EU-Terrorismusliste in Erster Instanz nichtig

... 17.03.2010 00:55 Themen: Repression
In einem Urteil mit weitreichenden Konsequenzen hat das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg am 30. September 2009 die Beschlüsse des Europäischen Rats über die Konteneinfrierung und die Eintragung in die EU „Terrorismusliste" bezüglich des philippinischen Politikers und Publizisten Prof. Jose Maria Sison, der im holländischen Exil lebt, für nichtig erklärt. Der Europäische Rat hat entschieden, keine Berufung gegen dieses Urteil einzulegen und Herrn Sison von der Liste zu nehmen.
Herr Sison, der unter anderen auch vom Generalsekretär des ECCHR Wolfgang Kaleck vertreten wurde, wurde zunächst im Oktober 2002 in die Liste aufgenommen. Bereits 2007 urteilte das europäische Gericht erster Instanz, dass die Aufnahme in die Liste gegen Sisons Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention) verstoße, da er ohne jegliche Begründung mit den Sanktionen konfrontiert wurde und ihm damit auch keinerlei Gelegenheit gegeben war, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen.

Die EU ließ Herrn Sison als Reaktion auf das erste Urteil eine Begründung zukommen, in der sie äußerst knapp ihre Entscheidungen und seinen Verbleib auf der Liste erklärt. Sisons Verteidiger unter Leitung des belgischen Rechtsanwaltes Jan Fermon stellten daraufhin einen erneuten Antrag, in dem alle Anschuldigungen in der Begründung der EU widerlegt wurden und ferner herausgestellt wurde, dass die Aufnahme in die EU-Liste im Wesentlichen auf einer Entscheidung der holländischen Regierung beruhten.

Entsprechend dem EU-Recht ist der Europäische Rat befugt, solche Gruppen oder Individuen in die Terrorismusliste aufzunehmen, bezüglich derer eine Entscheidung einer zuständigen Behörde vorliegt, die mit der Untersuchung einer versuchten oder begangenen terroristischen Handlung betraut war. Diese Entscheidung wiederum muss aus „glaubhaften Beweisen" resultieren.

Am 30. September 2009 urteilte das Gericht, dass den Entscheidungen der holländischen Behörden, auf die sich der Europäische Rat zum Einfrieren der Konten des Antragsstellers berief, entgegen der Voraussetzungen des Gemeinschaftsrechts weder ein laufendes Ermittlungsverfahren, noch eine Verurteilung wegen terroristischer Aktivitäten zugrunde lag.

Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung, da es für die europäischen Gerichte einen Präzedenzfall zur Beurteilung der inhaltlichen Substanz von Vorwürfen gegen Gruppen und Individuen auf der Terrorismusliste begründet. Zukünftig müssen zumindest ein laufendes Ermittlungsverfahren oder eine Verurteilung wegen terroristischen Straftaten bei einer Person festgestellt werden, um ihren Verbleib auf der Liste zu rechtfertigen.

Ben Hayes, Programmdirektor Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte beim ECCHR, meint dazu:

„Das ist ein willkommenes Urteil, das entgegen der bisherigen EU-Praxis festhält, dass Einzelpersonen von der EU durch die bloße Benennung eines Mitgliedsstaats als ‚Terrorist' bezeichnet werden können. Das Gericht hat wirksam festgestellt, dass derartige exekutive Entscheidungen keinen Platz in einem Europa der Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit haben."

Herr Sison hat bislang keine Entschädigung erhalten. Außerdem steht er weiterhin auf US-amerikanischen Listen.
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