Infos vom Investor fürs Maria-Gelände (B)

tunichtgut 28.09.2010 15:27 Themen: Freiräume Kultur Soziale Kämpfe
Gentrifizierungs-Präsentation live: Hamburger Investor (NPS Tchoban Voss GmbH & Co. KG) fürs Maria-Gelände beim Planungsausschuss Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin am 22.9.2010: Kurzbericht.
Unverhofft kommt oft, und so waren wir am Mittwoch, dem 22.9.2010 Zeugen einer nicht sehr überzeugenden Investorenvorstellung beim Ausschuss "Stadtplanung und Bauen" ( http://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/bvv-online/au020.asp?AULFDNR=37&options=4&altoption=Ausschuss) des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg im Rathaus in der Yorckstrasse. Herr Wiese von der NPS Tchoban Voss & Co. KG ( http://www.nps-tchoban-voss.de) aus Hamburg war zu Gast und stellte gemeinsam mit seinem Architekt die Planungen für die Fläche am Spreeufer an der Schillingbrücke vor - dort, wo heute der Maria-Club besteht, nicht weit vom Ostbahnhof.


NPS Tchoban Voss GmbH & Co. KG aus Hamburg
Die NPS Tchoban Voss ist laut eigener Aussage seit 10 Jahren aktiv und hat in dieser Zeit ca. 20 Projekte mit einem Umfang in der Größenordnung von 30-40 Mio. Euro verwirklicht. Dazu gehört das aktuell im Bau befindliche Projekt der Friedrichstr. 100 nördlich des S-Bhf. Friedrichstraße.


Präsentation des Bauvorhabens
Für das Maria-Gelände planen die Investoren Neubauten für eine Nutzung durch Hotels, Büroflächen und Wohnungen. Büroflächen sollen in einer Größenordnung von 3,500 qm entstehen, die 83 Wohnungen machen mit 22,000 qm den Löwenanteil der neu entstehenden Nutzfläche aus.

In der Präsentation wurde auf die Durchlässigkeit des Bautenblocks mit zwei Durchgängen hingewiesen, wie auch die zurückhaltende Bebauung in Spreerichtung. Mit einem ab dem vierten Stockwerk herausragenden Erker an den Bürogebäuden an der Schillingbrücke wird das IBIS-Hotelgebäude auf der anderen Straßenseite aufgenommen und fortgeführt. Für den öffentlichen Grünstreifen zur Spree hin - ein Ergebnis des Bürger_innenbegehrens für das Spreeufer für alle ( http://www.ms-versenken.org) - erklärt sich der Investor bereit, den Ideenwettbewerb inklusive Bürger_innenbeteiligung zu finanzieren


Fragerunde im Planungsausschuss
Bei der anschließenden Fragerunde für die Anwesenden des Planungsausschusses und des Bezirksparlaments gab es insgesamt einige sehr kritische Nachfragen, Ablehnung, aber auch Zustimmung von ganz verschiedenen Seiten.

Eine erste Nachfrage bestand in der nach den Kosten für die Wohnungen. Herr Wiese sprach hier von 9-10 Euro/qm/Monat Kaltmiete und einem Kaufpreis von 3500 Euro/qm. Die Politiker_innen merkten hier mindestens richtig an, dass in FHain/XBerg Wohnungen in einer eher anderen Preisklasse benötigt werden.

Sehr kritisch wurde der in luftiger Höhe hervorstehende Erkner beurteilt. Neben geschmacklichen Fragen wurde angemahnt, dass dieser Erker die Planungsleitlinien verletzen und die Rote Linie hin zur Spree überschreiten würde. Damit würde gerade der Willen des erfolgreichen Spreeufer-für-Alle-Bürger_innenbegehrens mißachtet, die Bauten in einer festgelegten Entfernung vom Spreeufer zu errichten.

Hinzu kommt die Höhe der Gebäude, die laut Bürger_innenbegehren 22m Traufhöhe nicht überschreiten darf. Hier wollen sich die Herren Investoren & Architekten am Energieforum (in östlicher Richtung) und an den Genehmigungen für die Hotelbauten direkt am Stralauer Platz (nördliche Richtung) orientiert haben - und erreichen 26,30 Meter.


Die Rolle des Liegenschaftsfonds
Schließlich kam auch noch der Liegenschaftsfonds Berlin ( http://www.liegenschaftsfonds-berlin.de) ins Spiel, der die Maria-Fläche nach einem bedingungsfreien Höchstbieterverfahren verscherbelte und es nicht für nötig hielt, die Bieter auf das Bürger_innenbegehren zum Spreeufer hinzuweisen - was vom Bezirk wiederum sehr kritisch bemerkt wurde. Ein Schalk, wer böses dabei denkt und meint, dass der Senat (zur Erinnerung: an der Regierung ist die Linke + SPD) mit Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer sich hier besonders bemüht hätte.

Andere kritische Fragen betrafen dann die der Grundversorgung der zukünftig dort wohnenden - sowohl mit Betreuungs-, Bildungs- als auch Versorgungseinrichtungen. In der Nachbarschaft sind weder ausreichend Kindertagesstätten noch Grundschulplätze vorhanden und müßten vom Bezirk neu eingerichtet werden.

Insgesamt also ein Bauvorhaben, das a) den Wegzug der Maria zur Folge hat, b) Freiflächen an der Spree versiegelt, c) den Spreeraum an der Schillingbrücke weiter aufwertet, d) Konflikte zwischen neuen Bewohner_innen und den an der Spree Flanierenden provozierenen wird, e) den Bezirk bei der Lösung der Wohnungsprobleme kein Stück weiter bringt.


Und das wird vom Berliner Senat und dem Liegenschaftsfonds dann Stadtentwicklung genannt - herzlichen Glückkwunsch!

Fazit ansonsten aber, dass Besuche beim öffentlich tagenden Planungsausschuss (sicher auch in anderen Stadtbezirken und Kommunen!) überaus unterhaltsam und informativ sein können.
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Ergänzungen

Solidarität mit Maria!

MARIo 28.09.2010 - 16:12

Wer ist Investor?!?

Zweifler 29.09.2010 - 01:49
NPS Tchoban Voss ist ein weltweit aktives Architektenbüro. Üblicherweise treten sie nicht als Immobilien-Entwickler, geschweige denn als Investoren (=Geldgeber) auf. deswegen erscheint mir die Meldung irgendwie zweifelhaft, ich frage mich, ob NPS nun tatsächlich die Branche gewechselt haben sollte oder ob andere Auftraggeber dahinter stecken und die Architekten eben mal ihren Entwurf im Ausschuss vorgestellt haben.

The Art of Differenzierung

Zweifler 29.09.2010 - 02:18
Mal anders erklärt, am Beispiel Friedrichstraße 100:
 http://www.l-i-p.de/projects/F100-Hotel/F100-Hotel.htm

Architekten sind NPS Tchoban Voss
Entwickler ist LIP Ludger Inholte Projektentwicklung
Investor ist Hoteles Turisticos Unidos S.A.

Soll heißen: LIP hat sich das ganze ausgedacht, Geld in die Planung gesteckt, wahrscheinlich das Grundstück auf Pump gekauft, hat die Architekten beauftragt und nach Investoren gesucht. Als ein Investor gefunden war, wurde mit dem ein Vertrag geschlossen und die Finanzierung geklärt, wahrscheinlich noch über eine Bank oder ähnliches. Die Architekten sind Auftragnehmer der Entwickler. Die Entwickler managen das ganze, bis es fertig ist. Und die Investoren bezahlen dafür, wenn es fertig ist. Die Entwickler verdienen an ihrem Planungs- und Orga-Anteil, sowie an dem Risiko, das sie tragen, falls es nicht klappt, einen passenden Investor zu finden.

Für die Frage, was wird da geplant und wer profitiert, ist es also wichtig, die Entwickler zu kennen, sowie die zu erwartenden Investoren. Heutzutage baut kaum ein Entwickler, ohne schon einen Vorvertrag mit Investoren in der Tasche zu haben. Das heißt aber auch: wenn die Entwickler erstmal nur eine Idee haben und dafür Architekten beauftragen, damit diese eine ansprechende Gestalt und Fassade sich ausdenken, damit sich das ganze besser verkaufen lässt, dann heißt das noch lange nicht, dass auch gebaut wird. Für das Grundstück des Yaam suchen verschiedene Entwickler seit mehr als 15 Jahren nach Investoren, ohne Erfolg.

Zurück zur Maria:

Bislang waren HochTief Projektentwicklung und Kilian Projektmanagement im Gespräch für das Maria-Grundstück, genauso wie für das benachbarte GASAG-Gebäude, das abgerissen und durch ein Hotel ersetzt werden soll. Die beiden Unternehmen arbeiten im Spreeraum häufiger zusammen. Interessant wäre nun also, ob diese vielleicht die Auftraggeber von NPS Tchoban Voss sind, oder ob sich mittlerweile andere Entwickler eingeschaltet haben.

Auflösung aller Fragen

Zweifler 01.10.2010 - 02:29
Das Springer-Blatt "Berliner Woche" hat als einziges von der Bauvorhaben-Präsentation auf der Sitzung des Stadtentwicklungsauschusses berichtet:
 http://www.fotos-hochladen.net/uploads/maokwrgct0y.jpg

Dort wird klar, dass der oben im Indy-Artikel genannte Herr Wiese nicht von NPS Tchoban Voss ist, sondern vom Entwickler und Auftraggeber Ludger Imholte Projektentwicklung (LIP). Diese planen an der Ecke Stralauer Platz / An der Schillingbrücke den Bau eines Hotels mit 200 Betten und direkt an der Schillingbrücke ein Bürohaus mit 3500 qm Nutzfläche. Am Spreeufer werden darüber hinaus in zwei sechsstöckigen Gebäuden noch 83 Wohnungen geplant. Der Artikel nennt ebenfalls die Preise 3500 Euro pro Quadratmeter bzw. 9-10 Euro Miete pro qm.

Der im Berliner-Woche-Artikel genannte Architekt Alf Prasch gehört tatsächlich zu NPS Tchoban Voss.