B: Sexistisches Konzert gegen Polizeigewalt

Roland Ionas Bialke 18.09.2010 21:41
Heute, am 18. September 2010, fand in Berlin ein Konzert gegen Polizeigewalt statt. Auf dem Reuterplatz im Berliner Stadtteil Neukölln sollte dem am 31.Dezember 2008 von Polizisten ermordeten Dennis J. gedacht werden und gegen Polizeigewalt demonstriert werden. Stattdessen fanden sich jedoch 500 bis 1000 Personen, grösstenteils aus den linken Szenen, ein, um ihr sexistisches Verhalten gemeinsam darzubieten, ihre Gewaltphantasien auszuleben und Alkohol zu konsumieren.
Als etablierte linke Politgruppen es ankündigten und dafür warben, war es schon klar: Bei diesem Konzert würde es zu einen Konflikt kommen. Doch der Konflikt blieb aus - Niemand wehrte sich gegen das sexistische Gebaren auf diesem Konzert. Niemand leistete Widerstand. Angekündigt waren u.a. Massiv und Blockwart, Musikacts, die für ihre sexistischen Texte bekannt sind. Siehe:  http://de.wikipedia.org/wiki/Massiv_(Rapper) - Massiv machte u.a. Musik für die von MC Basstard betriebene Label Horrorkore Records. Dieses Label produziert Musik, welche Adolf Hitler und das Vergewaltigen von Frauen feiert.

Sprechchöre wie "Fick die Polizei", "Ich ficke Deine Klicke", "Bitch", "Sarazin - Hurensohn" und "Mutterficker" kamen von der Bühne oder wurde von mehreren hundert Personen gemeinschaftlich gerufen. Die Vorkontrollen der Polizei wurden nicht sachlich thematisiert, sondern in Hetzermanier wurde von der Bühne über die Lautsprecheranlage die Masse aufgefordert die Fäute zu heben und dem Sprecher nachzusprechen: "Was halten ihr von denen?, dröhnte es von der Bühne, und mehrere hundert Männer und Frauen riefen: "Hurensöhne!".

Ich hoffte, dass das Konzert nur aus dem Ruder gelaufen sei und war erfreut, als ein bekannter linker Aktivist auf die Bühne kam. Ich dachte, nun sagt er was gegen diese sexistischen Sprechchöre und die sexistischen Musiktexte. Doch ganz in Gegenteil, er stachelte die Masse noch weiter an und bezog sich in keinster Weise auf diese nicht duldbaren Geschehnisse. Vielmehr konnte ich beobachten, dass das Konzert fast durchweg von linken Gruppen und Einzelpersonen veranstaltet wurde, die sich sonst mit dem Kampfbegriffen "emanzipatorisch" oder "antisexistisch" schmücken.

Die hunderten Gesichter, die das Konzert und den Sexismus abfeierten, sind von linken Demonstrationen bekannt. Der Rest waren Anwohner und Anwohnerinnen, die sich ebenfalls sexistisch, konsumierend und Macker- bzw. Mackerinnenhaft verhielten. Nur wenige stimmen äusserten sich gegen das Konzert. Am Rande vernahm ich eine Frau, die sinngemäss sagte, dass sie diesen Sexismus und diese Macker wiederlich findet. Als ein Musikact dann auch noch von "Wir haben nur einen Gott!" rappte, schrie ein Mann: "Kein Gott!". Etwas später rappte Massiv neben der Antifaflagge und den Antifa-DJ, der sich sonst gegen "die scheiss Nation" einsetzt, davon, dass, wenn er Deutscher wäre, er sich einen Adler auf den Unterarm tätowieren lassen würde.

Ich weiss nicht, was in die linken Gruppen und linken Einzelpersonen gefahren ist, die das organisiert haben. Ich weiss nicht, warum das Konzert nicht abgebrochen wurde, und warum niemand etwas dagegen gemacht hat. Ich weiss, dass hier mein Vertrauen verletzt wurde und meine Grenze überschritten wurde. Auf Demonstrationen und ähnlichen Veranstaltungen, die von linken Gruppen veranstaltet werden, erwarte ich, dass ich dort Verbündete finde und u.a. vor gewalttätigen, sexistischen und rassistischen Angriffen geschützt werde. Solche Demonstrationen sollen Schutzräume sein.

An dieser Stelle gab es eine Grenzverletzung gegen mich! Ich fordere daher meine Definitionsmacht ein und verlange einen Ausschluss aller organisierender Gruppen und Einzelpersonen, sowie aller teilnehmenden Personen, aus allen Freiräumen und emanzipatorischen Demonstrationen. Die Forderung halte ich jeweils solange aufrecht, bis sich die jeweilige Gruppe oder die jeweilige Einzelperson mir gegenüber oder öffentlich zu dem Vorfall erklärt hat.

In der letzten Zeit häufen sich bundesweit solche Vorfälle. Als ich das gemeinschaftlich gerufene Wort "Huhrensohn" auf dem Konzert hörte, musste ich spontan an das Schanzenfest in Hamburg vor ein paar Tagen denken. Dort hatten mehrere Dutzend Personen sich gegenüber der Polizei mit "Polizei - Hurensöhne" gemeinschaftlich geäussert. Inwieweit linke Gruppen in Hamburg am Schanzenfest beteiligt sind und Kontrolle über das Fest haben, kann ich nicht nachvollziehen. Hier in Berlin, hatten "linke Gruppen" volle Kontrolle über das Konzert und "linke Einzelpersonen" waren das sexistische Klientel.

Ich komme mir wie vor dem Kopf gestossen vor: Die Menschen, die hier aktiv Sexismus und Gewaltphantasien organisiert haben, waren meine Vorbilder und haben mich geformt. Ich kann das nicht glauben und halte eine Diskussion für dringend notwendig. Ich demonstriere auch nicht gemeinsam mit Neonazis für den Umweltschutz oder mit der Polizei gegen Rassismus. Also werde ich auch nicht gemeinsam mit Sexisten und Sexistinnen gegen Polizeigewalt demonstrieren.

Fehler machen Wir alle! Vor einigen Jahren habe ich z.B. auf meiner Homepage von "Schlampen" geschrieben. Und als ich vor einigen Monaten einen chicen Flyer gestaltete und noch eine politische Homepage dafür suchte, hätte ich beinahe für "Infokrieg" geworben. (Ich wusste nicht, dass dort antisemitische Menschen etc. für ihre z.T. rassistischen Ideologien werben.) Sowas kann passieren. Mir haben emanzipatorische Menschen geholfen, dass ich mich ändere und meine Fehler erkenne. Ich dachte jedenfalls, dass sie emanzipatorisch wären - was ich seit heute, seit diesem Konzert, falsifiziert habe.

Auch wenn es ein dummer Fehler war: Was nun nicht passieren darf, ist, dass über diesen Vorfall nicht diskutiert wird.

Roland Ionas Bialke, 18. Septermber 2010
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Ergänzungen

Gegendarstellung

Al Barilla 18.09.2010 - 22:12
Nachdem über einen an sich postiven Versuch, Jugendliche über das Thema (rassistische) Polizeigewalt zu politisieren derart negativ berichtet wurde, möchte ich einiges entgegen:

Zunächst einmal stimmt es, dass viele dieser Parolen mehrheitlich von den allermeisten (auch Politaktivist_innen, "Leute, die es besser wissen sollten") gerufen wurden.

1. Du machst allerdings einen falschen Übergang. Die Verwendung von Begriffen wie "Hurensöhne", "ficken", etc. hat zwar eine sexualisierte Konnotation, ist aber deswegen noch nicht sexistisch. Auch wenn einem die "Jugendsprache" nicht gefallen mag, so sind diese Wörter nunmal allen bekannt und daher unmissverständlich. Und das Sprache nun Gewaltverhältnis blabla, dass kannst du deinen Diskursgenderheinis an der Uni erzählen.
2. Es ging darum, die Bullen zu beleidigen. Wenn ich jmd. aus welchen Gründen auch immer, beleidigen möchte, dann finde ich dazu beleidigende Kraftausdrücke. Das "Hurensohn" die Wut vieler trifft, ist leider so.
3. Es sind Begriffe. Wenn du thematisierst, dass grade Massiv einige (,viele) dumme Textzeilen hat und den Jugendlichen was von Gott und der Welt erzählen will, dann solltest du den Zuhörer_innen ihre eigene Fassungsgabe lassen und Sie nicht zu willenlosen Objekten, die "Fotze" hören und deswegen anfangen, unbegründet Frauen als Frauen zu schlagen.

Bei dieer Aktion ging es darum, Menschen zu verbinden über den Anlass, dass ein bezirksweit bekannter Mensch von den Bullen erschossen wurde, und sein Mörder 2 Jahre auf Bewährung gekriegt haben. Ich halte nicht viel von Gerechtigkeit, Justiz, nichts von Strafen etc. Nichtsdestotrotz wurde auch Gerechtigkeit für Denny gefordert. Bauchschmerzen? Nein, denn wnn das Ziel einer emanzipatorischen Bewegung, die hiesiegen Verhältnisse abzuschaffen, muss Sie mehr werden, die Menschen überzeugen und dazu ersteinmal rankommen. Dieses Konzert war kein temporärer Schutzraum (falls es solchen Quatsch überhaupt gibt), sondern hatte einen anderen Zweck. Hat leider nicht recht funktioniert.

Noch ein Video zu dem Thema

Roland Ionas Bialke 18.09.2010 - 22:20

Bilder...

Muskopf 18.09.2010 - 23:18
Bilder von der Kundgebung / Konzert / Polizeigewalt:

 http://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157624859505425/

Weitere Bilder vom Wochenende

... 19.09.2010 - 12:53

Blockwart

Anna 20.09.2010 - 05:37
Bialke, warum intervenierst du nicht. Warum kritisierst du angebliche Verhaltensweisen auf indy und nicht in der eigentlichen Situation?

Um auf deine "Kritik" an blockwart einzugehen: Ich habe den selbst teilweise als problematisch angesehen. Nach persönlichen Gesprächen mit ihm, kann ich dir nur vorwerfen dieses nicht gesucht zu haben. Und glaube mir genug Leute aus der Szene haben mit ihm schon über diverse Texte diskutiert. Er nimmt diese Kritik auf. Seine Liedern und allgemeinen Auftreten Sexismus vorzuwerfen i
verfehlt das Thema. Wenn du hier meinst ihn aus linken zusammenhängen ausschließen zu können wird dich jeder, der mit ihm schon politische Praxis genossen oder auch nur ein paar Sätze gewechselt hat, auslachen.

weitere bilder

--- 06.10.2010 - 15:54

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Indymedia — ich

Lieber Roland — Kuschelbär

löschen — iodsert

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B hat auch nix dagegen gemacht — Dabei gewesener

Massiv - Aufforderung zur Stellungnahme — Bialke sexualisiert

Tut ja — schon weh

Prolliger Mob — ...