Chemnitz: Polizei stürmt Wohnprojekt

Charles Bronson 19.09.2010 15:28 Themen: Freiräume Kultur Repression
Polizei stürmt gewaltsam alternatives Wohnprojekt Reitbahnstraße 84 - Verein verurteilt massives Vorgehen und Sachbeschädigung
Am Samstag, den 18.09.2010, um ca. 14.30 Uhr umstellte die Polizei das Karree Reitbahnstraße/Fritz-Reuter-Straße und drang gewaltsam in die Häuser Reitbahnstraße 84 und Bernsbachplatz 6 ein. Zu diesem Zeitpunkt waren der Verein zur Wiederbelebung kulturellen Brachlandes (WkB e.V.) und Anwohner damit beschäftigt, das dort ansässige alternative Wohn- und Kulturprojekt zu beräumen. Gemäß der durch die GGGmbH ausgesprochenen Kündigung muss das Objekt am Montag den 20. September beräumt an die Eigentümerin übergeben werden.

10 Einsatzwagen riegelten die Kreuzung am Bernsbachplatz ab. Die teilweise vermummten Polizeibeamten drangen in den Veranstaltungsraum ein und führten die dort befindlichen Personen ab. Es wurden Personenkontrollen durchgeführt und Personalien festgestellt.

Anschließend drang ein Räumkommando ohne Vorwarnung gewaltsam mittels Rammbock und Brecheisen in das Wohnobjekt ein. Im Zuge dessen kam es zu massiven Sachbeschädigungen seitens der Polizei. Eine Haustür zur Straße wurde von innen zerstört. Beide Eingangstüren mussten von der GGG notdürftig repariert werden. Die Beamten brachen im Haus Türen zu Toiletten und Abstellkammern auf. Weiterhin wurde Vereinseigentum beschädigt. „Die Polizei drang sogar gewaltsam in Flächen ein, die der
Verein gar nicht gemietet hat.“, so ein Vertreter des WkB e.V.

Ein Ansprechpartner des Trägervereins wurde nicht gesucht. Ein Vorstandsmitglied bestätigte empört: „Dass Polizeibeamte ins Wohnhaus wollten, wurde erst klar, als die Tür aufgebrochen wurde. Man hätte einfach klingeln können. Eine Aufforderung, die Tür zu öffnen gab es vorher nicht.“

Über die Gründe für den massiven Einsatz herrscht auf Seiten des Vereins Ratlosigkeit.
Der Verein hatte sich mit GGG und Stadt über die Räumung des Objektes zum 20. September verständigt. Ein solch überzogener Polizeieinsatz mitten in den Räumungsarbeiten verwundert deshalb umso mehr.

In Anbetracht zurückliegender Polizeieinsätze im Zusammenhang mit der Reitbahnstraße 84 erhärtet sich beim Verein zur Wiederbelebung kulturellen Brachlandes der Verdacht, dass mit dem Einsatz dem Feindbild linksalternativer Projekte Genüge getan werden sollte. Der Verein erwägt, rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen des Polizeieinsatzes einzuleiten.

Vorstand Wiederbelebung kulturellen Brachlandes e.V.
E-Mail: reba84(ät)riseup.net
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Ergänzungen

Freie Presse online zu Polizeiübergriff

presseschau 19.09.2010 - 20:33

 http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/REGIONALES/7478100.php
Erschienen am 19.09.2010

Chemnitz: 25 Polizisten durchsuchen Exka-Quartier
Grund: Farbe aus Fenster gekippt


Chemnitz. Während des Auszugs der am Experimentellen Karree (Exka) beteiligten Vereine aus der Reitbahnstraße 84 hat es am Samstagnachmittag einen größeren Polizeieinsatz gegeben. Grund dafür war Farbe, die aus einem Fenster des Hauses auf die Straße gekippt wurde. Der Gehweg und eine Fahrbahn am Bernsbachplatz trugen noch am Sonntag deutliche Spuren davon. Das Gebäude soll am Montag leergeräumt an die GGG als Vermieter übergeben werden. Die Vereine beziehen mehrere andere Quartiere unter anderem an der Leipziger/Ecke Limbacher Straße.

Laut Polizeisprecher Frank Fischer hatte ein Schwall weißer Farbe am Samstag gegen 13.45 Uhr einen BMW getroffen, dessen Fahrerin an der Ampel halten musste. Darauf hin setzte die Polizei 25 Beamte in Marsch. Sie wurden unter anderem aus Limbach-Oberfrohna abgezogen, wo zur gleichen Zeit ein alternatives Jugendfestival stattfand. Beim Einsatz an der Reitbahnstraße sei es darum gegangen, denjenigen zu ermitteln, der die Farbe aus dem Fenster geschüttet hatte. "Das war ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr", so Fischer. Er räumte ein, dass bei dem Einsatz auch Türen gewaltsam geöffnet wurden.

Der Vorstand des Vereins zur Wiederbelebung kulturellen Brachlandes wirft der Polizei ungerechtfertigt hartes Vorgehen vor. Die Mitglieder seien gerade dabei gewesen, ihr alternatives Wohn- und Kulturprojekt auszuräumen, als gegen 14.30 Uhr zehn Einsatzwagen den Bernsbachplatz abgeriegelt hätten. Teilweise vermummte Polizeibeamte seien in den Versammlungsraum eingedrungen und hätten die Personalien der Anwesenden festgestellt. "Anschließend drang ein Räumkommando ohne Vorwarnung und mittels Rammbock und Brecheisen in das Wohnobjekt ein", erklärte der Vorstand gegenüber der Presse.

Zu diesen Vorwürfen wollte sich Polizeisprecher Fischer am Sonntag noch nicht äußern. (MIB/GP)

Tipp

... 19.09.2010 - 20:39
sucht euch sowohl anwaltliche wie auch politische Unterstützung;

reicht (mit oder ohne Anwalt) Dienstaufsichtsbeschwerde ein (ggf. auch Anzeige erstatten), wenn dies als formaler Vorgang bei der Polizei (oder besser bei der Staatsanwaltschaft) auf dem Tisch ist, kommen sie auch nicht drumrum, sich dem Vorgang anzunehmen. Ob später eine Einstellung bei rauskommt, ist noch eine andere Sache, aber ihr habt spätestens dann die Option die Akten mittels Anwalt einzusehen. Spätestens da könnt ihr feststellen, auf welcher rechtlichen Grundlage der Einsatz fußt. Spätestens damit könnte mensch dann möglichst öffentlichkeitswirksamer Unterstützung den Einsatz nochmal als rechtswidrig skandalisieren.

Sucht euch möglichst umgehend eine(n) sympathisierende(n) Landtagsabgeordneten, der/die hierzu Aufklärung im Innenausschusses des Landtages einfordert.

[um mal staatsbürgerliche Rahmenbedingungen zu verstehen und zu nutzen] In anderen Bundesländern (zB Sachsen-Anhalt; hier sind es vorrangig Fehlleistungen im Umgang mit und im Nachgang von rechten Straf- und Gewalttaten) hat ähnliches Vorgehen dafür gesorgt, das 'Polizeivergehen' einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Folge hatte und hierdurch massiver Druck auf Innenministerium und Polizei zustande kam. Hier und da wurden diverse verantwortliche Beamte versetzt.

Nur durch kontinuierliche Ansätze, dem Polizeiapparat auch zu zeigen, dass es Möglichkeiten gibt sich zur Wehr zu setzen und ihnen Probleme zu bereiten, kann es funktionieren, dem Vorgehen ausser Kontrolle geratener Beamter etwas entgegenzusetzen. Dienstrechtliche Ermittlungen haben wahrscheinlich nur in Einzelfällen tatsächlich Erfolg. Im Polizeiapparat spricht sich aber rum, dass sich Betroffene nicht alles gefallen lassen, was langfristig - sofern solches Vorgehen zur Selbstverständlichkeit wird und regelmäßig erfolgt - zur Zurückhaltung von durchgeknallten Beamten führen sollte, weil jeder einzelne Beamte um seinen Job und Ermittlungen gegen sich selbst fürchtet.

...oder mensch bleibt auf der alten Schiene; Staat und Bullen sind scheiße - und deshalb gibts auch keine Bereitschaft, sich auf diese formalen Spielchen einzulassen...
Damit macht mensch einigen Arschlöchern aber die Arbeit leichter...

überzogener Polizeieinsatz

Beobachter 20.09.2010 - 08:02
Ein bisschen ausgekippte Farbe beim freiwilligen und geordneten Beräumen eines Hauses zum "gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr" hochzustilisieren, um dann mittels "Gefahr im Verzug" jeden Zugriff rechtfertigen zu können, ist eine an den Haaren herbeigezogene aber übliche, unseren Gummiparagraphen im sächs. Polizeigesetz geschuldete Vorgehensweise.
Fakt ist, dass die Sachbeschädigungen durch den Polizeieinsatz deutlich höheren Schaden verursacht haben, wie die ein/ zwei wie und warum auch immer umgefallenen Farbeimer. Die Polizei hat offensichtlich nie versucht auf normalem Wege in das Haus zu gelangen und hat auf eine Art und Weise das Haus gestürmt, die wie in einem schlechten Actionfilm klingt und eher einer scheinbar willkommenen Möglichkeit zum Einsatztraining unter realen Bedingungen, als einem nötigen und gerechtfertigten Einsatz entspricht. Darauf deuten Sprüche wie: "Wer sich freiwillig ergibt kommt mit erhobenen Händen raus", unmittelbar nach dem Aufbrechen der Haustür hin. Darüber hinaus wurden weit mehr Türen aufgebrochen wie nötig und außerdem kann es niemand als eine notwendige Gefahrenabwehrmaßnahme deklarieren, wenn von Baumaschinen Stecker abgeschnitten werden (Bohrhammer, siehe Foto oben).
Entlastend für die Polizei lässt sich lediglich feststellen, dass es wohl keine Verletzten bei der Erstürmung gab, was bei solchen Einsätzen alles andere als selbstverständlich ist.
Erwähnenswert ist außerdem, das die jüngsten von dieser sinnlosen Razzia betroffenen Bewohner vier Kinder zwischen 2 Monaten und 7 Jahren waren! Das hinterlässt sicher einen bleibenden Eindruck....

Zu den bisher gemachten Rechtshilfetipps:
Abgeordnete vom sächs. Landtag und Bundestag waren schnell involviert und haben gemeinsam mit einer Anwältin versucht mit der Polizeieinsatzleitung zu verhandeln. Eine politische (parlament.) Aufarbeitung wird soweit sinnvoll geschehen, allerdings ist das kein Fall für einen Untersuchungsausschuss, wie hier geraten wurde.
Ein Fortsetzungfeststellungsklage, um die Rechtmäßigkeit des Einsatzes gerichtlich prüfen zu lassen sollte überlegt werden. Dienstaufsichtsbeschwerden bringen meiner Meinung nach nicht viel, machen allerdings solche Vorgänge zumindest aktenkundlich.

Zu den eingesetzten Beamten:

Es handelt sich um den Einsatzzug bzw. die BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) der PD Chemnitz-Erzgebirge. Also die extra geschulten Hau-drauf-Bullen, die nach dem schließen der Chemnitzer Bereitschaftspolzeiabteilung noch übrig geblieben sind. Sozusagen die üblichen Verdächtigen, die immer wenn es darum geht mal wieder den Zecken zu zeigen wos lang geht zur Stelle sind. Einige der anwesenden Beamten gehören zu den schlimmsten bzw. berüchtigsten Chemnitzer Cops.

Wie die Polizei selbst zugibt, sollte dieser Zug eigentlich im 20km entfernten Limbach-Oberfrohna das von Naziübergriffen bedrohte Stay-Rebel-Festival, eine Antifa-Kundgebung mit Konzert und inhaltlichen Workshops, "beschützen". Scheinbar war das zu langweilig, außerdem hat man es doch noch locker geschafft, nach dem Warmlaufen in Chemnitz, 30 provozierenden Nazikids Platzverweise zu erteilen. Also alles kein Problem - Oder? ......

Chemnitz - Schön hier zu sein!

das opfer ...

blabla 20.09.2010 - 09:03
Das Opfer weiß laut einen Artikel in der Chemnitzer Morgenpost (mit Bild in der superdramatischen Ultrafroschperspektive) noch nicht mal ob überhaupt ein Schaden entstanden ist, üblicherweise lässt sich Wandfarbe ganz einfach mit Wasser abwaschen besonders wenn sie noch nass ist. Wenn man sich die Photos ansieht kann man erkennen das ein möglicherweise vorbeifahrendes Auto allerhöchsten ein paar kleine Spritzer abgekriegt haben kann. Aber einfach die Farbe fix mit einen Taschentuch abzuwischen und die Jugendlichen Rabauken zu ermahnen reicht nicht, da muss man die Bullen rufen und die müssen daraus natürlich einen Großeinsatz machen (ohne sich davon überzeugt zu haben ob überhaupt eine rechtliche Grundlage vorhanden ist). Ich hoffe nur dass sich da juristisch zur Wehr setzt und das sich das nächste mal überlegt wird ob man unbedingt aus Frust Farbeimer rum schmeißen muss. Da können sicher einige Beteiligte jetzt wahnsinnig stolz sein.

Freie Presse online zu Polizeiübergriff (1.)

war dabei 21.09.2010 - 23:12
 http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/REGIONALES/7477913.php

Chemnitz: Überzogener Polizeieinsatz im "Exka"?

Verein erhebt schwere Vorwrüfe - Polizei weist diese zurück

Foto: dpad

Chemnitz. Hat es am Wochenende im alternativen Wohnprojekt an der Chemnitzer Reitbahnstraße, dem Experimentellen Karree ("Exka"), einen überzogenen Polizeieingriff gegeben? Der Vorstand des Vereins zur Wiederbelebung kulturellen Brachlandes erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge. Vereinsangaben zufolge sollen Beamte teilweise vermummt zuerst in einen Veranstaltungsraum eingedrungen sein, um Personalien aufzunehmen. "Anschließend drang ein Räumkommando ohne Vorwarnung gewaltsam mittels Rammbock und Brecheisen in das Wohnobjekt ein. Im Zuge dessen kam es zu massiven Sachbeschädigungen seitens der Polizei", heißt es in einer Mitteilung des Vereins. Und weiter: "Die Beamten brachen im Haus Türen zu Toiletten und Abstellkammern auf. Weiterhin wurde Vereinseigentum beschädigt." Über die Gründe für den Einsatz herrsche auf Seiten des Vereins Ratlosigkeit.

Nach Darstellung der Polizei wurden am Samstag Beamte von einem Festival in Limbach-Oberfrohna nach Chemnitz geschickt, nachdem aus einem Haus an der Reitbahnstraße Farbe geschüttet worden war, der einen BMW traf. Insgesamt waren 25 Beamte im Einsatz, um Personalien aufzunehmen. Die hohe Zahl der Polizeikräfte begründet die Polizei mit dem Umstand, dass das Experimentelle Karree am Wochenende geräumt werden musste. Man habe für Ruhe beim Auszug sorgen wollen. Den Einsatz von Rammbock und Stemmeisen bestreitet die Polizeidirektion. Beides werde nur von Sondereinsatzkommandos genutzt.

Für den Verein erhärtet sich indes der Eindruck, "dass mit dem Einsatz dem Feindbild linksalternativer Projekte Genüge getan werden sollte".

Der Urheber der "Farbattacke" konnte bislang nicht ausfindig gemacht werden. Er soll sich unter jenen 30 Personen befinden, deren Personalien die Polizei am Samstag aufnahm. (GP/fp)

Erschienen am 19.09.2010

Anmerkungen: dieser Artikel stand vor dem oben genannten bei www.freiepresse.de. Bemerkenswert ist die Passage mit dem SEK.

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