Berlin: Radikaler Wandel der Wohnungspolitik

Ingeborg und Harald 01.05.2009 18:09 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Wie aus sicherer Quelle bekannt wurde, hat der rot-rote Senat in Berlin pünktlich zum Kampftag der Arbeiterklasse einen radikalen Wandel in seiner bisherigen neoliberalen Wohnungspolitik vollzogen. So wurden in Kreuzberg und angrenzenden Bezirken mehrere Neubauvorhaben gekennzeichnet, die deren Enteignung und Vergabe an Hartz-IV Bezieher_innen ankündigt.
Darunter ein Luxusneubauprojekt am Paul-Lincke-Ufer 18, das sich auf einem ehemaligen Gelände der BSR (Berliner Stadtreinigung) befindet, und wo Eigentumswohnungen von bis zu 500.000 € entstehen sollten oder die sogenannten "XXL-Loft-Living" in der Reichenbergerstr. 104/Glogauerstr. 7. Hier wurden Fabriketagen einer ehemaligen Pianomanufaktur in Lofts umgewandelt und sollten als Eigentumswohnungen für bis zu 1,1 Mio. € verkauft werden. Auch das Neubauvorhaben in der Reichenbergerstr. 124 soll nach Fertigstellung enteignet werden.

Alle drei befinden sich um die Ecke der "Carlofts", an denen sich merkwürdigerweise keine Enteignungsankündigung finden lässt. Möglicherweise geht der rot-rote Senat davon aus, dass die "Carlofts"‚ basisdemokratisch von der Kreuzberger Bevölkerung enteignet werden. Denn diese nahm am bisherigen Baugeschehen regen Anteil. Mehrere Verkaufsevents wurden mit dem subtilen Kreuzberger Charme ("Verpisst Euch!") begleitet und sogar mit Freibier begrüßt, nach alter Tradition in kunstvoll über die Straße geschleuderten Flaschen. Auch an der Baugestaltung beteiligte sich die Bevölkerung z.B. durch die trendige Gestaltung der Fenster im szenekiezmäßigen "Glasbruch-Design" oder der kreativen Veränderung der Fassade mittels des erprobten "Farbei-Pointillismus".

Der Fichtebunker, der älteste, einzige erhaltene und denkmalgeschützte Steingasometer in Berlin soll nach der Privatisierung im Jahre 2006 nun wieder enteignet werden. Hier entstanden, entgegen Protesten der Anwohner, mit der Baugenehmigung durch den grünen Bezirksbürgermeister Schulz, unter der Stahlkuppel auf der obersten Bunkerdecke sowie auf dem Gelände je zwölf hochwertig ausgestattete Eigentumswohnungen. Weitere Enteignungen sind in Alt-Treptow (Karl-Kunger-Kiez) angekündigt. Hier soll die umstrittene Baugruppen "Karloh" und "Zwillingshaus" enteignet werden. Dies bedeutet, dass der Senat nicht nur seine Wohnungspolitik dem Luxussegment gegenüber geändert hat sondern weitergehend auch Abschied von der bisher praktizierten Mittelstandsförderungspolitik nimmt.

Verantwortlich für diesen neuen Weg der Wohnungspolitik in Berlin zeichnen die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer (esStPeDe) und Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen Harald Wolf (DIE LINKEn uns). Auf Plakaten neben den Enteignungsankündigungen versprechen sie: "Jetzt wird Berlin richtig rot" und "Wir machen Ernst mit der sozialen Stadt".

Reaktionen der Opposition waren bis zum Redaktionsschluß nicht in Erfahrung zu bringen. Gerüchte, denen zu Folge der Vorsitzende der CDU in Kreuzberg Dr. Kurt Wansner forderte "notfalls muß die Bundeswehr in Kreuzberg eingesetzt werden um die Ausbreitung von kommunistischer Anarchie und anarchischem Kommunismus zu unterbinden", konnten nicht bestätigt werden.

Ob der Slogan "Wir machen Ernst mit der sozialen Stadt" wirklich für ganz Berlin gilt, konnte ebenfalls nicht bestätigt werden. Auch das einige Enteignungsankündigungen, zumindest teilweise, wieder entfernt wurden lässt auf Streitigkeiten innerhalb des Senats oder auf Kommunikationsschwierigkeiten mit dem Wachschutz der Neubauvorhaben schliessen.

Bisher sind Enteignungsankündigungen nur in Kreuzberg und näherer Umgebung gesichtet worden. Sollte Kreuzberg wieder einmal Modell für eine progressive Stadtpolitik werden oder ist das alles nur der vorgezogene Bundestagswahlkampf auf Landesebene?

Am besten Sie fragen selbst nach:

Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer (esStPeDe)
Tel. 030 9012-4710
Fax 030 9012-3106
 andrea.kosanke@senstadt.berlin.de (Frau Kosanke, Leiterin des Büros)

Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen Harald Wolf (DIE LINKEn uns)
Tel.: (030) 9013-0
Fax: (030) 9013-8455
 harald.wolf@senwtf.berlin.de
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yeah!

super 01.05.2009 - 21:59
GROßARTIG!!!!!

klar doch

Meister Eder 01.05.2009 - 23:00
Und den Unsinn glauben hier wirklich ein paar Idioten.

fülle aus

fülle aus 01.05.2009 - 23:44
wirklich schön geschriebener artikel. danke an an den/die autor_in (und auch an die aktivist_innen für die originelle idee).

Sie können sich da auch nach Wohnungen aus de

N.N. 05.05.2009 - 11:09
m von der Stadt verwalteten Bestand erkundigen ,die im Rahmen von Befriedungsmaßnahmen oder sowas ähnlichem schnell und einfach vermietet werden.Wir finden das nicht so gut ,aber wer es braucht .Parties auf denen Zivilpolizisten sind und die Polizei auf den Plan rufen s,solten von GastgeberInnen nicht verlaßen werden ,sonst gibt es Auslieferungsvorwürfe ,und wofür ,für Wohnungen in privilegierten Ecken ? Das ist eh alles so runter ,aber das man das gleich bombardieren sollte laut CDU läßt nur wieder darauf schließen ,das Konservative mit ihrem Neomusikfaible und ihrer Sehnsucht ,die Achtziger gelebt gehabt zu haben ,ihren albernen Selbstdarstellungen ,ihrem Nachgeholten narzißmus ,ihrer Sex-und Eßlust und dem Bedürfnis ,auch mal Berlin zu machen und den blanken Luxus,hier immer völlig fehlam Platz sind und eigentlich beßer Herrn Kaiser schicken sollten ,den mit dem Fahrrad und dem treudoofen Blick,offenes Büro in einer duetschen Ecke,jede aufrichtige PR-Agentur würde ihnen das sagen .Wird de facto in Kreuzberg militärisch geforscht oder sind das nur Soldiers auf privaten Touren ,die zm Gewöhnen oder zwecks Angstabbau auch in Restaurants von muslimischen oder ähnlichen nationaltypischen Lokalitäten eßen gehen ? Das muß ja nicht nur schlimm sein ,kommta ber so häufig vor ,das man das Viertel vor lauter Benutzern kaum noch erkennt :Geht doch zuhause !