Überflüssige eröffnen die Kulturhauptstadt

Die Überflüssigen Sektion Ruhr/Bergisch L 09.01.2010 21:50 Themen: Kultur Soziale Kämpfe
Zur Überraschung der Sicherheitskräfte gingen heute nachmittag die Überflüssigen überden schwarzen Teppich und demonsrierten gegen den unsozialen Sparkurs der Kommunen, für das Recht auf Stadt und Land und für ein bedingungslsoen Grundeinkommen.
Auf den Schildern stand u.a.

Liebesgrüße nach Istanbul!
Solidarität mit den streikenden Tekel-ArbeiterInnen!

Kohle her!
Für ein würdiges Leben.
Für ein bedingungsloses Grundeinkommen!

Kopfpauschale nie und nimmer!
Für eine kostenlose und würdige Gesundheitsversorgung!


Freie Fahrt für freie Menschen.
Nulltarif bei Bahn, Bus und Schwebebahn


Recht auf Stadt!
Rettet die Theater und Schwimmbäder...


Hartz IV muss wech!
Ein bedingungsloses Grundeinkommen muss her!!!

Leider wurden nach der Aktion solidarische Passanten später von einer Bullenarmada bis 18:30 Uhr aufs Polizeipräsidium verschleppt.


Wir sind das FEUER!
Recht auf Stadt und Land…
Die Überflüssigen eröffnen die Kulturhauptstadt!

Wir melden uns live vom kohlschwarzen Teppich in der Zeche Zollverein.:

Verehrte Anwesende, liebe prekäre Kolleginnen und Kollegen, Taschendiebe und Schneeräumer.

Wir sind die Überflüssigen und feiern heute die Eröffnung der Kulturhauptstadt auf unsere Weise.
Wir protestieren hier im 5 Jahr von Hartz IV gegen die unwürdigen Lebens- und Arbeitsverhältnisse in diesem reichen Land. Den „Ehrengästen“ aus Politik und Wirtschaft rufen wir zu: Ihr seid hier überflüssig!

Wir sind die Hartz IV-EmpfängerInnen, die in den ARGEN und Jobcentern gezielt gedemütigt werden. Wir sind die Kurzarbeiter, die großen Sorgen um ihrer Arbeitsplätze haben, wir sind die prekär Beschäftigten mit Niedriglohn und die Ein Euro Jobber!
Wir sind unbezahlten Praktikanten und „Freiwilligen“!
Wir sind die schlecht bezahlten freien Künstler und Schauspieler,die hier von der Kulturhauptstadt zuerst gegeneinander ausgespielt, und dann vernutzt und ausgebeutet werden.

Diese Kulturhauptstadt ist überflüssig
Wir wenden uns mit unserer Aktion gegen eine Kulturpolitik, die nur noch kapitalistische Standortpolitik ist. Während die finanzielle Unterstützung für die normale kulturelle Infrastruktur für die Theater und freie Kulturszene überall heruntergefahren wird, zerstört die Festivalisierung im Ruhrgebiet langfristig die erkämpfte kulturelle und soziale Infrastruktur.
Für eine kurzlebige Show wurden Millionen investiert, gleichzeitig sind fast alle Ruhrgebietsstädte pleite, in Essen muss mangels Kohle sogar eine Grundschule geschlossen werden. Mitten im Ankündigungsgetöse des Spektakels droht einigen Theatern das Aus – weil die Städte überschuldet sind. In Wuppertal z.B. steht das Schauspiel vor dem Aus. Über die Bühnen von Hagen, Essen und Oberhausen wird diskutiert.

Das Kulturhauptstadtspektakel verdrängt mit viel Geld die soziale Realität aus Massenarbeitslosigkeit, Niedriglohn und Kinderarmut. Das Versprechen, die sog. Kreativitätswirtschaft würde mit ihren Wachstumsraten auch die ehemaligen Nokia- und OpelarbeiterInnen von der Strasse holen, ist lächerlich. Die Erwerbslosenquote liegt im Ruhrgebiet mit über 10 % deutlich über dem Bundesdurchschnitt, und in einigen Städten wie z.B. Gelsenkirchen erreicht sie zeitweise fast 18 % . Die Armut konzentriert sich in bestimmten Stadtvierteln, schon lange gibt es Armutsquartiere, in die „die Überflüssigen“ abgeschoben werden und in denen eine verfestigte soziale Benachteiligung im Straßenbild sichtbar ist. Erschreckend ist auch die im Vergleich mit anderen Regionen auffallend geringe durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen im Ruhrgebiet.

All das kommt in den langweiligen Metropolenträumen der Kulturhauptstadt nicht vor. Die Selbstinszenierung von Maloche, Schweiss, von schlechtem Bier und Grönemeyer soll die realexistierende Klassengesellschaft und die lange Geschichte von Widerstand und Klassenkämpfen unsichtbar machen. Ausbeutung und unwürdige Lebensverhältnisse, Nazibanden in Dortmund und rassistische (Polizei) Gewalt sind in der schönen neuen Welt der Kreativitätwirtschaft nur ein hippes Bühnenbild für die Kulturevents. Wir müssen daher wieder sichtbar werden mit unseren Wünschen und Vorstellungen von einem ganz anderen Leben!
Lasst uns gemeinsam für eine soziale und kulturelle Infrastruktur kämpfen, die nicht abhängig von der Großzügigkeit und Kulturbeflissenheit von reichen Gönnern ist. Kostenloses Schulmittagessen, öffentlich finanzierte Theater, Freie Kultur und Museen, ein kostenloserr öffentlicher Nahverkehr, kostenlose Kita-Plätze bis zum gebührenfreien Studium sind keine Luxusforderungen, sondern der Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe. Schlagen wir die Angriffe der FDP-CDU-Regierung zurück, die Reste der paritätisch finanzierten Gesundheitsversorgung durch die Kopfpauschale zu zerschlagen. Verjagen wir die Hartz IV-Schnüffler und kämpfen wir für ein bedingungsloses Grundeinkommen!
Recht auf Stadt
„Uns gehört die Stadt“, diese alte Parole aller sozialen Kämpfe gilt es wieder zu beleben. Gegenwehr und Aufbau neuer solidarischer Strukturen gehören zusammen. Wir halten es mit dem Intendanten des Tanztheaters in Mexiko-City John Holloway „Wir bitten niemandem um etwas, vielmehr erschaffen wir hier und jetzt unsere kreative Aufsässigkeit, indem wir so weit wie möglich die Momente und Räume ausweiten, in denen wir sagen: Nein, wir beugen uns nicht den Anforderungen des Kapitals, wir werden etwas anderes machen, wir werden die Selbsthilfe fördern, die Kooperation, die Erschaffung gegen das Kapital. Es ist nicht leicht, es ist nicht offensichtlich, aber dies ist die Richtung, in die wir uns bewegen müssen, die wir erkunden müssen. Mit Wut, aber mit einer Wut, die andere Perspektiven eröffnet, die andere Dinge erschafft, eine Wut der Würde. (aus dem Grußwort von John Holloway)
Auf diese Wut setzen wir. Selbstorganisierung und Selbstermächtigung sind auf lange Sicht die einzige Perspektive den Zumutungen zu entfliehen und was Neues aufzubauen!
Jahr des Aufstands?
Wir begehen dieses Jahr auch den 90. Jahrestag der Märzrevolution, dieser einzigartigen Aufstandsbewegung gegen den Kapp-Putsch und für eine soziale Revolution im Ruhrgebiet und im Bergischen Land. Wir hoffen schwer, dass diese emanzipatorische Bewegung auch gleich in der Tanzrevue zur Geschichte des Ruhrgebiet vorkommt… Auch wenn die Kämpfe der Roten Ruhrarmee und die Streiks der Arbeiterschaft für eine umfassende Sozialisierung und für einen wunderbaren Rätekommunismus in der offiziellen Geschichtskultur vergessen sind, sind die Forderungen des kurzzeitig kämpfenden Proletariats äußerst aktuell.
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Wir wollen nicht im Staube kriechen vor denjenigen, die durch den Zufall ihrer Geburt sich ein Von-Oben-Herabblicken anmaßen dürfen.
Wir wollen nicht weiterhin besitzlose Proletarier sein, sondern wir verlangen Eigentumsrecht an den Produktionsmitteln.
Wir verlangen Eigentumsrecht an den von uns erzeugten Produkten.
Wir verlangen Eigentumsrecht an den Schätzen, die sich auf und unter der Erde vorfinden.
Wir verlangen das Paradies auf Erden und lassen uns nicht länger mit der Hoffnung auf ein besseres Jenseits abspeisen.
(Vollzugsrat der Arbeiter der Zeche Zollverein im März1920)

P.S. Wir sind das Feuer. Kämpft Freunde und Freundinnen. Im Gedenkjahr sind zahlreiche Veranstaltungen, historischen Spiele und Aufstände geplant. Achtet auf Ankündigungen….
 http://huschhusch.blogsport.de/2009/09/18/zur-maerz-revolution/
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Ergänzungen

Anmerkung zu Heinz Dieterich

krass! 10.01.2010 - 11:29
Da hier Heinz Dieterich, der Chefideologe des so genannten "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", erwähnt wurde, mag ich einen Artikel zum Lesen empfehlen: Heinz Dieterichs „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“: Ein soziologisch-geschichtsphilosophischer Neuaufguss der Utopie einer gerechteren Welt
Ist gerade erst erschienen und vermittelt was Dieterichs Vorstellungen einer "gerechten Welt" ist, was er unter Arbeit und Wert versteht usw.

Wollen wir für einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" kämpfen oder doch lieber für eine kommunistische Gesellschaft?

einladung

euromayday dortmund 10.01.2010 - 20:27
für die planung des Euromayday 2010 in Dortmund gibt es am 19.01., 19.00 Uhr ein vortreffen im taranta babu in Dortmund.
überflüssige welcome!

Hauptstadt Ruhr 2010 Kultur kaputt

Leo Kowald 12.01.2010 - 14:37
Kultur-Hauptstadt Ruhr Zweitausend-Zehn im Pott: Sozial- Struktur kaputt im Wandel ohne Kohle dank Agenda Zwanzig-Zehn nach lebenslänglich untertage schuften krank am Schluss im Regen stehn langts oft nicht mal zum anständigen Abgesang

mit grundeinkommen alles schick?

precaria 13.01.2010 - 13:23
möchte autor warnung zustimmen. zugleich zuspruch für die überflüssigen-aktion. bloß die wiederholten GE-forderungen von manchen seiten stellen einen verkürzten "lösungs"-ansatz dar (das wird ja auch meist als "die" lösung präsentiert). als ob die politiker/innen einfach noch zu wenig über den bedarf der erwerbslosen schicht nachgedacht hätten und darüber belehrt werden müßten! wieso wurde hartz iv eingeführt, wieso hat schröder den dumpinglohnsektor vorangebracht? eine in existenzsicherheit lebende erwerbslosenschicht ist mal einfach nicht im interesse der kapitalistischen wirtschaft und der ihr beigeordneten politik!
offenbar wird von manchen gehofft, mit einer bloßen einkommensforderung alle strukturellen verhältnisse umzukrempeln! soll GE mit antikapitalismus vereinbar sein? dann frage ich mich, ob die befürworter/innen auch vorhaben, weiterhin arbeitskämpfe in den verschiedenen sektoren dienstleistung, produktindustrie, in den jeweiligen betrieben usw. zu führen, und proteste gegen die zwangsinstrumente und die armutsverwaltung von hartz iv , proteste außerdem gegen das geplante EU-arbeitsvertragsrecht mit vereinfachten kündigungen usw. Wenn hier nichts getan wird, erscheinen mir die befürworter/innen von GE mal einfach zu bequem...
die fdp übrigens wirbt seit jahren für ein "grundeinkommen" nach ihrer eigenen vorstellung ( nebenbei kann sie sich bei der rhetorik der GE-bewegung bedienen). und was, wenn ein GE politisch eingeführt wird, das dann - wie jetzt schon die löhne - nicht inflationsbereinigt wird und zum leben - nach politischem kalkül- nicht reicht?



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@ 789 — ForMoreDemocracy