Politischer Streik und Gewerkschaften

tachekre 15.09.2009 20:32 Themen: Soziale Kämpfe
Als erste DGB-Gewerkschaft hat die IG BAU das Kampfmittel des Politischen Streiks in ihrer Satzung aufgenommen.
Heute hat die IG BAU (Industriegewerkschaft Agrar Umwelt Bauen) bei ihrem Gewerkschaftstag in Berlin den Politischen Streik als Kampfmittel veraschiedet. Das ist insoweit interessant, da es nach über 70 Jahren die erste Gewerkschaft in Deutschland, die dies einfordert. Die Delegierten KollegInnen der IG BAU stimmten heute fast einstimmig der Aufnahme des Politischen Streiks (neben dem ganz normalen Streik bei Tarifauseinandersetzungen) zu und das Ganze auch noch gegen dem Votum des hauptamtlichen Bundesvorstands.
Das ist ein sehr gutes Signal zur richtigen Zeit... jetzt müssen nur noch die anderen DGB-Gewerkschaften nachziehen. Zudem muss natürlich ein Politischer Streik auch gemacht werden und nicht nur gefordert und in die Statute aufgenommen werden.
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Ergänzungen

Weitere Quellen?

Metaller 16.09.2009 - 01:04
Hart aber fair verlief die Beratung der Satzungsanträge. Dabei kam es auch zu Überraschungen. Gleich beim ersten Antrag - S1 – wurde es politisch grundsätzlich. Die Delegierten kippten letztlich das ablehnende Votum der Antragsberatungskommission und beschlossen den ursprünglichen Antrag. In einer engagierten und ausführlichen Diskussion setzten sich hier die Antragsteller durch.

„Die IG BAU setzt sich für ein umfassendes Streikrecht gemäß dem Artikel 6 Abs. 4 der Europäischen Menschenrechts- und Sozialcharta, den Übereinkommen 87 (Vereinigungsfreiheit) und 98 (Versammlungsfreiheit) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ein.“ Dieser Satz steht nun als weiteres Ziel gewerkschaftlicher Arbeit in der Satzung.

Der Delegierte Volker Diefenbach aus dem Bezirksverband Wiesbaden-Limburg sah darin „ein Signal, dass wir die Unzufriedenheit in der Gesellschaft aufnehmen“. Auch der Wiesbadener Bezirksvorsitzende Karl-Heinz Michel erklärte: „Unsere Mitglieder erwarten von uns, dass wir politisch etwas tun.“ Und der Vorsitzende des Bezirksverbands Südbaden der IG BAU, Armin Hänsel, ergänzte: „Ich will den politischen Streik, weil wir ansonsten nicht mehr weiterkommen oder sogar zurückfallen in eine Zeit vor 140 Jahren.“

 http://www.igbau.de/db/v2/inhalt.pl?e1=20&e2=209&did=10438&mode=detail&edit=0&persid=1253055406.1248

Nicht mehr als eine Geste

Drucker 16.09.2009 - 05:24
Die IG BAU hat mitnichten "den politischen Streik in ihre Satzung aufgenommen". Sie hat vielmehr beschlossen, sich dafür einzusetzen, dass in der BRD einige Regularien gesetzlich verankert werden, die so etwas wie einen politischen Streik legalisieren. Das ist aber nicht mehr als ein schlaffer Appell, auf den Gesetzgeber einzuwirken, die geltende Rechtslage zu ändern. Der politische Streik ist in der BRD verboten und jede DGB-Gewerkschaft wird den Teufel tun, ihn in Bruch geltender Gesetze in einer Satzung aufzunehmen, geschweige denn anzuwenden. Das selbst ein schlaffe Willenserklärung nur gegen den Willen des Vorstandes durchzusetzen war, spricht Bände. Wobei abzuwarten bleibt, ob der soviel innergewerkschaftliche Demokratie nicht sowieso wieder kassiert.

@Drucker

Entdinglichung 16.09.2009 - 10:28
politische Streiks sind in der BRD nicht gesetzlich verboten, die Gerichte berufen sich in aller Regel nur auf Urteile zum Druckerstreik 1952 als Präzedenzfall, Detlef Hensche dazu in einem SoZ-Interview -  http://www.vsp-vernetzt.de/soz/040305.htm - von 2004:

"F: Im restlichen Europa, du hast es angesprochen, ist die Rechtslage eine andere. Woher kommt dieser deutsche Sonderweg?

A: Der hat sich, und das ist interessant, erst in den 50er Jahren herausgeschält. Auslöser war damals ein Zeitungsstreik anlässlich der dritten Lesung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952, zu dem die IG Druck & Papier aufgerufen hatte. Dieser 48-stündige Zeitungsstreik wurde als politischer Streik gebrandmarkt — das war er ja dem Sinne nach auch, keine Frage —, und außer dem Landesarbeitsgericht Berlin haben alle anderen angerufenen Landesarbeitsgerichte diesen Streik für illegal erklärt. Das hat sich dann später, in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, fortgesetzt."

mehr zum Thema:  http://www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/erfahrung/polstreik.html

Basisgewerkschaften aufbauen

levantino honesto 16.09.2009 - 13:17
Basisgewerkschaften in Europa machen das, sie rufen zu Streiks auf, wenn ihnen was stinkt. Die haben auch keine Bonzen, bezahlte Funktionäre, die auf Sozialpartnerschaft machen und alles immer wieder abwiegeln. In Doofland ist die Gesetzeslage allerdings belämmert, da geb ich Drucker recht. Das alles hat zur Folge, dass mensch sich mit der speziell Bundesdeutschen Geschichte (BeVerfGesetz) deutlich genauer auseinandersetzen muss. Wenn allerdings der Druck von Unten, von Straße und Betrieb stärker werden sollte (der Leidensdruck wird es ja schliesslich auch!) - machen die (selbstgeschaffenen) Fakten die Gesetze, egal was verboten ist-

Interresant dabei ist, dass das zweite Beriebsverfassungsgesetz in 1951 etwas war, dessen Vorlage aus dem Giftschrank der Nazis kam! Die hatten da was vorbereitet, wo aus der Arbeitsfrontideologie locker die bundesdeutsche Sozialpartnerschaft werden konnte!

Und da Arbeit abseits aller produktiven Logik ja quer durch alle staatstragenden Lager so was Heiliges ist, verwundert es nicht, wenn trotz gesellschaftlicher Produktionskapazität, die ja von uns allen er-arbeitet wurde, immer noch mit der Illusion der kapitalistischen Voll-Beschäftigung gewunken wird!
Wenn der (Ge)werk-Begriff im Sinne sinvoller Betätigung endlich den Fron-implizierenden Arbeits-Begriff im Bewusstsein ersetzt hat, kann mensch auch bewusster für seine sozialen Belange streiken, anstatt um die paar Sumpfkopeken mehr in vorgegebenen Ritualen zu tanzen. So wird Gewerkschaft schlussendlich ein selbstbestimmtes, befreiendes Organ, anstatt der systemimmanenten gelben Wüstchenbude.

Ich recherchier das Nazi-ding gern noch mal genauer und stell das hier ein-

versprochen!

Interview mit kämpferischen ARbeitern

pressebeoachter 16.09.2009 - 22:53

Wolfgang Schaumberg (W.S.) hat lange Zeit bei Opel Bochum gearbeitet und ist bis heute in der Belegschaftsgruppe "Gegenwehr ohne Grenzen" (GoG) aktiv.

1.) Wie ist die Stimmung unter den Opel-Beschäftigten nach der Einigung auf Magma?
W.S.: Nach meinem Eindruck, sind dort Angst und Unsicherheit vorherrschend. Die Kollegen verfolgen die Nachrichten in den Medien und im Internet und bekommen mit, dass noch kein fester Vertrag mit Magma vorliegt und daher selbst die Übernahme durch Magma noch keineswegs sicher ist. Die möglichen Klagen anderer Autokonzerne im EU-Rahmen verstärken die Unsicherheit noch. Hinzu kommen die unkalkulierbaren Folgen der Autokrise. Wegen der weltweiten Überkapazität kann niemand sagen, ob nicht bald weitere Arbeitsplätze wegfallen.

2.) Besteht nicht die Gefahr, dass die GM-Standorte europaweit gegenseitig ausgespielt werden?
W.S.: Zurzeit besteht die Gefahr, dass das GM-Werk in Antwerpen geschlossen wird. Am 23. September ist dort eine Protestdemonstration geplant, was auch dringend notwendig ist. Aus Bochum wird es allerdings keine große Beteiligung geben. Der Betriebsrat in Antwerpen hat schon vorgerechnet, dass die Autoproduktion dort preisgünstiger als in Bochum ist. Solange die Standorte gegeneinander konkurrieren, ist eine europaweite Solidarität schwer möglich.

3.) Nun hält auch der Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz den Stellenabbau als unvermeidlich bezeichnet.
W.S.: Damit befindet er sich auf der Linie der IG-Metall-Spitze. Die Wettbewerbsbedingungen werden wie ein Naturereignis akzeptiert, und es wird von einem „sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau“ gesprochen. Die Verluste sollen auf alle Standorte „gerecht verteilt“ werden. „Sozialverträglich“ ist aber ein Lügenwort. Tatsächlich drohen in den nächsten Jahren Zehntausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie wegzufallen. Voraussetzung für eine Solidarität wäre es, die Belegschaften in allen europäischen Ländern gemeinsam in Bewegung zu bringen. Das geht nicht, so lange die IG-Metall, die Rettung der deutschen Unternehmen auf dem Weltmarkt zum Ziel hat und die Belegschaften gegeneinander konkurrieren.

4.) Finden linke Positionen, wie die die GoG vertritt, in der Krise mehr Gehör in der Belegschaft?
W.S.: Bei Opel in Bochum besteht eine lange kämpferische Tradition, was die Streiks 2000 und 2004 gezeigt haben. Aktuell ist dort die Stimmung weit verbreitet, nicht für die Krise verzichten zu wollen.
Es ist auch das einzige Opel-Werk, in dem die Belegschaft vor jedem weiteren Lohnverzicht gefragt werden muss. Schon im Februar wurde der Verzicht auf die Lohnerhöhungen zurückgewiesen. Auch die Streichung des Urlaubsgelds wurde mit Klagen beantwortet. Dabei wird die Belegschaft nur von der örtlichen IG-Metall unterstützt. Doch es besteht bei der Belegschaft auch das Gefühl, mit ihrer Ablehnung der Verzichtspolitik alleine zu stehen. Über ähnliche Diskussionenin anderen Opel-Standorten ist nichts bekannt.

5.) Die GoG hatte schon vor einigen Wochen die Parole „Wir müssen bleiben“ statt –„Opel muss bleiben“ in die Diskussion gebracht. Was soll damit ausgedrückt werden?
W.S.: Damit haben wir auf Parolen wie „Nokia muss bleiben“, „Opel muss bleiben“ etc. reagiert, durch die Illusionen geschürt wurden. Die Forderung „Wir müssen bleiben“ ist der Versuch, überbetriebliche Forderungen voranzubringen, hinter die sich nicht nur die Opel-Beschäftigen sondern alle von der Krise Betroffenen stellen können.

Interview: Peter Nowak

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