Neue Wege in Neukölln

Bericht von unten 24.04.2009 12:34 Themen: Blogwire Freiräume
In Berlin Neukölln zeichnen sich neue Wege in der Nachbarschaftsarbeit ab, die sich Linke und Menschen mit anarchistischen Anspruch genau anschauen und in denen Sie sich vielleicht einbringen sollten. Die Ansätze der Sozialer Arbeit werden teilweise politischer. Sie setzen immer öfter auf das Aufbrechen von anonymen Vereinzelungstendenzen und die Selbstorganisation der Betroffenen vor Ort. Ein Bericht.
Neukölln ist ein Bezirk mit einem sehr hohen Teil EinwanderInnen, massiver Erwerbslosigkeit und sozialen Verwerfungen, in Ihm leben aber auch zunehmend StudentInnen und es gibt eine aktive, teilweise langjährig verwurzelte KünstlerInnenszene. Viele Welten treffen aufeinander, es gibt Homophobie, Überfremdungsängste, ethnische Konfliktpotentiale, verfestigte organisierte kriminelle Strukturen - insbesondere was Drogen, Prostitution und Raubgeschäfte angeht. Teilweise sind die Straßen nach Banden aufgeteilt. Aber es gibt auch ein steigendes Bewußtsein für die Probleme - sei es die Jahrzehnte lange Nichtbeschäftigung von Bildungseinrichtungen mit dem Thema EinwanderInnen und deren Bildungszugängen, Sprach- und Kulturhintergründen und daraus folgende Konsequenzen für die Art von Schule oder Kita oder die Vereinzelung, der Rückzug ins relegiöse oder private, die Gewalt an Kindern, die hohe Dichte an Armen Menschen ohne Chance auf Teilhabe...

Seid einiger Zeit ist zu beobachten, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung sich von GemeinwesenarbeiterInnen aktivieren lässt, wenn es um die ganz konkreten Belange des Zusammenlebens im Haus, auf der Straße oder in den Schulen etc. geht. Hier können Basisstrukturen entstehen, die für eine gelingende Kommunikation und Vernetzung sowie gegenseitige Hilfe und Verantwortung wichtig sind und deren Lernprozesse eine Politisierung ermöglichen. Dabei gibt es Soziale Arbeit, die dies fördert, wie welche die es behindert, es gibt Verwaltungen die das unter Kostengesichtspunkten betrachten und andere, die aus politischem Bewußtsein das Ganze ideell Unterstützen oder jene, die es für sich benutzen bzw. aus Angst vor Machtverlust bekämpfen.

Ein derzeit positives Beispiel: Die Warthestraße

Gestern trafen sich etwa 50 BewohnerInnen mit sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, um die Probleme im Zusammenleben zu sprechen, zu überlegen was sich in Ihrer Straße ändern muss und kann und was sie selbst dafür tun wollen. Interessant dabei, die initiierende Soziale Arbeit vor Ort, setzt auf die Ideen der Menschen, auf Selbstorganisation und Verantwortung füreinander, bestreitet nicht, dass sie nicht die Lösung haben und versucht vor allem Prozesse in Gang zu setzen, deren Weiterverlauf von den Menschen selbst getragen wird. Dass dabei Polizei, Jugendamt und andere Einrichtungen mit vertreten waren, ist aus linksradikaler Sicht manchmal problematisch, aber an dieser Stelle sehr spannend, da es einen direkten Austausch vor Information, Argumentation und Kritik gegeben hat, der sonst kaum noch oder noch nie stattgefunden hat. Hier sprachen arbeitslose "Deutsche" mit Menschen dunkler Hautfarbe, mit Muslimen, Bürokraten, RenterInnen, Bullen über ihr Zusammenleben und Ihre Verantwortung gegenüber sich und ihren Kindern.

Das Politische in diesen Anfängen steckt in der Gleichberechtigung, dem Zugang für jede/n - es wurden über 900 Einladungen an die BewohnerInnen verteilt. Was, wenn daraus Straßenverammlungen werden, die auch Druck auf verantwortliche Politik ausüben können, die merken mit Solidarität lebt es sich besser und die Polizei wird nicht gebraucht, weil mensch sich kennt und die Dinge miteinander so regelt, dass es sie nicht Bedarf, was wenn das die Grundlagen sind, die wir für ein anderes Leben insgesamt benötigen? Wieso nicht selber aktiv werden und eigene Straßenversammlungen initiieren - die Basis für städtische Rätesysteme sozusagen...
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Ergänzungen

Selbst-Gentrifizierung

........ 24.04.2009 - 15:39
Das hat doch nichts mit Selbstorganisierung zu tun.
Das ist ein von oben angeschobener/organisierter Prozess,der den beteiligten Vorgaukelt sie würden an Entscheidungsprozessen in ihrem Wohngebiet teilhaben.
Auch können diese Treffen leicht zu einer Bürgerwehr "Light" mutieren,indem dort hauptsächlich über Probleme wie z.B. Jugengangs,Trinker,Drogenkonsumenten,Kriminelle usw. geredet wird.
Bei einer wirklichen organisierung von unten würde eher über Themen wie Mietverweigerung/Zwangsumzüge,kostengünstige Kulturangebote (besetzen von stadtteilzentren),
usw.,usw.,usw.
Aber daran würden dann wohl Polizei,Ornungsamt und Bezirgsregierung wohl nicht teilnehmen.

FÜR EINE ECHTE ORGANISIERUNG VON UNTEN!!!

Empfehlung zum Lesen

.................. 24.04.2009 - 15:42
Lest doch mal die Artikel zur Gentrifizierung und deren Funktionsweise auf:
 http://gentrificationblog.wordpress.com/
Aber wirklich lesen,auch die Hintergrundartikel und nicht nur die News.
Vielleicht wird dann klarer,worum es in den im Artikel beschriebenen Treffen geht.

Schwachsinn also?

Merkt ihr es noch? 24.04.2009 - 17:48
So so "von oben - Bürgerwehren..." etc.

Ein paar Anmerkungen zu den Ergänzungen.

1. Nur weil Prozesse von professionellen SozialarbeiterInnen angeleiert werden, hat das nicht zwingend etwas mit oben zu tun, im Gegenteil. Insbesondere, wenn diese es mit dem Ansatz tun, nicht neue Abhängigkeiten zu erzeugen und den Handlanger der Repression machen... Außerdem mal ehrlich - was machen wir denn? Reden wir mit den Menschen auf der Straße, gehen wir an die Haustür, haben wir Einblicke oder Kontakte zu Menschen, die nicht in der Szene Unterwegs sind und nicht mindestens die Mittlere Reife oder Abitur haben?

2. "Für eine echte Selbstorganisation" Gut und schön - wie gehst du das mit Deinem Nachbarn an?
Wieso vertrauen wir eigentlich nicht so gern den Menschen, die wir ja immer so sehr Befreien wollen, dass diese vielleicht ja auch sich selbst befreien können - sprich wieso haben wir immer gleich Angst, dass da was Reaktionäres raus kommt? Es ist ein Lernprozess, der aber erst möglich ist, wenn sich dafür der Raum bietet, wo bieten wir außerhalb von Szene und Nischen Leuten Raum dafür, wo sprechen wir sie an, wie kommen wir überhaupt an die Menschen, interessieren wir uns für ihre Alltagsprobleme, die manchmal eben nicht immer gleich hochpolitisch sind und nach oben zu dirigieren in der Verantwortung?

3. Banden - Du kannst ja was anderes behaupten, es ist leider gar kein Blödsinn. Jede/r, der längere Zeit mit Nordneukölln zu schaffen hat, vor allem mit den Menschen die dort leben, trifft sehr schnell auf immer die selben Namen von Familien, die sich bei der Zwangsprostitution, gezielten Angriffen, Gewaltandrohungen etc. hervor tun - Mensch sieht immer nur, was mensch sehen will..

4. Es ist eine echte Herausforderung auf wirklich fremde Menschen zu zugehen, sich mit ihnen zu beschäftigen, ihnen zuzuhören, ihnen die Möglichkeit der Selbstorganisation nahe zu bringen - es ist eine aufreibende Angelegenheit, dabei immer wieder an die Grenzen seiner eigenen Ideale zu stoßen, seine Vorurteil im positiven wie negativen zu reflektieren - Schwarz weiß denken oder oben - unten gut - böse funktioniert hier nicht so leicht, aber bitte, macht es euch weiter gemütlich in der Szene...Radikal sein, heißt an die Menschen und deren Bedürfnisse ranzugehen, hier immer gleich Scheiße zu brüllen, finde ich mehr als merkwürdig...

5. Genau! Den Artikel gleich raus schmeißen, wie zu DDR - Zeiten oder was?

Arme Linke

Wie bitte was?

Warthestraßler 26.04.2009 - 14:56
Ich habe keine Einladung bekommen. Ich würde mich auch nie und nimmer mit Bullen treffen, wenn mich jemand fragt, sind vor allem die Cops das Problem. Hab erst vor ein paar Tagen beobachten können, wie ein Bulle seine Knarre gezogen hat, nur weil jemand während einer Festnahme zu laut geschrien hat.
Das mit dem Bandenwesen ist totaler Quark, treffen sich 3-4 Jugendliche redet man in Neukölln von Banden, wahrscheinlich auch nur deswegen, weil die meistens nicht deutsch sind. Kann man es hier bitte unterlassen, den Rassisten Futter zu liefern? Was ist "ethnisches Konfliktpotential", nicht etwa ein Euphemismus für Rassismus?
Meiner Erfahrung nach ist Neukölln um einiges friedlicher als Friedrichshain, Lichtenberg, Prenzlauer Berg, mit anderen Stadtteilen kann ich das noch nicht so gut vergleichen.

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Nordneuköllner 24.04.2009 - 12:55
"Teilweise sind die Straßen nach Banden aufgeteilt."
"die Basis für städtische Rätesysteme sozusagen..."

Schwachsinns-Artikel bitte löschen. Danke.

Sinnvolle Idee

abc 24.04.2009 - 17:50
Der Artikel erscheint mir zwar etwas undurchdacht, denke aber der Ansatz ist vernünftig. Daher bitte nicht von bescheuerten Kommentaren irritieren lassen!

Denke für die meisten Anwohner sind Gewalt, Drogen und Jugendbanden ein weitaus wichtigeres Problem als soziale Zentren, Mietverweigerung etc. Wer will denn wirklich, dass seine Kinder zwischen Junkies und Suffies wie in der Karl-Marx-Straße aufwachsen und früher oder später aussuchen können, ob sie regelmäßig abgezogen werden wollen oder selbst mitmischen?

Ist doch deshalb nur begrüßenswert, wenn sich gerade Migrantenfamilien für ihr Wohnumfeld (Kiez ist mir zu stark von Pseudogutmenschen besetzt) interressieren. Auch Leute, die sich Zehlendorf nicht leisten können, haben doch wohl das Recht auf ein einigermaßen sicheres, lebenswertes Umfeld.

Großes Lob

Arbeitskreis Soziale Kämpfe 24.04.2009 - 23:50
Großes Lob an die Organisationen in Neukölln die von unten versuchen etwas aufzubauen. Natürlich ist hier ein Lernprozess im Gange der lange nicht abgeschloßen ist aber wesentlich positiver zu bewerten ist als reaktionäre Antifa-KunststudentInnen, Schickimicki-Bolschewiki und Prosecco-Autonome Politik wie sie so gerne von der Bildungselite praktiziert wird, die so gerne von der Befreiung der Arbeiterklasse quasselt, aber um Arbeiterviertel und Fabriken einen weiten Bogen macht da man sich in deren Kreisen eh nicht mit den niederen Gesellschaftsschichten abgiebt.
Wir sehen uns in Neukölln auf der Straße..achtet auf Ankündigungen in nächster Zeit.

Solidarische Grüße

Der reformistische Kapitalismus

Roland Ionas Bialke 25.04.2009 - 02:37
Im Artikel wird sich für Reformen ausgesprochen. Das wird dann auch noch radikal genannt, denn es wird ausgedrückt, dass diese Reformen zur Beantwortung der Sozialen Frage beitragen. Beitragen ja, aber nur negativ.

Soziale Revolution meint eigentlich "ultra-liberale" Revolution. Dass heisst, dass alles vor der Beantwortung der Sozialen Frage (Was passiert, wenn es mehr Macht gegen die bestehenden Verhältnisse gibt als Macht für die bestehenden Verhältnisse?) sich gegen die Menschen richten muss, die die bestehenden Verhältnisse unterstützen. Erst bei der Beantwortung der Sozialen Frage wird das "sozial" der Revolution einsetzen, wenn es sich denn um eine Soziale Revolution handelt.

Vor der Beantwortung der Sozialen Frage sind die SozialarbeiterInnen gleich KapitalarbeiterInnen! Sie stellen sich gegen die Revolution, sorgen dafür, dass die bestehenden Verhältnisse nicht umgestürzt werden. Nur Menschen die soziale Einrichtungen vor der Beantwortung der Sozialen Frage angreifen sind radikal - Revolutionäre SozialarbeiterInnen.



Revolutionäre Sozialarbeit

Sozialarbeiterin 25.04.2009 - 15:19
"Vor der Beantwortung der Sozialen Frage sind die SozialarbeiterInnen gleich KapitalarbeiterInnen! Sie stellen sich gegen die Revolution, sorgen dafür, dass die bestehenden Verhältnisse nicht umgestürzt werden. Nur Menschen die soziale Einrichtungen vor der Beantwortung der Sozialen Frage angreifen sind radikal - Revolutionäre SozialarbeiterInnen."

Was soll das? Vor der Beantwortung der Sozialen Frage sollen also soziale Einrichtungen angegriffen werden - richtig?

Wenn ich dies positiv auslege heißt es: die Strukturen der Sozialen Arbeit angreifen, das heißt die Politik angreifen, die Soziale Arbeit als Sozialpolizei begreift. Da kann ich gut mitgehen!

Aber ich finde es auch gut, wenn SozialarbeiterInnen beginnen nicht das zu tun, was von ihnen in der Regel erwartet wird, sondern die Soziale Frage in die Bevölkerung tragen und mit ihnen gemeinsam Wege suchen und dabei ein Verständnis entsteht, was wir eigentlich für eine Gesellschaft wollen und welche wir derzeit sind. Wenn Menschen begreifen, dass es an ihnen liegt, die Strukturen und Machtverhältnisse in Frage zu stellen und dagegen aktiv zu werden, wenn Menschen ihre Rassismen und Vorurteile ablegen und merken, dass der Frust bei ihnen und viele Problemlagen aus einem systmischen Herrschaftverhältnis heraus entsteht, wenn sie begreifen, dass sie doch etwas verändern können, dann entwickelt dies Selbstbewußtsein gegenüber Herrschenden Verhältnissen, PolitikerInnen, Polizei und es eröffnet politisch neue Möglichkeiten. Der Aktionsraum wird größer. Genau dies ist das Konzept von radikaler Gemeinwesenarbeit, die leider nach den 70er Jahren in Vergessenheit geraten ist. Die Idee der GWA, insbesondere die Ansätze von Alinsky waren, dass Sozialarbeit zu aller erst eine politische Arbeit ist, die zwar beim Einzelnen ansetzt, aber das Ganze im Blick hat - es war eine klare Positionierung auf Seiten der "Unterdrückten". Nicht die Einzelfallarbeit mit Abhängigmachung, nicht die Beruhigungsstrategie einer Scheindemokratie, nicht die psychologisierung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu individuellen Problemen und nicht das Auseinandernehmen der Gesellschaft in verschiedenen "Zielgruppen" sondern immer Alle.

Insofern ist der Ansatz in der Warthestraße gut, er sollte jedoch von politisch links Denkenden und Handelnden auch aufgenommen werden, so dass es eben Straßenversammlungen gibt, die Unabhängig von Staatsknete und proffessioneller Sozialarbeit Lernprozesse ermöglichen, wo bestimmte Themen tabuloser aufgeriffen werden können und Diskussionen entstehen, die Eigentum, Konsum und Vereinzelung in den Kontext des Kapitalistischen Wirtschaftsystems stellen. Hier wird sich zeigen, ob wir voneinander lernen können...

@ Sozialarbeiterin

Roland Ionas Bialke 26.04.2009 - 20:39
Ich danke Dir für Deine Ergänzung! Du verfügst über bessere sprachliche Mittel als ich und arbeitest wahrscheinlich konzentrierter. Du scheinst auch mehr Erfahrung als ich zu haben, denn von GWA bzw. "Strassenversammlungen" wusste ich nichts. 1970 habe ich noch nicht gelebt. Ich habe nicht die Zeit und die Kraft jedes Buch zu lesen, jeden Menschen zu fragen.

Mit Deiner Ergänzung stimme ich soweit überein, soweit ich sie verstehe. Ich brtrachte meine Arbeit mit einen sozialen Blick, in Zukunft werden keine SozialarbeiterInnen gebrauchst, weil jeder und jede sich um seine Mitmenschen kümmert. In der Gegenwart sieht das aber (auch bei mir) anders aus. Darum will ich, dass die bestehenden Verhältnisse umgestürzt werden. Logisch ist aber, dass wenn ich gegen einen Umsturz arbeite, dann bin ich nicht dafür. Du hast dann das was ich meinte richtig verstanden und die richtigen Worte dafür gefunden.