle – selbstverständlich auch für Flüchtlinge und llegalisierte. Eine Grundsicherung ohne Wenn und Aber, ohne Ämterschikanen, ohne Hausbesuche, ohne Arbeitszwang und ohne soziale Trainingskurse. Und ohne, daß uns jemand vorschreibt, wofür wir Geld ausgeben.

Kommando „Sekt statt Selters“ im Oktober 2010

Regelsätze selber machen: http://genug.fueralle.org
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Leute habt ihr mal ein wenig überlegt????

Antialkoholiker 04.10.2010 - 18:13
schon mal gedacht das es alkoholkranke gibt die durch solche aktionen rückfällig werden???
ihr habt sie doch nicht alle!
als ob es ums geld fürs bier geht!
es geht um alltägliche dinge wo auch die unterschicht teil dran haben sollte!
z.b. theater
warum habt ihr keine theaterkarten verteilt???

ist eine scheiss aktion gewesen

notwendiges übel 04.10.2010 - 20:33
als ob alkohol lebensnotwendig ist!
warum nicht mal eine aktion wo man an theater, musen, freizeitparks und dergleichen schilder anbringt mit der aufschrift: hartzIV unerwünscht! so als remage zu juden unerwünscht!
das währe mal eine geile aktion! aber möglichst zeitgleich in mehreren städten! dann kann die presse das nicht mehr verschweigen

zu den kommentaren

x 05.10.2010 - 01:06
ich fand die aktion vom inhalt her beim ersten lesen ganz gut, aber der einwand von "Antialökoholiker" sticht. In der Tat gibt es Menschen, denen kein bier in die hand gedrückt werden sollte, gleichwohl es ihnen zu wünschen wäre, dass der betrag zum kauf von alkoholika mit in ihrem alg2-regelsatz enthalten wäre: nämlich menschen, die selbst entschieden haben, kein alk mehr zu trinken, die sich aber aufgrund von rückfallerfahrungen von jedwedem alk fernhalten.
ich habe kein verständnis dafür, dass die indymedia-moderation die anmeerkung von "antialkoholiker" als "keine inhaltliche ergänzung" bewertet, während "notwendiges übel" angeblich "inhaltlich ergänzend" ausführt, die aufgekleisterte massgabe "hatzIV unerwünscht" an u. a. theatern stelle ein "remage" an das "juden unerwünscht" anderer zeiten dar. nun, es gab in deutschland zeiten, da waren juden nicht "unerwünscht", sondern es war ihnen der besuch bestimmter "arisierter" stätten verboten (z.b. schwimmbäder). hatz-iv-löer wiederum dürfen alles mögliche besuchen, sofern sie eben an anderen stellen sparen, um sich den besuch leisten zu können. diese gesamten ns-vergleiche KOTZEN AN, aber sowas von! hab letztens erst einen aufkleber gesehen, in dem hatz iv mit dem "asozial" abzeichen aus den dt. konzentrationslagern verglichen wurde. es gibt aber einen gewaltigen unterschied, ob jemand per staatsgewalt in ein konzentrations- oder vernichtungslager gesperrt wird oder ob jemand sein geld gestrichen bekommt, wenn er nicht jeder scheissmassgabe der arbei9tsagentur folge leistet.

Leute Leute

nonficion 05.10.2010 - 10:07
Leute werdet einfach mal erwachsen. Natürlich habt ihr es dem Bürgentum mit dem Freibier mal richtig gezeigt, der politische Inahlt eurer Aktion ist aber gleich null. Nehmt einfach andere notwendige Güter wie Lebensmittel oder Freikarten zu Veranstaltungen und das ganze bringt ernsthaft Aufmerksamkeit anstatt als postpubertäre Dickköpfigkeit abgetan zu werden.

Luxus für alle!

Florida Rolf 05.10.2010 - 11:24
Wieso wollen sich eigentlich immer irgendwelche selbsternannten Fürsprecher der Armen anmaßen zu entscheiden, was gut für die Leute ist und was nicht?

Freibier ist eine super Aktion, weil es genau darauf verweist, dass es eben nicht nur um die minimale Grundsicherung gehen kann. Was wir wollen, ist ein gutes Leben für alle, und das bedeutet auch Luxus für alle. (Wobei es natürlich auch ganz schön bescheuerten Luxus gibt...) Und ob die Leute Bier als Luxus empfinden, oder eher Orangensaft, das müssen die schon selber entscheiden. Der Punkt ist aber doch, dass Freibier als Antwort auf die Streichung der sogenannten Genussmittel von Hartz IV, genau das thematisiert. ALG 2-Beziehende sollen kein Recht haben zu überleben, sondern zu gut zu leben. (Zugegeben: Eine Alternative zu Bier, alkfrei, wäre cool gewesen, aber die Aktion war der Oberhammer, großes Lob an die Aktivist_innen!)

Ach ja: Eine weitere Aktion zum Thema, die genau auch diesen Spagat zwischen der populistischen Forderung nach korrektem Überleben und der revolutionären Forderung nach einem guten Leben für alle versucht, gibts am nächsten Sonntag in Oldenburg. Bundesweite Erwerbslosenstrukturen mobilisieren fleißig. Also kommt alle!!! Mehr dazu unter: www.krach-statt-kohldampf.de (einen autonomen Aufruf gibts noch unter: www.alhambra.de/10-10-10-krachschlagen.pdf)