Steh auf, Baskenland!

Uschi Grandel (Info Baskenland) 17.02.2010 18:18 Themen: Weltweit

Die baskische linke Unabhängigkeitsbewegung veröffentlicht das Ergebnis ihrer Strategiediskussion: "Die abertzale Linke hat die aktuelle Situation und den baskischen politischen Prozess analysiert und diskutiert. Sie tat dies nicht in kleinen Zirkeln an geheimen Orten, sondern führte im Gegenteil die Debatte im Großen mit allen ihren Mitgliedern und ihrer sozialen Basis. Es war eine demokratische Übung, eine wirksame demokratische Übung, die uns erlauben wird, unsere politische Strategie zu definieren."

So beginnt das Schlussdokument "Steh auf, Baskenland!", das die baskische linke Unabhängigkeitsbewegung nach monatelanger intensiver Diskussion am letzten Montag veröffentlichte. Über 7000 Aktivistinnen und Aktivisten hatten in über 270 Veranstaltungen den Entwurf "Klärung der politischen Phase und der Strategie" diskutiert und mit überwältigender Mehrheit angenommen. Zieht man in Betracht, dass der spanische Staat in den letzten Jahren die meisten Organisationen der abertzalen Linken verboten hat und viele führende politische Aktivistinnen und Aktivisten sich wegen ihrer politischen Aktivitäten im Gefängnis befinden, erhält man einen Eindruck, wie stark verankert die abertzale Linke in der baskischen Gesellschaft ist.


Download der deutschen Übersetzung (PDF, 78 kB)


Mit dem vorliegenden Dokument eröffnet die abertzale Linke unilateral einen neuen Abschnitt im langen baskischen Konflikt, der ein Ende des Konflikts auf dem Weg des Dialogs und der Verhandlung bringen soll. Sie stellt fest, dass die objektive Möglichkeit für Veränderungen im Baskenland besteht. Ein demokratisches Szenario zu erreichen, in dem alle politischen Projekte, einschließlich des Projektes der Unabhängigkeit des Baskenlandes mit demokratischen und politischen Mitteln verfolgt werden können, ist möglich. Um dieses Szenario Wirklichkeit werden zu lassen, gilt:

„Massenmobilisierungen, institutioneller und ideologischer Kampf, die Änderung des Kräfteverhältnisses und das Werben um internationale Unterstützung (sind) die einzigen Werkzeuge dieser neuen Strategie. Die Unterstützung der Bevölkerung ist der einzige Garant, die Massenbewegung ist das wirksamste Mittel."

Und wie bereits im November 2009 in der Erklärung von Altsasua und Venedig angekündigt, stellt die abertzale Linke auch hier fest:

Der demokratische Prozess muss sich in der völligen Abwesenheit von Gewalt und ohne äußeren Einfluss entwickeln. Dialog und Verhandlungen der politischen Kräfte sollten den Grundsätzen des Senators Mitchell folgen. Niemand wird Gewalt oder die Androhung von Gewalt einsetzen, um den Verlauf oder das Resultat der Mehrparteienverhandlungen zu beeinflussen oder daraus resultierende Vereinbarungen zu ändern."

Die letzte Entscheidung über den Weg und die Zukunft des Baskenlandes soll einzig und allein die baskische Bevölkerung haben. Manch einem Zentralisten in der spanischen oder auch französischen Regierung mag angesichts soviel demokratischer Entscheidungsgewalt der Status Quo leichter kontrollierbar erscheinen. Der Generalsekretär der größten baskischen Gewerkschaft ELA, Adolfo Muñoz, begrüsste die Erklärung und bemerkte zu den vorhersehbaren Negativreaktionen der spanischen Parteien, dass "ihm scheine, als ob einige Furcht vor einer Zukunft ohne bewaffneten Konflikt haben".


Wir haben auf Info Baskenland eine Seite speziell zum Thema Konfliktlösung eingerichtet, auf der wesentliche Dokumente, Berichte und Kommentare zum Thema zu finden sind.

Zwei weitere zentrale Dokumente der neuen Initiative der abertzalen Linken finden sich dort ebenfalls in deutscher Übersetzung:

“Klärung der politischen Phase und der Strategie” vom Oktober 2009: Download der deutschen Übersetzung (PDF, 536 kB)

Vorschläge zur friedlichen und demokratischen Lösung des Konflikts durch Verhandlungen vor: Erklärung von Altsasua in deutscher Übersetzung (PDF, 144 kB)

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nationen sind nur dann scheisse, ...

wenn 17.02.2010 - 20:24
sie usa oder israel heissen. oder war das nicht dasselbe?

warum sind diejenigen hier so still, die immer sofoert schaum vor den mund bekommen und aggressiv rumbrüllen, wenn sie israelfahnen sehen - oder auch nur den schockierten verdacht haben, dass irgendwer (etwa ums ganze:  http://de.indymedia.org/2010/02/273572.shtml) in die nähe ihres flatterns kommt?

daraus ergibt sich keine linksradikale perspektive auf staat und nation, sondern tendentiöses und ressentimentgeladenes gebrabbel. aber wenn sich politisches engagement auf den hass auf virtuelle antideutsche reduziert, dann ist eine angebrachte - also gleichemaßen allgemeine wie differenzierte kritik von staat und nation, die wiedersprüche wahrnimmt, auch nicht zu erwarten.

Lieber mal was lesen

Horst 17.02.2010 - 22:00
"nationen sind nur dann scheiße wenn sie usa oder israel heissen. oder war das nicht dasselbe?"

Die, die völlig undifferenziert alle Nationen gleichsetzen, bzw. Unabhängigkeitsbewegungen mit bestehenden Nationen gleichsetzen, sind in der Tat peinlich. Noch schlimmer ist, dass manche Linke sich nicht trauen, Israelfahnen von Veranstaltungen auszuschließen ohne Symbole von Befreiungsbewegungen gleich mit aus dem Straßenbild verbannen zu wollen. Das ist auch nicht antinational, sondern unsolidarisch gegenüber allen Menschen, die von den existierenden Staaten unterdrückt werden.

Lest lieber die verlinkten Dokumente, da wird nämlich sehr gut erklärt, warum die baskische Linke einen eigenen Staat fordert.

.

. 18.02.2010 - 00:42
Jep, wer eine Unabhängigkeitsbewegung die eine Nation werden will mit einer bestehenden Nation gleichsetzt, ist schon ein Riesenidiot. Mal Gesetz dem Fall die überhistorische Verallgemeinerung Nation ist = Nation stimmt, und Nation ist die Mutter allen Übels, weshalb ALLES was antinational ist, unweigerlich gut wird (nur mal angenommen), die Nation also wäre der Todesstoß für jegliche mögliche Emanzipation (die die hier von Nation schreiben meinen eigentlicht erstmal den Staat, aber über das Verhältnis des Machtverhältnis Staat und des ideellen Begriffs Nation muss man ja nicht weiter nachdenken, ist ja alles "Scheiße"), dann wäre wohl die "Unabhängigkeitsbewegung" der Henker, der gerade die Axt schärft. Und was mache ich als guter antiimperialistischer Linker? Ich feuere den Henker an, bin ja selbst Machtlose, hab dan wenigstens ne mächtige Projektionsfläche, köpf mich Henker, köpf mich, und wenn das Beil fällt träume ich davon, wie der Henker als nächstes sich dem Judenstaat zuwendet. Echt... Was noch keine Nation ist ist besser als was schon Nation ist. Welch Perversion jeglicher Dialektik

Die abertzale Linke nimmt dazu auch Stellung

Uschi 18.02.2010 - 10:41

Die abertzale Linke nimmt übrigens in ihrem Strategiepapier “Klärung der politischen Phase und der Strategie” (Link s. oben) in Kapitel 4 explizit Stellung zur Frage, warum sie einen eigenen Staat anstreben:

"Unabhängigkeit und Sozialismus sind Ziele der abertzalen Linken. Ein baskischer sozialistischer Staat ist das konkrete Projekt, das zur nationalen und sozialen Befreiung führen wird. Warum brauchen wir einen baskischen Staat? Weil dies nach Jahrzehnten der Negierung, der Assimilationsversuche und des Zwangs durch zwei Unterdrückerstaaten der beste Weg ist, unser Überleben zu sichern und uns eine umfassende Entwicklung zu garantieren."

"Wir würden die vollständige Entwicklung von Euskal Herria wohl kaum in diesen zwei Staaten erreichen, deren Aufbau mit der Unterdrückung der Rechte der kleinen Nationen einherging. Denn geteilt zu sein und das Zentrum politischer Entscheidungen außerhalb des Landes zu haben, sind zu große Hürden. Die linke Unabhängigkeitsbewegung will einen unabhängigen baskischen Staat aufbauen, um die Identität unserer Bevölkerung, die Kultur und die Sprache (ein baskisches Euskal Herria) zu stärken, ohne daran auf irgendeine Art und Weise behindert zu werden, aber auch um die Rechte, das Wohlergehen und die Freiheit aller im Baskenland lebenden Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten."

"Wir wollen auch einen echten Internationalismus mit den anderen Völkern auf diesem Planeten entwickeln, die Möglichkeiten hierfür bietet ein eigener Staat. Denn die Befähigung, Entscheidungen zu treffen und uns die hierfür nötigen Mittel und Strukturen durch einen eigenen Staat zur Verfügung zu stellen, ist essentiell, um die genannten Ziele zu erreichen. ..."

@ horst mahler

killnationalism 18.02.2010 - 15:46
"Die, die völlig undifferenziert alle Nationen gleichsetzen, bzw. Unabhängigkeitsbewegungen mit bestehenden Nationen gleichsetzen, sind in der Tat peinlich"

in der tat sin die peinlich, die tatsächlich glauben, das israel solidarische linke tatsächlich so etwas tun.


"Noch schlimmer ist, dass manche Linke sich nicht trauen, Israelfahnen von Veranstaltungen auszuschließen ohne Symbole von Befreiungsbewegungen gleich mit aus dem Straßenbild verbannen zu wollen."

ach, das zeigen der fahnen nationaler befreiungsbewegungen ist ok oder was, aber das zeigen der fahne der zionistischen bewegung (die nichts anderes als eine nationale befreiungsbewegung war und ist) ist scheiße und gehört verboten? SCHEIß DOPPELMORAL, KACK NAZI!!!

"Das ist auch nicht antinational, sondern unsolidarisch gegenüber allen Menschen, die von den existierenden Staaten unterdrückt werden."

sind also nationale befreiungsbewegungen nach deinem bild nach, nur solange cool, solange sie ihr ziel nicht erreicht haben, oder wie, den der zionismus hat dies ja bereitz?! ERTAPPT, WIEDER EINMAL DOPPELMORAL!!!
nationale befreiungsbewegungen sind prinzipiell scheiße, stellen nur in einigen fällen traurige notwendigkeiten dar. so im falle des zionismus und der kurden.
solange "angehörige" einer vermeintlich existenten nation, aufgrund dieser in sie hinein projezirten nationalität verfolgt werden, nur solang rauchen sie staaten, die ihr überleben gewehrleisten.

Interessante Disskusion der bas. Linken

max 19.02.2010 - 08:28
Gut das ich ab und zu auch mal ins open posting schaue, sonst hätte ich den interessanten artikel wahrscheinlich nicht gefunden. Warum der es nicht auf die startseite schafft???
Wahrscheinlich wegen den zu erwartenden peinlichen israel-vergleichen. Also wer meint zionistischer siedlungsbau hat was mit nationaler befreiung zu tun, der sollte besser schweigen.
Und warum das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ oder die FMLN der zapatisten grundsätzlich scheiße sind, bleibt wohl auch sein geheimnis.

Nicht nur interessante Diskussion ....

Uschi 19.02.2010 - 13:25

... der baskischen Linken, sondern viel mehr: es ist eine verabschiedete Erklärung, den Konflikt auf ausschliesslich demokratischem und politischem Wege lösen zu wollen und auch die eigenen Ziele eines unabhängigen und sozialistischen Baskenlandes nur mit friedlichen Mitteln zu verfolgen. Das ist wichtiger Schritt zur Lösung des spanisch-baskischen Konflikts. Und es ist eine unilaterale Erklärung der baskischen Linken und angesichts der herrschenden Repression ein Zeichen ihrer Stärke.

@Mods: ich kann auch nicht verstehen, warum ihr den Artikel nicht in den Newswire stellt